Protocol of the Session on June 20, 2001

Auch die für dieses Jahr noch geplante Anpassung der Gebührenordnung für Ärzte und Zahnärzte an die Besoldung im öffentlichen Dienst und die Bezugnahme auf eine optimierte Grundlohnsummenentwicklung für Honorare sind erste positive Schritte.

Der Wunsch vieler Kassenärzte, die Transfergelder aus dem Risikostrukturausgleich teilweise in die Honorartöpfe umzuleiten, aber auch ein zusätzlicher Solidaritätsbeitrag der Kassenärztlichen Vereinigungen West für die Kassenärztlichen Vereinigungen Ost sind rechtlich und politisch gegenwärtig nicht durchsetzbar.

Meine Damen und Herren! Grundsatz sozialdemokratischer Gesundheitspolitik ist neben der Nichtanfechtbarkeit des Solidarprinzips das Bekenntnis zur Beitragsstabilität. Daran darf nicht gerüttelt werden, da die Höhe der Lohnnebenkosten bekanntlich eine enorme Bedeutung für die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen hat.

Um die Beitragsstabilität zu gewährleisten, müssen im Gesundheitswesen alle Ressourcen und Wirtschaftlichkeitsreserven ausgeschöpft werden. Dazu gehören z. B. neue, effiziente Formen der Arzneimittelbudgetierung, die die Globalbudgets durch fachgruppenspezifische Budgets ersetzen. Hier ist der Dialog zwischen Medizinern, den Kassen und der Politik zwingend nötig. Nicht Konfrontation, sondern Kooperation ist notwendig.

Erste positive Ergebnisse sind bereits erreicht. Ich erinnere nur an die geplante Abschaffung des Kollektivregresses bei Arzneimittelbudgetüberschreitung. Im Land Brandenburg ist mit der Aufstockung des Budgets für 1999 als Bezugsgröße um 7 % ein in meinen Augen hinnehmbarer Kompromiss gefunden worden.

Eine in jedem Fall ganz wichtige Maßnahme zur angestrebten Kostendämpfung ist die bessere Verzahnung verschiedener Facharztgruppen untereinander und mit den regionalen stationären Einrichtungen.

Mit der Einführung diagnosebezogener Vergütungssysteme in der Krankenhausversorgung werden medizinische Leistungen schon in Kürze für Kostenträger transparent und damit vergleichbar. Für die Leistungserbringer werden sie ein enormer Anreiz für den ökonomischen Umgang mit den verfügbaren Mitteln sein.

Meine Damen und Herren! Jährlich stehen im Gesundheitswesen fast 500 Milliarden DM zur Verfügung - eine Summe, die auch für eine hoch technisierte Medizin ausreichend wäre, wenn die vorhandenen finanziellen Mittel einem besseren Management unterlägen.

Der durch die Bundesgesundheitsministerin einberufene runde Tisch zur Zukunft des Gesundheitswesens ist dabei, konkrete Maßnahmen zu erarbeiten, um die bestmögliche Versorgung der Patientinnen und Patienten zu ermöglichen. - Ich darf mich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das Wort geht an die DVU-Fraktion. Für sie spricht die Abgeordnete Frau Fechner.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das eigentliche Ziel der Gesundheitsreform war eine Verbesserung

der Versorgungsstrukturen. Sie sollten so verändert werden, dass sie sich an den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten ausrichten. Bisherige Unterversorgung - etwa für chronisch Kranke oder im Bereich der Gesundheitsförderung - sollte behoben und Überversorgungen, zum Beispiel in der Großgeräteausstattung, im Arzneimittelverbrauch oder bei der Bettenzahl in Krankenhäusern, sollten abgebaut werden. Deshalb sollte der Weg für eine verstärkte Zusammenarbeit im Gesundheitswesen freigemacht werden.

Die Zusammenarbeit zwischen den Berufen des Gesundheitswesens und zwischen ambulanter und stationärer Versorgung sollte verbessert werden. Die medizinische Versorgung sollte sich mehr als bisher nach den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten richten.

Menschlichkeit statt Bevormundung und Verwaltung - das sollte die Richtschnur sein. Dafür sollten die Weichen gestellt werden, indem man die Position der Hausärzte deutlich verbesserte.

Ein weiteres Ziel der Gesundheitsreform war eine bessere Gesundheitsförderung und -prävention.

Meine Damen und Herren, mit etwas Enttäuschung habe ich die Fragen und demzufolge auch die daraus resultierenden Antworten der Landesregierung auf die Große Anfrage der PDS, die unter der Überschrift „Ergebnisse der Gesundheitsreform 2000” stand, zur Kenntnis nehmen müssen. Konkrete Erkenntnisse zu den Ergebnissen der Gesundheitsreform kann man der Antwort auf die Große Anfrage nicht entnehmen. Vieles ist vielmehr allgemein gehalten.

Nichtsdestotrotz war diese Anfrage nicht ganz umsonst. So konnte man ihr zum Beispiel entnehmen, dass die Landesregierung grundsätzlich die Gesamtzahl der Hausärzte als ausreichend ansieht. Gleichwohl wird aber auch erkannt, dass in einigen Kreisen eine Unterversorgung mit Allgemeinmedizinern festzustellen ist, obwohl in Abständen von jeweils drei Jahren durch die Kassenärztliche Vereinigung im Einvernehmen mit den Verbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen sowie im Einvernehmen mit dem Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen ein Bedarfsplan erstellt wird.

Die Landesregierung hat erkannt, dass trotz der regelmäßigen und umfassenden Untersuchungen Versorgungsdefizite nicht immer auszuschließen und zeitnah zu beheben sind.

Erwähnenswert ist die Tatsache, dass auch gleich eine Begründung dafür folgt. Als Begründung wird angegeben, dass keine zukunftsorientierte Planung mithilfe einer Prognoseberechnung zum Beispiel unter Einbeziehung der Altersstruktur der zurzeit niedergelassenen Ärzte erfolgte. Nachdem nun die Ursache erkannt ist, bleibt zu hoffen, dass das Problem auch gelöst wird.

In der Antwort auf die Frage 11 wird noch einmal deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Kassenärztliche Vereinigung und nicht die Landesregierung die vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen hat. Jedoch hat die Landesregierung keinen Zweifel daran, dass die Kassenärztliche Vereinigung diese Aufgabe angemessen wahrnimmt.

Die Menschen, die in den Randgebieten unseres Bundeslandes leben, haben allerdings ihre berechtigten Zweifel, denn dass die

ärztliche Versorgung in etlichen Kreisen unseres Landes, so zum Beispiel in der Uckermark, in der Lausitz oder in der Prignitz, nicht vergleichbar ist mit der zum Beispiel in Potsdam, dürfte auch der Landesregierung bekannt sein. Allerdings ist für die Landesregierung eine Gefahr für die Sicherung einer flächendeckenden ambulanten Versorgung nicht erkennbar, zumal ja auch die Kassenärztliche Vereinigung gemeinsam mit den Krankenkassen Initiativen zur Stärkung der Versorgung in den ländlichen Gebieten ergriffen hat. Um welche konkreten Initiativen es sich hierbei handelt, ist der Antwort leider nicht zu entnehmen.

Meine Damen und Herren, Ziel der Gesundheitsreform 2000 war es, den Anspruch auf eine qualitativ hochwertige Versorgung zu sichern und die Qualität der Versorgung zu verbessern. Jedoch scheint dies im Land Brandenburg noch nicht flächendeckend gelungen zu sein. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Wir sind bei der CDU-Fraktion. Herr Dr. Wagner, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Frau Kollegin Birkholz, gleich eingangs, abweichend von allen vorbereiteten Dingen: In einem Punkt stimme ich mit Ihnen voll überein - die Gesundheitsreform war keine solche. Sie war ein Versuch; sie ist kläglich gescheitert. Wir müssen mit dem leben, was Frau Schmidt tagtäglich zu heilen versucht.

In einem anderen Punkt stimme ich mit Ihnen überhaupt nicht überein; da möchte man schon fast annehmen, dass Sie der Heuchelei das Wort reden. Wenn die Landesregierung den Versuch unternimmt, mit dem Budget endlich Ruhe ins Geschäft zu bringen, dabei Augenmaß beweist, dann stellen Sie, die Sie das so lange eingefordert haben, sich an einer anderen Stelle hin und sagen: Das ist ja schlimm, dass man hier wieder Schleusen öffnet.

(Beifall bei der CDU)

Das zeigt - es würde mich sehr traurig machen, wenn es zuträfe, vor allen Dingen, weil ich Sie als Kollegin schätze -, dass Sie sich entweder mit der Problematik überhaupt nicht befassen oder mit den Leuten draußen nicht reden. Denn die Zweiklassenmedizin hat Einzug gehalten, ob wir es wollen oder nicht.

Meine Damen und Herren! Der Bericht der Landesregierung zur Großen Anfrage der PDS, die notwendig war - das ist gar keine Frage -, ist nach meiner Meinung bei aller Kritik maßvoll und von gehörigem Sachverstand. Das liegt auch daran, dass die Krankenkassen und die Kassenärztliche Vereinigung mit einbezogen worden sind.

Ich könnte es, wie ich schon eingangs gesagt habe, kurz machen und sagen: Die Gesundheitsreform hat nicht stattgefunden. Aber so leicht will ich es mir nicht machen. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf einige Punkte lenken.

So sehr es die Vernunft gebietet, der Gesundheitsförderung, der

-prävention und der Selbsthilfe einen entscheidenden Stellenwert zuzuordnen, so schwer ist es, diese effektiv zu gestalten. Das weiß jeder, der sich damit tagtäglich befasst. Für sein Wohlergehen, für die Pflege seiner Gesundheit - das muss eindeutig gesagt werden - ist zuerst stets der einzelne Versicherte selbst verantwortlich. Die meisten Bemühungen zur Prävention, die durch Krankenkassen unterstützt und durch die Ärzteschaft und andere begleitet werden, scheitern seit Menschengedenken an der mangelnden Bereitschaft der Menschen, zum Beispiel vernünftig zu essen, nicht zu rauchen und ausreichende Ruhezeiten einzuhalten - getreu dem Wahlspruch des mündigen Patienten: Geliebt, gelebt, geraucht, gesoffen und alles nun vom Doktor hoffen. - Anders ausgedrückt: Wer den Schlüssel zu den menschlichen Gewohnheiten hat, wird Sieger der Präventionsbemühungen sein. Ich habe ihn nicht.

Neben all den aufgeführten und in der Wirksamkeit sehr umstrittenen Maßnahmen in diesem Papier gibt es zweifelsohne Präventionsbemühungen, die in ihrem Rang nicht zu unterschätzen sind. Ich meine hiermit neben den effektiven Untersuchungen und Reihenuntersuchungen besonders die Impfungen. Hier wäre es sinnvoll, wenn wir im Land Brandenburg gemeinsam überlegen könnten, den Krankenkassen zu empfehlen, solchen Impfungen wie der gegen Hepatitis A, Impfungen gegen Frühsommer-Meningoencephalitis und Pneumokokkenerkrankung endlich das Wort zu reden und sie mit in den Leistungskatalog aufzunehmen.

Summa summarum: Gesundheitsförderung und -prävention muss in den Köpfen der Menschen beginnen. Sie ist weniger eine Frage des Portemonnaies. Die Rolle des öffentlichen Gesundheitsdienstes, Frau Birkholz und verehrter Kollege Kallenbach, schätze ich genauso ein wie Sie. Wir müssen hier aufpassen, dass es uns gelingt, eine entsprechende Unterstützung zur Aufrechterhaltung eines handlungsfähigen Apparates des öffentlichen Gesundheitsdienstes durch Förderung der Fachärzte für öffentlichen Gesundheitsdienst zu erreichen. Die ersten Anfänge, Herr Minister Ziel, sind ja vor einiger Zeit gemacht worden.

Obwohl in unserem Land insgesamt 3 171 so genannte Vertragsärztinnen und Vertragsärzte tätig sind, davon lediglich 148 Ärzte in Polikliniken, die hier für meine Begriffe immer viel zu hochgeredet werden, gibt es Gebiete in Brandenburg mit hausärztlicher und insbesondere allgemeinärztlicher Unterversorgung. Frau Birkholz, ich gebe Ihnen vollkommen Recht, das ist sehr, sehr bedrückend.

Die Uckermark sei hier genannt und auch der Spree-Neiße Kreis, der Kreis Oberspreewald-Lausitz und auch ein solcher Kreis wie Ostprignitz-Ruppin. Hier sind Allgemeinarztpraxen trotz großer Bemühungen der Kassenärztlichen Vereinigung und der Kommunen - auch die Kommunen sind hier am Ball - oft nicht mehr nachzubesetzen. In diesen Regionen konnten von 48 ausgeschriebenen Arztsitzen 41 nicht besetzt werden.

Ähnlich problematisch - dies wird nirgendwo erwähnt, entspricht aber den Tatsachen - wird sich die Situation in drei bis vier Jahren bei der Versorgung durch ambulante Kinderärzte darstellen. In dieser Fachrichtung schlägt die demographische Entwicklung unbarmherzig zu. Eine Nachbesetzung ist nicht zu erwarten, da auch die Kliniken nicht über ausreichenden Nachwuchs in dieser Sparte verfügen. Ich bin in dieser Fachgruppe

fast einer der „Säuglinge”. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.

Gleichfalls verheerend, wenn auch in der Großen Anfrage nur marginal angesprochen, sieht es im stationären Sektor aus. Frau Birkholz, Sie erinnern sich sicherlich an eine Aussage der Landesärztekammer, die von einem Mangel im stationären Bereich in der Größenordnung von 600 Ärzten spricht. Das ist nicht gelogen. Das wissen Sie, das haben Sie auch nie bestritten. Bei dieser Berechnung ist noch nicht einmal das Urteil des EUGH zum Bereitschaftsdienst berücksichtigt.

Wir können diese Situation sicherlich nicht dadurch heilen, dass wir mehr Geld in diesen Bereich stecken und sagen: Wir müssen die Leute mehr ködern. Es muss auch eine Menge dafür getan werden, dass der Osten der Bundesrepublik nicht systematisch kaputtgeredet wird. Solche Dinge wie der Report der frustrierten Gattin eines Chefarztes aus Frankfurt (Oder) - Sie werden sich daran erinnern - und auch die Vorkommnisse im sächsischen Sebnitz nach dem Motto: Erst urteilen und verurteilen und dann recherchieren!, führen nicht dazu, dass der Osten attraktiver wird und man sich in Grenznähe niederlassen will. Hierin liegen die Hauptprobleme.

Ich gebe Ihnen Recht, dass die Einführung des Wohnortprinzips bei überregionalen Kassen und die Änderung des Fremdkassenausgleichs, die Frau Schmidt jetzt aktiv in die Hand genommmen hat, für eine Verbesserung der Patientenversorgung im Osten sorgen wird. Aber lassen Sie mich an dieser Stelle auch sagen: Es wird zwingend notwendig sein, die Bemessungsgrundlage, von der aus die Verteilung erfolgt, im Osten und Westen auf eine einheitliche Basis zu stellen.

Zurzeit - das sagt kein Mensch - fließt bei diesen bundeseinheitlichen Kassen, insbesondere bei den BKK, noch viel Geld von Ost nach West. Teilweise gelangen nur 30 % der eingezahlten Beträge der Ost-Versicherten wieder zu ihnen und stehen dann der Versorgung zur Verfügung.

Die bessere Verzahnung von ambulanter und stationärer medizinischer Versorgung ist ein Wunschtraum nicht nur von Gesundheitsökonomen, sondern auch von Medizinern. Man geht immer von der Grundthese aus: Wenn man mehr voneinander weiß, dann ist die Versorgung objektiver, dann ist die Versorgung besser. Das ist auch richtig.

Ich will aber eines ganz kritisch sagen. Mit der Beibehaltung der sektoralen Budgetierung - das Globalbudget wäre keine Lösung gewesen -, sodass das Geld entweder nur im stationären oder nur im ambulanten Bereich eingesetzt werden darf, ist es nicht möglich, eine echte integrierte Versorung zu erreichen. Der § 140 b ff. wird dadurch wirkungslos.

Frau Birkholz, Sie haben es vorhin erwähnt. Der verkrampfte Versuch einer jeden Regierung - ich sage: einer jeden Regierung - in der Vergangenheit, dem Dogma der Beitragssatzstabilität zu huldigen, ist jeweils in der zu erwartenden Weise honoriert worden. Die demographische Entwicklung der Bevölkerung wir haben eine langsame, schleichende Überalterung; damit müssen wir uns einfach abfinden - und der medizinisch-pharmazeutische Fortschritt, den man ja nicht aufhalten möchte, haben diese Doktrin stets ad absurdum geführt. Krankheiten orientieren sich niemals am Beitragsvolumen der Versicherten. Sie sind

biologischen Gesetzen unterworfen. Sie sehen es heute in Hessen, wo die Beitragssätze erhöht werden. Auch Baden-Württemberg denkt darüber nach, eventuell die Beitragssätze zu erhöhen.

Herr Präsident, ich bin sofort fertig. Aber eines muss noch gesagt werden. - Stabile Beitragssätze kann es nur geben, wenn wir bereit sind, den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen zu entrümpeln - diese können kein Geld drucken -, so wie das in der Ära Seehofer schon einmal unter CDU-Führung begonnen, dann aber leider billigen und unüberlegten Wahlversprechen der SPD geopfert wurde, was man jetzt mit Sicherheit in vielen Fällen bedauert.

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss Ihrer Rede.