Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie bereits erwähnt, legt die PDS-Fraktion dem Landtag den Zweiten Entwurf eines Chancengleichheitsgesetzes für Behinderte vor. Man könnte ihn auch als zweiten Anlauf bezeichnen, denn vor gut zwei Jahren, in der Endphase der 2. Legislaturperiode, lag ein solcher Entwurf schon einmal vor. Da die Legislaturperiode mit der Sommerpause zu Ende ging, konnte die Behandlung im Ausschuss nicht mehr abgeschlossen werden.
Ich erinnere daran, dass es damals durchaus kritische Stimmen seitens der Betroffenen gab und der Entwurf hinsichtlich seiner handwerklichen Qualität insgesamt nicht wirklich überzeugen konnte. Der Grund dafür, dass die SPD-Fraktion schon damals für eine Überweisung gestimmt hat - ich nehme vorweg, wir sprechen uns auch heute für die Überweisung des vorliegenden Entwurfes aus -, war das aus unserer Sicht unstrittige Grundanliegen in Form eines Gesetzes, das Gleichbehandlungsgebot von Grundgesetz und Landesverfassung für die behinderten Menschen in Brandenburg zu konkretisieren.
Gestatten Sie mir eine kurze Bemerkung zur Situation auf Bundesebene. Mit dem Gesetz zur Förderung der Beschäftigung Schwerbehinderter und mit dem SGB IX - die Inhalte sind oft dargestellt worden; angesichts der kurzen Redezeit möchte ich nicht näher darauf eingehen - hat die Bundesregierung bereits zwei große Gesetzesvorhaben zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Behinderten erfolgreich abgeschlossen. Folgen muss nun das Chancengleichheitsgesetz, an dessen Entwurf auf Regierungsebene gerade gearbeitet wird.
Es ist unübersehbar, dass behindertenpolitisch viel in Bewegung ist. Das bestärkt mich in der Auffassung, dass Brandenburg hierbei nicht abseits stehen darf. Deshalb verbinde ich mit der Überweisung des Gesetzentwurfes der PDS-Fraktion heute die Erwartung, dass die Landesregierung so bald wie möglich einen eigenen Gesetzentwurf vorlegt.
Es wäre sinnvoll, über beide Entwürfe in den Ausschüssen zusammen zu beraten. Inhaltlich möchte ich an dieser Stelle noch nicht ins Detail gehen. Für die Diskussion einzelner Punkte, vielleicht auch solcher, die jetzt im Gesetzentwurf der PDSFraktion nicht enthalten sind, besteht im Rahmen der Ausschussberatungen genügend Gelegenheit.
Einer Illusion sollten wir uns auf keinen Fall hingeben, und zwar, dass Brandenburg ein Chancengleichheitsgesetz bekommen wird, das umfangreiche Mehrkosten zur Folge hat. Dennoch erscheint mir Regelungsbedarf - ob als gesetzliche Festschreibung bereits üblicher Praxis oder als effektive Verbesserung an einigen Stellen - gegeben. Ich denke dabei zum Beispiel an die Berücksichtigung der Belange Behinderter beim Denkmalschutz oder an die Frage, ob im Rahmen der Mietwohnungsbauförderung der pflichtige Anteil an barrierefreien Wohnungen erhöht werden sollte.
In diesem Sinne hoffe ich auf eine konstruktive Beratung in den Fachausschüssen, an die der Gesetzentwurf überwiesen wird.
Eine kleine Anmerkung, Frau Bednarsky: Einige Passagen Ihrer Rede, die zwar heute sehr abgemildert waren, veranlassen mich aber dennoch zu einer Klarstellung: Auch ich bin regelmäßig mit Behindertenverbänden und Interessenvertretern im Land unterwegs und spreche mit ihnen. Insofern würde ich es als fair empfinden, wenn Sie hier nicht den Eindruck erwecken würden, dass es echtes Engagement nur vonseiten der PDS-Fraktion gebe und ein Alleinvertretungsanspruch von ihr bestehe.
Lassen Sie uns die Haushaltsdiskussionen dort führen, wo sie hingehören, nämlich in den Haushaltsberatungen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem vor kurzem das Land Sachsen-Anhalt ein Gleichstellungsgesetz für Behinderte verabschiedet hat, hat nun auch die Brandenburger PDS-Fraktion dieses aufgegriffen und einen Gesetzentwurf erarbeitet, der die Rechte der Behinderten stärken soll.
Inhaltlich unterscheidet sich der Gesetzentwurf der Brandenburger PDS-Fraktion nicht wesentlich von dem der PDS-Fraktion in Sachsen-Anhalt. Einiges wurde weggelassen, einiges wurde ergänzt. Ich werde aber nicht auf die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede eingehen.
Vielmehr stellt sich die Frage: Braucht das Land Brandenburg überhaupt ein Gesetz zur Herstellung von Chancengleichheit für
Menschen mit Behinderungen, zumal im Grundgesetz das Benachteiligungsverbot von Behinderten fest verankert ist? Auch gibt es ab 1. Juli ein neues Gesetzeswerk, welches Behinderten bundesweit mehr gleichberechtigte Teilhabe in Beruf und Gesellschaft ermöglicht.
Die Novelle, bei der es sich um das 600 Seiten starke Sozialgesetzbuch IX handelt, enthält viele Neuerungen. So ist vorgesehen, den behördlichen Zuständigkeitsdschungel zu lichten, Verfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen. Des Weiteren erhalten Behinderte einen Rechtsanspruch auf Arbeitsassistenten, etwa einen Vorleser für Blinde oder einen Gebärdendolmetscher für Taubstumme. Das alles wird mit Kosten verbunden sein. Als Finanzmehrbedarf hat der Behindertenbeauftragte beim Bundesarbeitsministerium 500 Millionen DM angemeldet. Auch dem Land Brandenburg werden zwangsläufig Kosten entstehen. Behinderte sind aber zuerst Menschen und nicht nur Kostenfaktoren. Eine menschenwürdige Integration ist nun einmal nicht zum Nulltarif zu haben.
Meine Damen und Herren! Die geplanten Verbesserungen für Behinderte sind einschneidend, doch ohne Finanzierungssicherheit werden sie letztendlich nur Makulatur sein. Es bleibt zu hoffen, dass trotz ständiger Geldnot in der Landeskasse Gelder für die Umsetzung des Gesetzes zur Verfügung stehen werden.
Das Anliegen dieses Gesetzentwurfes verdient unsere Unterstützung, jedoch werden eine Reihe von Fragen aufgeworfen, die in den jeweiligen Ausschüssen geklärt werden müssen. So ist zum Beispiel zu klären, ob die Kompetenz des Landesbeauftragten nicht zu weit geht, wenn er das Recht erhält, eigene Anträge an die Landesregierung zu stellen, oder wer für die Finanzierung der hauptamtlich tätigen Beauftragten für die Integration von Menschen mit Behinderungen aufkommt. Wie die Finanzlage in den meisten Kreisen und kreisfreien Städten aussieht, dürfte allgemein bekannt sein. Ferner stellt sich die Frage, ob nicht auch eine Änderung des Hochschulgesetzes notwendig ist.
Sie sehen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass es noch viel Klärungsbedarf gibt. Deshalb werden wir den vorliegenden Gesetzentwurf ablehnen, einer Überweisung in die Ausschüsse aber zustimmen. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Werdegang zur Einbringung des Gesetzes zur Herstellung von Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen im Land Brandenburg wurde schon durch die Vorrednerinnen dargestellt. Heute stehen wir wieder hier, weil es ein Problem ist, dass über ein Gesetz geregelt werden soll. Ich möchte das aus einem anderen Blickwinkel betrachten.
Es ist eigentlich schlimm genug, dass wir das für Menschen, die einfach nicht in der Lage sind, ihr Leben so zu regeln und zu
leben, wie wir es zum Teil können, per Gesetz regeln müssen und es uns nicht gelingt, sie ganz selbstverständlich zu integrieren.
Chancengleichheit im Sinne des Herstellens einer vollkommenen Gerechtigkeit gibt es meiner Ansicht nach nicht. Im eigentlichen Sinne gibt es die absolute Chancengleichheit für niemanden. Es gibt aber für jeden von uns die Verpflichtung zur Rücksichtnahme, zu Hilfe und Unterstützung für Menschen, die aus eigener Kraft das eigene Leben nicht mehr in vollem Umfang gestalten können. Aus dieser Verantwortung kann sich niemand von uns stehlen, zumal diese Forderung sowohl im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland als auch in Artikel 12 der Landesverfassung verankert ist.
Ich möchte an dieser Stelle auch sagen - Frau Schildhauer-Gaffrey bezog sich ebenfalls darauf -: Wir wollen auch sehen, was in den elf Jahren nach der Wiedervereinigung auf dem Gebiet der Behindertenarbeit passiert ist. Das muss man einfach auch gerecht einschätzen.
Ich kann mich noch an eine Begegnung erinnern. Als ich 1988 in die alte Bundesrepublik reisen durfte, fand ich am Rathaus von Herne in Westfalen neben einer Klingel ein Schild - nicht nur, dass die Rampe und die behindertengerechte Ausstattung mich beeindruckten; denn so etwas kannte ich nicht von Rathäusern -, auf dem stand: Bitte klingeln Sie, wenn Sie Hilfe brauchen! Es war also neben den gegebenen Erleichterungen noch einmal der Hinweis angebracht worden: Wenn es dennoch irgendwo klemmt, wir sind für Sie da. In dem Zusammenhang erinnere ich an den Kampf, den wir zu führen hatten, als ein behindertes Kind in eine Kindereinrichtung, die behindertengerecht ausgebaut war, aufgenommen werden sollte. Letztlich scheiterte es an den Verwaltungsentscheidungen, an Menschen wie uns, den so genannten Gesunden. Das ist das Beschämende.
Ich will in der Diskussion zum Gleichstellungsgesetz auch darauf hinweisen, dass viele Regelungen bereits staatlich festgelegt sind, aber es an der stringenten Umsetzung, an der Handhabung durch die so genannten Gesunden, scheitert.
Es ist immer bedenklich, wenn wir Regularien und Gesetze schaffen müssen, um ein Problem zu regeln, oder glauben, es damit regeln zu können. Ich denke, auch die Art und Weise, wie man dann damit umgeht, ist ganz entscheidend.
Zu Ihrem vorliegenden Gesetzentwurf vielleicht so viel - Frau Schildhauer-Gaffrey hat sich bereits auf viele Positionen bezogen -: Ich denke, dass wir im Ausschuss noch einmal über Formulierungen sprechen und eindeutige Aussagen treffen müssen, um wirklich Klarheit für Betroffene und die mit der Umsetzung der gesetzlichen Regelungen Befassten zu gewährleisten.
Politik für behinderte Menschen ist immer eine Querschnittsaufgabe. Sie betrifft viele Ressorts. Anhand der Stellungnahmen des Behindertenverbandes zum vorliegenden Gesetzentwurf wird auch deutlich, dass die Betroffenen selbst noch eine Korrektur und Nachregulierungen für sinnvoll halten.
Ich denke, dass wir auch berücksichtigen sollten, dass eine besonders gründliche Befassung mit ihren Problemen auf den verschiedenen Feldern unserer Gesellschaft notwendig ist, um nicht im Vorfeld Hoffnungen zu wecken, die wir dann sowohl
Es gilt das Prinzip, dass wir uns im Ausschuss noch einmal fachlich verständigen und uns auch mit den betroffenen Wohlfahrtsverbänden und sonstigen so beschäftigen, dass wir ihre Probleme noch effizienter einbringen können.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der PDS-Fraktion, Sie wissen ganz genau, wie viel wir für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen getan haben, und Sie wissen ebenso, was wir auf diesem Gebiet nicht tun können. Dabei sind wir uns in der Sache durchaus einig. Wir wollen beide, dass Menschen mit Behinderungen umfassender teilhaben an gesellschaftlicher Entwicklung. Da liegen unsere Absichten und Ansätze zu einem Chancengleichheitsgesetz gar nicht so weit auseinander. Doch wir müssen bei allem auch realistisch bleiben. Sie kennen die Haushaltsspielräume sehr genau. Erhebliche Mehrkosten sind nun einmal nicht drin. Das wäre zum Beispiel mit Ihrem Vorschlag zur Erweiterung des anspruchsberechtigten Personenkreises beim Landespflegegeld der Fall. 5,6 Millionen Euro Mehrkosten - wissen Sie, woher das Geld kommen soll? Ich meine, in genauer Kenntnis unserer Situation sollten wir mit solchen Vorschlägen sehr vorsichtig sein.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung wird parallel zur Bundesgesetzgebung einen eigenen Entwurf zur Chancengleichheit einbringen. Ich will zugeben, ich war sehr wohl der Auffassung, dass wir zunächst das Bundesgesetz abwarten sollten. Der Bund setzt mit seiner Gesetzgebung immerhin den Rahmen für die gesamte Bundesrepublik Deutschland. Dieses Gesetz sollte demnächst auf dem Tisch liegen. Nachdem aber die Vertreter des Bundes gesagt haben, sie hätten gar nichts dagegen, wenn wir das selbst parallel oder sogar schneller machten, tun wir dies. Wir wollen es parallel zur Bundesgesetzgebung erarbeiten. Dabei werden wir den bundesweiten Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik berücksichtigen. Menschen mit Behinderungen und ihre Organisationen wollen weg vom ausschließlichen Fürsorgeprinzip. Sie wollen hin zu größerer Selbstbestimmung und Teilhabe. Dem trägt zum Beispiel das neue SGB IX, die Fachleute wissen es, Rehabilitations- und Teilhabegesetz, Rechnung. Es soll im Juli in Kraft treten.
Bereits im vergangenen Jahr haben wir eine Analyse, das ist hier angesprochen worden, in Auftrag gegeben, die Landesgesetze nach Defiziten zu durchforsten, die Menschen mit Behinderungen benachteiligen oder gar diskriminieren. Das Ergebnis dieser Analyse liegt allen Ressorts vor, die nun ihrerseits einen möglichen Handlungsbedarf prüfen. Das große Echo zeigt, dass wir damit auf dem richtigen Weg sind. Wir werden daraus differenziert nach Behinderungsarten und Benachteiligungen Handlungsspielräume ableiten.
Meine Damen und Herren, in vielen Fällen wäre schon viel erreicht, wenn das geltende Recht tatsächlich ausgeschöpft würde. Ich denke nur an das barrierefreie öffentliche Bauen oder an die Mitwirkungsrechte von Behindertenorganisationen. Auch auf Bund-Länder-Ebene laufen diesbezügliche Aktivitäten. Seit Anfang Juni arbeitet eine länderübergreifende Projektgruppe die Leitung hat Rheinland-Pfalz, Brandenburg ist ebenfalls beteiligt - an einer Gleichstellungsgesetzgebung. Europa soll auch für Menschen mit Behinderungen barrierefrei sein. Auch aus diesem Grund ist ein Gleichstellungsgesetz wichtiger Bestandteil der Bundespolitik. Andere Länder, wie Frankreich und Schweden, haben schon Vergleichbares. Da will und muss Deutschland mitziehen.
Meine Damen und Herren, auch wir wollen ein Chancengleichheitsgesetz. Aber wir sind Realisten und wollen deshalb ein finanzierbares Gesetz. Über Inhalt und Form dieses Gesetzes müssen wir diskutieren, vor allem auch mit den Behindertenorganisationen selbst. Das wollen wir gemeinsam tun. - Vielen Dank.