Protocol of the Session on May 17, 2001

3. Lesung

Weiterhin liegen Ihnen der Entschließungsantrag der Fraktion der DVU in Drucksache 3/2791 sowie der Entschließungsantrag der Fraktion der PDS in Drucksache 3/2820 vor.

Ich eröffne die Aussprache. Für die SPD-Fraktion erhält der Abgeordnete Fritsch das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten wenigen Damen und Herren! Mit dem Nachtragshaushalt 2001 haben wir eine Momentaufnahme der Finanzpolitik des Landes Brandenburg vor uns, sozusagen ein Standbild aus dem Film, dessen Regieanweisung lautet: Konsolidierung bis 2004.

Der Weg dorthin ist zugegebenermaßen hinreichend unübersichtlich. Die gestrige Debatte über die Erwartungen an die nächste Steuerschätzung hat dies deutlich genug gezeigt. Wir alle wissen, dass Nettoneuverschuldung null bis 2004 gleichzeitig auch heißt: steigende Zinslasten auf über 600 DM pro Einwohner und Jahr bis 2004, mit weiter steigender Tendenz.

Dies zeigt überdeutlich: Unser Bezug darf nicht - wie gestern die Sendung „Wünsch Dir was” sein, sondern wir müssen Bezug auf die andere beliebte Sendung „Sind Sie sicher?” nehmen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Meine Damen und Herren, die zähen Verhandlungen zum Länderfinanzausgleich, um die EU-Zuschüsse im Rahmen der Osterweiterung und nun auch die jüngste Analyse der OECD, deren Schlussfolgerung die Reduzierung der Subventionierung Ostdeutschlands bedeutet, zeigen, dass die Bereitschaft zu weiterer finanzieller Unterstützung des Ostens zunehmender Motivation durch eigene Anstrengung der neuen Bundesländer bedarf. Bei künftig deutlicher Reduzierung der Transferleistung für Brandenburg kann sich das Land zunehmend nur aus eigener Kraft entwickeln. Diese Kraft ist begrenzt. Sie darf nicht vergeudet werden. Sie muss verstärkt punktuell eingesetzt werden, nämlich da, wo sie am meisten wirkt.

Deshalb haben die Koalitionsfraktionen in getrennten Klausuren beraten und sind dennoch zu inhaltlich gleichen Konsequenzen gekommen, nämlich dass die künftig zu treffenden finanzpolitischen Enscheidungen in jedem Fall nach den vereinbarten Kriterien zu beurteilen sind.

Über die zwischen den Koalitionsfraktionen vereinbarten Aufträge an die Landesregierung hat der Kollege Mike Bischoff gestern bereits berichtet.

Zu den Kriterien gehören die Anzahl neuer beziehungsweise die Erhaltung bestehender Arbeitsplätze - selbst finanzierte Arbeitsplätze sind hier selbstverständlich gemeint, nicht die in den Landesbehörden -, die Wertschöpfung, das Aufkommen bei Unternehmenssteuer, Einkommensteuer und Umsatzsteuer, das Bruttosozialprodukt und Ähnliches mehr. Finanzpolitische Entscheidungen, die diesen Kriterien in hohem Maße entsprechen, werden Priorität vor solchen Entscheidungen haben, die diese Kriterien nicht in ausreichendem Maße erfüllen. Dabei werden wir nicht von unliebsamen und schmerzhaften Kürzungen verschont werden und wir werden uns teilweise auch von lieb gewordenen Politikfeldern verabschieden müssen. Dies

gilt besonders für alle Aktivitäten, die dauerhaft Folgekosten verursachen.

Es geht also nicht um so schlichte Entscheidungsmuster wie Investitionen contra Arbeitsförderung oder Bildung gegen innere Sicherheit. Vor dem Hintergrund der von uns festgelegten Kriterien ist Investition nicht gleich Investition und Arbeitsförderung nicht gleich Arbeitsförderung.

Im Wesentlichen geht es uns dabei um die Kofinanzierung von Drittmitteln. Die Koalitionspartner wissen sehr genau: Dazu müssen Landesmittel frei sein. Denn weitere Schulden hätten wir auch mit der PDS machen können.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der PDS)

Deshalb müssen, so bitter das in manchen Fällen sein mag, auch die personalwirksamen Ausgaben innerhalb und außerhalb der Landesverwaltung auf den Prüfstand gestellt werden. Denn das sind reine Landesmittel.

(Beifall des Abgeordneten Bischoff [SPD])

Der so spannende Streit um die Zahl der Stellen und der Beschäftigungspositionen interessiert mich, ehrlich gesagt, herzlich wenig. Wir brauchen den Betrag, der dahinter steht, mit dem wir Drittmittel kofinanzieren wollen. Dabei werden Ländervergleiche und Benchmarking auch auf der Ressortebene - so haben wir es formuliert - sicherlich sehr hilfreich sein. Dies betrifft sowohl die Organisationsstrukturen als auch das Zuschussverhalten der einzelnen Ressorts. Schattenhaushalte und Schattenstellenpläne sind hierbei wenig hilfreich. Landesinteresse geht vor Ressortinteresse.

(Beifall bei CDU und SPD)

Wir hoffen insgeheim, damit parteiinternen Streit und auch Streit zwischen den Parteien zu vermeiden.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ein praktisches Beispiel geben, um diese erklärungsbedürftige Formulierung verständlich zu machen.

Stellen Sie sich vor, ein Minister muss zu einem bestimmten Termin eine Entscheidung treffen und braucht eine fachliche Zuarbeit. Er sagt dies seinem Staatssekretär, eventuell sogar seinem Büroleiter. Dann wandert der Antrag über den Abteilungsleiter, den Referatsleiter und den Referenten an den Sachbearbeiter. Dieser formuliert eine Anforderung an irgendeine obere, mittlere oder untere Landesbehörde und deren Behördenleiter leitet sie über den Dezernenten, Referatsleiter, Referenten an einen gut ausgebildeten und wirklich kundigen Mitarbeiter weiter. Der schreibt die Antwort in 60 Minuten in seinen Computer. Sie läuft auf dem selben Weg zurück bis zum Minister, versehen mit einer ellenlangen Mitzeichnungsliste, die den Fleiß des Hauses belegt. Der Minister liest sie und ist hoch zufrieden mit der guten Arbeit - drei Tage, nachdem er die Entscheidung möglicherweise etwas suboptimal - getroffen hat.

(Beifall bei SPD und CDU)

Meine Damen und Herren, ich will deutlich sagen: Ich bin dankbar dafür, dass ich ein solches Beispiel in meinem praktischen

Leben nicht erdulden musste. Aber nach dieser Methode haben Organisationswissenschaftler Stellenkegel, Gehaltskegel, Besoldungsgruppen nach der Zahl von Hierarchieebenen erfunden und verteidigen sie bis heute hartnäckig. Ich glaube, Brandenburgs Zukunft lässt sich viel besser und wirksamer mit Wissen, Fleiß und Ideen befördern. Das soll dann auch gut bezahlt werden.

(Beifall bei SPD und CDU)

Aber auch unser Beispielminister lernt dazu. Das nächste Mal weiß er schon, wer Ahnung hat, ruft ihn an und sagt: Maile mir doch bitte die Antwort bis heute Abend auf meinen PC in mein Büro; dann kann ich sie morgen früh ausdrucken.

Ich will jetzt aufhören, „Späth am Abend” Konkurrenz zu machen. Aber noch zwei Bemerkungen zu diesem Thema.

Erstens: Der Minister darf diesen Mitarbeiter niemals zum Abteilungsleiter machen. Sie ahnen schon, warum: Wer mailt dann die Antwort?

(Beifall bei SPD und CDU - Zuruf von der SPD: Peter- Prinzip!)

Zweitens: Zu diesem Thema kann und soll uns der Landesrechnungshof mit seinem Erfahrungsschatz mehr helfen, als dies die Staatskanzlei bisher einsehen und akzeptieren will.

(Beifall bei SPD und CDU)

Meine Damen und Herren, Organisation hat aber auch noch einen anderen Aspekt. Trotz reger Bautätigkeit in der Vergangenheit ist die Unterbringung der Landesregierung noch nicht abgeschlossen. Ich will keinen Vergleich zu dem Chaos ziehen, das das Berlin-Bonn-Gesetz angerichtet hat. Aber auch bei uns lässt sich durch Konzentration der Standorte und durch die Aufgabe teurer Mietobjekte die Effektivität der Arbeit weiter steigern und der Betriebskostenanteil weiter deutlich senken.

Dies erfordert ein Gesamtkonzept unter Einschluss der sonstigen Landesbehörden - soweit sie nicht künftig entbehrlich sein werden - und liefert einen Beitrag zur Vorbereitung der BerlinBrandenburg-Fusion.

Meine Damen und Herren, vielleicht gelingt es uns ja damit, einen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit der Region Berlin-Brandenburg im Herzen Europas zu leisten, in der es sich, wie ich glaube, lohnt zu leben - auch für die Jugend, Frau Dr. Schröder, der wir allen Mut machen wollen und deren Zukunft wir nicht schlechtreden wollen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU - Widerspruch bei der PDS)

Das Wort geht an die PDS-Fraktion. Herr Prof. Bisky, bitte sehr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Etwas Besseres als einen Doppelhaushalt hätte es für Brandenburg gar nicht geben

können, behauptet die Regierung und verkauft uns ihren Konsolidierungskurs als Erfolg. Obendrein sind Sie auch noch stolz darauf, nur einen verschwindend geringen Teil der Titel im Nachtragshaushalt 2001 nachgebessert zu haben. Sie sind nachgerade begeistert von Ihrer Haushaltspolitik und nur darüber verärgert, dass die Opposition Ihre Begeisterung nicht teilen kann.

(Beifall bei der PDS)

Wir halten es da, meine Damen und Herren, mit einer weisen und nachdenkenswerten Erkenntnis von Julius Fröbel, dem Freund und Kampfgefährten Robert Blums. 1848, in der Zeit der Revolution, schrieb Julius Fröbel dem Fräulein Adler in ihr Album:

„Es ist der Fehler des deutschen Volkes, dass die Verständigen nicht begeistert sind und die Begeisterten wenig Verstand haben.”

(Heiterkeit und Beifall bei der PDS)

Wir haben uns gefragt, ob Sie dieses Papier, das Sie „Nachtragshaushalt” nennen, wirklich ernst meinen. Wir sind zu dem Schluss gekommen: Sie meinen es ernst, weil Sie das Parlament nicht mehr ganz so ernst nehmen.

Was soll ein Nachtragshaushalt, der die globale Minderausgabe von 240 Millionen DM ein halbes Jahr vor Ultimo immer noch nicht tilgt, und was soll ein Nachtragshaushalt, der eine Haushaltssperre von 160 Millionen DM nicht in den Haushaltsplan einarbeitet?

Sie untergraben die Budgethoheit des Parlaments. Solche Summen am Parlament vorbei zu verwalten ist nicht verfassungswidrig, aber auf jeden Fall verfassungsabartig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der PDS)

Wir sagen der Landesregierung: Ihr Zweijahresplan ist nicht aufgegangen. Sie sind mit Ihrem Konsolidierungskurs ganz eindeutig gescheitert.

Wenn ich mich recht erinnere, war es das Hauptziel einer großen Koalition, den brandenburgischen Landeshaushalt zu konsolidieren. Während Sie eine Haushaltspolitik der Erhöhung der Nettokreditaufnahme praktizieren, tönen Sie gegen uns, wir sollten ja keine Erhöhung der Nettokreditaufnahme fordern,

(Richtig! und Beifall bei der PDS)

was wir im Übrigen seit 1997 nicht getan haben, also 1998 nicht, 1999 nicht, 2000 nicht und auch jetzt beim Nachtragshaushalt nicht.