Protocol of the Session on April 4, 2001

statt die Gehälter der Politiker einschließlich der Abgeordnetendiäten ständig zu erhöhen, statt all dem müssen endlich steuerliche, finanzielle, soziale Anreize für junge deutsche Familien geschaffen werden,

(Zuruf des Abgeordneten Homeyer [CDU])

damit sich diese ihre Kinderwünsche erfüllen können. Dem dient unser Antrag.

Und, meine Damen und Herren gerade von der PDS-Fraktion, ich denke, dass Sie keine Probleme haben werden, unserem Antrag zuzustimmen,

(Unruhe bei der PDS)

nachdem Ihr Fraktionsvorsitzender, Herr Prof. Dr. Bisky, heute früh in der Aktuellen Stunde gefordert hat, mehr für die Familien zu tun. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an den Abgeordneten Klein, der erneut für die Koalitionsfraktionen spricht.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich drehe meine Rede etwas um und beginne mit dem Ende.

(Allgemeine Heiterkeit)

Das Ende heißt: Der Antrag der DVU-Fraktion wird abgelehnt. Warum?

Der Antrag verknüpft Familien- mit Bevölkerungspolitik. Diese Betrachtungsweise lehnen wir ab. Familienpolitik ist keineswegs auf Bevölkerungspolitik zu reduzieren. Vielmehr gilt es, durch eine ausgewogene Förderung die Rahmenbedingungen für

Familien mit Kindern zu verbessern. Statt Kinderprämien zu fordern, muss der strukturellen Familienfeindlichkeit im Erwerbsleben und im Alltag begegnet werden. Dazu gehören verbesserte Rahmenbedingungen. Familien wollen sich nicht über ein staatliches Erziehungsgeld finanzieren, sondern über Erwerbsarbeit.

Das auf den Weg gebrachte familienpolitische Programm der rot-grünen Regierung ist ein Schritt in die richtige Richtung und bestätigt unseren Weg. Ich nenne Ihnen einige Punkte.

Erstens: Seit 1998 wurde die Summe, die der Staat für Familien ausgibt, von rund 78,6 Milliarden DM auf knapp 95 Milliarden DM im Jahre 2000 erhöht.

Zweitens: Das Kindergeld für das erste und zweite Kind wurde in zwei Stufen von monatlich 220 DM auf 270 DM erhöht. Eine solche Steigerung gab es noch nie. Damit befindet sich Deutschland nach Luxemburg an zweiter Stelle in der EU.

Drittens: Mit der Steuerreform wurde insgesamt Steuergerechtigkeit für Familien geschaffen. Im Vergleich zu 1998 zahlt eine Durchschnittsfamilie mit zwei Kindern in der Endstufe der Steuerreform im Jahre 2005 über 4 000 DM weniger Steuern. Im Jahre 2001 sind es immerhin knapp 3 000 DM.

Viertens: Der oben genannte Antrag der DVU-Fraktion ist Augenwischerei; denn bereits heute bekommen Eltern mit unterem und mittlerem Einkommen - bis etwa 32 000 DM Nettoeinkommen - in den ersten zwei Lebensjahren ihres Kindes fast 870 DM je Monat und Kind. Eine weitere Erhöhung des Kindergeldes ist, wie Sie wissen, für 2002 geplant.

1 000 DM Familiengeld, wie von der DVU gefordert, wären zudem sozial ungerecht, weil eine sozial schwache Familie nur 130 DM bekäme und eine mit höherem Einkommen 730 DM. Eine solche Ungerechtigkeit machen wir nicht mit.

Jetzt wiederhole ich mich: Wir lehnen den Antrag ab.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das Wort geht an die PDS-Fraktion. Für sie spricht die Abgeordnete Frau Birkholz.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die DVU-Fraktion bietet uns - und das übrigens nicht zum ersten Mal - einen Antrag, in dem einfach ein paar Schlagworte zusammengerührt werden.

Man kann und muss die Abwanderung aus Brandenburg und insbesondere aus bestimmten Regionen wie der Lausitz zu Recht beklagen. Diese Abwanderung in andere Regionen der Bundesrepublik allerdings mit der bundesweiten Einführung eines Familiengeldes stoppen zu wollen entbehrt jeder Logik. Schließlich verschwendet die DVU auch keinen Gedanken an die finanzielle Untersetzung ihres Vorschlages.

In Brandenburg leben etwa 430 000 Kinder und Jugendliche

unter 18 Jahren. 1 000 DM Familiengeld kosten demnach etwa 430 Millionen DM pro Monat und 5,2 Milliarden DM pro Jahr. Davon könnten wir etwa wieder ein Viertel abziehen. Das entspricht dem derzeitigen Kindergeld, welches einbezogen werden soll. Es bleibt unter dem Strich eine bescheidene Summe von 3,8 Milliarden DM.

(Zuruf des Abgeordneten Schuldt [DVU])

Kurz und gut: Der Antrag bietet keinerlei Anknüpfungspunkt für eine sachbezogene Diskussion. Die PDS-Fraktion lehnt ihn ab. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke, womit wir bei der Landesregierung wären. - Sie verzichtet. Das bedeutet: Wir sind am Ende der Rednerliste und kommen zur Abstimmung. Die Fraktion der DVU beantragt die Überweisung ihres Antrages an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen - federführend - sowie zur Mitberatung an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport.

Wer diesem Überweisungsansinnen folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Überweisung abgelehnt.

Wir kommen damit zur Abstimmung in der Sache. Wer dem Antrag folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 13 und rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Niedersorbische Sprache und Kultur in Brandenburger Schulen

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/2571

Wir treten mit dem Beitrag von Herrn Dr. Trunschke, der für die beantragende Fraktion spricht, in die Aussprache ein.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Niedersorbische Sprache und Kultur in Brandenburger Schulen” das ist kein Bildungs- bzw. Hochschulthema wie andere auch.

Unser Antrag, dem Beratungen sowohl im Rat für sorbischwendische Angelegenheiten als auch im Bildungs- und Wissenschaftsausschuss vorausgingen, berührt vielmehr eine Grundfrage der Minderheitenpolitik in Deutschland und in Brandenburg; er berührt die Rechtsstellung der einzigen in Brandenburg lebenden autochthonen nationalen Minderheit, der Niederlausitzer Sorben. Es geht um die niedersorbische Sprache und Kultur, die bis heute bewahrt wurde und die es weiter zu bewahren gilt.

Nun werden einige von Ihnen vielleicht sagen: Die zuständigen

Ausschüsse haben beraten und das Ministerium kümmert sich um die Ausbildung in Leipzig - warum also noch einmal das Plenum damit befassen?

Meine Damen und Herren, Sie hätten Recht, wenn es tatsächlich nur um die etwa 20 Leute ginge, die zeitgleich Niedersorbisch studieren. Doch es geht um mehr.

Die Sprache ist wesentliches Mittel zur Kommunikation zwischen den Angehörigen eines Volkes bzw. einer Volksgruppe. Über die Sprache vermittelt sich Geschichte und Kultur; über die Sprache bleiben Traditionen wach, wird Zusammengehörigkeit befördert.

Aus gutem Grund folgte deshalb dem Rahmenabkommen des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten auch die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen, der Bundestag und Bundesrat für die Bundesrepublik Deutschland und die Länder 1998 zugestimmt haben. In dieser Charta wurde das Niedersorbische als selbstständige Minderheitensprache im Land Brandenburg anerkannt, ausdrücklich „... in der Erwägung, dass der Schutz der geschichtlich gewachsenen Minderheitensprachen Europas, von denen einige allmählich zu verschwinden drohen, zur Erhaltung und Entwicklung der Traditionen und des kulturellen Reichtums Europas beiträgt...” - also Reichtum nicht nur der Sorben selbst, sondern von uns Deutschen, von allen Europäern.

Das ist die Dimension, um die es bei unserem Antrag geht. Er ist deshalb mehr als nur eine Ressortangelegenheit. Er betrifft die ganze Landesregierung und auch den ganzen Landtag. Als Abgeordnete im Heimatland der niedersorbisch sprechenden Sorben sollten wir uns daher alle erforderliche Zeit nehmen, wenn es um deren vielleicht wichtigstes Kulturgut, die Sprache, geht.

Dass das Niedersorbische heute eine vom Aussterben bedrohte Sprache ist, ist vor allem Ergebnis staatlicher Politik in diesem Landstrich: von direkter Repression wegen des Gebrauchs dieser Sprache in Preußen und während des Faschismus bis hin zu einem wachsenden Assimilierungsdruck infolge von Industrialisierung und Beschränkungen im sorbischen Schulwesen in der Niederlausitz, auch in den 40 Jahren der DDR.

Seit 1990 bemühen sich allerdings viele um die Revitalisierung des Niedersorbischen - auch mit Unterstützung der „Stiftung für das sorbische Volk”. Steigende Schülerzahlen im SorbischUnterricht sind Beleg dafür, dass diese Bemühungen Erfolg versprechen.

Soll das Niedersorbische aber eine Zukunft haben, dann reicht es nicht, dass sich Brandenburg mittels Rechtsvorschrift zu seiner Verantwortung für die Ausbildung von Lehrkräften bekennt, nach der das Land die Ausbildung von Sprachlehrern, von Fachlehrern für den bilingualen Unterricht sowie von Fachlehrern, die in allen Schulen das Landes Brandenburg Kenntnisse über die sorbische Kultur vermitteln sollen, abzusichern hat. Das Land muss sich nicht nur zu seiner Pflicht bekennen, es muss diese Ausbildung auch tatsächlich in der notwendigen Qualität und Quantität gewährleisten.

Zweifelsohne kann das Institut für Sorabistik in Leipzig einen Beitrag zum Erhalt der niedersorbischen Sprache leisten, al

lerdings nur, wenn die Ausbildung stärker an den Bedürfnissen des Niedersorbischen ausgerichtet würde. Ob das aber ausreicht, um die anspruchsvollen Ziele, die Landtag und Landesregierung in Bezug auf die Vermittlung von niedersorbischer Sprache und Kultur formuliert haben und die für die Erhaltung der Sprache im Alltag erforderlich sind, zu erreichen, wage ich weiter zu bezweifeln. Lieber einmal mehr messen, bevor geschnitten wird. Lieber erst ein komplettes Konzept für den Erhalt und die Förderung des Niedersorbischen im Landtag debattieren, bevor ausgerechnet im „Europäischen Jahr der Sprachen” ein erfolgreiches Modellprojekt für die Qualifizierung in niedersorbischer Sprache an der Universität Potsdam abgewickelt und die Verantwortung durch die Finanzierung einer halben Mitarbeiterstelle zu großen Teilen auf den Freistaat Sachsen verlagert wird.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich einiges zu den Argumenten sagen, die gegen die Fortsetzung der Niedersorbisch-Ausbildung in Potsdam immer wieder in der Debatte zu hören waren.