Protocol of the Session on February 28, 2001

Ich möchte an dieser Stelle deutlich die Frage stellen: Wer von Ihnen möchte diese Arbeit machen? Wer würde sich mit einem solchen Gehalt zufrieden geben? Das sage ich bewusst angesichts der aktuellen Diätendiskussion.

(Beifall bei der PDS)

Unabhängig von der Beantwortung der Frage halten die Verfasser der Studie zum 610-Stellen-Programm langfristig 800 Stellen für nötig.

Noch einmal: Es ist unredlich, im Zusammenhang mit der SAM-Diskussion die Expertensicht von der fehlenden Beziehungskontinuität als Argumentationskeule zu schwingen.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Dazu sind die Instrumentarien zu unvollkommen.

Auf die sachlich kürzeste Form gebracht, kann sich die Motivation für die Proteste von Kindern, Jugendlichen, Sozialarbeitern, Netzplanern in Seelow und in Strausberg, in Storkow und in der Prignitz wie folgt lesen: Die tragende Säule der Jugendarbeit ist wegen der gesicherten Finanzierung das Personalkostenförderprogramm P 610. Hier werden 42 pädagogische Fachkräfte eingesetzt. Das Kontingent für MOL ist voll ausgelastet. Dies ist auch erforderlich, um die Zuschüsse von der LASA für SAM-Stellen zu erhalten. Der Anteil an SAM-Stellen beträgt ca. 70 bis 80 Stellen.

Am schlimmsten treffen die phantasielosen Einsparvorschläge der Landesregierung wieder einmal die Jugendarbeit im ländlichen Raum. Entsprechend deutlich formulieren es auch die Betroffenen. Ich zitiere aus der Resolution des Jugendhilfeausschusses Landkreis Ostprignitz-Ruppin:

„Das in den Richtlinien benannte Ziel, einen Beitrag zur Verbesserung des Angebots in der Jugendhilfe zu leisten, ist mit dem für den Landkreis festgelegten Kontingent in Höhe von 10 SAM-Stellen völlig verfehlt worden.”

(Beifall bei der PDS)

„Bisher waren es im Landkreis 73 SAM-Stellen im Bereich der Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit, die über das Land Brandenburg, das heißt die LASA, kofinanziert wurden. Durch diese drastische Reduzierung der Stellen wird der größte Bruch seit der Wende in der Jugendhilfe vollzogen.”

Die PDS-Fraktion hat im vergangenen Jahr eine Praktikumsarbeit in Auftrag gegeben, die genau die Strukturen der Freizeitbetreuung von Jugendlichen auf dem Lande untersuchen sollte.

Die drei Autorinnen leiten ihre Studie wie folgt ein:

„Die Landesverfassung des Landes Brandenburg legt in Artikel 27 Abs. 6 fest: Das Land, die Gemeinden und Gemeindeverbände...”

- also in Eintracht, Herr Reiche -

„... fördern unabhängig von der Trägerschaft Kindertagesstätten und Jugendfreizeiteinrichtungen.”

In SGB VIII § 11 Abs. 1 ist weiterhin festgelegt:

„Jungen Menschen sind die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen.”

Unter der Überschrift „Jugendklub Wusterhausen” erfahren wir den Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit wie folgt:

„Die Jugendeinrichtung in Wusterhausen wirkt wie ein großes Wohnzimmer. Die Wände sind voll mit Postern und Werbeplakaten und die Räume vollgestellt mit uralten Sesseln, Stühlen, Tischen, einer riesigen Couch und einer großen Schrankwand inklusive Fernseher. Viele dieser

Einrichtungsgegenstände sind leider nicht nur alt, sondern auch kaputt. Geld für die Neuanschaffung oder Reparatur ist nicht da. Was fehlt, ist ein Telefon.”

Zur Arbeitskräftesituation schreiben die Autorinnen:

„Zur Eröffnung der Baracke gab es zwei Mitarbeiter auf ABM-Basis. Mittlerweile gibt es nicht einmal mehr eine vollständige SAM-Stelle. Für zehn...”

- ich betone das -

„... Jugendeinrichtungen gibt es eine Koordinatorin, welche eine Stelle aus dem 610-Stellen-Programm inne hat, und zwei Mitarbeiterinnen mit SAM-Stellen. Die Koordinatorin ist mehr für Büroarbeiten zuständig. Die anderen zwei Mitarbeiterinnen haben sich die zehn Jugendklubs aufgeteilt.”

Das war der Stand im Jahr 2000.

Während in den größeren Städten zwar Leistungsreduktionen die Folge sind, aber wenigstens die Einrichtungen erhalten bleiben, werden auf dem Lande, insbesondere in den strukturschwachen Regionen, ganze Netzwerke der Jugendfreizeitarbeit zusammenbrechen.

(Beifall bei der PDS)

Die ersten Konkurse sind in Potsdam bekannt geworden. Darüber ist auch in der „Märkischen Allgemeinen Zeitung” geschrieben worden. Die Vereine haben aus diesen Gründen Konkurs angemeldet.

Die Autorinnen der Praktikumsarbeit „Jugend in Brandenburg” haben sehr deutlich auf den Zusammenhang von Mängeln an Betreuungsangeboten und so genannten „national befreiten Zonen” aufmerksam gemacht. Die Schlussfolgerung könnte heißen: Wo wir nicht sind, sind die anderen.

Abgesehen davon ermöglicht genau diese Synthese aus Festanstellung, ABM und SAM die viel gepriesene ehrenamtliche Arbeit. Andersherum gefragt: Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, mit welch geringem materiellem Aufwand es möglich ist, Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen Lebensmotivation zu geben?

(Beifall bei der PDS)

Mit einer Sicht in dieser Dimension wendet sich auch der Vorsitzende des Landesjugendhilfeausschusses, Herr Thomas Gleißner, an Herrn Minister Reiche und somit an uns alle. Er führt unter anderem aus:

„Wir sehen die Kommunen und die Landesregierung in der Verantwortung, eine auf Dauer angelegte, tragfähige und qualitativ wirksame Basis für die Sicherung der Grundstrukturen von Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit zu schaffen. Es muss festgestellt werden, dass dies in Brandenburg bisher nicht in gebotenem Maße gelungen ist. Deshalb fordern wir Sie als Mitglied der Landesregierung auf, einen Verständigungsprozess zum qualifizierten

Aufbau der Jugendhilfe in Gang zu setzen. Zu diesem Zweck regen wir eine Enquetekommission ‘Jugend’ zur Entwicklung und Qualifizierung der Jugendarbeit/ Jugendsozialarbeit an.”

(Beifall bei der PDS)

Die PDS-Fraktion im Landtag Brandenburg unterstützt dieses Anliegen - das wird Sie nicht verwundern - mit ganzer Kraft.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren! Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, möchte ich ganz herzlich eine Delegation aus der Russischen Föderativen Republik begrüßen. Diese Delegation besteht aus Mitgliedern der Staatsduma, der zentralen Wahlkommission, der Stiftung zur Förderung des Parlamentarismus, aus den Leitern des Büros für die Ebert-Stiftung und aus einem Begleiter, der gleichzeitig dolmetscht. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Das Wort geht an den Abgeordneten Kuhnert. Er spricht für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist richtig, dass wir im Doppelhaushalt einen Sparbeitrag von 77,5 Millionen DM aus dem Titel der aktiven Arbeitsmarktpolitik geleistet haben. Das hat aber auch seinen Grund, nämlich die notwendige Haushaltskonsolidierung.

Herr Hammer, Sie sollten fairerweise wenigstens erwähnen, warum hier gespart wird. Es wird nicht gespart, weil es irgendjemandem hier Spaß macht, sondern es wird um der Jugend willen gespart.

Wir zahlen täglich 4 Millionen DM an Zinsen. Das ist umgerechnet bereits die Kofinanzierung von 400 Stellen in Strukturanpassungsmaßnahmen. Wenn wir die Verschuldung weiter so ungebremst betreiben, verspielen wir die Zukunft der Generation, von der wir heute sprechen.

(Beifall bei SPD, CDU und DVU)

Denn dann ist der Schuldenberg in jener Zeit so hoch, dass ein Landtag bzw. eine Regierung überhaupt nicht mehr handlungsfähig sind.

(Frau Stobrawa [PDS]: Sie waren doch zehn Jahre lang an der Regierung!)

- Ja, wissen Sie, den unfehlbaren Politiker gibt es nicht.

(Frau Stobrawa [PDS]: Das ist unfair!)

- Den hat es in den letzten zehn Jahren nicht gegeben, den hat es aber auch in den 40 Jahren zuvor nicht gegeben. Der Scherben