Ich danke dem Abgeordneten Bischoff. - Meine Damen und Herren. wir sind damit am Ende der Aktuellen Stunde angekommen. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 2 und rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:
Gesetz zu dem Zweiten Staatsvertrag über die Änderung des I.andesplanungsvertrages und zur Änderung des Brandenburgischen Landesplanungsgesetzes sowie des Gesetzes zur Einführung der Regionalplanung und der Braunkohlen- und Sanierungsplanung im Land Brandenburg
Es wurde zwischen den Fraktionen vereinbart, keine Debatte zu führen, sodass ich sofort zur Abstimmung kommen kann. Das Präsidium empfiehlt Ihnen die Überweisung des Gesetzentwurfes - Drucksache 3/2217 - an den Hauptausschuss - federführend - und mitheratend an den Ausschuss für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung. Wer dieser Überweisungsempfehlung folgt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstirnmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist einstimmig so beschlossen worden.
Ich schließe den Tagesordnungspunkt 3 und unterbreche die Sitzung des Landtages zu einer Mittagspause bis 13 Uhr.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne den Nachmittagsteil der 29. Sitzung des Landtages Brandenburg. Ein Antrag zur Geschäftsordnung? - Herr Vietze. bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hatten heute früh im Zusammenhang mit dem Beschluss zur Tagesordnung die Situation, dass durch Einspruch von fünf Abgeordneten ein Sachverhalt in der Einordnung keine Berücksichtigung gefunden hat. Es ging dabei um die Vorziehung der Diskussion über das Polizeireformgesetz. Gestern war von unserer Fraktion beantragt worden, als Tagesordnungspunkt 15 unseren Antrag "Strategien zur Überwindung des Wohnungsleerstandes in strukturschwachen Regionen der neuen Länder" aufzunehmen. Die Verfahrensweise bei solchen Sachverhalten war bisher so,
dass bei Einvernehmen - das bestand am gestrigen Tag - so verfahren wird, dass dieser Antrag als letzter Tagesordnungspunkt auf die Tagesordnung gesetzt wird. Demzufolge stelle ich den Antrag, unserem Anliegen stattzugeben und über diesen Tagesordnungspunkt heute zu verhandeln. Der zu diesem Tagesordnungspunkt sprechende Abgeordnete unserer Fraktion kann an der morgigen Sitzung nicht teilnehmen.
Gibt es Bemerkungen? - Dann würde ich auch hierzu den 100 der Geschäftsordnung in Anspruch nehmen. Wer dem zustimmt, möge die Hand aufheben, - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist das einstimmig so beschlossen worden. Die heutige Tagesordnung wird damit um diesen Tagesordnungspunkt. der als letzter hinzugefügt wird, ergänzt.
Gesetz zur Reform der Gemeindestruktur und zur Stärkung der Verwaltungskraft der Gemeinden im Land Brandenburg
Gesetz über die Grundsätze der Gemeindegebietsreform im Land Brandenburg (Brandenburgi- sches Gemeindegehietsreformgrundsätzegesetz - BbgGemGehRefGG)
Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung. Herr Minister Schönbohm, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Entschließung des Landtages vom 20. September 2000 wird die Landesregierung aufgefordert, die erforderlichen flankierenden Gesetzesänderungen spätestens bis zum Frühjahr 2001 vorzulegen.
Mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf kommt die Landesregierung dieser Aufforderung nach. Ich möchte allen, die daran mitgewirkt haben, danken, dass uns das so schnell gelungen ist.
Was ist der wesentliche Inhalt dieses Gesetzentwurfes? Er befördert freiwillige und leitbi ldgerechte Zusammenschlüsse von Gemeinden. Er löst Personalfragen, die Folge der Gemeinde
neugliederung sind, sachgerecht und sozialverträglich. Er verhilft denjenigen Gemeinden, die das wollen, zu einer starken Ortsteilverfassung. Er stärkt unter Abschaffung der Ämtermodelle 2 und 3 die verbleibenden Ämter. in denen eine Mindestbzw. Höchstzahl der Gemeinden mit einer regelmäßigen Mindestzahl von 500 Einwohnern in einem Amt festgelegt wird. Er flankiert die Gemeindeneugliederung durch die Anpassung kommunalwahlrechtlicher Vorschriften.
Aufbau bzw. Fortentwicklung kommunaler Strukturen unter Wahrung der Identität. Die Wahrung der Identität war in allen bisherigen Diskussionen ein sehr wichtiger Punkt. Das wird auch in Zukunft so bleiben. Ich darf verkürzt ausgedrückt sagen: Die Kirche bleibt im Dorf, ebenso das Feuerwehrhaus.
Wir wollen damit die vorhandene kleinteilige Gebietsstruktur überwinden und die Gemeinden stärken. weil ein Flächenland und das Gemeinwesen nicht nur von den Landkreisen leben kann, sondern ebenso leistungsstarke und attraktive Gemeinden braucht.
Es sind landauf, landab Befürchtungen dahin gehend geäußert worden, dass mit diesen leitbildgercchten Lösungen der Zentralismus Einzug halten würde. Diese Befürchtungen sind unbegründet. Ich möchte einer häufig geäußerten Angst an dieser Stelle eindeutig entgegentreten. Das betrifft die Sorge, dass die Landesregierung mit den Leitlinien und dem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf flächendeckend der so genannten Einheitsgemeinde das Wort redet. Wer das behauptet, hat entwieder die Leitlinien nicht gelesen oder beachsichtigt Missinformation.
Es bleibt dabei: Amtsfreie Gemeinde und Amt sind nach unseren Vorstellungen gleichberechtigte Modelle. Sie hängen ab von der jeweiligen räumlichen Gliederung. in der sie liegen. Das hohe persönliche und zeitliche Engagement der kommunalen Verantwortungsträger und der Bürgerinnen und Bürger darf nicht nachlassen. Auch das wollen wir mit diesem Gesetz unterstützen.
Was die Landesregierung hinsichtlich der gesetzlichen Rahmenbedingungen für einen längst fälligen Neuanfang einer kommunalen Gebietsreform tun konnte. hat sie getan. Mein Wunsch und meine Bitte sind daher. dass dieses Gesetz zügig beraten und auch beschlossen wird, damit die Gemeinden bei ihren künftigen Entscheidungen rasch von klaren gesetzlichen Vorgaben Gebrauch machen können. Dann werden wir eine lebendige Diskussion bekommen und Ergebnisse im Sinne des Gemeinwohls unseres Landes erreichen.
Mit ihrer im Zusammenhang mit der Freiwilligkeitsphase für die Gemeinden erstellten Vorlage lässt die PDS-Fraktion die Gemeinden im Stich. Nach § 5 Abs. I Seite 3 dieses Entwurfes soll es bis 2004 keine gesetzlichen Zwangszusammenschlüsse von Gemeinden geben. Konkrete Maßgaben für die Freiwilligkeitsphase werden aber auch nicht gemacht. Da es dem Gesetzentwurf an der notwendigen Bestimmtheit fehlt, bestehen nach einer zügigen Prüfung bereits jetzt Zweifel an der Verfassungs
mäßigkeit dieses Entwurfs. Wie verwirrend muss es eigentlich für den unbefangenen Leser sein, in Ihrem Gesetzentwurf Begriffe wie Gleichartigkeit, Gleichwertigkeit, Gleichberechtigung und Gleichbehandlung zu lesen. ohne dass diese richtig einzuordnen sind? Wo ist ei gentlich Ihr konkretes neues Modell und wo sagen Sie eigentlich, wie Ihre Vorschläge lauten und wie die Vorgaben für eine Gemeindegebietsreform im Lande sind? Wie groß sollen denn nun die Kommunen im Lande sein? Wie viele amtsangehörige Gemeinden soll ein Amt haben? Wie wollen Sie ihre amtliche Tätigkeit im Lande absichern helfen? Wo sind die Aussagen zur Wahlkreisbildung, zur Ortschaftsverfassung und zur Personalübernahme?
Ich frage mich natürlich auch, warum und inwieweit dieser Gesetzentwurf zum jetzigen Zeitpunkt die Gemeinden und Ämter im Land voranbringen soll. Mit politischen Absichtserklärungen allein weckt man bei den Gemeinden die unberechtigte Hoffnung, eine Reform sei nicht erforderlich. und lässt sie in ihrem konkreten Bemühen um sinnvolle neue Strukturen im Stich. Dies ist umso bedauerlicher, als ich am Samstag auf einer Veranstaltung des "kommunalpolitischen forums" der PDS sehr wohl konkreten, sachlich vorgetragenen Beratungsbedarf von kommunalen Vertretern mitgenommen habe. Frau Dr. Enkelmann, wenn Sie ehrlich sind, können Sie doch sagen, dass wir am Samstag ein kritisches und offenes Auditorium vorgefunden haben. Von Fundamentalopposition, wie mehrfach behauptet wurde, war nichts zu spüren. Fragen, Auseinandersetzungen um den richtigen Weg - das gehört in der Demokratie dazu und darum ringen wir auch.
Ich möchte zusammenfasssend feststellen: Das Gemeindereformgrundsätzegesetz wirft die Fragen auf. die das von uns vorgelegte Gemeindereformgesetz insbesondere für die Phase der Freiwilligkeit beantwortet. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 19. November 1808 ging ein Gesetz mit folgender Präambel in die Geschichte ein:
-Der besonders in neuem Zeiten sichtbar gewordene Mangel an angemessenen Bestimmungen in Absicht des städtischen Gemeinwesens und der Vertretung der Stadtgemeine (... und das dringend sich äußernde Bedürfnis einer wirksamem Theilnahme der Bürgerschaft an der Verwaltung des Gemeinwesens, überzeugen Uns von der Nothwendigkeit, den Städten eine selbständigere und bessere Verfassung zu geben, in der Bürgergemeine einen festen Vereinigungs-Punkt gesetzlich zu bilden, ihnen eine thätige Einwirkung auf die Verwaltung des Gemeinwesens beizulegen und durch diese Theilnahme Gemeinsinn zu erregen und zu erhalten."
Wie das künftige Bild der derzeitigen Gemeindestrukturreform in Brandenburg in der Geschichtsbetrachtung aussehen wird, bin ich mir nicht sicher. Wahrscheinlich wird es von ihr heißen, dass damals mehr als 800 rechtlich selbstständigen Gemeinden mit unter 500 Einwohnerinnen und Einwohnern "von oben" ihre Existenzberechtigung abgesprochen wurde. was im Gegensatz zu 1808 nicht zur Stärkung des Gemeinsinns und der Teilnahme der Bürgerschaft an der Gemeinwesenverwaltung führte.
Damals - so wird es heißen - konnte das Innenressort voll durchgreifen, denn selbst die SPD im Landtag stützte durch ihren innenpolitischen Sprecher Schippel diese administrativen Gewaltakte mit der unerträglichen Sprachdiktion, gegen "ineffiziente kommunale Kuschelecken" vorzugehen. uni "Reformverweigerer nicht mehr dauerhaft durchzuschleppen."
Aber es gibt auch eine Parallele zu 1808. Damals gab es kein Parlament als Gesetzgeber, sondern irgendeinen durchnummerierten Friedrich Wilhelm. und heute, möchte man meinen, benimmt sich der Innenminister in Ansätzen so. als ob es in Brandenburg noch immer kein Parlament gäbe.