Wertet man die Entwicklung der Wirtschaftskraft in Brandenburg unter diesem Aspekt, so muss man konstatieren, dass in den zurückliegenden Monaten nicht irgendein Wirtschaftsaufschwung die Situation insgesamt etwas entlastete - Herr Klein hat es ähnlich eingeschätzt -, sondern dies - wie immer in den letzten Jahren - vor allem durch Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik geschah. Die Schaffung von Arbeitsplätzen durch die Wirtschaft wiegt die Verluste von Arbeitsplätzen infolge von Strukturbrüchen und Betriebsschließungen nach wie vor nicht auf. Wirtschaftsaufschwun g und Strukturwandel verlieren offensichtlich an Geschwindigkeit. Das ist bedauerlich.
In der vergangenen Woche konstatierte beispielsweise die Handwerkskammer Cottbus: Das Jahr 2000 endet für das Südbrandenburger Handwerk mit einem neuen Konjunkturtief. Im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung im Land Brandenburg fehlt der Glaube an einen dauerhaften Aufschwung.
Die IHK Frankfurt (Oder) berichtete der Öffentlichkeit im vorigen Monat. dass sich die im Frühjahr 2000 mit Rückblick auf den Jahresabschluss 1999 prognostizierte Aussicht auf eine spürbare Belebung der Konjunktur durch die vorliegenden Herbstergebnisse der Wirtschaft des Oderlandes leider nicht bestätigt hat.
Dass die Wertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe wuchs, dass die Exporte seit November 1999 zunahmen. dass der Industrieumsatz stieg und auch in einzelnen Wirtschaftsbereichen Erfolge erzielt wurden, soll nicht verkannt werden, macht aber auch deutlich, dass die Beschäftigungswirkung aller wirtschaftlichen Anstrengun gen offenbar nicht ausreicht, nachhaltig zur Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit beizutragen.
Es ist offensichtlich Fakt - ich repliziere auch auf die gestrige Rede des Genossen - des Kollegen Dr. Filier,
der heute leider nicht anwesend ist -: Wirtschaftsförderung und unternehmerischer Gewinn sind zweifellos genauso nötig, wie Wertschöpfung als Grundlage sozialen Handelns unabdingbar ist. Aber ohne soziale und ökologische Innovation. die auf die Neubewertung von Erwerbsarbeit setzt und nicht allein auf unternehmerischen Gewinn; ohne eine Innovation. die den gesellschaftlichen Nutzen als Wert von Arbeit und öffentlich geförderte Beschäftigung als Notwendigkeit anerkennt, wird man zwar weiteres Wirtschaftswachstum verzeichnen, aber der hohe Sockel der Arbeitslosigkeit wird bleiben. Darüber müssen wir stärker diskutieren und dann zu konkretem Handeln kommen.
Meine Damen und Herren, eine zweite Bemerkung: Wer heute immernoch meint, dass weitere Millionen Fördermittel, weitere Steuergeschenke an die Großunternehmen, vor allem aber eine rigorose Deregulierung der Wirtschaft die Probleme lösen, hat zumindest ein Wahrnehmungsproblem.
Wenn hier und heute die Lage der Fleischwerke in Eberswalde und Fürstenberg thematisiert wird, frage ich ernsthaft: Ist das Unternehmen tatsächlich an zu wenig Markt gescheitert oder eher an zu wenig politischem Einfluss auf den Markt? Wenn mit Blick auf Eberswalde und Fürstenberg konstatiert werden muss. dass die Produktionsanlagen modern sind. dass der Absatz eigentlich gesichert wäre, dass seit Jahren erhebliche Fördermittel geflossen sind, dann ist doch sehr prinzipiell die Frage zu stellen: Warum funktioniert es dennoch nicht? Wo lag der Fehler denn, wenn nicht in einem ungezügelten Markt, der Aspekte konterkariert, wie sie auch die EU und die Bundesrepublik an anderer Stelle propagieren - etwa die gleichwertige Entwicklung der Regionen oder die beschäftigungspolitischen Ziele der europäischen Verträge?
Ich weiß, dass das Land Brandenburg allein wenig tun kann, um gegen sich vollziehende - übrigens gewollte und nicht von Gott gegebene - ungehemmte Globalisierungsprozesse, gegen eine völlige Deregulierung von Wettbewerbsbedingungen in Europa anzukommen. Aufgabe von Wirtschaftspolitik in Brandenburg sollte es aber sein, solche Rahmenbedingungen für den marktwirtschaftlichen Wettbewerb zu fordern oder selbst zu realisieren, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. soziale Gerechtigkeit sowie ökologische Nachhaltigkeit in allen Regionen des Landes zum Ziel haben. Regionale Wirtschaftskreisläufe insbesondere als notwendiges Gegenstück zur Globalisierung zu fördern hat nichts mit Abschottung zu tun, sondern wäre Ausdruck wirtschaftspolitischer. sozialer und ökologischer Vernunft.
Die Beispiele Eberswalde, Fürstenberg und auch Premnitz zeigen wieder einmal mit Nachdruck: Wir brauchen endlich und auf lange Sicht eine effektive Verzahnung von Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Wir erwarten, dass die Landesregierung nicht nachlässt - hier unterstütze ich ausdrücklich die Bemühungen des Wirtschaftsministers, die er dem Wirtschaftsausschuss gegenüber dargelegt hat Perspektiven für die betroffenen Menschen zu suchen.
Eine dritte Bemerkung: Natürlich muss der Förderdschun gel gelichtet, müssen Unterstützungsmöglichkeiten und deren Strukturen effektiver werden. Die PDS hat sich den initiativen des Wirtschaftsministers zur Schaffung der so genannten Zukunftsagentur nie verschlossen. Aber: Nun sollte das Jahr der Ankündigungen vorbei sein. Wir hoffen im Sinne der Investoren und
Hinzu kommt, dass das Land wenige Tage vor Ende des Jahres noch immer auf die Bestätigung des Operationellen Programms zur Umsetzung der EU-Strukturfonds wartet. Da die Regierung - sicher auch zu Recht - nahezu die gesamte Wirtschaftsförderung und wesentliche Teile der Arbeitsförderung auf die Finanzierung aus EU-Mitteln abgestellt hat, ist die Wirkung im Lande fatal. Der beachtliche Steigerun gseffekt im Landeshaushalt - der ja vor allem der Überlappung der Förderperioden geschuldet ist - verpufft, wenn die neue Förderperiode nicht endlich zum Laufen kommt.
Spätestens heute muss auch die kritische Frage erlaubt sein, woran es denn liegt. dass das Brandenburger Operationelle Programm bisher keine Bestätigung bekommen hat, sondern im Gegenteil - sich die EU mit einem umfassenden Fragenkatalog an das Land wenden musste. Hier kann ich unter anderem die IHK Frankfurt (Oder) nur unterstützen. die energisch fordert. dass die Fördermechanismen im Einzelnen und natürlich im Zusammenhang von EU. Bund und Land dringend auf den Prüfstand gehören.
Meine Damen und Herren! Die Brandenburger Wirtschaft wird den ruinösen Druck der Weltmarktkonkurrenz nur mindern können. wenn die internationale Arbeitsteilung sinnvoll durch regionale und lokale Kooperation und Vernetzung ergänzt wird. Gerade deshalb wollen wir, dass auch InnoRegio-Projekten größte Aufmerksamkeit geschenkt wird. die nicht zu Jury-Ehrungen kamen, die aber - das ist das wertvolle Ergebnis dieses Wettbewerbs - lokale und regionale Innovationen und Initiativen entwickelt haben. die jetzt nicht versickern dürfen. 1-herbei möchte ich als Lausitzer Abgeordneter das länderübergreifende InnoLausitz-Projekt wenigstens erwähnen. Hinzu kommt nicht zuletzt: Wir müssen uns rechtzeitig auf die Osterweiterung der EU hinsichtlich völlig neuer Marktbedingungen einstellen.
Meine Damen und Herren, es geht nicht darum. nur politisch nachzuvollziehen, was sich in der Wirtschaft entwickelt; es geht darum. wirtschaftliche Entwicklungen und deren Förderung immer wieder in die gesellschaftlichen Erfordernisse einzubinden.
Michael Schumann hätte an dieser Stelle gesagt: Das ist der entscheidende Punkt. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich danke Ihnen. Herr Abgeordneter Thiel, und gebe das Wort an die Fraktion der CDU, an den Abgeordneten Homeyer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um das von der DVU beantragte Thema der heutigen Aktuellen Stunde seiner Bedeutung entsprechend zu behandeln, wäre vor allem wirtschaftspolitische Kompetenz der antragstel I enden Fraktion nötig gewesen. Diese aber ließen die Ausführungen von Frau Hesselbarth vermissen.
Meine Damen und Herren, so wird z. B. das Wachstum in der Außenwirtschaft allein der Euro-Schwäche zugerechnet und undifferenziert behauptet, das Wirtschaftswachstum in Brandenburg liege im Vergleich mit allen anderen Bundesländern an letzter Stelle.
Ferner wird aufgrund von Insolvenzanträgen in einer Region Massenarbeitslosigkeit heraufbeschworen - eine durch nichts gerechtfertigte Panikniache. die im Ergebnis zu nichts anderem führt, als den Standort Brandenburg schlechtzureden und ihm damit Schaden zuzufügen.
Die wirtschaftliche Situation im Land stellt sich sehr differenziert dar. Wer das verschweigt oder negiert, wird mit seinen wirtschaftspolitischen Rezepten wenig Erfolg haben. Das Ziel, die Etablierung einer sich selbst tragenden Wirtschaft in Brandenburg, wird nur zu erreichen sein, wenn wir auf der Grundlage einer kritischen Bestandsaufnahme mit den für die brandenburgische Wirtschaftsstruktur notwendigen Instrumenten der Wirtschaftsförderung, aber auch der allgemeinen Rahmensetzung reagieren.
Meine Damen und Herren! Mit großem Respekt möchte ich auf die bisherige Bilanz unseres Wirtschaftsministers Dr. Fümiß verweisen. Nicht nur, dass er über Parteigrenzen hinweg Anerkennung fiir seine Politik erfahrt: auch die positive Entwicklung wichtiger wirtschaftspolitischer Indikatoren macht deutlich, dass der Erfolg für seinen und unseren wirtschaftspolitischen Ansatz spricht.
So ist zu konstatieren, dass Brandenburg hinsichtlich der absoluten Größe der wirtschaftlichen Gesamtleistun g den zweiten Platz unter den neuen Bundesländern einnehmen konnte. Im Hinblick auf die Produktivität. das Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen, nimmt Brandenburg mit 77 200 DM die Spitzenposition unter den neuen Bundesländern ein.
Die Wachstumslokomotive Industrie kommt immer besser in Fahrt. Der Umsatz des verarbeitenden Gewerbes stieg in den ersten Monaten des Jahres 2000 gegenüber der gleichen Vorjahreszeit um 10,8 %. Im Brandenburger Export konnte in den ersten acht Monaten dieses Jahres ein Zuwachs von über 30 % verzeichnet werden - ein wichtiger Indikator dafür, dass es den Unternehmen in unserer Region zunehmend gelingt, mit ihren Produkten neue Märkte zu erschließen. Der Tourismus entwickelt sich mehr und mehr zu einem Wirtschaftsfaktor von Gewicht.
Brandenburg hat sich im Hinblick auf neue Unternehmen zu einem der gründungsfreudigsten Bundesländer entwickelt. Eine wachsende Zahl von Betrieben schafft es dauerhaft, sich am Markt zu etablieren. Der Dienstleistungsbereich entwickelt sich von Jahr zu Jahr schneller und kommt immer besser in Fahrt.
Natürlich stehen wir weiterhin vor großen Problemen. So ist die Zahl der Arbeitsplätze. gemessen am Bedarf, zu niedrig und das Niveau der Arbeitslosigkeit ist viel zu hoch. Eine gewisse Stabi
lisierung der Beschäftigung ist jedoch festzustellen und die Zahl der Arbeitslosen geht seit Jahresmitte 2000 gegenüber dem Vorjahr deutlich zurück.
Wirtschaftsbereiche wie die Bauwirtschaft und der Bergbau. aber auch der Einzelhandel und Teile des Verkehrs drücken auf das positive gesamtwirtschaftliche Ergebnis in Brandenburg. Eine Konjunkturbelebung im brandenburgischen Handwerk steht noch aus.
Die äußerst kritische Situation der Fleischfabriken in Eberswalde und Fürstenberg sowie der Märkischen Viskose GmbH in Premnitz macht ein weiteres Mal deutlich, dass noch große Anstrengungen nötig sind. Aber auch an diesen Beispielen wird deutlich, mit welch großem Engagement unser Wirtschaftsminister uni jeden einzelnen Arbeitsplatz und um jedes Unternehmen in Brandenburg kämpft. Er hat sich in den genannten Fällen persönlich eingeschaltet und zahlreiche Verhandlungen geführt. Wir hoffen, dass eine Lösung gefunden werden kann.
Meine Damen und Herren! Es muss uns allerdings auch bewusst sein. dass die Möglichkeiten staatlicher Hilfe begrenzt sind. Der Staat kann nur korrigierend in den Markt eingreifen: er kann ihn nicht ersetzen.
Meine Damen und Herren. lassen Sie mich abschließend feststellen: Der eingeschlagene wirtschaftspolitische Kurs in Brandenburg ist der richtige. Er hat bereits zu Erfolgen geführt. Deshalb sollten und werden wir ihn unbeirrt fortsetzen. - Ich danke Ihnen.
Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Homever. - Das Wort geht an die Landesregierung. - Die Landesregierung wünscht nicht zu sprechen. Dann kann ich feststellen, dass wir am Ende der Aktuellen Stunde angelangt sind. und schließe den Tagesordnungspunkt 2.
Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Brandenburg an die Gemeinden und Landkreise im Haushaltsjahr 2001 (Gemeindefinanzierungsgesetz 2001 - GFG 2001)
Es wurde vereinbart, zu diesem Tagesordnungspunkt keine Debatte zu führen, sodass ich sofort zur Abstimmung kommen kann.
Ich rufe die Beschlussempfehlung in der Fassung der 2. Lesung, Drucksache 3!2050 einschließlich Korrekturblatt, auf. Wer dieser Beschlussempfehlung seine Zustimmung gibt. den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Beschlussempfehlung mehrheitlich angenommen und das Gemeindefinanzierungsgesetz 2001 in 3. Lesung verabschiedet worden.