Protocol of the Session on December 13, 2000

(Beifall bei CDU und SPD)

Damit sind wir bei der Landesregierung. Herr Minister, das Wort geht an Sie.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich als erstes bei Herrn Senftlebcn. Er hat mich seit anderthalb Jahren zum ersten Mal gelobt. Das ist doch eine Entwicklung. die hoffen lässt.

Vor vier Wochen. Herr Warnick, hatten unsere Positionen in der Tat schon den gleichen Stand. Sie haben Recht. wir haben das im Ausschuss diskutiert, wir haben das mit den Verbänden, mit dem Mieterverband. mit dem Berlin-Brandenburgischen Wohnungsverband diskutiert. Sie waren dabei und ich sage nur eines: Obwohl diese Maßnahmen grundsätzlich vom BWU unterstützt worden sind, habe ich dort noch Kritik daran. dass ich zum Beispiel noch Gebiete mit erhöhtem Wohnbedarf eben im engeren Verflechtungsraum ausgewiesen habe, erfahren, erfahren müssen, weil natürlich die Wohnun gswirtschaft und noch mehr die freie Wohnungswirtschaft das als eine Klammersehen, die sie überhaupt nicht haben wollen.

Einvernehmlich haben wir festgestellt, glaube ich. dass die Wohnungsnot grundsätzlich vorbei ist. und das ist gut so. Das bedeutet doch schlechthin nichts anderes, als dass wir weitere Regulierungen vermeiden müssen, dass wir weniger regulieren müssen.

Es macht doch keinen Sinn, Eigentümern vorzuschreiben, wie sie mit ihrem Eigentum umzugehen haben. wenn es in dieser Form nicht unbedingt notwendig ist.

Das heißt, ich schaffe einen Papiertiger ab, ich schaffe keinen neuen. Wir schaffen einen Papiertiger ab, denn es war doch kein Biss mehr in diesen Verordnungen. Deswegen ist es richtig, dass wir sie abschaffen.

Wir haben die Entwicklung beobachtet, und aus dieser Beobachtung heraus folgt, dass es nicht zu der gefürchteten Welle von Kündigungen gekommen ist. Deswegen ist es logisch. dass wir die Änderungen des Kündigungsschutzes vornehmen. Ich glaube auch nicht, dass ich deswegen, wie eine Zeitung mich einmal bezeichnete. vom „Mieterpapst" zum Mieterschreck werde. Ich habe keine Angst davor.

Die Realität holt uns täglich mit neuen, mit anderen Problemen ein. Ich nenne ein Stichwort für das, was mich zurzeit viel mehr beschäftigt. Das ist Wohnungsleerstand. Ich sage es ganz deutlich: Das, was vor Jahren kaum jemand für möglich gehalten hat, ist eingetreten. In Ostdeutschland stehen eben nun - ich

weiß nicht die genaue Zahl, aber von der Größenordnung her sind wir uns sicher einig - über eine Million Wohnungen leer. In Brandenburg sind es mindestens 130 000 Wohnungen. Wir könnten jetzt über die Hauptursachen des Leerstandes diskutieren. aber ich lasse das einmal alles beiseite.

Wichtig ist für mich hier und heute: Wir müssen den Stadtumbau angehen. Dazu brauchen wir ein wohnungswirtschaftliches. ein städtebauliches Konzept. Die Diskussion darüber zwischen den Wohneigentümern, den Gesellschaften, den Genossenschaften müssen wir moderieren: wir müssen mit den kommunalen Vertretungen um ein städtebauliches Konzept ringen.

Beifall des Abgeordneten von Anfirn [CDU])

Wir brauchen die Auflage eines neuen Programms zur Förderung des Stadtumbaus. Dieser Begriff schließt für mich auch den Abriss leer stehender Wohngebäude ein. Wir brauchen damit eine Verstärkung der Wohnungsbauförderung im Bestand zur Aufwertung der lnnenstädte. auch zur Bildun g von Eigentum im Bestand des Innenbereiches. Die Erarbeitung von Konzepten für Rückbau und Erneuerung von Wohnungen in Orten mit hohem Leerstand wird nach meinen Einschätzungen mindestens für die nächsten zehn Jahre vorgenommen werden müssen. wenn wir kontinuierlich daran arbeiten.

Das haben wir zu leisten, auf diese Aufgabe dürfen wir uns alle freuen. Es ist eine Aufgabe. die auch Arbeitsplätze in der Region, vor Ort und überall im Land schafft und erhält. - Danke schön.

(Beifall bei SPD und CDU)

Wir sind damit am Ende der Rednerliste. Ich schließe die Aussprache, um zur Abstimmung zu kommen.

Wer der Beschlussempfehlung in der Drucksache 3/2064 folgt, der möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Damit ist die Beschlussempfehlung mehrheitlich angenommen.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 12 und rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Mehr Demokratie wagen

Antrag der Fraktion der DVU

Drucksache 3/2096

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der beantragenden Fraktion. Frau Abgeordnete Fechner, Sie haben das Wort

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem sich auch die beiden Fraktionsvorsitzenden der Koalitionsparteien im Deutschen Bundestag und andere führende Politiker für mehr Mitbestimmungsrechte des Volkes ausgesprochen und insbesondere Volksbegehren und Volksentscheide auf Bundesebene

gefordert haben, ist es notwendig. dass sich sowohl Landtag als auch Landesregierung in dieser Fra ge klar positionieren. Die Landesregierung ist gehalten. in Verhandlungen mit den anderen Landesregierungen im Bundesrat eine aktive Rolle für die Änderung des Grundgesetzes zu übernehmen. um mehr Bürgerrechte durchzusetzen.

Ein deutliches Votum des Landtages ist auch deshalb geboten, weil zur Änderung des Grundgesetzes eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist.

Die Bundesrepublik Deutschland ist ein gefestigter Rechtsstaat, der sich zu den Menschenrechten bekennt und in ein internationales Vertragssystem eingebunden ist.

Die Erweiterung der Bürgerrechte trägt auch dazu bei, die Parteienverdrossenheil zu überwinden. Die Bundesbürger erhalten die Möglichkeit, auch auf Bundesebene aktiv das politische Geschehen zu beeinflussen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren. unsere Fraktion der Deutschen Volksunion ließ sich bei der Konzipierung des vorliegenden Antrages auf Einführung von Volksinitiativen. Volksbegehren und Volksentscheiden in das Grundgesetz von folgenden zwei Überlegungen inspirieren:

Erstens gilt es zu bedenken, dass die Bundesrepublik Deutschland, was plebiszitäre Elemente betrifft, europa-, ja weltweit eine einsame Sonderstellung einnimmt, denn in den Verfassungen der meisten anderen Staaten sind Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide etwas völlig Selbstverständliches.

So heißt es in der Verfassung der Französischen Republik in Artikel 3:

_Die nationale Souveränität liegt beim Volke, das sie durch seine Vertreter und durch Volksentscheid ausübt."

Laut Artikel 44 Abs. 3 in Verbindung mit Artikel 45 und 46 der Österreichischen Bundesverfassung muss bei einer Verfassungsänderung zwingend eine Volksabstimmung durchgeführt werden.

In Artikel 3 Nr. 2 und 3 der Verfassung der Russischen Föderation von 1992 steht:

,Die Völker der Russischen Föderation werden ihre Staatsgewalt direkt und ebenso durch Staatsorgane und lokale Selbstverwaltung ausüben. Das Referendum und freie Wahlen werden die höchste und direkte Manifestation des Volkswillens sein."

In Kapitel 8 § 4 der schwedischen Verfassung heißt es:

„Vorschriften über die konsultative Volksabstimmung im ganzen Reich und über das Verfahren bei Volksabstimmungen in Grundgesetzfragen werden durch Gesetz erlassen.

Es existiert dort ein Volksabstimmungsgesetz.

Schließlich wäre noch das spanische Volksabstimmungsgesetz mit Verfassungsran g zu nennen.

Zum Schluss meiner Ausfuhrargen bezüglich der ersten Überlegungen für die Konzeption dieses Antrages möchte ich noch auf das Musterland der Demokratie, nämlich auf die Schweizerische Eidgenossenschaft, hinweisen. In den Artikeln 138 bis 140 der Schweizerischen Bundesverfassun g ist geregelt. dass per Volksabstimmung eine Total- wie eine Teilrevision der Verfassung ebenso durchgeführt werden kann bzw. muss, wie sämtliche Bundesgesetze und völkerrechtlichen Verträge der obligatorischen bzw. fakultativen Zustimmung der Schweizerinnen und Schweizer per Volksabstimmung bedürfen.

Ein weiterer Punkt unserer Überlegung zum neuerlichen Auslösen der schon 50 Jahre alten Debatte war ein Interview mit dem deutschen EU-Kommissar Günter Verheugen im Spätsommer dieses Jahres, worin sich Verheugen für ein Referendum über die EU-Osterweiterung in der Bundesrepublik Deutschland aussprach. Er sagte gegenüber der _Süddeutschen Zeitung-. der speziell in Deutschland bei der Einführung des Euro gemachte Fehler dürfe nicht wiederholt werden. nämlich der, dass die Entscheidungen hinter dem Rücken der Bevölkening getroffen werden.

Verheugen wörtlich:

„Nun, hei der EU-Osterweiterung dürfen wir nicht wieder über die Köpfe der Bürger hinweg entscheiden.

Auf Nachfrage in einem ZDF-Interview bezeichnete Verheugen die Aufregung um seine lnterv iew-Äußerungen als unbegründet. Er habe lediglich bedauert, dass es in Deutschland die Möglichkeit von Volksentscheiden zu epochalen europäischen Weichenstellungen nicht gebe.

Eine vom FORSA-Institut am 6. September dieses Jahres durchgeführte Meinungsumfrage bewies dann auch, dass im Falle einer Volksabstimmung 57 % der Bundesbürger gegen die EUOsterweitening stimmen würden. Nur 35 % sprachen sich dafür aus.

Bei einer Euro-Abstimmung in der Bundesrepublik Deutschland würde es eine ebenso klare Mehrheit gegen diese Weichwährung geben.

Inzwischen haben sich ja auch die Dänen in einer Volksabstimmung ganz klar und deutlich gegen die Euro-Einführung in ihrem Land ausgesprochen.

Meine Damen und Herren, die Zeit ist nicht nur reif, sondern überreif für die Einführung von Volksbegehren und Volksentscheiden auf Bundesebene, wobei wir nicht vergessen. dass es diese plebiszitären Elemente in den meisten deutschen Landesverfassungen und besonders in unserer brandenburgischen Landesverfassung gibt und dass damit bereits wichtige politische Entscheidungen in die Tat umgesetzt wurden. Denken Sie nur an die Abschaffung des Bayerischen Senats. also der zweiten Parlamentskammer. per Volksentscheid int Jahr 1998 oder an das eindeutige Votum gegen die neue Rechtschreibung in Schleswi g-Holstein im gleichen Jahr.

Auch und gerade im Bereich der rot-grünen Bundesregierung und Koalition wird seit ihrem Amtsantritt klar und deutlich für die Einführung plebiszitärer Elemente in das Grundgesetz Stellung bezogen.

Die weitestmögliche Einführung plebiszitärer Elemente gehört nämlich schon seit Jahren zum Kernbestandteil sowohl grüner als auch sozialdemokratischer Pro grammatik. So zog die SPD 1998 mit dem klaren Bekenntnis in den Wahlkampf:

„Wir wollen auf Bundesebene die Einführung von Volksbegehren und Volksentscheid.

Im Wahlprogramm wurde dies als „Antwort auf die wachsende Politikverdrossenheit" bezeichnet.