wenn heute der undemokratische Umgang der Koalitionsmehrheit des Landtages mit Volksinitiativen als Thema der Aktuellen Stunde auf der Tagesordnung steht. Denn würde man Artikel 87 Abs. 2 der Landesverfassung restriktiv auslegen - so wie am 12. Oktober durch die Unzulässigkeitserklärung des Hauptausschusses geschehen -. könnte dieser faktisch keinen Raum mehr für Volksbegehren und Volksentscheide bieten: denn nahezu jede Volksinitiative ist mit irgendwelchen Mehr- oder Minderausgaben verbunden.
Da Artikel 3 des Haushaltsstrukturgesetzes - wie Prof. Dr. Schönebure in der Anhörung richtigerweise ausführte - gegen die Landesverfassung verstößt. muss die Frage des Budgetrechts bei der Behandlung der Volksinitiative hintenangestellt werden.
Somit kann es keinen Zweifel daran geben. dass das Volksbegehren als Folge der Volksinitiative zuzulassen war.
Meine sehr verehrten Damen und Herren. was nützt das Recht auf eine Volksinitiative, wenn sie doch unter Abgabe fadenscheiniger Gründe abgewiesen werden kann? Der Bürger darf zwar seinen Willen kundtun. er darf auch eine Volksinitiative starten, aber darüber. ob dem Begehren stattgegeben wird. entscheiden dann die gewählten Volksvertreter.
Leider ist es so. dass einige der Abgeordneten der Parteidisziplin gegenüber dem Willen ihrer Wähler den Vorzug geben. Es sollte allen hier anwesenden Abgeordneten klar sein, dass sie als Volksvertreter gewählt worden sind. Als Volksvertreter haben Sie die Interessen des Volkes zu vertreten und nicht die Ihrer Partei.
Daher geht seitens der DVU-Fraktion im Landtag Brandenburg der Appell an alle anderen Fraktionen. den Artikel 3 des verfassungswidrigen Haushaltsstrukturgesetzes umgehend mittels Landtagsvorlage zu novellieren. - Ich bedanke mich fiir Ihre Aufmerksamkeit.
Ich danke der Abgeordneten Frau Fechner. - Das Wort geht an die Fraktion der CDU. Herrn Abgeordneten Homeyer.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie auch nicht anders zu erwarten war, behauptet die Opposition nun. das Parlament würde Volksinitiativen bewusst nicht zulassen. und zwar aus Angst vor dem Volk. aus blanker Arroganz der Regierungsfraktionen oder ähnlich abwegigen Gründen.
Lassen Sie sich bitte dazu Folgendes sagen: Dass die Verfassung des Landes Brandenburg - sie wurde übrigens am 14. Juni 1992 von der Brandenburger Bevölkerung durch Volksentscheid angenommen - bewusst Gesetzesvorlagen aus der Mitte des Landtages. von der Landesregierung oder auf dem Wege eines Volksbegehrens im Artikel 75 gleichberechtigt nebeneinander stellt. ist
betone ich hier deutlich - etwas Selbstverständliches. Alle Demokraten hier im Parlament achten unsere Landesverfassung und selbstverständlich auch den Willen der Brandenburgerinnen und Brandenburger. Gerade Sie. meine Damen und Herren von der PDS, sollten nicht daran zweifeln. Und wir werden es auch nicht zutassen. Herr Vietze. dass Sie hier Abgeordnete in verfassungstreue und in verfassungsuntreue. also in Gut und Böse einteilen.
können wir uns nicht lediglich Artikel 76 Abs. 1 herauspicken und dessen Schranke. Artikel 76 Abs. 2. vernachlässigen. Ohne diese Schranke kann das Recht auf Volksinitiative nicht verstanden werden.
Herr Vietze. Sie haben sich der Presse ge genüber und auch eben in Ihrem Redebeitrag dahin gehend geäußert. dass Volksinitiativen in unserem Bundesland nur in den seltensten Fällen Erfolg hätten. Das stimmt nicht. Zum Beweis verweise ich auf die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 33. die die PDS selbst stellte und die Ihnen, Herr Vietze, deshalb geläufig sein müsste.
In der Antwort der Landesregierung ist der Werdegang der einzelnen Volksinitiativen explizit dargestellt. Hierbei ist festzustellen, dass die Volksinitiativen überwiegend zumindest Teilerfolge erzielten. Das heißt. die Initiativen und die damit verbundenen Anstrengungen blieben nicht ohne Wirkung.
Meine Damen und Herren! Bei der Beantragung des Themas für diese Aktuelle Stunde war wohl ein Gedanke aus dem Sport ausschlaggebend. denn nach einer ausgiebigen Expertenanhörung und Debatte im Hauptausschuss am vergangenen Donnerstag
(Frau Kaiser-Nicht [PDS]: Nach der Sie sich nicht ge- richtet haben! Sie haben die Experten reden lassen und machen, was Sie wollen!)
kommt es heute nun sozusagen zu einem Wiederholungsspiel. Der Vergleich drängt sich deshalb auf, weil die PDS diesen Vergleich mit einem Fußballspiel auch woher schon heranzog und zum Beweis der Richtigkeit ihres Ansinnens auf das Ergebnis der Expertenanhörung verwies, das 3 : 1 lautete. Doch so einfach ist es nicht.
- So einfach ist es nicht. Herr Vietze. Juristische Probleme sind anders zu lösen. Das Ergebnis 3 : 1 ist unter Juristen kein Beweis für die Richtigkeit oder Falschheit der einen oder der anderen Behauptung.
Im Gegenteil. es ist landläufig bekannt, dass, wenn zwei Juristen beieinander stehen. mindestens drei Meinungen vertreten werden können.
Beginnen wir bei der Frage nach dem Sinn und Zweck der cmsprechenden Bestimmungen. also der Frage: Wie ist Artikel 76 Abs. 2, der Volksinitiativen für unzulässig erklärt, wenn sie unter anderem den Landeshaushalt betreffen, zu verstehen?
Salopp ausgedrückt. meine Damen und Herren, will dieser Artikel 76 Abs. 2 dafür sorgen, dass beispielsweise - und ich übertreibe jetzt - eine Volksinitiative. die beabsichtigt, dass jeder Brandenburger pro Monat 10 000 DM vorn Land geschenkt erhält. eine Initiative. die sicherlich zu nahezu 100%iger Zustimmung führen würde, nicht möglich ist.
Anhand dieses von mir bewusst übertriebenen Beispiels wird der Sinn und Zweck dieses Artikels deutlich.
Im vorliegenden Fall der Volksinitiative „Für unsere Kinder' geht es um eine Belastung des Landeshaushaltes in Höhe von 48 Millionen DM pro Jahr - ich betone: pro Jahr.
Zu entscheiden ist nun, ob dies, bezogen auf den Landeshaushalt, viel oder eine verschwindend geringe Menge Geld ist. Ich behaupte. es ist viel Geld.
Meine Damen und Herren. ich hin nur an dieser Stelle durchaus bewusst. dass man - wenn man die finanziellen Auswirkungen einer Volksinitiative bewertet - durchaus in fast jedem Fall zu dem Schluss kommen kann. dass dieser Artikel 76 Abs. 2 unserer Landesverfassung greift. da es nahezu keine Forderungen gibt. die nicht auch finanzielle Auswirkungen haben.
Da also mit dein Argument. das Ansinnen der Volksinitiative verursache eine Kostenbelastung. nahezu jede Initiative abgelehnt werden könnte. sind alle Demokraten aufgerufen, sehr. sehr vorsichtig an die Ausle gung des Artikels 76 Abs. 2 unserer Landesverfassung heranzugehen.
Eine starre finanzielle Grenze. Herr Vietze, verbietet sich daher von selbst. Diese Meinung wird übrigens auch in der juristischen Literatur überwiegend so vertreten.
Deshalb lassen Sie mich, meine Damen und Herren von der PDS. auf eine Entscheidung aus Bayern hinweisen. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof führte schon 1977 aus. dass die Parallelbestimmung zu unserem Artikel 76 Abs. 2 in Bayern restriktiv auszulegen ist, um die Volksgesetzgebung nicht mehr als notwendig einzuengen. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof lehnte dies berücksichtigend ein Volksbegehren ab. das 0,071 4% des Gesamthaushaltes betraf.
Herr Vietze, Sie selbst rechneten der Presse vor. dass die Initiative im nächsten Jahr 34 Millionen DM kosten würde und dies
lediglich 0,17% des Gesamthaushaltes wären. Natürlich haben Sie dabei vergessen. dass für die Folgejahre jeweils ca. 48 Millionen DM anfallen würden.
- Das kann ich ja verstehen. Herr Vietze. Ich kann ja verstehen, Herr Vietze, dass Sie Ihren Kostenberechnun gen sehr niedrige Zahlen zugrunde legen.
( Vietze [PDS]: Mir sind ja keine anderen bekannt! I Doch selbst diese von Ihnen errechnete Summe liegt mehr als das Doppelte über der Quote des bayerischen Falles, und dieses Volksbegehren wurde abgelehnt. (Frau Kaiser-Nicht [PDS]: Ich denke, die Juristen irren sich auch manchmal!)