Protocol of the Session on October 19, 2000

( Vietze [PDS]: Mir sind ja keine anderen bekannt! I Doch selbst diese von Ihnen errechnete Summe liegt mehr als das Doppelte über der Quote des bayerischen Falles, und dieses Volksbegehren wurde abgelehnt. (Frau Kaiser-Nicht [PDS]: Ich denke, die Juristen irren sich auch manchmal!)

Dabei ging der Bayerische Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung noch nicht einmal auf die Problematik der so genannten freien Spitzen ein, denn Sie wissen, meine Damen und Herren: Ein Großteil des Landeshaushaltes ist aus den verschiedensten Gründen eben nicht disponibel. Ich erinnere an Löhne. Gehälter und weitere fixe Kosten.

(Zuruf von der C D U : Sehr richtig!)

Die hier von der Volksinitiative geforderten zusätzlichen Ausgaben in Höhe von 48 Millionen DM pro Jahr beschneiden. bezogen auf diese freien Spitzen. deshalb den Haushaltsgesetzgeber in eklatanter Weise.

Ich möchte an dieser Stelle überhaupt nicht darauf hinweisen, dass diese 48 Millionen DM ein Sechstel der Gesamtausgaben des Landes für den Kita-Bereich ausmachen.

(Zurufe von der PDS)

Lassen Sie mich. meine Damen und Herren, zur Verstärkung der Argumentation noch einen kleinen Ausflu g in die Geschichte machen. Schon in der Weimarer Republik gab es eine Regelung. die unserem Artikel 76 Abs. 2 entspricht, und auch diese Vorschrift wurde so verstanden. dass vielfach Volksinitiativen für unzulässig erklärt werden mussten. weil sie erheblich in den Staatshaushalt eingriffen.

Um es noch einmal zu betonen: Es handelt sich um eine Kostenbelastung für den Landeshaushalt von nahezu 50 Millionen DM pro Jahr. und die eben gehörten Argumente der Opposition. dass dies eine geringfügige Menge sei. die man mal so eben mir nichts, dir nichts sparen könne, überzeugen mich nicht.

(Widerspruch hei der PDS)

Die Klärun g dieser Frage wird - das haben wir heute auch schon gehört - nach dein Votum des Hauptausschusses nun dem Landesverfassungsgencht übergeben beziehungsweise ist übergeben worden.

Lassen Sie mich, meine Damen und Herren. zum Schluss eine persönliche Bemerkung machen. Wir haben heute sehr lange und sehr intensiv über unsere Verfassung und die Betreuung der

Landtag Brandenhurg - 3. Wahlperiodc - Plertarpronkol 3 23 - 15. Oldoher 2000 1373

Kinder in Kitas gesprochen. Vergessen wir hei aller Emotionalität der Debatte nicht Artikel 27 Abs. 2 unserer Landesverfassung:

„Eltern haben das Recht und die Pflicht zur Erziehung ihrer Kinder.

ich danke Ihnen.

(Beifall hei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich danke dem Abgeordneten Homevier und gehe das Wort an die Landesregierung. Herr Minister Schönhohm. bitte?

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren? Es wird in diesem Zusammenhang über ein sehr ernstes Thema diskutiert. über die Frage des Spannungsverhältnisses der repräsentativen zur direkten Demokratie.

Zunächst bekunden wir allen Bürgern. die sich in Sachen Siehening der Versorgung mit Kinderta gesstätten engagiert und sich deshalb mit Unterschriften an den Landtag gewandt haben. unseren Respekt. Gerade die Erfahrungen der Wendezeit haben gezeigt, welch hohen Stellenwert bürgerschaftliches Engagement für die Sicherun g und den Erhalt unserer demokratischen Ordnung hat.

(Beifall hei der CDU und vereinzelt bei der SPD - Zuruf von der PDS)

Darum sollte man - und jetzt komme ich zu dem Punkt. an dem wirnicht mehr einer Meinung sind - mit diesem Votum sorgsam umgehen und es auch nicht m issbrauehen.

Der Hauptausschuss hat sich mit diesem Votum im ganz konkreten Fall befasst und die Auffassung vertreten, dieses Votum für verfassungsrechtlich unzulässig zu erklären.

Dies ist nicht geschehen. weil wir Angst vor dem Volk haben. wie Sie. Herr Prof. Bisky. es behauptet haben - ich komme auf diesen Punkt später noch zurück -, sondern ich will vielmehr an Folgendes erinnern: Dieser Landtag stellt sich alle fünf Jahre dem Votum der Bürger. Wir haben keine An gst vor dem Bürger, wir suchen das Gespräch mit dem Bürger. Wir wollen die Bürger davon überzeugen. dass wir etwas tun, was für das Land Brandenburg in seiner Gesamtheit von Bedeutung ist. Das ist unsere Aufgabe, da wird gewählt. und ich glaube, dass dies ein wichtiger Unterschied ist, den man hier deutlich herausarbeiten muss. Wir wollen uns diesem Votum dann stellen. wenn es wieder an der Zeit ist, nämlich in etwa vier Jahren.

(Unruhe bei der PDS)

- Wir kommen gleich noch darauf.

Die Entscheidung des Hauptausschusses ist getragen vom Respekt vor der Landesverfassung. die sich das brandenburgische Volk in freier und geheimer Abstimmung gegeben hat. Hierzu

ist schon einiges gesagt worden: darum will ich inich ganz kurz fassen.

Nach Artikel 76 Abs. 2 unserer Landesverfassung sind Initiativen zum Landeshaushalt nicht zulässig. Verfassungsgerichte anderer Länder haben sich damit befasst. wann eine Volksinitiative den Landeshaushalt berührt und deshalb unzulässig ist. Übereinstimmung besteht zwischen den Verfassungsgerichten des Landes Nordrhein-Westfalen. dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof und dem Bremischen Staatsgerichtshof in folgenden Grundsätzen:

Fast alle Initiativen sind finanzwirksam. Würde man die Vorschrift des Artikels 76 Abs. 2 der Landesverfassung so verstehen, dass Jede finanzwirksame Initiative unzulässig ist. so hätten Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid keine praktische Bedeutung. Das kann nicht Sinn der Verfassung sein. Also geht es jetzt um die Grenze.

(Zuruf von der PDS: Richtig!)

Andererseits kann es doch auch nicht Sinn der Regelung sein, dass zunächst einmal Volksinitiativen und Volks gesetze zustande kommen, die dann vom Landtag wieder aufgehoben werden müssten. Hierdurch würde der Landtag in eine schiefe Position geraten und seine Glaubwürdi gkeit würde Schaden nehmen. Das haben die Mütter und Väter der Landesverfassung nicht gewollt. Sie haben daher - wie in allen Landesverfassungen. die Plebiszite vorsehen - eine so genannte Finanzausschlussklausel in Artikel 76 Abs. 2 der Landesverfassung vorgesehen.

Ich will das nur noch einmal ganz kurz zitieren. Artikel 76 Abs. 2 lautet doch wie folgt:

‚initiativen zum Landeshaushalt. zu Dienst- und Versorgungsbezügen. Abgaben und Personalentscheidungen sind unzulässig.

Dass diese Initiative erhebliche Auswirkungen auf den Landeshaushalt hat. ist doch unstrittig. Darüber ist doch hier diskutiert worden: das war doch auch das Thema im Hauptausschuss. Von daher gesehen bewegen sich die Koalitionsfraktionen und die Landesregierun g auf der Basis der bisherigen gesicherten Rechtsprechung.

Es gibt eine übereinstimmende Aufassung der vorher genannten Verfassungsgerichte. wie diese Klausel. die wir hier angelegt haben, auszulegen ist. Danach sind Volksinitiativen mit finanzwirksamen Gesetzesvorhaben dann - aber auch nur dann - imzulässig. wenn sie auf den Gesamtbestand des Haushalts Einfluss nehmen, damit das Gleichgewicht des gesamten Haushalts stören. zu einer Neuordnung des Gesamtgefüges des Haushalts zwingen und somit das parlamentarische Budgetrecht wesentlich beeinträchtigen.

Ich meine, auf dieser Basis hat der Hauptausschuss seine Entscheidung getroffen. Von daher gesehen bitte ich Sie herzlich, sich einmal Folgendes vor Augen zu führen: Wir wollen Volksinitiativen. Wir wollen die Beteiligung unserer Bevölkerung. aber dies im Rahmen unserer Verfassung.

Darum lassen Sie mich hierzu noch etwas anderes sagen. Ich

1374 1.andrau iirandenhiin2 - 3 Wahlperiode - Pienarprolokotl 3. 23 - 19. Oldoiler 2000

könnte hier weitere Verfassungsgerichtsurteile anführen. aber ich möchte jetzt_ da es ja ein zutiefst politischer Vorgang ist. doch noch einige politische Anmerkungen machen.

Ich bin schon sehr überrascht. dass die DVU sich hierher stellt und sagt, wir hätten Angst vor dem Volk. - Wissen Sie ei gentlich, dass Sie niemand kannte? Als gewählt wurde. kannte man nur die Schlagwörter „Gegen die Ausländer-. _Ausländer raus!", _Deutsche Arbeit für Deutsche!". Das kannte man von Ihnen.

( Beifall bei CDU und SPD)

- Ja. ich weiß. das hören Sie nicht so gern. Ich muss aber im Gesamtzusammenhang sagen: Es geht um die Zukunftsfähigkeit in Brandenburg. Dafür machen wir Politik, dafür setzen wir uns auseinander.

(Zuruf der Abgeordneten Frau Dr. Enkelmann [PDS])

Jetzt will ich etwas anderes sagen. Sie. Herr Bisky, und andere haben gesagt: Das ist Arroganz der Macht. Wissen Sie. alle fünf Jahre wird gewählt. Das ist nicht Arroganz der Macht. wir reden über Verantwortung der Gewählten. Darüber reden wir.

(Beifall hei CDU und SPD) Von Ihnen kannte man niemanden. Hätte man Sie gekannt. hätte man Sie gar nicht gewählt. (Beifall bei CDU und SPD)

Uns brauchen Sie nichts zu sagen, Wir haben uns der Auseinandersetzung gestellt_ wir haben die Auseinandersetzung gesucht.

(Zunif des Abgeordneten Schuldt [DVU])

Ich lasse es nicht zu. dass Sie sich hinstellen und sagen, wir hätten Angst vor dem Volk. Nein. nein! Wir wollen uns der Auseinandersetzung stellen. wir suchen die Diskussion.

(Zuruf der Abgeordneten Frau Hesselbarih [DVU])

Die repräsentative Demokratie hat sich bewährt. sie ist anpassungsfähig. sie ist zukunftsfähig. Im Kern geht es bei dieser Diskussion auch uni die Frage: Sind wir zukunftsfähig'?