Strittig ist, wo genau diese Schranken zu sehen sind. Dass genau dieses Interpretationsproblem besteht. ist auch von Rechtsexperten in einer Anhörung des Hauptausschusses übereinstimmend anerkannt worden, auch wenn sie im Ergebnis zu unterschiedlichen Schlussfol gerungen gelangt sind. Prof. von Brünneck sprach von einer außerordentlich schwierigen Problematik. Prof. Jung von einem Spannungsverhältnis, das zwischen dem Bekenntnis zu den Volksrechten und der Errichtung eines Finanztabus besteht. Es besteht ein verfassungsrechtliches Interpretationsproblem in Bezug auf den Artikel 76 (2) der Verfassung. Und das zumindest wird hier niemand bestreiten können.
Das Problem kann übrigens auch nicht durch arithmetischen Mehrheitsentscheid der Experten gelöst werden. wie manchmal nahe gelegt wird. Gerade die PDS verweist sehr gern darauf, dass sich drei von vier Experten im Hauptausschuss für die Zulässigkeit der Initiative ausgesprochen haben.
Aber diese Frage ist nicht durch Mehrheitsentscheid von den nur vier Beteiligten zu entscheiden. sondern nur durch eine qualitative Bewertung der vorgetra genen Argumente.
Ich bitte einfach zu akzeptieren. dass wir auf der Basis der vorgetragenen Argumente zu einer anderen Auffassung gelangt sind, so wie wir akzeptieren, dass etwa die PDS eine gegenteili ge Meinung vertritt. Der Vorwurf der PDS. wir würden sukzessive den positiven Gehalt der Landesverfassung aufgeben wollen, ist selbst ein starkes Stück und ich weise ihn hier nachdrücklich zurück.
Darum geht es in keiner Weise. Es geht ausschließlich dann. dass ganz offenkundig ein Auslegungsproblem in Bezug auf bestimmte Elemente unserer Landesverfassun g besteht.
Fast alle Volksinitiativen haben ja entweder direkte oder indirekte Auswirkun gen auf den Landeshaushalt. Insoweit darf der
genannte Artikel ganz sicher nicht so ausgelegt werden. dass das Recht auf Volksinitiativen praktisch ins Leere läuft. Das ist unstreitig.
Auf der anderen Seite muss aber auch der spezifische Sinn des Artikels erfüllt werden, wenn dieser nicht seinerseits jeder Bedeutung entkleidet werden soll. Genau das ist das Spannungsverhältnis. von dem Prof. von Brünneck sprach. Und wenn beispielsweise Herr von Brünneck diese Bedenken hat und ein anderer Experte sagt:
..Natürlich ist jede Volksinitiative zulässig. egal. wie groß ihr Einfluss auf den Landeshaushalt ist, es sei denn. er ist desaströs.
- dann hat ja der Landtag immer die Chance. dieses Verhältnis wieder zu beseitigen. Das scheint wohl nicht der richtige Weg zu sein und das macht deutlich, in welchem Spannun gsfeld wir uns als Mitglieder des Hauptausschusses bewegt haben.
Das Budgetrecht. meine Damen und Herren. ist aus guten Gründen das Königsrecht des Parlaments. Es geht heim Landeshaushalt stets um die sorgfältige Abwägung aller Interessen und um die Berücksichtigung der finanziellen und politischen Gesamtlage des Landes. Der Haushalt ist daher typischerweise so komplex und kompromissgeprägt wie die Diskussion. die jeweils zu ihm führt. Volksinitiativen dagegen verfolgen meist relativ eindimensionale Zielstellungen, Zielstellungen. die ohne Rücksicht auf die finanzielle Gesamtlage des Landes nachdrücklich vertreten werden.
Dafür oder dagegen. ja oder nein - das ist im Re gelfall die klare. aber eben auch simple Logik von Volksinitiativen. Zwischentöne. Kompromisswege. komplexe Fra gen der Meinungsbildung sind ihr Anliegen zumeist nicht.
- Hören Sie doch erst zu! - Das ist einerseits ebenso legitim. wie es andererseits aber eben auch ein Problem darstellen kann. Das stelle ich hier nur dar. Genau dies werden die Verfassungsvertreter wohl auch bei der Formulierung des Artikels 76 (21 der Landesverfassung im Auge gehabt haben. Es sollte vermieden werden. dass das Budgetrecht des Parlaments nun seinerseits über den Weg von Volksinitiativen ausgehebelt werden kann. insoweit besteht auch hier eine gewisse Spannung. eine Konkurrenz zwischen repräsentativen und direkten Elementen unserer Verfassung.
Nach unserer mehrheitlichen Überzeugung stellt die vorliegende Volksinitiative einen so erheblichen Eingriff in das Budgetrecht des Parlaments dar, dass sie als unzulässig anzusehen ist.
ich will gar nicht verhehlen, dass es über diese Frage auch innerhalb meiner Fraktion recht unterschiedliche Auffassungen gibt, wie Herr Vietze hier einigermaßen genüsslich dargestellt hat. Aber das Haushaltsstrukturgesetz ist ein wesentlicher Bestandteil des Konsolidierungskurses des Landes und damit sind Grundfragen der Haushaltspolitik berührt. Es ist nun einmal so, dass diese Einschätzung zwischen den Experten wie auch hier im Parlament strittig ist. Es ist deshalb vielleicht nicht der schlechteste Weg, nun in dieser Frage auch einmal eine verfassungsgerichtliche Überprüfung herbeizuführen. die es bisher noch nicht gegeben hat.
Wie gesagt: Es ist nicht das erste Mal, dass wir uns anhand einer Volksinitiative mit diesem Problem befassen. Die Ablehnung der Volksinitiative durch den Hauptausschuss muss daher für uns nicht das letzte Wort sein. Sie eröffnet den Weg vor das Verfassungsgericht. dessen Urteil hier einen wichtigen, aber wohl eben auch notwendigen Beitrag zur Verfassungsinterpretation leisten kann. Es besteht damit also auch jetzt eine Chance. Klarheit über eine bislang umstrittene Frage zu schaffen. Auch dies bitte ich hei der Bewertung des Verhaltens der Koalitionsfraktionen im Hauptausschuss zu berücksichtigen.
Volksinitiativen haben bisher einen wesentlichen Beitrag zur politischen Meinungsbildun g im Land Brandenburg geleistet. Der Umgang des Parlaments mit diesen Initiativen der Bürgerinnen und Bürger war stets ernsthaft und angemessen. Das will ich hier eindeutig für uns in Anspruch nehmen. Es kann überhaupt keine Rede davon sein. dass der Umgang des Parlaments mit Volksinitiativen einen Beitrag zur Politikverdrossenheit geleistet hat.
Das kann schon empirisch nicht richtig sein. denn sonst würde die Neigung. Volksinitiativen zu starten_ zurückgehen und die Beteiligung daran abnehmen. Das Gegenteil ist der Fall. Die am stärksten unterstützten Initiativen stammen gerade aus diesem und aus dem zurückliegenden Jahr: I50 000 Unterschriften bei der Kita-Initiative. Über 200 000 Unterschriften waren es bei der Initiative gegen die Benachteili gung von Ostdeutschen bei der medizinischen Versorgung.
Die Bürgerinnen und Bürger sehen Volksinitiativen also sehr wohl auch weiterhin als ein sinnvolles Instrument der politischen Beteiligung an. Dem steht auch nur auf den ersten Blick entgegen. dass von den bisherigen Volksinitiativen nur eine einzige direkt angenommen worden ist. Eine rein formale Betrachtung ist hier unangemessen und irreführend. wenn man nicht zugleich den gesamten politischen Meinungsbildungsprozess im Auge behält. So ist zwar die Musikschulinitiative ab gelehnt worden, sie hat aber ganz ohne Frage einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass Brandenburg in absehbarer Zeit ein Musikschulgesetz erhalten wird. das zwar nicht dem Wortlaut der initiative entspricht, wohl aber recht weitgehend den Intentionen der Initiatoren.
Auch formal abgelehnte Initiativen sind damit häufig weder folgen- noch erfolglos geblieben. Sie haben nicht selten wichti
Gleiches trifft auch auf die Abwasser-Volksinitiative zu. Das Land hat hier in den letzten Jahren durch eine Überprüfung der Zweckverbände. eine Neuorientierun g der Förderpolitik und die stärkere Berücksichti gung dezentraler Lösungen sehr wohl Maßnahmen ergriffen, die dem Anlie gen dieser Initiative wenigstens zum Teil sehr nahe kommen.
nicht angemessen, hier lediglich numerisch aufzulisten. wie viele Initiativen angenommen wurden. und daraus die Bedeutung dieser Initiativen auch Eh die parlamentarische Beratung abzuleiten. Dies ist zu einfach. Die tatsächliche Erfolgsbilanz sieht viel besser aus als 12 : I. wenn ich das einmal hier so ausdrücken darf. Aber alles andere ergibt cm falsches Bild. Die Brandenburger wissen sehr wohl. was sie an den direkten Elemeinen ihrer Landesverfassung haben.
Sie sind mit diesen Instrumenten %erantworttl gsbewusst umgegangen und Gleiches nehme ich auch für das Landesparlament in Anspruch. Repräsentative und direkte demokratische Elemente stehen in der Verfassung in einem sowohl ergänzenden wie auch konkurrierenden Verhältnis. Und dies ist so gewollt. Die direkten demokratischen Elemente sind dem Repräsentationsprinzip dabei nicht übergeordnet oder überlegen - dies wäre ein Fehlschluss. Darum müssen sich auch Volksinitiativen eine kritische Betrachtung hier im Parlament gefallen lassen und äußerstenfalls mit einer Ablehnung rechnen. Anderenfalls könnte unter Uniständen durch eine Minderheit auch eine Ungerechti gkeit für die Mehrheit entstehen.
Einen Anspnich auf Erfolg kann es nicht geben. Das hat auch nichts mit der Zahl der Unterstützer zu tun. Diesen kritischen und zugleich auch verantwortungsbewussten Umgang mit Volksinitiativen in Brandenburg werden wir fortsetzen. Ich hielte es daher für einen Fortschritt, wenn die strittige Frage des so genannten Finanzvorbehalts im Artikel 76 Abs. 2 der Verfassung in absehbarer Zeit verbindlich durch eine verfassungsgerichtliche Überprüfungbeantwortet werden könnte. Dies liegt im allgemeinen Interesse sowohl der Initiatoren von Volksinitiativen als auch der Abgeordneten dieses Hauses. - Ich danke Ihnen. meine Damen und Herren.
„Initiativen zum Landeshaushalt. zu Dienst- und Versorgungsbezügen. Abgaben und Personalentscheidungen sind unzulässig.
Prof. Dr. Nierhaus betonte. dass Volksinitiativen nur dann haushaltswirksam seien, wenn der Staatshaushalt als Ganzes gefährdet sei, das heißt, wenn er umgestoßen oder erheblich verändert werden würde. Dies sei jedoch im Falle der finanziellen Auswirkun gen dieser Volksinitiative bei einem Haushaltsvolumen von 19 Milliarden DM nicht der Fall.
Prof. Dr. Schöneburg verwies schließlich auf Artikel 27 der Landesverfassung. in dessen Absatz 7 steht:
Jedes Kind hat nach Maßgabe des Gesetzes einen Anspruch auf Erziehung. Bildung. Betreuung und Versorgung in einer Kindertagesstätte."
Daher sei die vorn Landtag mehrheitlich beschlossene Regelung im Artikel 3 des Haushaltsstniktureesetzes verfassungswidrig, weil dort das Grundrecht jedes Kindes auf einen Kindertagesstättenplatz durchlöchert und eingeschränkt werde. Meine sehr verehrten Damen und Herren. daher ist nicht die Volksinitiative verfassun gsrechtlich unzulässig. sondern Artikel 3 des Haushaltsstillkaffeesetzes verstößt gegen die Landesverfassung.
Die Anhörung vor dem Hauptausschuss hätte man sich auch sparen können: denn das Ergebnis stand bereits vorher fest. Wie sonst lässt sich die ablehnende Haltung der Koalitionsfraktionen im Hauptausschuss erklären? Drei der vier befragten Experten hielten die Volksinitiative für rechtmäßig. Sie sprachen sich eindeutig für eine Anerkennung dieser Volksinitiative aus. Und was machen die im Hauptausschuss vertretenen Mitglieder der Koalitionsfraktionen? Sie schlagen alle
für eine Anerkennung der Initiative vorgebrachten Argumente in den Wind und setzen gegen jede Logik und Vernunft ein landesverfassungsfeindliches Vorhaben uni.
(Beifall bei der DVU) Ich danke dein Abgeordneten Klein. - lch gebe das Wort der Fraktion der DVU, der Abgeordneten Frau Fechner. Frau Fechner (DVU):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um es gleich vorweg zu sagen: Die Fraktion der Deutschen Volksunion empfindet es als eine bodenlose Frechheit. wie seitens der Landesregierung und der Mehrheit der Mitglieder der Koalitionsfraktionen im Hauptausschuss mit dem Willen der Brandenburger Bevölkerung umgegangen wird. Über 150 000 Menschen haben durch ihre Unterschrift für den Erhalt des Rechtsanspruches auf Kinderbetreuung gekämpft. Warum dies von der Mehrheit der Mitglieder des Ausschusses ignoriert wurde, bleibt nicht nur mir unverständlich, zumal noch vor der Entscheidung eine Anhörung von vier Rechtsexperten im Hauptausschuss stattfand. Sie sollten eine Aussage darüber treffen. oh diese Volksinitiative gegen Artikel 76 Abs. 2 der Verfassung des Landes Brandenburg verstößt. Dieser Artikel sagt Folgendes aus:
Aus diesem Grunde stimmen wir als Fraktion der Deutschen Volksunion voll und ganz mit der PDS-Fraktion überein,
wenn heute der undemokratische Umgang der Koalitionsmehrheit des Landtages mit Volksinitiativen als Thema der Aktuellen Stunde auf der Tagesordnung steht. Denn würde man Artikel 87 Abs. 2 der Landesverfassung restriktiv auslegen - so wie am 12. Oktober durch die Unzulässigkeitserklärung des Hauptausschusses geschehen -. könnte dieser faktisch keinen Raum mehr für Volksbegehren und Volksentscheide bieten: denn nahezu jede Volksinitiative ist mit irgendwelchen Mehr- oder Minderausgaben verbunden.