Protocol of the Session on September 20, 2000

Ich komme zum Schluss mit der Bemerkung. dass ich schon im Hinblick auf diese zuletzt von mir benannten Gesichtspunkte sagen möchte. Herr Minister. dass sehr wahrscheinlich unsere verfassungsrechtliche Auseinandersetzung zu diesem Thema nicht mit dem Urteil des Landesverfassungsgerichts von 1999 zu Ende ist. - Vielen Dank.

(Beifall hei der PDS)

Das Wort geht an die SPD-Fraktion. Hen- Abgeordneter Schippe'. bitte!

Landizig Brandenburg - 3. Vahlyerukle - Plenarprorokk.11 3 20 -20. Seo 20■00 1209

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Weshalb wir eine Na. eihennig des Gesetzes brauchen und weshalb sie auf dem Tisch liegt. hat der Innenminister bereits gesa gt. ich will mich nur mit den drei hauptsächlichen Punkten beschäftigen.

Das ist zum einen die Regelung des so genannten finalen Rettungsschusses. Diese Regelung entspricht im Groben und Ganzen dem Notwehr- und Nothilfegebot des Strafgesetzbuches. Mit anderen Wonen: Die Regelung des Strafgesetzbuches wird jetzt durch den Entwurf des Brandenburgischen Polizeigesetzes wieder aufgenommen und gestärkt. Dies erhöht die Rechtssicherheit für die handelnde Polizei und diese Regelung entspricht einem Musteremi^t ufr des Bundes zu einem einheitlichen Polizeigesetz.

Was, Herr Professor. so theatralisch mit _Eingriff in das Leben" hier beschrieben wurde. ist doch ganz anders zu sehen. In erster Linie geht es hier um den Schutz des Lebens unschuldiger

(Beifall bei SPD und CDU )

- Nichts anderes geschieht. Herr Schumann. Wenn man fundiert darüber diskutieren will. ist ein län gerer Zeitraum vielleicht auch manchmal notwendig. Nach fünf Jahren ist dein Landtag ein umfassender Bericht vorzule gen. Wenn die Ergebnisse so sind. dass sich die Videoüberwachung in Brandenburg nicht bewährt hat. läuft dies automatisch aus. Ich meine. hier wurde

erst einmal ein natürliches Datum gesetzt. tim festzustellen. oh sich das lohnt. Das Andere ist. dass dieser Versuch durch den Innenausschuss ständig begleitet Ni, rd.

Ich warne allerdin gs auch davor - das war. Herr Innenminister. meine Aussage im Frühjahr. als ich Ihnen geraten habe. den Bogen nicht zu überspannen. was die Videoübenv achung betrifft.

(Zurufe von der PDS)

als es um die Ereignisse in Gilben ging -. den Menschen die Videoüberwachung als Wunderwaffe in der Kriminalitätsbekämpfung zu suggerieren. Das schafft ein falsches Sicherheitsverhalten. Nur in einem Gesamtkonzept kann Videoüberwachung der Bekämpfun g von Kriminalität dienen.

(Beifall bei der SPD) Ich meine. das Beispiel des Innenministers hat es deutlich gemacht: Es geht um den Schutz des Lebens unschuldiger Geiseln vor irgendwelchen Verbrechen). So herum wird ein Schuh daraus? Präsident Dr. Knohlich: Herr Abgeordneter. lassen Sie eine Zwischenfrage zu? Schippe' (SPD):

Nein. - Ein weiterer Punkt ist ein mögliches Aufenthaltsverbot. das die bisherigen Regelungen zum Platzverweis ergänzt. Dieses Aufenthaltsverbot kann nicht willkürlich ausgesprochen werden, so wie Sie das hier dargestellt haben. Es bedarf Erkenntnissen. dass an dem Ort durch bestinunte Personen Straftaten drohen - gerade vor dem Hintergrund der Diskussion in Brandenburg. was Rechtsextremismus betrifft Wir alle kennen die Vorgänge um den Soldatenfriedhof Halbe. Wir keimen die Vorgänge zu Geburtstagen bestimmter Verbrecher aus der Vergangenheit. Da kann es ein wirksamer Beitrag dazu sein, solche Schauergeschichten wie Aufmärsche und Gedenkveranstaltungen von Rechtsextremisten zu verhindern.

Der dritte in der Öffentlichkeit sicher am meisten diskutierte Punkt ist die Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen. Hier gibt es in meiner Fraktion, aber auch bei vielen Bürgern in Brandenburg aufgnmd ihrer eigenen ostdeutschen Erfahrungen Bedenken. Diese Bedenken gehen in die Richtung, inwieweit das gerade vor zehn Jahren erworbene Recht auf informationelle Selbstbestimmung wieder eingeschränkt wird. Genau aus diesen Erfahrun

gen heraus und aus Rücksicht auf diese Bedenken hat die SPDFraktion im Vorfeld die Arbeit zu diesem Gesetzentwurf begleitet.

Sie finden jetzt im Gesetzentwurf und in der Begründung bereits Dinge wieder, die von der SPD-Fraktion ein gebracht wurden. Das ist z. B. die Festlegung, dass die Einführung der Videoüberwachung in Brandenburg auf Probe geschieht.

(Prof. Dr. Schumann [PDS]: Fünf Jahre. das ist...)

Die SPD-Fraktion hat entsprechende Anhörtin gen durchgeführt. an denen unter anderem Vertreter von Scot I and Yard teilgenommen haben. Insofern stimmt der Vergleich mit dem Ausland so nicht. Don sind ganz andere Bedin gungen. Aber was uns die Briten gesagt haben. bestätigt das, was ich eben erwähnte: Wir brauchen ein umfassendes Konzept. Wir werden ein solches in die Diskussion zum Gesetz einbringen. Insofern wünsche ich uns eine sachliche Diskussion, Herr Prof. Schumann,

(Beifall hei SPD und CDU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Finieburg. Er spricht für die DVU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren? Der vorliegende Gesetzentwurf ist in Teilen verfassungswidrig und wird deshalb von der Deutschen Volksunion abgelehnt.

(Vereinzelt Lachen hei der PDS)

Das in § 16 Abs. 2 verankerte Aufenthaltsverbot verstößt gegen Artikel l I Abs. 2 des Grundgesetzes. Eingriffe in das Freiztigigkeitsreeht können nach herrschender Meinung nur dann zugelassen werden, wenn eine Beeinträchtigung bereits eingetreten ist oder mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Verletzung unmittelbar bevorsteht. Der Gesetzentwurf entspricht in § 16 Abs. 2 nicht diesen Anforderungen. In einem freiheitlichdemokratischen Rechtsstaat gibt es Bewe gungsfreiheit. Aufenthaltsverbote mögen in diktatorischen Staaten möglich sein. Wir werden als demokratische Opposition in diesem Parlament keiner weiteren Einschränkun g der Freiheitsrechte zustimmen.

(Beifall hei der DVU)

Der Gesetzentwurf verstößt auch gegen die gesetzliche Unschuldsvermutung gemäß Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Kein anderes Bundesland hat bisher derart schwerwiegende Eingriffe in Verfassungsnormen beschlossen. Wanim nun ausgerechnet Brandenburg. ein Land. das sich auf Toleranz und Menschenwürde beruft?! Im Übrigen kann ein derart schwerwiegender Eingriff in Grundrechte nur bundeseinheülich geregelt u erden. Aber das wird nicht geschehen. weil der Bundesgesetzgeber genau weiß, dass er vor dem Bundesverfassungsgericht scheitem würde.

Eine ebenso un erhälmismäßige. vor allem Unbeteiligte betreffende und grundrechtseinschränkende Befugnis ist die Videoüberwachung öffentlicher Plätze. Der Effekt hei der Bekämpfung der Kriminalität ist nahe Null. Der eigentliche Effekt besteht im Überwachungsdruck auf jedermann. Sie sollten doch wissen. dass es ein anerkannter Grundsatz des freiheitlichen Rechtsstaates ist. dass nicht Jedermann wie ein potenzieller Verbrecher behandelt werden darf. Meine Damen und Herren, es ist Ihnen nicht mehr in Erinnerung. dass das Bundesverfassungsgericht sogar das Volkszählungsgesetz wegen schwerer Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht gestoppt hat.

Englische Untersuchungen haben nach kurzfristigen Erfolgen die langfristige Wirkung der Videoüberwachung verneint. Die Regierung täuscht die Öffentlichkeit. wenn sie das Gegenteil behauptet. Die Bürger draußen im Land wollen nicht überwacht und bespitzelt werden. Ihre berechtigten Ängste beruhen auch auf der persönlichen Biografie eines jeden in Gestalt schlimmer Erfahrungen mit dem Überwachungsstaat DDR.

Wir können dem Gesetzentwurf in einem einzigen Punkt zustimmen, und zwar in § 66 Abs. 2. Es geht hier um den finalen Rettungsschuss. Allerdings hat die DVU-Fraktion bereits im Februar dieses Jahres einen derartigen Antrag eingebracht, der damals von der Koalition bzw. der Regierung abgelehnt wurde. Sie haben sechs Monate benötigt. um den Gesetzentwurf der DVU-Fraktion inhaltlich abzuschreiben. Eine wahrhaft tolle Leistung dieser Regierung!

(Beifall bei der DVU} Über die wahren Ursachen der Kriminalität finden wir in der Begründung des Gesetzentwurfs kein Wort. Nach der polizeili- chen Kriminalstatistik des Jahres 1999 sind 25 aller tatver- dächtigen Personen Ausländer. (Zuruf von der PDS: Ja. ja!)

Das ist gerade für die Anhänger einer multikulturellen Gesellschaft eine schlimme Bilanz. Im Asvlbewerberheim Rathenow wurden immerhin 57 Ausländer als Tatverdächti ge ermittelt. Ausgerechnet dieses Asylbewerberheim macht mit Unterstützung der Ausländerbeauftragten immer wieder Schlagzeilen.

Ausländerkriminalität ist für Sie ein Tabu. Darüber redet man sowieso genauso wenig wie über die Gewalt in den Medien. Täglich flimmern über die Bildschirme Dutzende Mordtaten. Einen Antrag der DVU-Fraktion _Gegen Gewalt in den Medien" haben Sie bekanntlich auch abgelehnt.

Die DVU-Fraktion kann nur ti 66 Abs. 2 unterstützen: im Übrigen lehnt die DVU-Fraktion den Gesetzentwurf ab. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der DVU )

Das Wort geht an den Ab geordneten Petke. Er spricht für die CDU-Fraktion.

Petke (CDL►:

HeiT Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einer Reaktion auf die eben gehörten Ausführungen der DVU beginnen. Meine Damen und Herren von der DVU. wenn Sie sich schon zum Retter der Grund- und Freiheitsrechte in Brandenburg und in Deutschland aufspielen. sollten Sie dabei vielleicht einmal beachten. dass diese Grundund Freiheitsrechte für alle Menschen gelten. nicht nur für die in Deutschland lebenden Deutschen. sondern auch für die Menschen, die in Deutschland leben, aber nicht unsere Staatsangehöri gkeit haben. sondern eine andere.

(Beifall bei CDU. SPD und PDS)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir freuen uns, dass mit dem heute eingebrachten Gesetzentwurf eine Novelle vorliegt. durch die das Brandenburgische Polizeigesetz vom 19, März 1996 die Gestalt erhält. die die CDU-Fraktion schon damals anstrebte. Schon die damalige Novelle führte zu einer entscheidenden Verbesserung, beispielsweise durch die Einführung der verdachts- und ereignisunabhängigen Personenkontrollen.

Ein weiterer wichtiger Schritt zu einem effektiven Polizeigesetz erfolgt nun durch die Einführung der Befugnisse zur offenen Videoüberwachung zu präventiven Zwecken sowie durch die Erteilung von Aufenthaltsverboten. Auch das mutige Bekenntnis des Gesetzgebers zum finalen Rettungsschuss soll an dieser Stelle begrüßt werden.

Der Entwurf ist ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung der Kriminalität. Diese Bekämpfung erwarten die Bürger: sie erwarten zu Recht. dass der Staat die Einhaltung des Rechts und die Gewährleistung der inneren Sicherheit sicherstellt. Innere Sicherheit ist die notwendige Voraussetzung für das funktionierende Zusammenleben in unserer Gesellschaft.

Herr Prof. Schumann. ich bedauere. dass Sie sich diesem Gesetzentwurf verweigern. wie Sie wörtlich gesagt haben. Ich denke. der Unterschied zwischen uns, zwischen der Regieninnskoatition und der PDS, ist nicht nur ein Unterschied zwischen Regierung und Opposition. sondern letzten Endes liegt der Unterschied darin begründet. dass wir für die Mehrheit der Brandenburger Politik machen wollen, für die Mehrheit der Brandenburger. die ein hohes Interesse an der Gewährleistung von innerer Sicherheit und eigenem Schutz haben. Deswegen liegt der Gesetzentwurf in dieser Form vor.

(Prof. Dr. Schumann [PDS]: Wir haben unterschiedliche Grundrechtsauffassungen! - Weitere Zurufe von der PDS)

Doch der Reihe nach. Meine sehr verehrten Kollegen! Der Gesetzentwurf enthält auf der Entscheidung des Landesverfas

Lamita2 Brandenburg - 3. 11/4 21111periode - Pleaurprotokoll 3 20 - 20. September 2flou 1211

sungsgerichtes Brandenburg vom 30. Juni 1999 basierende Klarstellungen. die aus Gründen der Rechtssicherheil durch diese Novelle in den Gesetzestext aufgenommen werden. Dies wurde zwar vorn Landesvedässungsgerieht nicht ausdrücklich verlangt. doch wollen wir der geäußerten Kritik unseres höchsten Gerichts im Land Brandenburg nachkommen.

Wichti ger jedoch sind die eben schon skizzierten Verbesserungen der polizeilichen Wirksamkeit des Gesetzes. Wie Ihnen bekannt ist. soll nun auch in Brandenburg die Videoüberwachung zu präventiven Zwecken eingesetzt werden, wie es sie in vielen anderen Lindern schon heute gibt. So besteht in Mecklenbure-Vorpommeni - sieh an. meine Damen und Herren von der PDS -. in Niedersachsen und in Schleswig-Holstein die Möglichkeit. öffentliche Orte im Rahmen der Aufgabenertilllung durch Bildübertragung offen zu beobachten. Auch der Bundesgrenzschutz in der Verantwortlichkeit der Bundesregieburg und des Deutschen Bundestages verfügt über diese gesetzliche Möglichkeit Außer in Niedersachsen besteht hierbei auch die Möglichkeit der Bildaufzeichnung. wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen. dass Verbrechen und bestimmte Vergehen begangen m erden sollen.

In den Länden] Sachsen-Anhalt Baden-Württemberg. Bayern und Sachsen enthalten die gesetzlichen Bestimmungen die Befugnis der Bild- und Tonaufzeichnung an besonders gefährdeten Orten. wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen. dass im Zusammenhang mit diesen Orten Straftaten begangen werden.

Im Gegensatz zu den eben gehörten Ausführtargen der beiden Oppositionsparteien bestehen hier sehr wohl positive Erfahrungen im Umgang mit der Videoüberwachung, positive Erfahrungen dahin gehend. dass bei den entsprechend überwachten öffentlichen Plätzen und Orten ein Rückgang bestimmter für die Menschen sehr gefährlicher Kriminalitätsarten zu verzeichnen ist.