Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zur Motivation der DVU-Fraktion habe ich heute Morgen anlässlich der Aktuellen Stunde schon einiges festgestellt. Ich möchte das jetzt nicht wiederholen.
Allerdings verblüffte mich an Ihrem Antra g zunächst doch. dass die DVU den Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3 Abs. 3 Satz des Grundgesetzes kennt. Dieser lautet:
"Niemand darf wegen seines Geschlechtes. seiner Abstammung, seiner Rasse. seiner Sprache. seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens. seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden."
Bei manch anderen Ihrer Anträge drängte sich uns der Eindruck auf. dass Ihnen zumindest dieser Artikel des Grundgesetzes nicht geläufig ist. Der Umgan g mit dem Grundgesetz fallt Ihnen anscheinend schwer. Denn selbstverständlich verstößt das Asylbewerberleistungsgesetz nicht gegen unsere Verfassung. Die Grundleistungen nach § 3 sind schon so niedrig angesetzt, dass selbst die antragstellende Fraktion die dort geforderte Summe für angemessen hält. Das sollte uns zu denken geben.
Die von Ihnen kritisierten Leistun gen in besonderen Fällen gemäß § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes finden im Übrigen nur dann Anwendung. wenn Leistungsberechtigte über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen gemäß § 3 des Asylbewerberleistungsgesetzes erhalten haben und die Ausreise nicht erfolgen kann sowie aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, weil humanitäre. rechtliche oder persönliche Gründe bzw. das öffentliche Interesse entgegenstehen.
Meine Damen und Herren, wir sehen keinen Grund für die beantragte Bundesratsinitiative. Im Gegenteil: Sie entlarvt wieder einmal den Antragsteller. - Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn schon rechtsextreme. deutschnationale und offen rassistische Meinungen hier von der DVU ins Parlament getragen werden können. dann ist umso entschiedener diesen Lügen hier im Landtag entge genzutreten. Lügen wie: "Die kriegen mehr als wir, die besseren Wohnungen. mehr Sozialhilfe, mehr medizinische Leistungen". Lügen. die nur das Ziel haben. die Bevölkerung gegen Flüchtlinge und Migranten aufzuhetzen. Die Wirklichkeit ist anders. Kein Deutscher sollte sich wünschen. mit einem Ausländer in Deutschland zu tauschen.
Die oft entwürdigende Behandlung von Asylsuchenden hierzulande und ihre Entfremdun g von der deutschen Bevölkerung hat ihre Ursachen auch in den geltenden ausländerrechtlichen Bestimmungen. Wer limitierte und quotierte Sachleistungen, die Verfrachtung in Sammelunterkünfte. Gemeinschaftsverpflegung, Arbeitsverbot und häufig entwürdigende Behandlung durch Ämter an die Stelle von Solidarität, Verständnis. Arbeitserlaubnis und finanzielle Hilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz setzt. der fügt dem oft erlebten Leid in den Heimatländern der Flüchtlinge neues Leid hinzu.
Wenn die rechtsextreme DVU also in unerträ g licher Weise vom Änderungsbedarf des Asylbewerberleistungsgesetzes und in diesem Zusammenhang von Gleichheit und Gerechtigkeit spricht, ist von mir namens der PDS-Fraktion auch noch einmal auf die Geschichte und die Auswirkungen dieses Gesetzes hinzuweisen.
Das Asvlbewerberleistungsgesetz wurde 1993 im Ergebnis des Asylkompromisses verabschiedet. Dadurch wurden erstmals die
Leistungen für Asylsuchende und andere Ausländer ohne dauerhaftes Aufenthaltsrecht aus dem Bundessozialhilfegesetz zum Zwecke der Abschreckun g und angeblicher Kostenersparnis herausgelöst und in einem eigenständigen Gesetz geregelt.
Die Höhe der Unterhaltsleistungen liegt seitdem unter der in der Bundesrepublik geltenden Armutsgrenze. Durch die Novellen des Gesetzes von 1997 und 1998 erfolgten weitere Verschärfungen. Sendern müssen regelmäßig Leistungskürzungen gegenüber dem BSHG von 25 % bis zu 100 c.',0 hingenommen werden.
Da die betroffenen Flüchtlinge einem Afoeits- und Ausbildungsverbot unterliegen. sind sie. auch wenn sie gesund und arbeitsfähig sind, gezwungen. staatliche Fürsorgeleistungen zu empfangen, was sie als äußerst entwürdi gend und demütigend empfinden.
Durch das im Gesetz und im brandenburgischen Runderlass des MASGF verankerte Sachleistungsprinzip werden die Betroffenen nicht nur unzureichend versorgt. sondem auch der Möglichkeit einer eigenverantwortlichen Lebensgestaltung beraubt.
Die Einschränkungen der medizinischen Leistungen führen zu einer gesundheitlichen Unterversorgung und gefährden das Recht auf körperliche Unversehrtheit.
Durch die 1998 erfolgte Reduzierung der Hilfe auf das nirgends konkretisierte "Unabweisbare" in § 1 a wurde erstmals die Definition des Existenzminimums für eine bestimmte Gruppe von Menschen nach unten korrigiert. sodass es jetzt in Deutschland zwei verschiedene Existenzminima gibt. Damit wurde das Grundpnnzip der Sozialhilfe und damit das verfassungsrechtliche Gebot der Sozialstaatlichkeit außer Kraft gesetzt.
Die rechtlichen und humanitären Bedenken vieler hinsichtlich dieses Gesetzes haben sich bestätigt. Die Regelungen des Gesetzes sind uripraktikabel und teurer als eine Leistungsgewährung entsprechend BSHG.
Private Betreiber von Gemeinschaftsunterkünften verdienen sich stattdessen am Elend der Flüchtlinge goldene Nasen - zulasten der Flüchtlinge und auf Kosten der Steuerzahlenden. Das Beispiel von Frankfurt (Oder) sollte Ihnen bekannt sein. Der eigentliche Hintergrund aktueller Diskussionen auch in SPD- und Unionskreisen sowie bei kommunalen Spitzenverbänden ist jedoch folgender: Mit der Novelle 1998 beschloss der Bundestag mehrheitlich, dass alle Leistungsberechtigten ab dem 1. Juni 1997 für die Dauer von drei Jahren abgesenkte Leistungen erhalten. Es geht hierbei um den erwähnten § 2. Das heißt. dass ab dem 1. Juni 2000 denjenigen, die drei Jahre abgesenkte Leistungen erhielten. nun Leistungen nach dem BSHG zustehen. Dies führt in der Tat zu einer weiteren Ungleichbehandlung. die nun nach der Dauer des Aufenthaltes von Asylbewerbern einsetzt. Das Auslaufen der Stichtagsregelung des § 2 Asylbewerberleistungseesetz sollte als Anlass genutzt werden, um endlich die bestehende soziale Ungleichheit zu beenden. Sozialleistungen dürfen nicht länger zur Abschreckung von Flüchtlingen missbraucht werden.
Das Asylbewerberleistungsgesetz ist aus Sicht der PDS daher ersatzlos aufzuheben. Personen. die bisher nach dem Gesetz leistungsberechtigt sind, sollten stattdessen Leistungen nach dem BSHG erhalten. Die Kosten der Sozialhilfe für die bisher unter das Asylbewerberleistungseesetz fallenden Ausländer werden den
örtlichen Leistungsträgern durch den Bund erstattet. - So lautet ein Antrag der PDS-Bundesta gsfraktion. Die Initiative der DVU lehnen wir ab.
Somit sind wir am Ende der Aussprache und kommen zur Abstimmung. Die Fraktion der DVU beantragt die Überweisung des Antrages in der Drucksache 3/1427 an den Ausschuss für Arbeit. Soziales. Gesundheit und Frauen. der federführend sein soll, sowie an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen und an den Ausschuss fiir Inneres. Wer diesem Überweisungsantrag folgt. möge die Hand aufheben. - Gibt es Ge genstimmen'? - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Überweisung abgelehnt worden.
Wir kommen nun zur Abstimmung in der Sache. Wer dem Antrag in der Drucksache 3/1427 folgt. möge die Hand aufheben. -Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag abgelehnt worden.
Dazu liegt Ihnen ein Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und der CDU in Drucksache 3/1 463 vor.
Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der PDS-Fraktion. Herr Abgeordneter Warnick. Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Antra g hat den wohl eher seltenen Hintergrind. dem Willen zweier unterschiedlicher Bürgerinitiativen zu entsprechen - der sehr aktiven Initiative "Pro Stammbahn" und dem breiten Aktionsbündnis gegen den ökonomisch und ökologisch unsinnigen Ausbau von Havel und Teltowkanal - und teilweise sogar dem Willen der Landesre gierung.
Fangen wir deshalb doch mit den gemeinsamen Positionen, die uns in diesem Parlament verbinden, an. Wir alle haben uns die weitere Stärkung des ÖPNV auf die Fahnen geschrieben. Soweit ich es sehe. gibt es in Brandenburg von allen Parteien Zuspruch zu der Absicht. die alte "Stammbahn"-Linie wieder zu eröffnen im Gegensatz zu einigen Berliner Bezirken. die sich bisher quer gestellt haben. Aber auch hier ist in den letzten Monaten ein Unidenken erkennbar gewesen.
Dieses Projekt hat viele Vorteile, von denen ich nur einige nennen kann. Zum Ersten wären da die Planungsverfahren zu nennen. Es
besteht bereits eine selbstständige Eisenbahntrasse, die seit 1838 als Bahngelände gewidmet und bis heute frei von jeglicher Bebauung ist - übrigens die erste Bahnlinie in Preußen. deshalb auch Stammbahn, von der später alle weiteren Bahnlinien ausgingen. Nur durch die Sprengun g der Brücke über den Teltowkanal in den letzten Kriegstagen 1945 und dem später weitgehend auf dem Eisenbahngelände erfolgten Mauerbau ist die vorher schon seit über 100 Jahren existierende Bahnlinie unterbrochen worden. Damit ist eine schwere Hürde von vornherein genommen: Es bedarf keines langwierigen Raumordnungsverfahrens.
Zum Zweiten wäre die Wirtschaftlichkeit zu nennen. Dieständig steigende Einwohnerzahl in der gesamten Region südwestlich Berlins. das sich gegenseitig bedingende Anwachsen der Anzahl der Arbeitsplätze im Europarc Dreilinden - die Bahnlinie und der neue Bahnhof würden hier einen großen Schub bringen - lassen schon heute alle Experten einig sein: Diese Bahnlinie ist wirtschaftlich.
Zum Dritten besteht die große Chance. im Süden Berlins. im großzügig angelegten Europarc. ein attraktives Park-and-rideSystem mit schneller Anbindung zum Zentrum Berlins zu schaffen. nicht wie die S-Balzt von Wannsee. die über 35 Minuten benötigt. sondem in zwölf Minuten auf eigener Trasse zum Potsdamer Platz. Dieses zeitökonomische Angebot wird mit Sicherheit viele Autofahrer auf die Schiene locken.
Der vierte Vorteil ist die vorhandene Trasse. die Gebäudeabrisse. größere Rodungen und Bodennivellierung weitgehend unnötig macht und den Wiederaufbau damit wesentlich kostengünstiger gestaltet.
Bei so vielen Vorteilen bleibt eigentlich nur noch die Frage der Finanzierung und damit die des schnellen Baubeginns zu klären. Aber da haben wir ja einen Vorschlag parat. der zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt, der das Angenehme mit dem Nützlichen verbindet, womit wir beim Verkehrsprojekt Deutsche Einheit 17 wären.
Ganz im Gegenteil zu den Vorzügen der geplanten Wiederinbetriebnahme der "Stammbahn" sieht die Situation hier völlig anders aus. Niemand außer den bekannten Baufirmen. wenigen Großreedern und noch weniger Politikern ist an diesem Projekt interessiert.
Es wird von der breiten Bevölkerung abgelehnt. Der ökonomische Sinn ist zumindest äußerst umstritten bzw. nicht im Geringsten erkennbar, von den ökologischen und kulturellen Schäden ganz zu schweigen.
Wenn wir in öffentlichen Foren den Bürgerinnen und Bürgern die Planungszahlen zum Ausbau des Teltowkanals zum Besten gehen, glauben viele an einen Schildbürgerstreich oder sich in einer Kabarettveranstaltune zu befinden. Die sage und schreibe 40 prognostizierten Euro-Schiffe - nicht pro Tag. nicht pro Woche, auch nicht pro Monat, sondern pro Jahr. also nicht einmal ein Schiff pro Woche - lassen viele Menschen zweifelnd fragen: Haben die uns Regierenden nun vollständig den Verstand verloren?
Nur Brandenburg hält beim Verkehrsprojekt Deutsche Einheit 17 noch als Letzter zur Stange. Auch Berlin hat sich von Argumenten der Gegner überzeugen lassen und rückt immer weiter von sämtlichen Ausbauplänen ab. Bisher sind die Pressemeldungen. dass der Berliner Senator Strieder den Ausbau des Teltowkanals im Zuge des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit 17 infrage gestellt hat, nicht dementiert worden.