Protocol of the Session on July 12, 2000

Bitte schön. Herr Dr. Ehler!

Frau Stobrawa, meine Zwischenfrage bezieht sich darauf, dass Sie von so genannter verschmähter Liebe sprachen. Wenn Sie vom ganzen Landtag sprechen. verstehen Sie darunter angesichts des eher exotischen Auftretens der DVU anlässlich einer in diesem Zusammenhang stattgefundenen Reise auch die Fraktion der DVU?

Herr Dr. Ehler, ich habe eine Eingrenzung vorgenommen. Ich habe gesagt dass es in diesem Landta g. drei Parteien gibt. die zumindest in der Europapolitik einige annähernd übereinstimmende Positionen haben.

(Beifall hei der PDS)

Werte Kollegen von der CDU und leider aber auch von der SPD! Ich weiß sehr wohl, dass viele von Ilmen meinen, es wäre egal, wer da in Brüssel für Brandenburg sitzt. Um eine Formulierung von Herrn Staatssekretär Speer aufzugreifen:

"Im zehnten Jahr der deutschen Einheit sollte die biografische Herkunft der Beschäftigten in den Ministenen keine Rolle mehr spielen."

Sie wissen, dass wir diese Auffassung - bezogen auf die Vertretung von Ostdeutschen in Führungspositionen der Landesregierung hier in Potsdam - nicht teilen. Das Gleiche eilt aber auch für die Brandenburger nationalen Experten in Brüssel. Deshalb haben wir unseren Antrag aus der vergangenen Sitzung hier noch einmal vorgestellt. Die Kollegen, die mit mir in Brüssel waren, werden sich erinnern. wie dort vor allen Dingen von den nationalen Experten eben aus eigener ostdeutscher Berufserfällmau, heraus angesichts des Auslaufens des "Delors-Kinder"-Programms gefordert wurde. dass Brandenburg Bedingungen schafft, die es auch künftig Ostdeutschen erlauben, als nationale Experten nach Brüssel zu gehen. Und dafür ist eine entsprechende sprachliche und auch weitergehende fachliche Vorbereitung unabdingbar Defizite, die ostdeutsche Bedienstete aufgrund ihrer ostdeutschen Erwerbsbiografie nun einmal haben.

Zweitens ist meine Fraktion der Auffassung. dass es Brandenburg. wo man in den vergangenen zehn Jahren positive wie auch schmerzvolle Erfahrungen bei der Transformation gesellschaftlicher Verhältnisse gemacht hat, gut zu Gesicht stehen würde, wenn wir die Landesregierung nicht nur schlechthin beauftragen, ihre Bemühungen zur Unterstützung der Beitrittsländer zu verstärken, sondern wir sollten diese Unterstützung stärker inhaltlich bestimmen. Wir sollten in dem Antrag auch der Erwartung Ausdruck geben. dass die Landesregierung die Erfahrungen, die Brandenburg bei der Umgestaltung gemacht hat, vermittelt, dass die anstehenden gesellschaftlichen Transformationsprozesse in den Beitrittsländern sozial verträglich und unter Berücksichtigun g, sowohl ihrer historischen Erfahrungen wie auch derkonkreten Bedingungen in diesen Ländern gestaltet werden. Ich bedanke mich.

(Beifall bei der PDS 1

Ich danke Ihnen. Frau Abgeordnete Stobrawa. - Die CDU verzichtet auf ihren Redebeitrag, weil der gemeinsame Antrag ausreichend durch den Abgeordneten Lenz begründet worden ist und der Abgeordnete Habennann verhindert ist.

Das Wort geht jetzt an die DVU. Herr Abgeordneter Firneburg, bitte!

Firneburg (DVU}:

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Regierungsfraktionen haben diesen Antrag wieder einmal kräftig abgekupfert, dieses Mal nicht bei uns, sondern bei der Fraktion der PDS. denn diese forderte bereits in der Drucksache 3/1279 etwas. was uns heute in ungesalbter Form erneut zur Beschlussfassung vorliegt und sicherlich auch mit Regierungsmehrheit verabschiedet wird. jedoch nicht mit den Stimmen der DVU.

Zwar sehen wir auch hier die Notwendigkeit ein, dass wir uns wenn wir schon der Zahlmeister der EU sind - durch speziell geschulte Landesfachleute vor Ort in Brüssel wieder einen Teil des gezahlten Geldes durch präzise und schnelle Fördennittelanträge zurückholen. Dass diese Bediensteten bestens ausgebildet sein müssen und gute berufliche Perspektiven haben sollten, ist auch unzweifelhaft. Jedoch ist es schon im Hinblick auf die verheerende Arbeitsmarktlage in Brandenburg nicht hinneh mbar, wenn man zusätzlich im Antrag den zügigen Beitritt nicht nur Polens. sondern auch der übrigen Beitrittskandidaten Mittel- und Osteuropas in die Europäische Union Fordert, da dies im Interesse Brandenburgs läge.

In völliger Missachtung der Realitäten träumt man parteidogmatisch von einem schnellen Beitritt dieser Länder. nur weil dies der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung vorn 24.1 1.1999 forderte.

Sogar in den meisten Brüsseler Amtsstuben verabschiedet man sich möglichst unauffällig von dem Gedanken. ein Land wie Polen vor dem Jahre 2005 in die EU aufnehmen zu können. Diese Tatsache kann man zwar verheimlichen, jedoch nicht mehr wegdiskutieren.

Vor kurzem erst konnte ich mir bei der Ausschussreise nach Brüssel ein eigenes Bild davon machen, wie man diese Frage beurteilt. Das offizielle Polen will immer noch nicht verstehen, weshalb es nicht schon im Jahre 2001 der EU beitreten kann. Polens Regierungsvertreter äußern zwar bereits klare Vorstellungen darüber. mit welchen Fördermitteln sie zum Beispiel für die Bauern rechnen. doch dass bis zur Aufnahme beispielsweise noch 178 nationale Gesetze quer durch alle Bereiche geändert werden müssen. sieht man dort nicht als Problem an. Dies könnte man ja auch nach einem Beitritt in die EU ändern. so hörte es Frau Dr. Erler aus dem Kabinett Verheugen von polnischen Regierungsvertretern. Vor 2005 bzw. 2006 ist höchstens ein Beitritt der Länder Estland, Slowenien und Malta möglich, was wegen der langen Prozedur des Beitritts zumindest uneffektiv wäre. Auch Frau Fabian als Vertreterin des DIHT-Büros in Brüssel sprach die harte Wahrheit, wenn sie eindeutig sagte.

(Dr. Ehler [CDU]: Da haben Sie die Hälfte der Zeit ge- schlafen!)

Land tag Brandenburg - 3. Wahlperiode - Plcnarprotokoll 3 t S - I 2. Juli 3100 1103

dass Brandenburg den höchsten Preis für die Osterweiterung der EU zahlen würde. Beide Damen sind gänzlich unverdächtig. Mitglieder oder Sympathisanten der Deutschen Volksunion zu sein. Dennoch sprachen sie nur die Realitäten aus, für die man uns brandmarkt, wenn wir darauf hinweisen.

Betrachtet man daher die Regierungsworte der letzten Jahre und stellt die Realitäten nebenan, dann bleiben außer schönen Reden kaum greifbare positive Ergebnisse für die breite Masse der Brandenburger Bürger übri g. Soll uns die verlangte überhastete EU-Osterweiterung die gleichen Vorteile bringen wie die, die man uns faktisch vor der Einführung der Euro-Weichwähning weismachen wollte?

Ob und wie die Erweiterung der Europäischen Union gelingt - dies, meine Damen und Herren, kann man nicht oft genug betonen -. hängt - um bei dem Beispiel Polen zu bleiben - hauptsächlich auch von der Einigung in der Agrarpolitik ab. Doch was tut man gerade in diesem Bereich? Da man sich nicht einigen kann und Polens Bauern trotz Schönrederei in den Medien mitbekommen haben, was ihnen bei einem EU-Beitritt blüht. und sie daher vehement dagegen sind, klammert man diese Fragen kurzerhand aus. Man betreibt somit eine Vogel-Strauß-Politik und steckt den Kopf in den Sand. Doch die Probleme verschwinden nicht deshalb, weil sie einem lästig sind und man sie daher nicht mehr sehen will. eines Tages drängen sie mit Macht auf die Tagesordnung zurück. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke dem Abgeordneten F imebure. - Das Wort geht an die Landesregierung. an Minister Sehelter.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Europaminister dieses Landes hat allen Grund zur Freude. Die Tagesordnungspunkte mit Europabezug in diesem Landtag werden immer mehr. Der Europaausschuss ist sehr aktiv und nun gibt es einen Antrag der Koalitionsfraktionen. der in einigen Bereichen für die Europapolitik dieses Landes sehr interessante zusätzliche Impulse gibt. Ich bedanke mich ausdrücklich für die Begründung dieses Antrages, Herr Kollege Lenz. Ihr Vorschlag, das Informationsbüro umzubenennen, ist überlegenswert und vor allem ihre Reflexion über die europapolitische Sicht dieses Landes, die Geschichte dieses Landes mit Blick auf Europa, ist sehr hilfreich. Wir werden, seien Sie versichert, all die Vorschläge. die in diesem Antrag enthalten sind. sehr sorgfältie prüfen und, wo es möglich ist. auch sehr rasch umsetzen. Es ist gut. diesen Landta g hinter sich zu wissen. wenn man für Brandenburg in Europa unterwegs ist.

Der Europaminister dieses Landes hat also, wie gesagt, allen Grund zur Freude. aber er hat auch noch einige Wünsche:

Es wäre sehr schön, wenn im Protokoll über diese Sitzung stehen könnte: Starker Beifall auf allen Seiten des Hauses zu allen europapolitischen Beiträgen. Es wäre sehr schön, wenn man im Protokoll zu dieser Debatte lesen könnte, dass einige Schulklassen

aus unserem Land als Gäste während dieser Debatte begrüßt worden sind. Es wäre auch sehr schön feststellen zu können, dass die Pressetribüne während einer Debatte über Europa voll ist.

(Vereinzelt Beifall bei SPD. CDU und PDS)

Meine Damen und Herren. ich sage das nicht, weil Politiker eitle Menschen sind. sondern weil wir eines verhindern müssen: Es darfnicht sein. dass Europa ein parlamentarischer Vorgang bleibt. Wir müssen dafür sorgen. dass auch von diesem Antrag, von allen Debatten. die wir über Europa führen. ein Impuls ausgeht in unser Land, vor allem in Richtung unserer Jugend.

Die jüngste Shell-Studie stellt fest. dass die Jugend in Deutschland Europa mit "kühler Distanz" gegenübersteht und dass curopa-politische Fragestellungen für viele Jugendliche "irrelevant" sind. Das dürfen wir auf Dauer nicht hinnehmen, wenn dieses Europa eine Zukunft haben soll und wenn wir wollen. dass Europa von unseren Bürgern - vor allen Dingen von den jungen - mit Herz und Verstand angenommen wird.

Ich betrachte den Antrag der Koalitionsfraktionen. für den ich mich bedanke, als einen wichtigen Beitrag zur Europapolitik dieses Landes. - Vielen Dank.

(Beifall bei CDU, SPD und PDS)

Ich danke dem Europaminister für seinen Beitrag.

Meine Damen und Herren. wir sind damit am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt angekommen. Wir kommen zur Abstimmung.

Ich rufe den Antrag der Fraktion der PDS zur Abstimmung auf. die Drucksache 311438 an den Ausschuss für Europaangelegenheiten und Entwicklungspolitik zu überweisen. Wer diesem Überweisungsantrag folgt, den bitte ich um sein Handzeichen. Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Überweisungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich rufe jetzt den Änderungsantrag der Fraktion der PDS zur Abstimmung auf, der Ihnen in Drucksache 3/1460 vorliegt. Er beinhaltet eine Änderung des Wortlautes in Nummer I c) des Antrags. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung gibt. den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen'? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich rufe zum Zweiten den Änderungsantrag der Fraktion der PDS zur Abstimmun g auf, der Ihnen in Drucksache 371461 vorliegt. Er beinhaltet eine Änderung des Wortlautes in Nummer 2 des Antrags. Wcr diesem Änderungsantrag seine Zustimmung gibt. den bitte ich um sein Handzeichen, - Gegenstimmen'? - Stimmenthaltungen'? - Damit ist auch dieser Änderungsantra g mehrheitlich ab gelehnt worden.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und CDU der Ihnen in Drucksache 311438 vorliegt. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich angenommen worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 15 und rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:

Genehmigung der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat der Flughafen Projektgesellschaft Schönefeld mbH (FP.S1

Antrag der Landesreurening

Dnicksache 3/1435

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt mit dem Beitrag der PDS. da die Landesregierung hier Verzicht angekündigt hat. Herr Ab geordneter Ludwi g hätte das Wort.

(Frau Osten [PDS]: Wir brauchen noch eine kleine Aus- zeit! - Er ist nicht da. Dann geht das Wort an die Fraktion der SPD und danach an die der CDU. - Herr Abgeordneter Homeyer? fllomeyer [CDU]: Wenn kein Redebedarf bei der PDS besteht, haben wir auch keinen!)

- Er verzichtet ebenfalls. Herr Abgeordneter Schuldt von der Fraktion der DVU. haben Sie Redebedarf!

( Schuldt [DVU]: Nein!)

- Dann bedanke ich mich. Damit sind wir am Ende der nicht in Anspruch genommenen Aussprache angekommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Landesregierung in Drucksache 3/1435. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt. den bitte ich uni sein Handzeichen. - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich angenommen worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 16 und gleichzeitig die I S. Sitzung des Landtages Brandenburg. Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Abend.

Ende der Sitzung: 17.13 Uhr