Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion. Herr Abgeordneter Klein, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Uns liegt zur Beschlussfassung ein Staatsvertrag. und zwar der Vierte Rundfunkänderungsstaatsvertrag, vor. Staatsverträge haben den Charakter. dass das Parlament zu ihnen Ja sagen oder sie ablehnen kann. Trotz alledem haben wir das ganze Prozedere. das mit der Behandlung eines Gesetzes gemacht wird. auch in diesem Rundfunkänderungsstaatsvertrag angewandt. Das ist unter Umständen etwas widersinnig. Wir hatten den Staatsvertrag in I. Lesung. Wir haben ihn überwiesen an den Hauptausschuss, der sich in seiner Sitzung am 2. März 2000 damit befasst hat, und wir haben die vorliegende Beschlussempfehlung des Hauptausschusses, die die Annahme dieses Staatsvertrages beinhaltet.
Ich denke, dass wir uns die Überlegung des Präsidenten in der Hauptausschusssitzung zu Eigen machen sollten, zu prüfen, ob wir dieses Verfahren beibehalten oder aber im tiefen Einvernehmen mit den anderen Bundesländern nicht zu einem Verfahren kommen sollten, das dieses Prozedere abkürzt und damit dem Rechnung trägt, dass man Ja oder Nein sagen kann.
Nun zum Inhalt dieses Staatsvertra ges: Ich beginne zuerst damit, dass ich sage, was nicht Inhalt dieses Staatsvertrages ist, weil gewisse Befürchtun gen oder auch Hoffnungen an den Inhalt geknüpft waren, die nicht erfüllt werden.
Es geht nicht um die Erhöhung der Rundfunkgebühren. es geht nicht um den ARD-Finanzausgleich und es geht auch nicht um die Gebührenfestlegung für multimediale PCs. All das wird Gegenstand des Fünften Rundfunkänderungsstaatsvertrages sein.
Aus der Tatsache, was nicht Gegenstand dieses Staatsvertrages ist, ergibt sich der Charakter dieses Vertrages, der uns zur Beschlussfassung vorliegt. Es ist ein echter Übergangsvertrag. Warum müssen wir diesen Rundfunkänderungsstaatsvertrag heute überhaupt behandeln?
Der Vertrag steht unter einem gewissen zeitlichen Druck, der nicht damit zusammenhängt, dass das Land Brandenburg oder das Parlament diesen Druck erhöhen, sondern dieser Druck kommt dadurch zustande, dass wir im Falle des Nichtbeschließens als Bundesrepublik Deutschland mit Sanktionen durch die EU rechnen müssten. Der Vertrag enthält die umgesetzte EUFernsehrichtlinie und einige wenige Punkte. die durch die Ministerpräsidenten der Länder im vergangenen Jahr beschlossen worden sind.
Ich möchte mich auf drei Punkte der EU-Richtlinie beschränken, ohne sie erschöpfend zu behandeln, weil das den zeitlichen Rahmen meiner Rede sprengen würde.
Es geht erstens um die Werbung, es geht zweitens um das Sponsoring und drittens um den Ju gendschutz in Fernsehsendungen. Ich beginne mit der Werbung und sage: Das oberste Ziel dieser EU-Richtlinie ist die Erkennbarkeit von Werbung. Es ist wichtig. dass der Zuschauer erkennt, dass es sich an dieser Stelle uni Werbung handelt. Manche Fernsehsender haben Dauerwerbesendun gen in einer Länge. die man kaum ertragen kann.
Von den weiteren Regeln zur Werbung greife ich nur ein Spezialgebiet heraus. das Spezialgebiet der Werbung in Sportsendungen. Dort ist festgelegt, dass Werbung nur in den Pausen der Sportveranstaltungen eingeblendet werden darf Ich möchte das an drei Beispielen erläutern, um deutlich zu machen, dass einige Sportsendun gen ungeeignet sind und manche sich sehr für Werbeeinblendungen eignen.
So ist es beispielsweise sehr ungünstig, Werbeblöcke in einer Fußballübertragung zu kaufen, weil man dort nur in der Halbzeitpause werben darf. Andere Sportveranstaltungen sind dafür besser geeignet. Beim Boxen gibt es alle 3 Minuten eine Pause. Bei einem Profiboxkampf. der zwölf Runden dauert, kann man allerhand Werbung unterbringen.
Des Weiteren gibt es die werbewirksame Sportveranstaltung Tennis. Hierbei hat man nach zwei Spielen die Möglichkeit, Werbesendungen einzublenden.
Ich komme zum Sponsorin g. Damit sie verstehen, was damit gemeint ist, will ich das an einem Beispiel deutlich machen. Wir alle kennen den blond gelockten Showmaster. Bevor seine Sendung beginnt, steht auf dem Bildschirm: „Diese Sendung wird gesponsert von..." - damit ich jetzt nicht in irgendwelche Schwieri gkeiten komme, sage ich ganz allgemein: „... einer Süßwarenfirma". Nachdem der Showmaster nach zweieinhalb Stunden an einem Sonnabend seine Sendung beendet hat, steht wieder auf dem Bildschirm: _Diese Sendung wurde gesponsert von..." dieser berühmten Süßwarenfirma.
(Vietze [PDS]: Das ist falsch, das ist die Hasseröder Brau- erei! - Heiterkeit und Beifall bei PDS und CDU)
Die Tatsache, dass ich jetzt der Unkenntnis dieser Sendung überführt worden bin, trägt eher zu meiner Reputation bei. Herr Vi
etze. Ich danke Ihnen. genannt werden, immer weiter begünstigt und die ÖffentlichRechtlichen immer mehr zurückgedrängt werden, ist ein System (Beifall bei der SPD) von Abnickveranstaltungen, genannt Rundfunkänderungsstaatsverträge. Zum Schluss etwas über den Jugendschutz. Die Miteliedsstaaten der EU werden verpflichtet. keine Programme zu senden. die die Entwicklung von Minderjährigen schwer beeinträchtigen können. Allerdings dürfen sie Sendungen bringen, in denen eine Beeinträchtigung von Jugendlichen möglich ist.
Ach du meine Güte. - Dann setze ich jetzt ein gutes Beispiel. Der Hauptausschuss hat empfohlen, dem Rundfunkänderunesstaatsvertrag zuzustimmen. Ich bitte Sie ebenfalls darum. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Verfahren kann man eigentlich nur noch lustig ertragen. Am 31. August hat der letzte der 16 Ministerpräsidenten den Staatsvertrag unterschrieben. Herr Stolpe hat am 12. August unterschrieben. Jetzt wird gesagt, dass wir diesen Staatsvertrag endlich abnicken müssen: es besteht Zeitdruck, es ist März. - Es ist nur eine Abnickveranstaltun g. Ich wage zu bezweifeln, dass sich irgendjemand in den Parlamenten sehr ernsthaft mit dem Text befasst hat. Herr Ministerpräsident, mit Ausnahme von Ihnen und mir
Aber, meine Damen und Herren. es geht um grundlegende Änderungen. Das Beispiel mit der Werbung, Herr Klein, finde ich gar nicht lustig. denn allmählich verschiebt sich alles immer mehr zugunsten kommerzieller Sender und die ÖffentlichRechtlichen geraten immer mehr unter Druck. Das ist auch ein Grund dafür. warum Herr - wie heißt er noch? - Kirch immer so schnell für Herrn Kohl die Millionen gibt und auch vorher viel gegeben hat. Das geschah deshalb, weil er mit dieser Entwicklung ja zufrieden ist, die Öffentlich-Rechtlichen jedoch nicht. Deshalb sage ich, dass dieser Vertrag wieder ein Schritt in diese Richtung ist. Da ich für die Öffentlich-Rechtlichen und ihre Stärkung bin, bin ich gegen diesen Vertrag.
Ich denke, dass 16 Parlamente in Deutschland wach werden und sich damit befassen sollten. Wir werden sicherlich unterschiedliche Auffassungen dazu haben, aber die kulturelle Zukunft dieses Landes nur abzunicken, ist für mich erstarrte Demokratie.
Ich denke, was Schleichwerbung, virtuelle Werbung in Verbindung mit den neuen Medien betrifft und in den einzelnen Paragraphen versteckt ist, müssen wir ernst nehmen.
Es wird immer über den Ju gendschutz gesprochen. Meine Damen und Herren, ich kann darüber nicht mehr lachen. Ich halte es für eine Katastrophe, dass in diesem Land bei allen Gesetzen immer mehr Gesetzestext mit immer geringerer Wirksamkeit verabschiedet wird. Der Kinder- und Ju gendschutz ist immer geringer geworden. aber wir haben immer mehr Paragraphen. Die Frage ist: Wie kann man dem begegnen?
Alle sagen, der nächste Rundfunkänderungsstaatsvertrag wird dies richten. Herr Ministerpräsident, Sie werden dann mit den anderen 15 am Kamin zusammensitzen und Ihre Experten werden Ihnen etwas vorlegen und wir dürfen das wieder abnicken.
Ich glaube, wenn wir so weitermachen, wird ein entscheidender Bereich unseres Lebens - Medien und die Zukunft - unabhängig von Parlamenten durch Experten vor geschrieben. Das ist eine Entwicklung, die ich nicht gutheißen kann. Deshalb wird die PDS diesem Rundfunkänderungsstaatsvertrag nicht zustimmen. Ich glaube, dass das Abnickverfahren. das ja keine seriöse parlamentarische Behandlung darstellt, im Grunde genommen die Parlamente entmündigt und eine „Expertokratie in Medienfragen einsetzt. Das ist so nicht gewollt, auch nicht vom Gesetzgeber.
Ich bitte alle, einmal darüber nachzudenken. ob man nicht vielleicht etwas mehr tun müsste, auch zur Stärkung der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten. Da müssen wir mehr machen als abnicken und da müssen wir mehr machen als immer weiter akzeptieren, dass Werbung und werbetreibende Industrie immer mehr bestimmen, was Fernsehen ist. Mit den neuen Medien haben wir dafür gute Gründe. dies noch ernster zu nehmen als bisher. Wir sind also gegen diesen Staatsvertrag. Nicken Sie ihn allein ab, unsere Stimmen brauchen Sie auch nicht. - Vielen Dank.
Bevor ich dem Abgeordneten Schöps das Wort gebe, der für die CDU-Fraktion sprechen wird, heiße ich Gymnasiasten aus Angermünde herzlich willkommen.
(Allgemeiner Beifall) Die heimliche Tendenz, immer mehr Regelungen zu schaffen, nach denen die Kommerzsender, die in Deutschland Privatsender Herr Schöps. bitte! Schöps (CDU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem meine beiden Vorredner sich darauf konzentriert haben, das zu nennen. was nicht dazu gehört - was auch richtig ist, da im Vorfeld Nichtdazugehöriges so diskutiert wurde - und bevor der Eindruck entsteht, dass hier nur etwas abgenickt werden soll, womit sich niemand beschäftigt hat, denke ich, ist es richtig, dass wir hier auch ein paar Dinge nennen, die ganz einfach in diesem Rundfunkänderungsstaatsvertrag stehen und die es auch wert sind und deutlich machen, dass wir ihn beschließen sollten.
Der nun vorliegende Gesetzentwurf zum Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrag regelt verschiedene Bestandteile des öffentlich-rechtlichen und des privaten Rundfunks. Das ist richtig. Er regelt über das Gesa gte hinaus aber noch Einiges mehr. Zum Beispiel enthält er eine Regelung für Online-Dienste von ARD und ZDF sowie grundlegende Bestimmun gen zum digitalen Fernsehen.
Das heißt zum Beispiel, dass Regelungen im Sinne des Jugendschutzes getroffen wurden, auch wenn manche sagen mögen. es seien noch nicht genu g. Zum Beispiel werden im § 3 Abs. 3 die Bestimmun gen bezüglich Sendungen mit indizierten Inhalten verschärft. Derarti ge Sendun gen sind nun grundsätzlich unzulässig. Ausnahmen kann nun nicht mehr der Fernsehsender selbst. sondern nur noch das entsprechende Aufsichtsgremium, der Rundfunkrat, gestatten. Eine Reihe weiterer Einzelheiten regelt die Zielstellung Jugendschutz noch darüber hinaus.
Von besonderer Bedeutung, speziell für die sportinteressierte Öffentlichkeit - Herr Klein hat das schon angesprochen -, sind weiterhin Regelungen der Übertragung von Großveranstaltungen, die im `L5 a getroffen werden. Im Zusammenhan g mit der Einführung des di gitalen Fernsehens wird allgemein mit einer Zunahme von Pay-TV-Programmen gerechnet. Das sprach Herr Bisky an, das ist auch richtig. Diese Programme sind aber nur dann rentabel, wenn sie attraktive Sendungen enthalten, für die die Zuschauer bereit sind ein zusätzliches Entgelt zu entrichten.
Da Sendungen mit attraktiven Inhalten aber nicht beliebig vermehrbar sind. besteht die Gefahr, dass sie exklusiv ins Pay-TV abwandern und breite Schichten der Bevölkerung vom Zugang zu diesen Inhalten ausgeschlossen sind. Besonders augenfällig wurde dies bei der Vergabe der Rechte der Fußballweltmeisterschaften in den Jahren 2002 und 2006, was auch zu umfangreicher öffentlicher Kritik bezüglich der Verfahrensweise geführt hat.
Für die Allgemeinheit ist es deshalb von großer Wichtigkeit, dass genau diesen Mechanismen entgegengewirkt wird, sodass bestimmte Ereignisse geschützt werden und zukünftig nicht nur im Pay-TV, sondern auch im anderen Fernsehen gesendet werden müssen. Genau dies geschieht mit dem vorliegenden Rundfunkänderungsstaatsvertrag. Das ist ein wichti ger Punkt, denke ich.
Geschützte Ereignisse im Sinne dieser Bestimmungen sind zum Beispiel die Olympischen Sommer- und Winterspiele, die Fußballeuropa- und -weltmeisterschaften, Spiele mit deutscher Beteiligung sowie in jedem Fall das Eröffnungsspiel, die Halbfinals und das Endspiel - ich will nicht alles aufzählen, die
Auch wenn, wie bereits angekündigt, dem Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrag ein fünfter und eventuell weitere folgen sollen, wird hier deutlich, dass der vorliegende Entwurf wichtige Regelungen enthält. die dem Zuschauer schlicht und einfach nutzen. Ich betone dies auch deshalb, weil ja im Vorfeld politische Erklärun gen - jetzt eben auch von der PDS und im Anschluss von der DVU - abgegeben werden, man müsse diesen Vierten Vertrag unbedin gt ablehnen. weil er noch nicht vollständig sei und nicht alle Regelungen, die notwendig sind, enthalte. Das mag auch anteilig so richtig sein, aber diese vierte Stufe ist eine Festschreibung, die zwar nicht alles, aber doch einen großen Teil zugunsten der Zuschauer regelt.
Eine Erweiterung der Möglichkeiten bezüglich Werbeeinblendungen ist ein weiterer Bestandteil des Vertrages. Da mag der eine glücklich, der andere nicht glücklich sein - ich bin darüber auch nicht glücklich -, aber letztendlich entscheidet jeder zu Hause mit seiner Fernbedienung, wie lange er sich die Vielfalt oder den Umfang der Werbung im Rundfunk noch bieten lässt. Vielleicht wird gerade das Nichtunterbrechen von Sendungen am Ende ein Vorteil für ARD und ZDF sein. Warten wir es doch einmal ab.
Die umgekehrte Richtung, wie sie die PDS laut ADN-Meldung vom 22. Februar 2000 fordert, dass also die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ganz auf Werbung verzichten sollen und die privaten dann über Abgaben die öffentlich-rechtlichen Sender finanzieren sollen, ist - denke ich - ideologische Träumerei.
Wenn die öffentlich-rechtlichen Sender. wie von der PDS gefordert, völlig auf Werbung verzichteten und sich nur noch auf ihren Grundauftrag konzentrieren sollten, käme das einer praktischen Zerschla gung der jetzigen Sender gleich. Auch wenn mir persönlich nicht jede Sendung gefällt, so ist die Leistung der Öffentlich-Rechtlichen doch zu würdigen. Wenn so langjährig erfolgreiche populäre Sendungen wie das ZDF-Sportstudio oder die „Tatort"-Reihe der ARD entfielen, wäre das ein Verlust für alle, den die Zuschauer nicht wollen und den die Sender auch nicht verdient haben.
Zum Abschluss: Das digitale Fernsehen, zu dem die ÖffentlichRechtlichen bisher noch keinen geregelten Zugang haben, wird hier in diesem Vertrag geregelt, das heißt, der Zu gang muss ihnen gewährt werden. Auch das ist ein wichtiger Punkt für diesen Rundfunkänderungsstaatsvertrag.