Evelin Groß

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Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Thüringer Landtag hat in seiner 106. Sitzung am 14. Dezember 2012 auf Antrag der Fraktion DIE LINKE in Drucksache 5/ 5366 einen Untersuchungsausschuss zum Thema „Erfolgte Bespitzelung, Herabwürdigung und Infiltration von Parteien, Fraktionen und Vereinen durch einen als V-Mann geführten Neonazi mit Wissen und/oder Zustimmung des Landesamtes für Verfas
sungsschutz und der Thüringer Landesregierung und deren Umgang mit erlangten Informationen über Aktivitäten und Straftaten der extremen Rechten in Thüringen“ eingesetzt. Anlass der Einsetzung war die Selbstenttarnung des ehemaligen V-Manns des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz und ehemaligen Vorsitzenden des NPD-Kreisverbands Erfurt-Sömmerda, Kai-Uwe Trinkaus, in einem Bericht des Mitteldeutschen Rundfunks am 5. Dezember 2012. Man kann wirklich sagen, dass dieser Bericht und diese Recherche der Journalisten diese parlamentarische Befassung erst in Gang gebracht haben.
Die Selbstenttarnung erzielte erhöhte Aufmerksamkeit, weil sich Abgeordnete, Fraktionen, Parteien, Vereine und Verbände insbesondere in den Jahren 2005 bis 2010 gezwungen gesehen hatten, sich mit den Aktivitäten von Kai-Uwe Trinkaus auseinanderzusetzen, und zum damaligen Zeitpunkt die nachrichtendienstliche Verbindung zum Thüringer Verfassungsschutz nicht bekannt gewesen war. Nach eigenen Angaben in der Berichterstattung wollte Trinkaus zwischen den Jahren 2006 und 2010 als V-Mann Informationen gegen Honorarzahlungen geliefert, Beschaffungsaufträge durch das Thüringer Landesamt angenommen und umgesetzt haben. Er behauptete weiter, das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz habe Kenntnis von seinen Versuchen gehabt, demokratische Parteien und Vereine zu unterwandern und Politikerinnen und Politiker verschiedener Parteien zum Nutzen der NPD durch gezielte Aktionen öffentlich zu diffamieren. Der Untersuchungsausschuss hatte daher Anlass zu klären, in welchem Umfang Trinkaus tatsächlich als V-Mann des Thüringer Landesamtes geführt wurde, von diesem Informationen erlangt und an diesen Aufträge erteilt wurden.
Eine besondere Aufklärungsnotwendigkeit ergab sich vor dem Hintergrund der Behauptung von Trinkaus, die bekannten Versuche der Infiltration von Parteien, Fraktionen und Vereinen sowie der kompromittierenden Behandlung von Politikerinnen und Politikern durch Thüringer Neonazis sei mit Wissen, Billigung oder gar im Auftrag des Thüringer Landesamtes erfolgt.
Klärungsbedarf ergab sich auch im Hinblick auf die Rolle der Fach- und Dienstaufsicht über das Thüringer Landesamt und auf die Kenntnis der Landesregierung von den genannten Vorgängen; des Weiteren, warum Warnungen durch das Thüringer Landesamt an die Betroffenen unterblieben sind.
Bereits am 8. Februar 2013 erfolgte in der ersten Sitzung die Konstituierung des Untersuchungsausschusses 5/2 mit neun Abgeordneten, in dem ich die Ehre hatte den Vorsitz zu übernehmen. Als mein Stellvertreter wurde der Abgeordnete Dirk Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, gewählt. Der Ausschuss gab sich die Kurzbezeichnung „V-Leute
gegen Abgeordnete“, aber landläufig hat er sich mit dem Namen „Trinkaus-Ausschuss“ durchgesetzt. Ausschussmitglieder sind für die Fraktion der CDU meine Person, Herr Siegfried Wetzel, Herr Henry Worm, für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordneten Bodo Ramelow und Dieter Hausold, für die SPD-Fraktion erst Herr Uwe Höhn, später Herr Heiko Gentzel und dann Frau Birgit Pelke, für die FDPFraktion der Abgeordnete Marian Koppe und für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Dirk Adams. Als Ersatzmitglieder haben an den Sitzungen für die Fraktion der CDU die Abgeordnete Annette Lehmann und der Abgeordnete Maik Kowalleck, für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Martina Renner, die Abgeordnete Katharina König und der Abgeordnete André Blechschmidt, für die SPD-Fraktion die Abgeordnete Dagmar Künast, der Abgeordnete Dr. Werner Pidde und der Abgeordnete Frank Weber, für die FDP-Fraktion der Abgeordnete Dirk Bergner und der Abgeordnete Thomas Kemmerich, für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Abgeordnete Astrid Rothe-Beinlich und Frau Abgeordnete Anja Siegesmund mitgewirkt und auch teilweise teilgenommen.
Ich darf schon jetzt die Gelegenheit ergreifen, mich für die gute, kollegiale und fruchtbare Zusammenarbeit aller Abgeordneten und Fraktionen im Untersuchungsausschuss zu bedanken. Ein Ausdruck dieser Zusammenarbeit ist sicherlich auch die Tatsache, dass die Mitglieder und Ersatzmitglieder des Ausschusses heute gemeinsam diese Aussprache zum Abschlussbericht beantragt haben. Frau Präsidentin hatte es eben erwähnt.
Der Untersuchungsausschuss hat insgesamt 26 Sitzungen durchgeführt. Dabei hat sich der Untersuchungsausschuss zunächst umfangreiche Akten von der Landesregierung vorlegen und Auskünfte zum Untersuchungsgegenstand erteilen lassen. Der Ausschuss hat insgesamt 30 gemeinsame Anträge auf Aktenvorlage gemäß § 14 Untersuchungsausschussgesetz an die Landesregierung oder ihr unterstellte Behörden beschlossen. Für die Erteilung der Auskünfte und die Bereitstellung der Unterlagen danke ich an dieser Stelle den Beauftragten der Landesregierung, namentlich Herrn Leitenden Ministerialrat Ulrich Grünhage und Herrn Oberregierungsrat Markus Schlautmann von der Thüringer Staatskanzlei, Herrn Ministerialdirigent Andreas Horsch und Frau Oberregierungsrätin Uta Langer vom Thüringer Innenministerium, schließlich Herrn Regierungsdirektor Dr. Carl-Christian Dressel vom Thüringer Justizministerium. Ebenso danke ich an dieser Stelle den Mitarbeitern der Fraktionen, Herrn Dr. Christian Weißhuhn für die Fraktion der CDU, Herrn Paul Wellsow und Herrn Stefan Wogawa für die Fraktion DIE LINKE, Herrn Keven Forbrig für die Fraktion der SPD, Herrn Guido Kosmehl für die Fraktion der FDP und Frau Antonia Sturm für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, für die
Begleitung des Verfahrens. Es war zeitlich manchmal sehr gedrängt, deshalb an dieser Stelle auch meinen Dank an die Mitarbeiter.
Meinen Dank möchte ich auch noch einmal an die Landesregierung richten. Wir haben viele Anfragen gestellt. Es ist keine Anfrage unbeantwortet geblieben und zeitlich waren wir manchmal mit unseren Forderungen sehr, sehr knapp und trotzdem ist keine Frage unbeantwortet geblieben. Auch dafür meinen Dank.
Der Ausschuss hat im Verlauf von 16 Sitzungstagen 39 Zeugen teils mehrfach gehört. Insgesamt wurden 65 Beweisanträge nach § 13 Untersuchungsausschussgesetz gestellt und gemeinsam beschlossen. Schließlich wurden fünf Anträge auf Rechtshilfe gemäß Artikel 35 Grundgesetz an Bundesbehörden gemeinsam beschlossen. Die zu erhebenden Urkundenbeweise wurden durch die Landtagsverwaltung vorbereitet. Seitens der Verwaltung des Thüringer Landtags wurde der Untersuchungsausschuss durch Herrn Leitenden Ministerialrat Dr. Thomas Poschmann, den Vorsitzenden Richter am Landgericht, Friedrich Liebhart, und die Assessorin jur. Katrin Kaufmann betreut.
An dieser Stelle diesen drei Personen und auch allen, die nicht genannt worden sind, vielen Dank. Frau Präsidentin, der Dank geht auch an Sie, denn Sie haben mir und damit dem Ausschuss Personen zur Seite gestellt, die uns mit ihrem juristischen Sachverstand sehr geholfen haben.
Meine Damen und Herren, Ihnen liegt heute der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses mit insgesamt 330 Seiten vor. Der Abschlussbericht wurde am 11.07. einstimmig beschlossen. Lassen Sie mich an dieser Stelle betonen, dass die Beweisanträge, die in dem Untersuchungsausschuss eingebracht und gestellt wurden, allesamt einstimmig beschlossen worden sind. Ich denke, es ist ein Novum, dass gerade in einem Untersuchungsausschuss alle Beschlüsse einschließlich des Berichts, der heute ohne Sondervoten vorgestellt wird, einstimmig beschlossen worden sind. Der Abschlussbericht gliedert sich in vier Teile: A. Einsetzung, Auftrag und Mitglieder, B. Verlauf und Verfahren, C. Ermittelte Tatsachen und D. Ergebnis der Untersuchung. Ich werde mich in meiner Berichterstattung auf den wesentlichen Inhalt der beiden letztgenannten Teile in ihren Grundzügen beschränken. Im Teil C - Ermittelte Tatsachen - hat der Untersuchungsausschuss den Verfahrensstoff der Beweisaufnahme in drei Sachkomplexe gegliedert. Der Ausschuss war sich einig, zunächst die Frage der Infiltration von Parteien, Fraktionen, Ver
einen, sonstigen Stellen sowie der Kompromittierung von Politikern in den Vordergrund der Beweisaufnahme zu stellen und damit den Interessen der Betroffenen Rechnung zu tragen.
In einem zweiten Teil war die Verpflichtung und Führung von Kai-Uwe Trinkaus als V-Mann des Thüringer Landesamtes zu untersuchen und festzustellen, ob und in welcher Weise bei der Verpflichtung und Führung von Trinkaus gegen Regelungen verstoßen worden ist.
Schließlich beschäftigt sich der Ausschuss im dritten Teil mit Kai-Uwe Trinkaus als ehemaligen VMann des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz und anderen Rechtsextremisten.
Zu den Ergebnissen der Untersuchungen ist zunächst festzustellen, dass sich entgegen der von Trinkaus nach seiner Enttarnung erhobenen Behauptung keinerlei Hinweise auf eine aktive Beteiligung des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz bei der Unterwanderung, Diskreditierung von Parteien, Fraktionen und Vereinen und bei der Kompromittierung von Politikern ergeben haben.
Aus den vom Ausschuss beigezogenen Akten des Thüringer Landesamtes und der Thüringer Landesregierung ergeben sich ebenfalls keine Belege oder Indizien für eine Mitwirkung des Thüringer Landesamtes bei derlei Aktivitäten. Der Ausschuss konnte aber im Rahmen seiner Beweiserhebung herausarbeiten, dass die Aktivitäten des Kai-Uwe Trinkaus und dessen Umfeld systematisch erfolgten und schädigenden, diskreditierenden, diffamierenden und kompromittierenden Charakter hatten und insofern geeignet waren, Mitglieder des Thüringer Landtags und des Deutschen Bundestages, weitere Personen des politischen und gesellschaftlichen Lebens sowie Fraktionen, Parteien, Gewerkschaften, Vereine und Verbände verächtlich zu machen und demokratische Strukturen und Institutionen zu unterminieren und nachhaltig zu schädigen. Trinkaus hat dabei stets den Versuch unternommen, Näheverhältnisse zu begründen, die nur dem Schein nach bestanden und von den Betroffenen stets dementiert wurden.
Ich lege Wert darauf, festzustellen, dass alle Opfer von Trinkaus und anderen unter seinem Einfluss stehenden Thüringer Neonazis ohne eigenes Zutun und ohne Anlass dazu gegeben zu haben, von diesen zu Opfern seiner und seiner Helfershelfer-Machenschaften geworden sind.
In diesem Zusammenhang erwähnenswert ist auch, dass Trinkaus sich intensiv mit dem Vereinsrecht beschäftigt und Möglichkeiten herausgefiltert hat, die Vorteile des Vereinsrechts für seine Zwecke zu
missbrauchen und als Multiplikator seine Kenntnisse dazu in Referaten vor anderen NPD-Kreisverbänden weiterzuvermitteln.
Der Ausschuss hat bereits zu Beginn der Beweisaufnahme sämtliche Zeugen und Institutionen, die von den Machenschaften von Trinkaus betroffen waren, im Rahmen der Beweisaufnahme zu Art, Umfang, Intensität und Dauer der Einwirkungen ausführlich befragt und deren Betroffenheit zur Kenntnis genommen. Durch die Vernehmung der Zeugen Korschewsky, Hennig, Kuschel, Pelke, Metz, Künast, Dr. Eberbach-Born, Dr. Poppenhäger, Zachlot, Schüller, Primas, Witt, Walk und Dr. Borowsky steht fest, dass durch die Betroffenen die Aktionen des Kai-Uwe Trinkaus als störend, diffamierend, schädigend und diskreditierend wahrgenommen worden sind. Von einem Teil der Zeugen wurde nachvollziehbar geschildert, dass sich Verunsicherungen im Umgang mit den Mitmenschen oder gegenseitiges Misstrauen eingestellt hat, insbesondere bei den Zeugen, die sich bei ihren politischen Freunden zu den Kontakten zu Trinkaus rechtfertigen mussten.
Ein Teil der Zeugen war genötigt, in der Auseinandersetzung mit Trinkaus gerichtlichen Schutz in Anspruch zu nehmen. Beim Bund der Vertriebenen bestand die Gefahr, dass die Verbindung zu KaiUwe Trinkaus und zur NPD den Bund der Vertriebenen aufgrund des angeblichen Näheverhältnisses zur NPD an den rechten Rand gedrängt hätte.
Der Ausschuss hatte letztlich festzustellen, dass sich Trinkaus auch bis heute bei keinem seiner Opfer entschuldigt hat, obwohl er dazu genügend Anlass und Gelegenheit gehabt hätte. Die von Trinkaus nach seiner Enttarnung erhobene Behauptung, er habe dem Landesamt Aktivitäten wie die Unterwanderung des BdV frühzeitig mitgeteilt und Aktionen wie die Einschleusung eines Praktikanten hier in den Thüringer Landtag sogar mit dem Thüringer Landesamt abgesprochen, konnte in der Beweisaufnahme nicht bestätigt werden.
Die Frage, ob bei der Verpflichtung und Führung von Kai-Uwe Trinkaus als V-Mann gegen behördeninterne Regelungen verstoßen worden ist, war bereits Gegenstand des Berichts der Parlamentarischen Kontrollkommission, der am 11.04.2014 in diesem Hause vorgetragen wurde. Der Bericht bezog sich, was die Beantwortung der vorliegenden Untersuchungsfrage betrifft, auch auf die gutachterliche Äußerung des von der Parlamentarischen Kontrollkommission eingesetzten Sachverständigen Dr. Engel, der die Umstände der Anwerbung und Führung von Kai-Uwe Trinkaus sowie die Nichteinbindung Dritter aufzuklären hatte. Die Ergebnisse dieser Untersuchung und die im Bericht der Parlamentarischen Kontrollkommission dazu getroffenen Feststellungen konnten durch die umfangreich durchgeführte Beweisaufnahme vom Untersu
chungsausschuss zum größten Teil bestätigt werden, so dass auch auf das Ergebnis des Berichts der PKK Bezug genommen wird.
Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme hat der Ausschuss festgestellt, dass die Einleitung der Werbung des Selbstanbieters Kai-Uwe Trinkaus durch die Anweisung des Präsidenten in die Abteilung Beschaffung aufgrund der zu diesem Zeitpunkt greifbaren Informationen über die Person Trinkaus noch zulässig war. Trinkaus war dem Amt als rechtsextremistischer Verdachtsfall bekannt, gegen den ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugs bekannt geworden war und der bei der Abteilung Auswertung als Beisitzer im NPD-Kreisverband Erfurt-Sömmerda bekannt war.
Zunächst stellt die Einleitung daher keinen Verstoß gegen die Dienstvorschrift „Beschaffung“ dar, die besagt, dass der V-Mann weder Zielsetzung noch Aktivitäten des Beobachtungsobjekts entscheidend bestimmen darf. Als schlichter Beisitzer in einem NPD-Kreisverband konnte Trinkaus im Hinblick auf das Beobachtungsobjekt NPD-Landesverband keinen steuernden oder zielführenden Einfluss ausüben.
Im Zusammenhang mit der vorgenannten Dienstvorschrift ist negativ festzustellen, dass eine Weisung des damaligen Thüringer Innenministers Dr. Gasser vom 11.08.2004 in der Sammlung der Dienstvorschriften des Thüringer Landesamtes, Stand 22.12.2012, in sinnentstellender Weise Niederschlag gefunden hat. In der genannten Fassung wird nämlich der Anschein erweckt, dass Vorsitzende eines Kreisverbands einer extremistischen Partei ohne weitere Prüfung als V-Leute des Thüringer Landesamtes eingesetzt werden könnten. Der wirkliche Inhalt der Anweisung ging allerdings dahin, dass die Funktion im Kreisverband einer Zusammenarbeit mit dem Thüringer Landesamt nicht von vornherein entgegenstehe. Selbst wenn nicht festgestellt werden kann, wann die sinnverändernde Anweisung Aufnahme in die Sammlung der Dienstvorschriften gefunden hat, zeigt der Vorgang doch, dass das Controlling und die Organisation des Landesamtes nicht gut gearbeitet haben, da dieser Fehler im Amt offenbar nicht aufgefallen war.
Bei der Fortsetzung der Werbung der Zielperson Trinkaus konnte der Ausschuss feststellen, dass das Landesamt die gebotene Aufklärung von Risikofaktoren, die in der Person des Trinkaus lagen, erheblich vernachlässigt und die in der Dienstvorschrift vorgesehenen Kontrollinstanzen während der Werbung, Verpflichtung und Führung von Trinkaus nicht unterhalten hat. Nach der Dienstvorschrift „Beschaffung“ ist jedes Werbevorhaben eingehend vorzubereiten und in Grundzügen schriftlich festzuhalten. Bei jedem Werbungsversuch ist zu prüfen, ob und welche Erkenntnisse über die zu werbende Person bei den Verfassungsschutzbehörden, ande
ren Diensten oder sonstigen Behörden vorliegen. Die Eignung ist auch anhand der Kriterien eines Forschungsbogens festzustellen und zu dokumentieren. Sodann ist bei der Entscheidung über eine Werbung, ob eine Werbung versucht werden soll, das Controlling zu beteiligen. Erst wenn das Controlling gegen die Werbung keine Einwände erhebt, kann die Werbung auf Entscheidung des Abteilungsleiters eingeleitet werden. Wir haben bei der Beweisaufnahme festgestellt, dass diese für die Werbung grundlegenden Bedingungen durch das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz nicht eingehalten worden sind. Im Vordergrund der Entscheidung, die Werbung der Zielperson Kai-Uwe Trinkaus durchzuführen, stand einseitig das unbedingte Verlangen nach einem Zugang zum Beobachtungsobjekt NPD und die zwischen der Abteilung „Beschaffung“ und der Abteilung „Auswertung“ des Thüringer Landesamtes getroffene Zielvereinbarung. Das Motto des Landesamtes lautete schlicht und einfach: „Abschöpfen, abschöpfen, Mitarbeit eventuell beenden, Probezeit abwarten.“, so sagte dies der damalige Abteilungsleiter „Beschaffung“. Diese Verfahrensweise führte dazu, dass über lange Zeit keine Risikobewertung der Zielperson Trinkaus bei der Anwerbung durchgeführt wurde. Diese Risikobewertung wäre bei der Zielperson Trinkaus bereits aufgrund vorliegender eigener Erkenntnisse des Landesamtes, die also bereits vor den ersten Treffen mit dem Werber vorlagen, aber erst recht nach den Erkenntnissen, die das Landesamt nach den ersten beiden Treffen mit Trinkaus erzielt hat, dringend erforderlich und auch notwendig gewesen.
Der Ausschuss hat festgestellt, dass offenbar je ein Mitarbeiter der Abteilung „Beschaffung“ und der Abteilung „Auswertung“ bereits am 6. März 2006 im Rahmen der Ermittlungen zur Person Trinkaus und anderer zur Erkenntnis gelangt waren, bei der Zielperson Trinkaus handele es sich „ja um einen Betrüger“, den die beiden Mitarbeiter ermittelt hatten. Der Ausschuss konnte nicht feststellen, weshalb diese Erkenntnisse des Landesamtes nicht bei den Abteilungsleitern „Beschaffung“ und „Auswertung“ sowie beim Präsidenten angekommen und warum diese Erkenntnisse nicht hinterfragt worden sind. Ein weiterer Verstoß gegen behördeninterne Regelungen liegt darin, dass zur Überprüfung einer persönlichen Eignung die Kriterien der Eignung der Zielperson nicht anhand des für die Forschung gemäß Dienstvorschrift „Beschaffung“ vorgesehenen Forschungsbogens festgestellt worden sind. Dieser Forschungsbogen hätte bereits vor der ersten Ansprache mit der Zielperson angelegt werden können, da bereits zu diesem Zeitpunkt eine Reihe von Erkenntnissen einschließlich Lichtbildern der Zielperson vorlagen, und hätte ohne Weiteres nach den ersten beiden Treffen fortgeschrieben und nahezu fertiggestellt werden können. Stattdessen wurde aber ein Forschungsbogen nicht in der vor
geschriebenen Form gefertigt. Bei einer derart langen Werbephase ist es nicht verständlich, dass die im Forschungsbogen vorgesehenen Karteiüberprüfungen gar nicht oder sehr verspätet durchgeführt worden sind. Die lange Zeit der Werbung hätte ohne Weiteres genutzt werden können, die vorgesehenen Überprüfungen vorzunehmen. Ein Auszug aus dem Bundeszentralregister wurde erst im März 2007 übermittelt, obwohl ein derartiger Auszug bereits im Juni 2006 ohne Weiteres hätte vorliegen können.
Als Mangel festgestellt wurde, dass in der Werbungsphase keine Einsicht in die zahlreich vorliegenden Strafverfahrensakten genommen worden ist und auch die Akten des Insolvenzverfahrens nicht in Augenschein genommen worden sind. Eine derartige Akteneinsicht hätte sich auch kurzfristig realisieren lassen. Aus den genannten Akten hätte sich ein umfassendes Bild zur Person Kai-Uwe Trinkaus, zu seinem Finanzgebaren, zu seinen finanziellen Verhältnissen, zu seinem betrügerischen Verhalten gegenüber öffentlichen Ämtern und Privatpersonen ergeben und überdies sein überragend finanzielles Interesse als Motiv für die Zusammenarbeit mit dem Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz klar zutage treten lassen. Dem Thüringer Landesamt ist vorzuhalten, dass es die bereits zu Beginn der Werbephase zutage getretene außergewöhnliche politische Vita von Kai-Uwe Trinkaus bei der Prüfung der Eignung als V-Mann nicht in ausreichendem Maße aufgeklärt und gewürdigt hat. Hier wäre es notwendig gewesen, durch intensive Befragung der Zielperson die Motive für den derartigen Gesinnungswandel, den der Wechsel von der Linkspartei.PDS zur NPD darstellt, zu erfassen und zu bewerten. Nicht zuletzt als Mangel und insoweit auch als Verstoß gegen die Dienstvorschrift „Beschaffung“ stellen sich die in der Werbungsphase unterlassenen Ermittlungen zu einer möglichen Stasi-Tätigkeit von Kai-Uwe Trinkaus dar. Selbst wenn dem Thüringer Landesamt keine gesetzlich geregelte Möglichkeit für eine Abfrage beim Bundesamt für Stasi-Unterlagen zur Verfügung stand, hätte das Thüringer Landesamt auf anderen Wegen Ermittlungen anstellen können und müssen. Hier hätte sich zunächst angeboten, die Zielperson zu einer derartigen Tätigkeit ausführlich zu befragen oder sich von ihr eine schriftliche Auskunft des Bundesamtes vorlegen zu lassen. Ohne Klärung dieser Frage läuft die in den Dienstvorschriften für die Werbung vorgesehene Aufklärung einer möglichen Stasi-Belastung ins Leere. Ein gravierender Verstoß gegen die Dienstvorschriften zeigt sich in dem Umstand, dass während der gesamten Werbungsphase das im Thüringer Landesamt eingerichtete Controlling nicht besetzt war. Dies stellt ein erhebliches Manko dar, da die Dienstvorschrift „Beschaffung“ verlangt, dass der Referatsleiter der Beschaffung dem Controlling jeden Werbungsvorschlag mit den dazu gewonnenen
Erkenntnissen zur Begutachtung über seinen Abteilungsleiter vorzulegen hat. Soweit der Präsident wegen des krankheitsbedingten langen Ausfalls des Controllers angegeben hat, diese Aufgaben übernommen zu haben, erweist sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme diese Vertretung als unzureichend, da durch die Doppelfunktion des Präsidenten das Vieraugenprinzip nicht ersetzt werden kann. Dies gilt umso mehr, als nach eigener Aussage des Präsidenten vor dem Untersuchungsausschuss das Controlling eigentlich mit zwei Personen hätte besetzt gewesen sein müssen.
Gemäß § 5 der Dienstvorschrift „Beschaffung“ ist das Controlling von der Beschaffungsabteilung bei der Erarbeitung eines Operativplans sowie der Werbekonzepte und der Bewertung des Werbungsergebnisses zu beteiligen. Dies ist beim Werbungsvorgang „WESIR“ - alias Trinkaus - nicht erfolgt. Das Werbungskonzept wurde erst am 4. Dezember 2006, also ca. sechs Monate nach dem ersten Treffen mit der Zielperson, kurz vor der geplanten Übergabe an den V-Mann-Führer erstellt. Dieses Vorgehen entspricht nicht dem Sinn der entsprechenden Regeln der Dienstvorschriften.
Der Ausschuss hatte weiterhin festzustellen, dass aufgrund des Fehlers des Controllings und der mangelnden Anleitung und Kontrolle des Werbers durch die Abteilung „Beschaffung“ und den Referatsleiter 31 in der Werbephase von Trinkaus nicht alle Treffen mit ihm den Dienstvorschriften entsprechend dokumentiert worden sind. Dieses Verhalten stellt einen Verstoß gegen die Dienstvorschrift „Beschaffung“ dar, wonach jeder Treff in Form eines Treffberichts zu dokumentieren ist. Ausdruck eines Organisationsdefizits im Amt ist weiter, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme festzustellen war, dass vom Werber Treffkostenabrechnungen und Auslagennachweise teilweise ohne Datum und Unterschrift zu den Akten gereicht wurden, ohne dass dieses Unterlassen vom Controller oder von anderen Dienstvorgesetzten beanstandet worden wäre. Das Vorgehen stellt einen Verstoß gegen die Dienstvorschrift „Bestimmungen für die Bewirtschaftung des Titels 53 601 - für die Zwecke des Verfassungsschutzes“ dar. Nach der Vorschrift hat der zuständige V-Mann-Führer nach jedem Treff, bei dem Kosten entstanden sind, eine Treffkostenabrechnung zu erstellen und spätestens fünf Tage nach dem Treff bei dem jeweiligen Verwalter des Handvorschusses abzurechnen. Da die Abrechnungen ohne Unterschrift des Werbers nicht prüffähig sind, liegt in der festgestellten Verfahrensweise ein Verstoß gegen Dienstvorschriften vor, der von den Vorgesetzten des Werbers nicht beanstandet worden ist. Nicht im Sinne der Dienstvorschriften ist der Werber vorgegangen, wenn er Quittungen der Zielperson entgegengenommen hat, der diese mit den Namen, den Unterschriften von Thüringer Politikern
wie Dieter Althaus, Tamara Thierbach oder von Schriftstellern unterzeichnet hatte.
Mit Papst Benedikt hat er auch unterschrieben.
Nach der genannten Dienstvorschrift sind in zahlreich begründeten Unterlagen, wie sie Quittungen darstellen, Tarnnamen zu verwenden. Der Werber hätte die Unterzeichnung der Quittungen durch Phantasienamen oder andere Namen durch Trinkaus strikt unterbinden müssen und die Unterzeichnung mit dem Tarnnamen durchsetzen müssen. Dies hätte im Übrigen auch seinen Führungsanspruch zur Geltung gebracht.
Ein weiterer wesentlicher Verstoß gegen Dienstvorschriften besteht darin, dass Trinkaus die Zielsetzungen und Aktivitäten mindestens eines Teils des Beobachtungsobjekts entscheidend selbst bestimmen konnte, was ein Verstoß gegen die Dienstvorschrift „Beschaffung“ bedeutet. Beschaffungsschwerpunkt war für die Zielperson Trinkaus unzweifelhaft zunächst der NPD-Kreisverband ErfurtSömmerda, ein Teil des Beobachtungsobjekts NPD, da hier Kai-Uwe Trinkaus eine Vielzahl von Informationen, unter anderem eine Mitgliederliste, übergeben hat. Die ursprünglich ins Auge gefasste Einsteuerung in den NPD-Landesverband bzw. in den Vorstand des Landesverbands wurde nicht mehr realisiert. Die Mehrzahl der Informationen, die Trinkaus dem Thüringer Landesamt dazu lieferte, wäre auch offen zu erzielen gewesen, was in der Beweisaufnahme seine Bestätigung gefunden hat.
Im Ergebnis kann daher der Landesverband der NPD nicht als schwerpunktmäßiges Beschaffungsobjekt angesehen werden. Bei der Beurteilung der Prüfung, ob die Führung von Trinkaus als führender Funktionär, der als NPD-Kreisvorsitzender durch seinen ausgeprägten Aktivismus den Kreisverband entscheidend prägte, zulässig war, ist die Weisung des Thüringer Innenministers vom 11. August 2004 bezüglich der Führung von Funktionsträgern extremistischer Parteien als Quellen des Landesamtes zu berücksichtigen. Mit dieser Weisung des Ministers wurde klargestellt, dass bei Vorstandsmitgliedern eines Kreisverbands als auch Vorsitzenden grundsätzlich von einer politischen Problematik auszugehen ist. Die Ministerweisung sollte klarstellen, dass ein besonders sensibler Umgang bei der Bewertung dieser Person erforderlich ist. Vorliegend war festzustellen, dass die Verwendung von Trinkaus als V-Mann aufgrund seiner Umtriebigkeit und Bekanntschaft mit Persönlichkeiten des politischen Lebens die parteipolitische Neutralität des Verfassungsschutzes gefährden würde. Gleichermaßen war seine übergroße Aktivität in den Vereinen, insbesondere die versuchte Einflussnahme auf unpolitische Vereine, nicht hinnehmbar. Da KaiUwe Trinkaus auch im Wesentlichen über von ihm
selbst geschaffene Gefahren berichtete, hätte nach einer erkennbar erforderlichen sorgfältigen Abwägung seine Werbung als V-Mann zumindest nicht zu einer Verpflichtung betrieben werden dürfen.
Letztlich ist dem Thüringer Landesamt der Vorwurf zu machen, dass es bestehende Möglichkeiten zur Überprüfung der Nachrichtenehrlichkeit von Trinkaus bereits in der Werbungsphase nicht gesehen und demzufolge nicht umgesetzt hat. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nämlich fest, dass bei dem bekannten Thüringer Neonazi Thorsten Heise Kameradschaftsabende stattgefunden haben, an denen neben Trinkaus auch andere Quellen des Verfassungsschutzes teilgenommen haben. Die entsprechenden Deckblattmeldungen, die Quellenkenntnisse der anderen Quellen zu den Kameradschaftstreffen enthielten, lagen dem Thüringer Landesamt jedenfalls vor. Im Ergebnis hätte das Landesamt daher frühzeitig, bereits zu Beginn der Werbungsphase, die Möglichkeit gehabt, im Vergleich zu den Berichten anderer Quellen die Nachrichtenehrlichkeit von Trinkaus zu überprüfen. Im Gesamtergebnis ist festzustellen, dass es in der Werbungsphase von Kai-Uwe Trinkaus zu erheblichen Verstößen gegen behördeninterne Regelungen des Landesamtes gekommen ist, die nicht allein zulasten des Werbers gehen, das möchte ich hier ausdrücklich sagen. Die Nichteinhaltung von Dienstvorschriften wurde von den Dienstvorgesetzten des Werbers bis hin zur Hausleitung hingenommen. Der Verstoß gegen Dienstvorschriften wurde begünstigt durch ein fehlendes Controlling und durch die offenkundige Überlastung des damaligen Vorsitzenden Lang, der kommissarisch zwei Abteilungen leitete und neben seiner Vertretung des Präsidenten auch für den Aufbau der Thüringer Informations- und Aufklärungszentrale zuständig war. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht also fest, dass in der Führungsphase von Trinkaus als V-Mann die Bestimmungen der Dienstverordnung „Beschaffung“ weiterhin nicht eingehalten worden sind. Die nach der Dienstverordnung „Beschaffung“ erforderliche enge Führung des VManns wurde weiterhin nicht im erforderlichen Umfang verwirklicht. Die eigenen Feststellungen des Amtes sind geeignet, dies zu belegen.
Nach einem Vermerk des Referatsleiters 31 vom 26.04. gestaltete sich die Informationsentgegennahme durch den Werber bzw. V-Mann-Führer eher situativ und war weniger das Ergebnis einer proaktiv reflektierten, mit der Auswertung abgestimmten Einsteuerung der Quelle mit entsprechend klaren Aufträgen.
Im besagten Vermerk wird darauf hingewiesen, dass der V-Mann Trinkaus erst vor Kurzem auf bestimmte Beschaffungsschwerpunkte festgelegt worden sei. Es ist weiterhin festzustellen, dass auch während der Führungsphase die Prüfung Nachrichtenehrlichkeit weiterhin erheblich vernachlässigt
wurde. Insoweit wurde ein Verstoß gegen die Dienstvorschrift „Beschaffung“ festgestellt, nach der der V-Mann regelmäßig auf seine Zuverlässigkeit überprüft werden soll, indem ihm Aufträge zur Beschaffung von Informationen erteilt worden sind, die dem Landesamt bereits bekannt sind. Derartige Aufträge wurden in der gesamten Zeit an Herrn Trinkaus nie erteilt. Der Referatsleiter 31 hat dies in einer vorläufigen Glaubwürdigkeitseinschätzung vom 26.04.2007 dargelegt, indem er feststellte, dass die befassten Fachauswerter des Referats 20 noch nicht Gelegenheit hatten, den Wahrheitsgehalt der Quellenmeldungen von Trinkaus im Zusammenwirken mit dem V-Mann-Führer in hinreichender Tiefe zu prüfen, so dass eine tragwürdige Glaubwürdigkeitseinschätzung bis dahin nicht erteilt werden konnte. Diese Feststellung belegt, dass das Amt die Überprüfung der Nachrichtenehrlichkeit von Trinkaus in nicht mehr nachvollziehbarer Weise vernachlässigte.
In der Führungsphase weiterhin mangelhaft und nicht im Sinne der Dienstvorschrift „Beschaffung“ ist die Zuverlässigkeit des V-Manns Trinkaus und sein Wert als Quelle überprüft worden. Trinkaus wurde während seiner Zeit als Quelle und V-Mann im August 2006 und dann im September 2007 formularmäßig beurteilt. Die dazu vom Amt verwendeten Formulare erweisen sich jedoch als ungeeignet, da die in § 12 Abs. 8 der Dienstvorschrift „Beschaffung“ genannten Beurteilungskriterien - Nachrichtenehrlichkeit, Auftragsausführung, Zugangslage und die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - in diesem Bewertungsbogen nicht abgefragt werden.
Letztlich ist zu der Beurteilung von September 2007 zu bemerken, dass sich diese als überflüssig erwiesen hat, da bereits beschlossen war, die V-MannTätigkeit von Trinkaus zu beenden. Die entsprechende Beurteilung erweist sich demzufolge als nutzlos.
Ergebnis der Beweisaufnahme in der Führungsphase war weiterhin, dass dem V-Mann-Führer für den sich schwierig gestaltenden Umgang mit Trinkaus nicht die nötige Unterstützung durch das Landesamt zuteil wurde. Der V-Mann-Führer hatte in einem Gespräch mit dem Referatsleiter seine Schwierigkeiten mit Trinkaus geschildert und klargemacht, dass er es mit einer Führungsfigur zu tun habe, der es sehr schwer falle, sich unterzuordnen. Bei dieser Information hätte es sich für den Referatsleiter angeboten, den V-Mann-Führer gelegentlich bei Treffs, insbesondere als es um die Auflagenerfüllung durch Trinkaus ging, zu begleiten. Hier hätte er sich ein eigenes Bild über die Quelle machen und auch feststellen können, ob die Vorgaben der Dienstvorschrift „Beschaffung“ durch den V-Mann-Führer eingehalten worden sind, das heißt, ob die nötige Distanz zwischen V-Mann und dem VMann-Führer besteht. Auch während der Führungs
phase von Trinkaus als Quelle wäre der Einsatz des Controllers nach der Dienstvorschrift „Beschaffung“ unzweifelhaft dringend erforderlich gewesen. Da aber festzustellen war, dass das Controlling während der Verwendung von Trinkaus als V-Mann nach wie vor nicht besetzt war, stellt dies auch in der Führungsphase einen weiteren Verstoß gegen die Dienstvorschrift dar.
Festzustellen war auch, dass die Meldewege innerhalb des Thüringer Landesamtes während der Führungsphase nicht streng genug eingehalten worden sind. Diese Fälle wurden insbesondere dann festgestellt, wenn dem V-Mann-Führer telefonische Kurzinformationen von Trinkaus übermittelt wurden, die nur zu einem kleinen Teil aktenkundig gemacht wurden. Häufig wurden diese Informationen direkt dem Abteilungsleiter „Beschaffung“ und Vizepräsidenten Lang telefonisch mitgeteilt und von diesem wegen dessen guter Kontakte zur Polizei direkt an die Polizei oder das Innenministerium weitergegeben. Es ist zu bemängeln, dass diese Informationsweitergaben nicht dokumentiert worden und damit nicht Bestandteil der Akten geworden sind. Festzustellen hatte der Ausschuss darüber hinaus, dass Informationen auch nicht an den Präsidenten weitergegeben worden sind. Dieses wird bei den Vorgängen zum 1. Mai 2007, als nach einem Überfall auf einen Journalisten vom Vizepräsidenten operative Maßnahmen angeordnet wurden, von denen der Präsident keine Kenntnis hatte, besonders deutlich.
Was das Thema „Unterrichtung der Fach- und Dienstaufsicht über das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz“ betrifft, steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass die vom Untersuchungsausschuss festgestellten Verstöße gegen behördeninterne Regelungen und Dienstvorschriften hinsichtlich der Verpflichtung und Führung von Kai-Uwe Trinkaus als V-Mann auch auf Defizite der Fach- und Dienstaufsicht über das Thüringer Landesamt durch das Innenministerium zurückzuführen sind. Die Beweisaufnahme hierzu hat ergeben, dass eigenständige Informationsabfragen gezielt auf den operativen Bereich des Landesamtes grundsätzlich nicht vorgesehen waren und daher auch im Falle von Trinkaus nicht durchgeführt wurden. Maßnahmen der Aufsicht waren daher nur möglich, soweit relevante Informationen auf den Informationswegen, die bereits fest installiert waren, an das Innenministerium weitergeleitet wurden. Im Wesentlichen gab es zwei Informationsquellen zwischen dem Landesamt und dem Innenministerium. Zum einen gab es monatlich stattfindende Jour-fixe-Runden zwischen dem Innenminister und dem Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz unter Beteiligung des Abteilungsleiters 2 und des Referatsleiters 26. Darüber hinaus gibt es seit dem Jahr 2005 unter Federführung des damaligen Staatssekretärs des Innern eine wöchentliche Si
cherheitslage, an der auch der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz teilnimmt. Neben dem Präsidenten des Landesamtes sind an dieser koordinierten Lagebesprechung regelmäßig auch der Abteilungsleiter 2, der Referatsleiter 26 und der Abteilungsleiter 4 mit weiteren Beamten der Polizei, der Präsident des LKA und der Leiter der Abteilung Staatsschutz und ein Vertreter des Innenministeriums beteiligt. Bei dieser Ausgangslage konnte der Ausschuss strukturelle Probleme der Fachaufsicht im Thüringer Innenministerium feststellen, dass nämlich das Informationsniveau zwischen der Hausleitung des Innenministeriums unterschiedlich war, weil der Staatssekretär an den Jour-fixe-Runden im Ministerium nicht teilnahm und so nur über die Informationen aus der sogenannten Sicherheitslage verfügte, während der Minister andererseits keine direkten Informationen aus der Sicherheitslage erlangte. So bestand im Bereich der Aufsicht über das Landesamt für Verfassungsschutz potenziell die Gefahr, dass Innenminister und Staatssekretär über ein unterschiedliches Informationsniveau und dabei noch jeweils über explosives Wissen verfügten. Konkret bei Trinkaus bedeutet dies, dass der Innenminister a.D. Dr. Gasser zunächst anlässlich eines Jour-fixe-Gesprächs am 16. Januar 2007 durch den Präsidenten des Landesamtes auf Probleme im Rahmen einer V-Mann-Anwerbung aufgrund der prekären Vereinsaktivitäten der Zielperson aufmerksam gemacht wurde. Über dieses Problem wurde der damals amtierende Staatssekretär Baldus, der nicht an dem Gespräch teilgenommen hatte, jedoch nicht informiert. Somit war er auch nicht in der Lage, die in den folgenden Wochen in der Sicherheitslage gewonnenen Informationen zu den Aktivitäten der NPD im Zusammenhang mit der Werbung und Führung von Trinkaus zu bringen. Dadurch waren sowohl der Staatssekretär als auch der Minister gehindert, steuernden Einfluss auf den Sachverhalt zu nehmen.
Wie bereits festgestellt, verzichtete die zuständige Abteilung im Innenministerium völlig auf eine konkrete einzelfallbezogene Aufsichtsmaßnahme im operativen Bereich des Landesamtes. Auch aus diesem Grund wurde seitens der Fachaufsicht im Fall Trinkaus keine einzelfallbezogene Maßnahme zur Informationsbeschaffung unternommen. Die zuständige Abteilung sah sich in ihrem Verhalten durch die von Innenminister a.D. Dr. Gasser anlässlich der Jour-fixe-Runde am 16. Januar 2007 geäußerte Auffassung gestärkt, im Fall der Werbung der Zielperson „WESIR“ liege die Letztverantwortlichkeit und letzte Entscheidungskompetenz aufseiten des Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz. Im Hinblick auf die Aussage sah man umso mehr keine Veranlassung, die Umsetzung der im Jour-fixe-Gespräch getroffenen Festlegungen zu überprüfen oder gar zu ergänzen und weitere Anweisungen im Rahmen der Aufsicht zu erteilen. Schwerpunktmäßig beschränkte sich
daher die Aufsicht im operativen Bereich des Landesamtes auf den Erlass und die Überprüfung gesetzlich notwendiger Dienstvorschriften und weiterer gesetzlich vorgesehener Einzelaufgaben. Zu zusätzlichen Aufgaben sah sich das zuständige Referat 26 im Thüringer Innenministerium auch aufgrund der personellen Besetzung nicht in der Lage. Insoweit wurde von den Mitarbeitern geäußert, dass eine 80- bis 90-prozentige Auslastung des Referats bereits durch die Bearbeitung parlamentarischer Anfragen und die Vorbereitung der im Bereich des Verfassungsschutzes maßgeblichen parlamentarischen Kontrollgremien der PKK gegeben sei. Einzelfallbezogene Aufsichtsmaßnahmen im Fall Trinkaus gingen allein von der Hausspitze des Innenministeriums aus, um Gefahren von einzelnen betroffenen Personen oder Institutionen abzuwenden. Dies betraf einmal den Abgeordneten Primas in seiner Funktion als Landesvorsitzender des BdV, der vor den Infiltrationsversuchen des Trinkaus im Erfurter Kreisverband des BdV gewarnt wurde. Zuvor war bereits im September 2006 eine Information von Trinkaus zum Anlass genommen worden, die Direktorin beim Landtag vor dem drohenden Praktikum des bekennenden Neonazis Patrick Paul innerhalb der Landtagsverwaltung zu warnen. Die Vorkommnisse bei anderen Geschädigten wurden dem Landesamt erst im Nachhinein bekannt.
Als Ergebnis der Untersuchung weist der Untersuchungsausschuss darauf hin, dass es aus Sicht des Ausschusses leistbar und auch notwendig gewesen wäre, die Selbstkontrollmechanismen des Landesamtes zu stärken. In diesem Zusammenhang ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass bereits im sogenannten Gasser-Bericht aus dem Jahr 2000 empfohlen worden war, den damals im Thüringer Landesamt diagnostizierten Funktionsstörungen mit einer straff und konsequent geführten Fach- und Dienstaufsicht zu begegnen. Im Ergebnis der Untersuchungen ist nicht darstellbar, inwieweit die Voraussetzungen für eine derartige Aufsicht im fraglichen Zeitraum geschaffen worden sind oder eine solche Aufsicht im oben beschriebenen Sinne praktiziert wurde. Letztlich ist festzustellen, dass das interne Controlling des Landesamtes aufgrund einer langfristigen Erkrankung des führenden Mitarbeiters sowie fehlender personeller Mittel über einen erheblichen Zeitraum nicht besetzt war. Hier hätte vonseiten des Innenministeriums darauf hingewirkt werden müssen, dass mindestens im Zeitraum der Vakanz eine kompetente und von der operativen Seite des Landesamtes unabhängige Vertretung eingerichtet wird, um so die Aufrechterhaltung des Controllings sicherzustellen.
Letztlich bleibt auch zu bemängeln, dass niemals vom Innenministerium bzw. vom Innenminister nach dem Vortrag des Präsidenten im Jour-fixeTermin am 16. Januar 2009 eine Berichtsabfrage zum Stand der Umsetzungen der getroffenen Ab
sprachen zum Sachstand der Werbung und Führung der Quelle erfolgt ist. Angesichts der Fehler und Verfehlungen kann ich nur sagen, wir haben eine gute Verfassung, das heißt aber nicht, dass der Verfassungsschutz zum damaligen Zeitpunkt in guter Verfassung war. Der Verfassungsschutz ist dazu da, die Verfassung zu schützen und damit unseren freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat. Er sollte sich deshalb selbst an geltendes Recht halten. Fehler und Verfehlungen im Auftrag der Organe des Staates gelangen irgendwann ans Tageslicht, und sei es in einem Untersuchungsausschuss.
Ich hoffe, dass die Hinweise und Aufträge aus dem Bericht des Untersuchungsausschusses 5/2 Umsetzung finden, soweit dies nicht schon geschehen ist. Wir haben diese Woche das Verfassungsschutzgesetz hier im Hohen Hause geändert. Wer mit Extremisten zusammenarbeitet, muss auch mit Extremen rechnen. Der Einsatz von V-Leuten kann nach meiner Auffassung nur die Ultima Ratio sein. Vielen Dank.
Carl-Friedrich von Weizsäcker hat einmal einen schönen Satz gesagt: Die Kirche hat nicht den Auftrag, die Welt zu verändern. Wenn sie aber ihren Auftrag erfüllt, verändert sie die Welt.
Wenn Sie die Welt zum Guten verändert, dann sollten wir sie dabei unterstützen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Bundesverfassungsge
richt hat am 7. Mai 2013 die bis dahin geltende Regelung im Steuersystem für verfassungswidrig erklärt und rückwirkend Nachbesserung angemahnt. Grund zur Mahnung sind Verstöße gegen Artikel 3 Grundgesetz durch den Ausschluss von eingetragenen Lebenspartnerschaften aus dem Splittingverfahren im Einkommensteuergesetz. Die Bundesregierung hat diese Forderung im Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts am 7. Mai 2013 umgesetzt. Im Deutschen Bundestag wurde die Gesetzesänderung durch alle Fraktionen angenommen und ich gehe davon aus, dass die Änderungen, die wir in unserem Gesetz haben, ebenso angenommen werden.
Die Beratungen im Haushalts- und Finanzausschuss verliefen, muss ich sagen, sehr harmonisch. Deshalb haben wir auch den Abgeordneten Kuschel als Berichterstatter erkoren.
Es gibt keinen großen Diskussionsbedarf, ich möchte aber trotzdem auf einige Änderungen aufmerksam machen. Die meisten Änderungen in dem vorliegenden Gesetz beziehen sich auf die Ausweitung des Geltungsbereichs auf die eingetragenen Lebenspartnerschaften, sind also mehr von redaktionellem Charakter. Da sich die Kirchensteuer als Zuschlagssteuer auf die Höhe der Einkommensteuer bezieht, müssen auch im Kirchensteuerrecht diese Änderungen vorgenommen werden.
Es gibt in diesem Gesetz auch einige inhaltliche Änderungen. Der sogenannte Reuemonat wird abgeschafft, das heißt, das Ende der Steuerschuld tritt zum Ende des Austrittsmonats ein und nicht, wie bisher, einen Monat später.
Dieser Reuemonat wurde von den Ausgetretenen bisher immer als zusätzliche Strafe empfunden und ist, wenn das heute beschlossen wird, somit abgeschafft. Auch die gemeinsame Veranlagung und die damit einhergehende Gesamtschuld von Eheleuten oder Lebenspartnern bei identischer Konfession wird nun mit aufgeführt. Außerdem soll der Vollzug der Abgeltungssteuer vereinfacht werden, indem die Kirchensteuerpflicht automatisch festgestellt und abgerufen werden kann. Eine Beibehaltung des bisherigen Zustands kann durch den Widerspruch der Datenübermittlung erfolgen.
Sowohl politisch als auch religiös begrüßt unsere Fraktion diesen Gesetzentwurf,
aber ich möchte trotzdem darauf hinweisen, dass das für unsere Fraktion keine Schmälerung der Institution Ehe bedeutet. Für uns als CDU ist die Ehe
nach wie vor der zentrale Hort der Gesellschaft, der unter einem besonderen Schutz des Grundgesetzes steht.
Die Kirchen- und Glaubensgemeinschaften, das ist schon angesprochen worden, haben diesen Gesetzentwurf befürwortet, auch den Umgang im Vorfeld bei der Erarbeitung der Änderungen zum Gesetz. Ich empfehle im Namen meiner Fraktion die Zustimmung zur Änderung dieses Gesetzes. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Fraktion DIE LINKE hat in Drucksache 5/6877 den Antrag „Gesetzliche Begrenzung von Zinsen für Dispositions- und Überziehungskredite für alle Banken bundesweit durchsetzen“ und den Gesetzentwurf in Drucksache 5/6876 „Drittes Gesetz zur Änderung des Thüringer Spar
kassengesetzes“ mit Datum vom 13.11.2013 eingebracht. Der Beschluss des Landtags vom 21. November 2013 hat beide Drucksachen in den Haushalts- und Finanzausschuss überwiesen.
Vielleicht kurz zum Inhalt des Gesetzes: Mit dem Gesetz soll der besonderen Aufgabe der Sparkassen unter Berücksichtigung ihres öffentlich-rechtlichen Auftrags Rechnung getragen werden, indem die Überziehungszinsen auf einen Zinssatz von maximal 5 Prozent über dem Basiszins begrenzt werden. Der Antrag ist in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil soll der Landtag feststellen, dass die Dispositionszinsen zu hoch sind und im zweiten Teil wird die Landesregierung zu einer Aktivität im Rahmen einer Bundesratsinitiative aufgefordert. Sowohl zum Gesetz als auch zum Antrag wurde eine Online-Anhörung beschlossen unter dem Titel „Zinsen für Dispositions- und Verbraucherkredite bei Thüringer Sparkassen“. Hierzu gab es eine Vorlage des Wissenschaftlichen Dienstes als Grundlage für die Anhörung. Diese wurde ergänzt durch Änderungsvorschläge der Fraktionen. Und diese Ergänzung wurde am 21.01.2014 beschlossen. Außerdem gab es eine schriftliche Anhörung. In der Online-Anhörung, die zur Verbesserung der Bürgerbeteiligung beitragen soll, gab es sechs Nutzer, die sich unter Pseudonymen mit 25 Beiträgen beteiligt haben. Anmerken möchte ich, dass es alles sachliche Diskussionsbeiträge waren. Die schriftlichen Anhörungen sind ausgewertet worden. Hier gab es weitestgehend Bedenken zur Wettbewerbsverzerrung zwischen Banken und Sparkassen. Der Haushaltsund Finanzausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 70. Sitzung am 12. Dezember 2013, in seiner 71. Sitzung am 16. Januar 2014 und in seiner 75. Sitzung am 13. März 2014 beraten. Zum Gesetzentwurf in Drucksache 5/6876 gibt es die Beschlussempfehlung vom Haushalts- und Finanzausschuss, den Gesetzentwurf abzulehnen. Zum Antrag unter Drucksache 5/6877 gibt es ebenfalls den Beschlussvorschlag des Haushalts- und Finanzausschusses, den Antrag abzulehnen. Danke schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, „Sie wollten Freiheit und Menschenwürde“ - zum Gedenken an die Häftlinge in der Andreasstraße während der Herrschaft der SED wurde an der dortigen Gedenk- und Bildungsstätte eine Tafel mit diesem Satz angebracht. Einfache und klare Wünsche, die aber in der DDR nicht selbstverständlich waren. Zeitzeugen, die Opfer dieses Regimes waren, haben gerade in diesen Tagen um den 17. Juni uns vor Augen geführt, wie die SED mit der Staatssicherheit und ihren Helfershelfern Menschen behandelt, Biografien gebrochen und Familien zerstört haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Thüringer Landesbeauftragtengesetz aus dem Jahr 1993 wird, so hoffe ich, heute durch das Aufarbeitungsbeauftragtengesetz abgelöst. Nach 20 Jahren wird das Amt des Thüringer Stasiunterlagenbeauftragten den geänderten Bedürfnissen der Zeit angepasst. Meiner Fraktion ging es um eine Fortschreibung und Konkretisierung dessen, was der Landesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR bisher getan hat. Mit der Wahl des Beauftragten vom Landtag auf Vorschlag der Fraktionen möchten wir eine Stärkung des Parlaments erreichen. Die Einbringung des Gesetzentwurfs - so haben es ja einige der Vorredner bereits deutlich gemacht - sorgte für erhebliche Diskussionen und mediale Reaktionen. Bereits bei der Einbringung des Entwurfs machte ich deutlich, dass es nicht darum geht, Opferverbände, Gedenkstätten und Initiativen in ihrer Arbeit zu beschneiden oder gar zu kontrollieren. Der Justiz- und Verfassungsausschuss hat eine schriftliche
Anhörung beschlossen, außerdem entschied er sich für die Nutzung des Online-Diskussionsforums des Thüringer Landtags. Bei einer Sitzung des Stiftungsrates der Stiftung Ettersberg bin ich darauf angesprochen worden, dass sich ja sehr wenige in diesem Online-Forum überhaupt dazu geäußert haben. Aber ich denke schon, dass es ein richtiger Weg ist und ich kann nur auffordern, dass wir bei Gesetzentwürfen das auch weiterhin online zur Verfügung und zur Diskussion stellen, denn das ist auch eine Möglichkeit, die Öffentlichkeit zu beteiligen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich auf einige Änderungsvorschläge eingehen. Im vorgeschlagenen Titel des Gesetzes sorgte die Bezugnahme auf den Stalinismus für Irritationen. Die kritischen Anmerkungen der Anzuhörenden wurden aufgegriffen und mit dem geänderten Titel wurde für Klarstellung gesorgt. In den Absätzen 1 und 2 des § 1 wurde der Zweck des Gesetzes deutlicher gefasst. Es geht um die Unterstützung und Beratung von Menschen, die von Verfolgung durch die SED-Diktatur unmittelbar oder mittelbar betroffen sind, sowie die Aufklärung und die politisch-historische Bildung. Die Stellung des Landesbeauftragten wurde im Bereich der zeitgeschichtlichen Forschung und der politischen Bildung genauer gefasst. Die Aufgaben des Landesbeauftragten wurden in § 3 konkretisiert. Neben der Beratung der Betroffenen, der Zusammenarbeit mit dem Bundesbeauftragten, der Beratung beim Überprüfungsverfahren möchte ich hier die Unterstützung der Arbeit der Opferverbände, Haftgedenkstätten, Grenzlandmuseen und die Zusammenarbeit mit weiteren Institutionen Thüringens, die der Aufarbeitung der SED-Diktatur dienen, ansprechen. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem „Thüringer Geschichtsverbund Arbeitsgemeinschaft zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“ wurde sehr bewusst eingefügt. Befürchtungen einer staatlich aufgezwungenen und kontrollierten Geschichtsauffassung wurden damit aus dem Weg geräumt.
Auf die Wahl des Beauftragten auf Vorschlag der Fraktionen bin ich bereits eingegangen. Neu im Gesetz ist der § 11, der Beirat. Der Beirat soll künftig die Arbeit des Landesbeauftragten unterstützen. Herr Döring hat ja dankenswerterweise schon gesagt, wer in dem Beirat vertreten sein soll, und er hat auch ausdrücklich noch einmal darauf hingewiesen, dass im Gesetzentwurf nicht festgelegt ist, welche Personen in dem Beirat sind, sondern die Institutionen, die eine Person ihrer Wahl in diesen Beirat benennen können. Dieser Beirat war ausdrücklicher Wunsch der Sachverständigen, dem die Koalitionsfraktionen gern nachgekommen sind. Die Befürchtungen, die mit der Einbringung des Gesetzes einhergingen, dürften weitgehend ausgeräumt werden.
Herr Blechschmidt, ich möchte auch kurz auf Ihren Beitrag eingehen. Sie sind beim Entwurf stehen geblieben. Man kann ja vieles kritisieren. Wenn keine Änderungen vorgenommen werden an einem Gesetz, dann heißt es „Arroganz der Macht“, die pochen ihr Gesetz durch, wie sie das eingebracht haben. Werden Änderungen akzeptiert, die sich ergeben im Rahmen einer Anhörung, dann ist es auch nicht richtig. Dann frage ich mich aber: Wo sind denn Ihre Änderungsvorschläge?
Im Übrigen kann man im Abgeordneteninformationssystem auch sämtliche Änderungsanträge nachlesen. Also es ist nicht so, dass keine Möglichkeit gewesen wäre, sich zu informieren.
Also Herr Blechschmidt, ich glaube - da es ja um die Art und Weise ging, wie man mit dem Gesetzentwurf umgegangen ist -, auch wenn es eine Verlängerung gegeben hätte, glaube ich nicht, dass Ihre Fraktion dem Gesetz zugestimmt hätte.
Ja.
Da kann ich Sie beruhigen, das gedenken wir nicht, aber das Abgeordneteninformationssystem hat schon diesen Namen, dass es Abgeordnete informieren kann und da kann man reinschauen.
Ich bin Frau Rothe-Beinlich dankbar, dass sie auf die Änderungen eingegangen ist, die dem Gesetz heute zugrunde liegen und dass sie auch erwähnt
oder gesagt hat für ihre Fraktion, dass dieses Gesetz in dieser Art und Weise zustimmungsfähig ist.
Herr Bergner, wenn Sie sagen, Frist ist egal, Anzuhörende sind egal, dann muss ich dem wohl widersprechen. Wenn wir eine Anhörung durchführen, was der Justiz- und Verfassungsausschuss in diesem Fall auch getan hat, und es sind viele Anregungen aufgenommen worden und haben sich in einem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen niedergeschlagen, dann zeigt das auch, dass uns die Meinung der Anzuhörenden nicht egal ist.
Im Übrigen, den Vergleich des Verfahrens mit DDR-Zeiten halte ich für unverschämt. Dass der Gesetzentwurf nur Symbolik ist, da muss ich Ihnen auch vehement widersprechen. Und die Zeit - sehen Sie, die Kollegen der GRÜNEN-Fraktion haben auch das Verfahren etwas bemängelt,
aber sie haben sich gekümmert, haben sich interessiert und sagen, gut, wir können damit leben, weil wir heute sehen, dass der Gesetzentwurf diese Kritikpunkte, die er ursprünglich hatte, dass die ausgeräumt sind. Und als Abgeordneter muss man doch auch mal ein bisschen flexibel sein.
Im Übrigen haben Sie auch keine Änderungsanträge eingebracht, lieber Kollege von der FDP-Fraktion.
Ich danke allen, die sich aktiv in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht haben und damit dazu beigetragen haben, dass wir heute ein Gesetz vorliegen haben, das zeitgemäß ist und ein klares Signal an die Opfer sendet, dass ihr erduldetes Leid nicht in Vergessenheit geraten ist.
Frau Meißner ist in der Berichterstattung zum Gesetz darauf eingegangen, wann die Änderungsvorschläge eingebracht wurden. Ich hatte zu den Kollegen der Fraktionen dazu schon etwas gesagt.
Die Änderungsvorschläge sind natürlich nicht wenig, das gebe ich zu. Aber wer sich mit der Anhörung, mit den Meinungen der Sachverständigen beschäftigt hat, der kann diese nachvollziehen.
Aus diesem Grunde bitte ich um Ihre Zustimmung und ich möchte schließen mit den Worten von Richard von Weizsäcker: „Wer vor der Vergangenheit
die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart.“ Ich danke Ihnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir behandeln heute diesen Antrag der FDP, der jetzt schon ein Vierteljahr mit den Plenarsitzungen mitläuft. Bei der Einbringung von Herrn Bergner, der ja ausgeholt hat, wie die Technik sich entwickelt hat in den letzten Jahren, dann war mir das auch fast schon klar. Ich möchte beginnen mit einem Zitat von Friedrich Schlegel: „Es gibt eine schöne Offenheit, die sich öffnet wie eine Blume: Nur um zu duften.“ So ähnlich ist das mit Ihrem Antrag. Ich danke dem Finanzminister, Herrn Dr. Voß, für seinen ausführlichen Bericht. Ich denke, damit ist alles abgedeckt, was im Moment an Öffentlichkeit möglich ist. Wer in das Internetportal des Finanzministeriums schaut, weiß, er kann den Haushaltsplan einsehen, er kann die Einzelpläne einsehen. Er kann auch Erläuterungen dazu erfahren, wie ein Haushalt entsteht. Es gibt Berichte dazu. Selbst über den Kommunalen Finanzausgleich, der ja auch in der medialen Wirkung am meisten stattfindet, gibt es Erläuterungen dazu. Der Minister hat angekündigt, weitere Aktivitäten zu tätigen, was er mit Sicherheit auch tun wird. Ich denke, das ist jederzeit - auch im Ausschuss - möglich.
Herr Huster, Sie haben mit sehr viel Humor angefangen, aber wie man von diesem Antrag zur Vermögensteuer kommen kann, da ist schon viel Ideologie dahinter. Das hat mich schon sehr gewundert.
Zum Punkt II des Antrags: Die Bemühungen zur Information und diesen Bericht zu geben bis zum
31. Dezember 2013, das lehnen wir als CDU-Fraktion ab, einmal, weil es ständig möglich ist, sich berichten zu lassen im Ausschuss, und die Transparenz durch das Finanzministerium auch gewahrt ist. Die Öffentlichkeit der Daten der Landeshaushaltspläne in maschinenlesbarer Form - da ging es mir ähnlich wie Herrn Baumann -, da kann ich mir nur vorstellen, dass Sie damit Computer gemeint haben. Nun weiß ich ja nicht, was die FDP für Maschinen hat, vielleicht solltet ihr mal aufrüsten oder irgendwas.
Ich kann lesen, Herr Barth.
Zum Punkt 3 - zur nächsten Haushaltsaufstellung, einen Thüringer Spardialog zu eröffnen: Ob das nun „Spardialog“ genannt wird - hier möchte ich an der Stelle der Landtagspräsidentin Frau Diezel recht herzlich danken, die ja in dieser Woche dieses Online-Diskussionsforum eröffnet hat. Das heißt, hier werden künftig die Bürger die Möglichkeit haben, auch zu Gesetzentwürfen mitzudiskutieren, sich einzubringen.
Was mir bei der ganzen Diskussion oder Beratung dieses Antrags bis jetzt zu kurz kommt: Es wird ja immer nur darauf reflektiert, was soll die Regierung besser machen, aber ich sage, auch wir als Abgeordnete haben eine Verpflichtung. Auch wir gehen ja in unseren Wahlkreisen zu Foren, auch wir sorgen dafür, dass unser Haushalt und die Inhalte des Haushalts transparent werden, dass wir mit den Bürgern offen ins Gespräch kommen. Die CDUFraktion sieht keinen Grund, diesen Antrag zu überweisen, und wird ihn im Punkt II auch ablehnen. Vielen Dank.
Frau Jung, Sie haben gesagt, dass dieses Thüringer Erziehungsgeld dafür da ist, dass die Kinder zu Hause bleiben. Können Sie denn an Zahlen belegen, wie viel weniger Kinder in die Einrichtungen gekommen sind? Meines Erachtens können Sie das nicht.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Koalitionsfraktionen CDU und SPD haben am 9. November den Gesetzentwurf über den Beauftragten des Freistaats Thüringen zur Aufarbeitung des Stalinismus und der DDR-Diktatur öffentlich kommuniziert. Dieses Datum wurde von beiden bewusst ausgewählt. Der 9. November wird auch von den Historikern mittlerweile als der Schicksalstag der Deutschen bezeichnet. Das hat gute Gründe. Die CDU-Fraktion wollte daran erinnern, dass an diesem Datum schicksalhafte Ereignisse stattfanden. Schicksalhaft im Bösen und im Guten. Altbundespräsident Richard von Weizsäcker hat uns ermahnt, dass, wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, blind wird für die Gegenwart. Deshalb möchte ich heute an den 9. November 1918 erinnern, an den Tag, als die Deutsche Republik ausgerufen wurde, an den 9. November 1923, an dem der Hitler-LudendorffPutsch stattfand, an den 9. November 1938, die Reichskristallnacht und damit den Beginn der Novemberpogrome. Vor allem die beiden letzten Daten waren Ausdruck des Satanischen, des Unmenschlichen und der konsequenten Erbarmungslosigkeit. So ist es auch nur zu begrüßen, dass die Generalversammlung der UNO den 9. November als Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer der NS-Diktatur proklamiert hat. Es gibt allerdings auch den 9. November 1989, den Tag des Mauerfalls, den Tag des Sieges der friedlichen Revolution in der DDR. Der 9. November 1989 war auch für uns ein Tag der Befreiung von einem System, das die Freiheit und die Würde des Menschen mit Füßen trat. Es ist meines Erachtens wichtig, immer wieder an unsere Geschichte zu erinnern. Unsere Vergangenheit kann uns zwar nicht lehren, was wir tun sollen, sie kann uns aber sagen, was wir nicht tun sollen.
„Freiheit“, meine Damen und Herren, „muss jeden Tag neu gewonnen und verteidigt werden. Sie ist unser höchstes Gut, das andere Güter zu genießen erlaubt.“, wie der große Physiker Carl Friedrich von Weizsäcker einmal sagte.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit diesem Gesetzentwurf möchten wir als CDU-Fraktion das konkretisieren und fortschreiben, was der Landesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR bisher erfolgreich tat. Gleichzeitig möchten wir damit auch das Parlament stärken, indem der Beauftragte, bevor er vom Landtag gewählt wird, von den Fraktionen vorgeschlagen wird. Das hat eine neue, eine andere, auch eine symbolhafte Qualität. Der Beauftragte soll Opferverbände, Gedenkstätteninitiativen unterstützen, sie jedoch weder in ihren Aufgaben beschneiden noch kontrollieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, meine Vorredner haben auch schon kurz darauf reflektiert, es gab nach der Veröffentlichung eine Reihe von medialen Reaktionen, aber die waren sicherlich auch zu erwarten. Sie kennen alle das Presseecho und deshalb möchte ich nicht auf jeden Punkt einzeln eingehen. Nur drei Dinge möchte ich klarstellen: Die Kooperation der Opferverbände erfolgte bereits in der Vergangenheit. Dies war auch die Voraussetzung für deren Förderung durch das zuständige Ministerium. Schwerpunkt der Arbeit der Beauftragten wird auch zukünftig die Beratung der Opfer des SED-Regimes bleiben. Das betrifft sowohl die psychosoziale Betreuung als auch die Wahrnehmung der Opferrechte. Geschichtliche Aufarbeitung und präventive Aufklärung ist und bleibt eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe.
Leider sind bei uns Jugendliche und leider auch ältere Bevölkerungsgruppen anfällig für rechtsextremes Gedankengut. Wir haben gestern bei der Debatte zum Thüringen-Monitor von positiven Trends gehört, aber wir müssen das zur Kenntnis nehmen. Die ständige Erinnerung an die Geschehnisse der braunen und roten Diktaturen muss uns eine dauernde Verpflichtung sein.
Bei denen war eines gemeinsam, die unbarmherzige Menschenverachtung.
Und unser Auftrag ist es, alles zu tun, dass sich so etwas nicht wiederholt.
An dieser Stelle möchte ich Frau Neubert und ihrem Team für die gute Arbeit, die sie geleistet haben, danken.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf geht es nicht um die Neubesetzung der Stelle des Beauftragten, diese ist bis zum Herbst 2013 mit Frau Neubert bestens besetzt. Es geht darum, das Amt des Landesbeauftragten stärker an den Thüringer Landtag zu binden und somit ihm auch eine besondere Bedeutung zukommen zu lassen. Gleichzeitig haben wir im Sinne der Haushaltskonsolidierung vorgeschlagen, die Besoldung dieser Stelle der Besoldung der anderen Beauftragten des Landtags gleichzustellen. Auf eine besonders festgeschriebene Qualifikation haben wir bei der Stellenbesetzung verzichtet bewusst. Ein Landesbeauftragter braucht für seine Tätigkeit vor allem menschliche Qualifikationen, die kann man in keinem Studium und in keiner Ausbildung lernen. Die Orientierung an Werten, die Achtung der Menschenwürde, das Bewusstsein der Verantwortung und Glaubwürdigkeit in dem, was man tut oder was er tut, ist entscheidend. Formalismen stören dabei eher. Denken
Sie nur an Roland Jahn oder Lutz Rathenow, beide machen einen großartigen Job, weil die menschlichen Qualitäten stimmen und sie eine Glaubwürdigkeit in Bezug auf die DDR-Vergangenheit besitzen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich beantrage im Namen der CDU-Fraktion, den Gesetzentwurf federführend an den Justiz- und Verfassungsausschuss und mitberatend an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit zu überweisen. Ich gehe davon aus, genau wie meine Vorredner, dass zum Gesetzentwurf eine Anhörung stattfinden wird. Wenn andere Ausschüsse noch damit befasst werden, wird sich die CDU-Fraktion dem natürlich auch nicht verschließen. Wenn es zum Titel oder zu der Begrifflichkeit Koordination noch Unstimmigkeiten oder Irritationen gab, dann kann das in diesen Beratungen geklärt werden. Geschichtliche Aufarbeitung und präventive Aufklärung bleiben eine Daueraufgabe, Zukunft kann nur der verantwortlich gestalten, der die Vergangenheit begriffen hat.