Erwin Sellering
Appearances
Last Statements
Die Koalitionsfraktionen bejahen die Dringlichkeit des Antrages nicht. Wir erkennen nicht, dass es sich um ein dringliches Anliegen handeln würde, wenn wir den Bereich der Spekulation verlassen würden, in dem wir jetzt noch sind. Ich sage aber auch ganz klar, dass das in der Sache natürlich etwas wäre, wenn es käme, was die Menschen im Land hier sehr stark betreffen würde. Und deshalb ist die klare politische Linie, die ich hier zusagen kann, auch als Ministerpräsident, dem wird Mecklenburg-Vorpommern im Bundesrat nicht zustimmen. Das ist schon völlig klar.
Ich will auch anschließen, es gibt ja Stellungnahmen aus anderen Bundesländern, und zwar unabhängig von der Zugehörigkeit zur Partei, sodass ich davon ausgehe, dass das im Bundesrat sehr schwer werden würde, so etwas durchzusetzen. Mir liegt hier daran zu sagen, okay, dieser Antrag ist nicht dringlich, das sagen jedenfalls die beiden Fraktionen zusammen, weil wir im Bereich der Spekulationen sind. Aber das Thema ist so ernst, daher die völlig klare Ansage: Wir werden dem nicht zustimmen.
Ja, ich nehme die Wahl an.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPD in MecklenburgVorpommern sieht erheblichen Handlungsbedarf bei der zukünftigen Sicherung der Renten, gerade im Osten, gerade in Mecklenburg-Vorpommern.
Dieses Thema ist hochaktuell, weil heute die entscheidenden Weichen gestellt werden müssen, wenn wir morgen Altersarmut verhindern wollen.
Rentenpolitik ist Bundespolitik. Und wir wissen, meine Damen und Herren, wer im Bund etwas erreichen will, der muss warten, schauen, wann das Zeitfenster geöffnet ist.
In diesem Sinne muss die Rentendebatte jetzt geführt werden.
Sie sehen das nicht nur an der Schreierei links und rechts. Sie sehen es auch an der öffentlichen Reaktion auf mein Rentenpapier, das ich zusammen mit Herrn Bullerjahn erstellt habe. Ich freue mich sehr, dass dieses Papier sehr viel Unterstützung gefunden hat beim DGB, beim Sozialverband und auch bei der Union.
Ich fi nde es bemerkenswert, dass es gelungen ist, diese wichtige bundesweite Debatte von Mecklenburg-Vorpommern aus auszulösen.
Meine Damen und Herren, der SPD Mecklenburg-Vorpommerns geht es darum, dass auch zukünftig alle eine Rente haben, von der sie leben können, auch diejenigen, die hier in Mecklenburg-Vorpommern in den letzten 18 Jahren häufi ger unverschuldet arbeitslos waren, auch die, die dann Arbeitsverhältnisse eingegangen sind, eingehen mussten zu sehr geringen Löhnen,
auch die, die eine zeitlang nur Minijobs gefunden haben.
Ich möchte den Menschen sagen können: Auch wenn du in 10, 15 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand gehst, wird deine Rente zum Leben ausreichen.
Dir wird mehr bleiben als nur die Grundsicherung von 345 Euro.
Meine Damen und Herren, es geht darum, Altersarmut zu verhindern,
Altersarmut, die hier in 10, 15 Jahren in MecklenburgVorpommern in großem Umfang droht, weil bei uns das Lohnniveau besonders niedrig war und ist und die Arbeitslosigkeit besonders hoch.
Meine Damen und Herren, das Problem, über das wir reden, ist ein Ostproblem. Diese besonders schwierigen Bedingungen bei Lohnniveau und Arbeitslosigkeit gab und gibt es vor allem im Osten,
Diese Zukunftsdebatte wird Zeit brauchen. Wir werden uns an ihr beteiligen. Aber davon unabhängig werden wir uns jetzt schon um Änderungen bemühen, die zu einem vernünftigen und fairen Ausgleich bei denen führen, die vor allem hier in Mecklenburg-Vorpommern – in den östlichen Bundesländern – in 10, 15 Jahren mit schweren unverschuldeten Nachteilen in die Rente gehen. Diesen Menschen zu sagen, das musst du durch private Vorsorge ausgleichen, ist zynisch. Das geht nicht von Sozialleistungen.
Das geht auch nicht von sehr geringen Löhnen.
Mir geht es langfristig um vier Maßnahmen, die nach meiner Überzeugung wirklich helfen können:
Erstens brauchen wir ein höheres Lohnniveau auch bei uns in Mecklenburg-Vorpommern, deshalb bleiben wir bei der Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn.
Die wichtigste Folge eines gesetzlichen Mindestlohnes ist, dass sich das allgemeine Lohnniveau hebt. Und, meine Damen und Herren, Mecklenburg-Vorpommern braucht Unternehmen, die am Markt mit Dienstleistungen und Produkten bestehen, wozu Sie hoch qualifi zierte und gut bezahlte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigen.
Unternehmen, die nur hierherkommen, weil die Förderung hoch ist und die Löhne gering sind, die tragen zur Zukunftssicherung eher weniger bei.
Zweitens, meine Damen und Herren, brauchen wir eine bessere Bewertung der ALG-II-Bezugszeiten. Heute ist es so, dass ein Jahr ALG-II-Bezug 2,19 Euro bei der Rente bringt. 2,19 Euro! Das ist undiskutabel.
Das ist der Verwaltungsaufwand nicht wert. Die wirtschaftliche Entwicklung, meine Damen und Herren, kommt voran, seit vielen Monaten auch hier in Mecklenburg-Vorpommern. Viele bekommen wieder Arbeit und es gibt einen steigenden Fachkräftebedarf. Wir wollen, dass dieser Aufschwung positive Wirkungen bei allen hat,
auch bei denen, die weniger qualifi ziert sind, deren Vermittlung schwieriger ist, die langzeitarbeitslos sind. Des
weil der wirtschaftliche Angleichungsprozess eine Zeit braucht und erst in vielen Jahren vollständig geschafft sein wird.
Was können wir tun? Eine Lösung zu fi nden für schwierige existenzielle Probleme, die in erster Linie Ostdeutschland betreffen, das ist in der Bundesrepublik Deutschland eher schwerer geworden. Und die Bereitschaft zur Solidarität ist gerade bei den Renten nicht sehr ausgeprägt. Altbundespräsident Herzog hat sogar von einem „Krieg der Generationen“ gesprochen.
Ich meine, das wäre das Schlimmste, was uns passieren kann. Ein Auseinanderbrechen unseres sozialen und demokratischen Gemeinwesens dürfen wir nicht zulassen. Deshalb müssen wir eine faire und offene Diskussion über die Probleme bei der Rente führen und wir müssen einen wirklich gerechten Ausgleich zwischen den Generationen herstellen. Das ist mehr, als nur zu schreien, sondern man muss dann wirklich etwas tun.
Das wird sehr schwer, denn, meine Damen und Herren, eines ist doch klar: Die Einschränkungen der letzten Jahre bei der Rente hatten einen sehr realen Hintergrund. Heute hat ein 65-Jähriger noch so viele Jahre vor sich wie vor 100 Jahren ein 35-Jähriger. Das ist sehr schön für uns alle, aber es muss auch fi nanziert werden.
Was früher acht geschafft haben, nämlich einen Rentner zu unterhalten, das müssen wir jetzt zweien zumuten. Deshalb wird es eine der wichtigsten politischen Aufgaben der nächsten Jahre sein, die Altersversorgung im gesellschaftlichen Konsens bezahlbar und gerecht zu halten.
Ganz sicher geht es dabei um die Einbeziehung auch solcher Gruppen, die heute noch in Sondersystemen Vorteile genießen: Beamte, Selbstständige, Minister, Abgeordnete. Außerdem werden wir einen Weg fi nden müssen, auch die Kapitaleinkünfte an der Rente zu beteiligen.
Bisher ist unser gesamtes Sozialsystem auf Löhne ausgerichtet, aber der Anteil der Löhne sinkt, der Anteil der Kapitaleinkommen steigt. Das müssen wir berücksichtigen.
Und, meine Damen und Herren, wir müssen einen Diskussionsvorschlag prüfen, der mir als Familienminister sehr sympathisch ist, nämlich einen klaren Unterschied zu machen zwischen denen, die für die Erziehung von Kindern einen für sie sehr kostspieligen Beitrag für die Zukunft leisten, und denen, die über ein hohes Einkommen verfügen und nicht die fi nanzielle Belastung schultern müssen, die ein Kind bedeutet. Ich meine, in diesen Fällen sollten wir stärker auf private Vorsorge setzen.
halb müssen wir dafür sorgen, dass für diese Personen die Leistungen an die Rentenkasse angemessen erhöht werden. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit.
Drittens, meine Damen und Herren, geht es um die Anrechnung der Riester-Rente. Im Moment wird die Rente voll angerechnet. Das halte ich unter Anreizgesichtspunkten einfach für eine Dummheit.
Das ist eine Dummheit. Und ich sage das bei allem Verständnis für den Grundsatz, dass Grundsicherung nur erhalten soll, wem sonst keine Mittel zur Verfügung stehen. Hier brauchen wir eine intelligente Lösung, die den Willen und die Bereitschaft zur eigenen Vorsorge, auch von Menschen mit geringem Einkommen, nicht dämpft, sondern unterstützt, denn langfristig wird das auch zur Entlastung des Sozialstaates führen.
Viertens, meine Damen und Herren, Herr Glawe, ist die Zeit reif
für eine Weichenstellung zur Angleichung der Rentenwerte zwischen Ost und West.
Es geht einfach nicht, dass wir noch Jahrzehnte zwei unterschiedliche Rentenvölker in Deutschland bestehen lassen. Dabei müssen wir allerdings realistisch bleiben. Es ist schon viel erreicht, wenn wir zumindest für die Rentner ab 2015, für die Rentner mit gebrochenen Erwerbsbiografi en dann nach 2015 eine Angleichung der Rentenwerte erreichen. Das wäre ein großer Schritt zur Verhinderung von Altersarmut im Osten.
Meine Damen und Herren, bei der zukünftigen Sicherung der Renten können wir in Mecklenburg-Vorpommern und somit für Ostdeutschland nur alle gemeinsam etwas erreichen. Ich bitte Sie daher um Unterstützung und lade Sie ein, gemeinsam …
Sie sind ausdrücklich ausgenommen!
... mit mir in Ihren Parteien auf Bundesebene Überzeugungsarbeit zu leisten.
Machen Sie bitte mit, damit wir sagen können, wir helfen mit, dass du im Alter eine Rente hast, von der du leben kannst!
Darauf, Herr Methling, sollten wir uns dann auch konzentrieren, dafür sollten wir Verbündete suchen.
Ich glaube, wir sind jetzt gut beraten, nicht zusätzlich noch ein Sammelsurium besonderer Ostforderungen aufzustellen oder alte Initiativen zu Spezialfragen wieder aufzulegen. Bitte jetzt nicht verzetteln!
Bitte jetzt nicht verzetteln! Für mich persönlich hat das Thema Rentengerechtigkeit einen sehr hohen Stellenwert. Ich werde an diesem Thema dranbleiben und werde noch in diesem Jahr auch konkrete Vorschläge vorlegen. Und ich bitte Sie alle, diese Vorschläge im Interesse der Menschen in Mecklenburg-Vorpommern und in ganz Ostdeutschland parteiübergreifend zu unterstützen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zum Thema wird gleich für die Landesregierung der Arbeitsminister sprechen, denn es ist ja guter Brauch, dass zu einem Thema nicht zwei Minister sprechen. Deshalb werde ich hier als Abgeordneter reden,
obwohl natürlich ein sehr wichtiger Teil des Themas auch den Sozialminister angeht.
Aber es ist sicherlich auch wichtig, was der Sozialminister als Mitglied der SPD-Fraktion
und was die SPD zu diesem Thema denken und als politisches Ziel verfolgen.
Meine Damen und Herren, das Thema Arbeit beschäftigt uns hier im Landtag in der einen oder anderen Form fast jede Sitzung. Arbeit zu haben steht für die Menschen im Land an erster Stelle und Arbeitslosigkeit ist das drängendste Problem für viele Menschen.
Deshalb freuen wir uns alle darüber, dass es hier im Land einen wirtschaftlichen Aufschwung gibt. Übrigens ist das ein Ergebnis jahrelanger guter Arbeit der Landesregierung.
Ganz klar ist aber, meine Damen und Herren, dieser Aufschwung ist noch nicht bei allen angekommen.
Wir haben als riesiges Problem, dass es hier bei uns im Land eine große Zahl von Menschen gibt, die Vollzeit arbeiten, aber kein existenzsicherndes Einkommen erzielen. Aktuell gibt es 30.000 – Sie sagen 35.000 – sogenannte Aufstocker,
also Erwerbstätige, die auf zusätzliche Sozialleistungen angewiesen sind, insgesamt 51.000, davon viele in Teilzeit, aber eben 30.000 oder 35.000,
die trotz Vollzeitarbeit nicht von ihrer Arbeit leben können. Das halten wir als SPD nicht für akzeptabel und deshalb setzen wir uns so vehement für einen gesetzlichen Mindestlohn ein.
Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, Mecklenburg-Vorpommern wird als Land nur eine Zukunft haben, wenn gut ausgebildete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gute Arbeit leisten, qualifi zierte Dienstleistungen erbringen, wenn sie dafür auch einen auskömmlichen Lohn erhalten. Ohne das, mit Billiglöhnen, wird es keine nachhaltige positive Entwicklung geben, das ist klar.
Deshalb, meine Damen und Herren, brauchen wir den Mindestlohn. Ich bedaure es sehr, dass es in Berlin zwischen SPD und CDU keine Übereinstimmung zu diesem Thema gibt. Im Gegenteil, in den letzten Tagen hat es da einen empfi ndlichen Rückschlag gegeben. Ich wünsche mir sehr, dass sich das möglichst rasch ändert.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Koalition hat eine Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik vorgenommen – das wird sicherlich der Kollege Seidel gleich noch im Einzelnen vortragen, das haben wir in der Koalition so verabredet –, und zwar auch deshalb, weil die BA und die Argen ihre Aufgaben erfüllen müssen. Die Aufgaben, die ihnen originär übertragen sind, müssen die beiden Institutionen erfüllen. Als Land überfordern wir uns, wenn wir stattdessen einspringen oder massiv unterstützen wollen.
Allerdings gibt es zwei Gruppen von Menschen, für die nicht zutrifft, dass wir guten Gewissens davon ausgehen können, dass sie auch ohne uns gut unterstützt und beraten werden und alle notwendigen Hilfestellungen erhalten. Das sind einmal die Nichtleistungsempfänger, die bei der BA und den Argen einfach herausfallen, und es ist die sehr schwierige Gruppe derjenigen, die faktisch keine Förderung mehr erhalten, weil ihre Vermittlung in Arbeit nahezu aussichtslos erscheint. Es sind Menschen,
die schon sehr lange arbeitslos sind, deren soziale Integration sich immer weiter lockert,
die resigniert am Wohnort verharren, gesundheitlich und sozial gefährdet sind, häufi g bildungsfern sind, die für sich keinerlei Perspektiven sehen und in der Gefahr stehen, sich aufzugeben.
Meine Damen und Herren, in den jetzt auslaufenden ESF-Programmen des zweiten Arbeitsmarktes, GAP, OASEn, „50-plus“, gab es immer zusätzlich zu dem, dass wir einzelne Stellen fi nanziert haben, Hilfestellungen für diesen Personenkreis, es gab Beratung, Unterstützung, Aufmunterung, sozialen Halt. Und das darf nicht ebenfalls enden.
Die Vereine und Verbände, die hier bisher gute Arbeit geleistet haben, die gesellschaftliche Teilhabechancen eröffnet haben, die Sinnstiftung gegeben haben, diese Vereine und Verbände müssen möglichst weitgehend durch strukturelle Hilfen in die Lage versetzt werden, diese wichtige Aufgabe weiter zu erfüllen.
Meine Damen und Herren, auch wenn die ESF-Millionen zur Teilnahmeförderung nicht mehr in den Größenordnungen auf dem zweiten Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, dann muss doch dieser wichtige Teil der auslaufenden ESF-Programme, der dazu gehört, möglichst weitgehend fortgesetzt werden.
Das wird ja auch, Herr Methling, für einen Bruchteil der bisherigen Summe möglich sein. Wohlgemerkt, keine Teilnehmerförderung, sondern strukturelle Hilfe zur Ermöglichung von Beratung und Unterstützung, das muss der Schwerpunkt sein. In meinem Hause stehen bisher nach den Planungen im ESF-Programm Integrationsprojekte zur Verfügung, und zwar untersetzt pro Jahr mit 2 Millionen Euro.
Um auf Anträge, die sich auf solche strukturelle Hilfe, wie ich sie gerade angesprochen habe, beziehen, möglichst weitgehend eingehen zu können, meine ich, muss diese Summe in den nächsten Jahren deutlich erhöht werden.
Aus meiner Sicht wäre es gut, wenn es uns gelänge, dafür, sagen wir, jährlich 2 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Das würde etwa 70 Personalstellen plus Sachmittel bedeuten. Und die könnten einen ganz erheblichen Teil der notwendigen Beratung und Unterstützung für diese beiden Personengruppen ermöglichen, die ich angesprochen habe, für die wir nicht auf BA und Arge verweisen können. Ich halte das angesichts unseres Umsteuerns vom zweiten auf den ersten Arbeitsmarkt für eine sehr wichtige und sehr notwendige soziale Ergänzung.
Daran, meine ich, sollte uns allen gelegen sein, darüber sollten wir sprechen, ob wir das gemeinsam hinbekommen. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die SPD Mecklenburg-Vorpommerns – Herr Methling, Sie werden sich daran erinnern –
war in dem langen Prozess der Erarbeitung eines Konzeptes für eine zukunftsfähige Verwaltungsstruktur in unserem Land immer die politisch treibende, die politisch gestaltende, die politisch konstruktive und bestimmende Kraft.
Darauf waren wir immer stolz. Wir hatten einen Partner, zu dem die Klassiker sagen würden, halb zog es ihn, halb sank er hin.
Auf diese Rolle, meine Damen und Herren, waren wir immer stolz.
Und lassen Sie mich ganz klar sagen, daran ändert auch das Greifswalder Urteil nichts, auch wenn dieses Urteil bei uns selbstverständlich eine große Enttäuschung hervorgerufen hat, dass die Richter sich nicht imstande gesehen haben, unserer mutigen, juristisch innovativen Lösung zu folgen und sie mitzutragen.
Diese Enttäuschung gibt es, auch wenn es manchem vielleicht nachvollziehbar erscheint, dass den Richtern eine positive Entscheidung offenbar schon dadurch sehr erschwert worden ist, dass wir verfassungsrechtliches Neuland betreten haben und auf keinen Präzedenzfall verweisen können.
Ich habe in den Gremien der SPD bereits gesagt – und ich wiederhole das hier –, wir haben aber trotz dieser fehlenden Zustimmung des Gerichtes überhaupt keinen Grund, uns etwas vorzuwerfen.
Wir sind ja, meine Damen und Herren, das mit unserem Reformvorschlag verbundene verfassungsrechtliche Risiko nicht leichtfertig eingegangen. Wir haben, gerade weil wir uns der Untiefen verfassungsrechtlichen Neulands bewusst waren, doch sehr früh einen anerkannten Verwaltungsexperten ausdrücklich als Lotsen an Bord geholt und später den gesamten Gesetzgebungsprozess von namhaften Juristen begleiten lassen.
Und, meine Damen und Herren, eines ist klar, die Situation im Land erforderte eine mutige, weitreichende Lösung,
im Grunde eine richtungsweisende Lösung auch für unsere Nachbarländer, die mit ähnlichen Problemen konfrontiert sind wie wir.
Und, Herr Roolf, die Situation im Land hat sich nicht geändert. Sie erfordert nach wie vor eine solche mutige weitreichende Lösung.
Merkwürdigerweise setzt sich nach dem Urteil diese Erkenntnis plötzlich auf ganz breiter Front auch bei allen politischen Kräften und Institutionen durch,
die früher lauthals dagegen waren oder zumindest nach Kräften verzögert haben. Selbst die fundamentalistischen Gegner von gestern reden heute plötzlich nur noch von dem unabweisbaren Reformbedarf und davon,
dass im Interesse der Bürger schnell gehandelt werden muss.
Meine Damen und Herren, manche sind einfach nicht wiederzuerkennen.
Ich vermute, das liegt daran, dass Ihnen plötzlich klar geworden ist, was es eigentlich für unser Land, für seine Handlungsfähigkeit in der Zukunft,
für sein Überleben als eigenständiges Bundesland bedeutet, wenn von den bekämpften Reformschritten tatsächlich nichts übrig bliebe.
Schon mit dem Näherrücken des Verkündungstermins in Greifswald stieg bei manchen sichtlich die Beklommenheit, selbst bei manchen Klägern, die sich bange fragten, was machen wir eigentlich, wenn wir tatsächlich gewinnen. Ich sage für die SPD, wir sind nach wie vor dabei, ohne zu schmollen, ohne nachtragend zu sein, konstruktiv im Interesse des Landes. Wir haben allerdings auch keinen Grund, von unseren bisherigen Zielen abzuweichen, also weniger Bürokratie, weniger Behörden, weniger Beamte, mehr Bürgernähe, Stärkung des Ehrenamtes,
und zwar alles durch Stärkung des Ehrenamtes. Was ist denn das Ehrenamt wert, wenn kein Geld mehr da ist?
Und vor allem werden wir das weiter tun durch die Schaffung von Verwaltungseinheiten in einer Größe, die Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit garantiert, und durch den Abbau von Dopplungen bei der Bearbeitung von Verwaltungsaufgaben mit regionaler Bedeutung. Diese beiden wichtigen Punkte werden wir weiter verfolgen. Wir wollen das so schnell wie möglich, aber auch – das sage ich ganz klar – unter möglichst weitgehender Minimierung der verfassungsrechtlichen Risiken. Denn machen wir uns nichts vor: Die durch den Schock über das Urteil hervorgerufene Einmütigkeit hinsichtlich des grundsätzlichen Reformerfordernisses,
eine so weitgehende Verwaltungsreform, wie sie in Mecklenburg-Vorpommern unzweifelhaft notwendig ist, eine solche weitgehende Verwaltungsreform im Einvernehmen aller zu machen, das wird wohl, muss wohl leider ein frommer Wunsch bleiben.
Meine Damen und Herren, die SPD in MecklenburgVorpommern steht weiter zur Verwaltungsreform und ist bereit, ihre Rolle, den Prozess der Erarbeitung eines Konzeptes für diese Reform weiter wie bisher konstruktiv und bestimmend wahrzunehmen.
Ich habe Ihnen noch ein Zitat von Wilhelm Busch mitgebracht.
Herr Roolfs, zu Ihrem Punkt 4 oder 5 Ihres Antrages, wo Sie über eine
Neuausrichtung der Enquetekommission nachdenken, da lautet das Zitat: „Man merkt die Absicht und man ist verstimmt“.
Lassen Sie mich ganz klar sagen, die Enquetekommission ist wichtig für den gesamten Reformprozess und weil sie so wichtig ist, braucht sie den bestmöglichen Vorsitzenden. Den hat sie mit Heinz Müller und er wird das auch bleiben.
Da helfen keine Manöver, undurchsichtige oder so durchsichtige wie das jetzt, sondern das wird er bleiben. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem wir den üblichen NPD-Geschäftsordnungszirkus hinter uns haben, immerhin 25 Minuten diesmal,
können wir zu den ernsthaften und wichtigen Themen kommen.
Ich bin von meinem Abgeordnetenplatz aus ans Pult gegangen, um deutlich zu machen, dass ich heute zu dem sehr wichtigen Thema Mindestlohn als SPD-Abgeordneter spreche.
Das bedeutet allerdings nicht, dass dies kein Thema für den Sozialminister wäre, ganz im Gegenteil,
denn das Thema Mindestlohn steht im Kontext der sehr schwierigen sozialen Frage, die sich aktuell in Deutschland, vor allem in Ostdeutschland stellt: Wie sichern wir den Zusammenhalt, den sozialen Frieden in einer Gesellschaft, in der die Schere zwischen Arm und Reich, zwischen den hervorragend ausgebildeten Gewinnern der Wissensgesellschaft und den gering qualifi zierten Verlierern immer weiter auseinandergeht? Es ist leider nicht so, dass die sehr erfreuliche wirtschaftliche Entwicklung der letzten Monate alle gleichermaßen erreichen würde. Diese positive Entwicklung, die in Mecklenburg-Vorpommern zu mehr Wachstum und zu mehr Beschäftigung geführt hat, auch dank der guten Arbeit der Landesregierung der letzten Jahre, dank der guten Ansiedlungspolitik,
geht an den gering Qualifi zierten leider weitgehend vorbei. Und das ist gerade in Mecklenburg-Vorpommern keine kleine Gruppe.
Meine Damen und Herren, knapp ein Drittel der Kinder in Mecklenburg-Vorpommern lebt in einem Haushalt, in dem die Erwachsenen nicht mehr in der Lage sind, den Lebensunterhalt der Familie zu sichern,
und das in einer Gesellschaft, in der die Zukunftschancen von Kindern ganz entscheidend vom sozialen Status des Elternhauses abhängen.
Meine Damen und Herren, es geht nicht nur um die vordergründig betroffenen Arbeitnehmer, wenn wir über Mindestlöhne reden, es geht um die Familien, es betrifft ganze Bevölkerungsgruppen.
Meine Damen und Herren, eine humane Gesellschaft kann es sich nicht leisten, auch nur ein Kind abzuschreiben.
Sie kann es sich nicht leisten, auch nur einem Kind nicht die notwendige Unterstützung und pädagogische Hilfe zu geben, die es braucht, um sich seinen Anlagen gemäß bestmöglich zu entwickeln und seinen Platz in dieser Gemeinschaft zu fi nden. Aber wie sollen sich Kinder positiv entwickeln, wenn sie ihre Eltern, wenn sie ihre Familie als ausgegrenzt empfi nden? Wie erleben sie unseren Staat, unsere Wirtschaftsordnung, wenn die Mutter oder der Vater täglich acht Stunden hart arbeitet, die Familie aber davon nicht leben kann, sondern ergänzend Sozialleistungen in Anspruch nehmen muss?
Meine Damen und Herren, Löhne von 3 bis 4 Euro, Hungerlöhne von 3 bis 4 Euro, sind eine Verletzung der Menschenwürde.
Und sagen Sie jetzt bitte nicht, solange diese Löhne ortsüblich sind, dürften sie nicht so bezeichnet werden.
Wenn unsere europäischen Nachbarn Großbritannien, Frankreich, Niederlande, Irland, Belgien, Luxemburg bei jeweils insgesamt geringerer Wirtschaftskraft in der Lage sind, Mindestlöhne von 8 bis 9 Euro festsetzen zu können, ohne dass dies zu Arbeitsplatzverlusten führt, wie können dann in einem deutschen Bundesland Löhne, die um mehr als 50 Prozent darunter liegen, moralisch gerechtfertigt sein?
(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)
Meine Damen und Herren, solche Hungerlöhne für ehrliche Arbeit sind auf Dauer außerdem ein gefährlicher sozialer Sprengstoff.
Für die Rechtsextremen ist das die willkommene Möglichkeit zu versuchen, die Enttäuschung und den Frust der Betroffenen nutzbar zu machen für ihre aggressive Ablehnung dieses Staates, ihre aggressive Ablehnung unserer Demokratie und der Freiheitsrechte.
Auch deshalb, meine Damen und Herren, müssen wir alle Anstrengungen unternehmen,
damit jeder eine Chance hat, in unserer Gemeinschaft mit dabei zu sein,
damit jeder Arbeit fi ndet und der, der Arbeit hat, davon auch leben kann.
Meine Damen und Herren, welche wirtschaftlichen Folgen hat das aber, wenn wir Mindestlöhne einführen? Welche Folgen Kombilöhne haben, das liegt, glaube ich, auf der Hand. Die Unternehmen werden geradezu eingeladen, die Löhne zu senken und niedrig zu halten, um dann auf Kosten der Steuerzahler Zuzahlungen zu erreichen.
Mindestlöhne, angeglichen an die Mindestlöhne unserer wirtschaftlich vergleichbar starken europäischen Nachbarn, würden die Unternehmen dagegen zwingen, beim Wettbewerb mit ihren Konkurrenten andere Stärken zu entwickeln, als auf einen Lohnkostenvorteil im Bereich der Geringverdiener zu setzen, also zum Beispiel auf technische Innovation, auf klügeres Management, langfristig sicherlich ohnehin die wettbewerbsfähigere Unternehmensstrategie. Dennoch ist nach den alten volkswirtschaftlichen Lehrbüchern schon im ersten Semester die Sache klar: Mindestlöhne führen zu weniger Beschäftigung, zu mehr Arbeitslosen. Je niedriger die Löhne, desto eher kann die Nachfrage gedeckt werden, es gibt also weniger Arbeitslose. So die Theorie. Die Realität im Zeitalter der Globalisierung sieht allerdings anders aus. Nicht nur, wenn wir unsere Arbeitslosigkeit bei gering Qualifi zierten vergleichen mit denen in Ländern, die relativ hohe Mindestlöhne haben, da sieht es dann nicht so aus, dass wir besser dastehen als die, sondern ganz im Gegenteil.
Es gibt seriöse wissenschaftlich untermauerte Analysen zu den Auswirkungen der Mindestlöhne in den USA und in Großbritannien – da gibt es sie am längsten – und diese zeigen, dass von einem höheren Mindestlohn keine negativen Beschäftigungseffekte ausgehen. Der USSachverständigenrat hat das schon 1999 festgestellt, die britische Low Pay Commission kommt in ihrem jüngsten Bericht zum selben Ergebnis und im Oktober 2006 haben fünf amerikanische Ökonomie-Nobelpreisträger für einen höheren Mindestlohn plädiert. Es ist also auch volkswirtschaftlich mehr als vertretbar, der schädlichen Entwicklung eines Lohndumpings nicht tatenlos zuzusehen. Wir haben uns in Deutschland zu Recht gegen eine sich selbst überlassene unregulierte Marktwirtschaft entschieden und für eine sozial gesteuerte. Wir sind mit dieser sozialen Marktwirtschaft, mit starken Gewerkschaften, Mitbestimmung, Kündigungsschutz, sozialen Sicherungssystemen gut gefahren. Die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft hängt eben auch vom sozialen Frieden in der Gesellschaft ab. Soziale Marktwirtschaft braucht Leitplanken, damit Wettbewerb und Gewinnstreben in eine für alle verträgliche Richtung gelenkt werden. Dazu gehört dann auch, dass der Staat Rahmenbedingungen dafür setzt, dass die Gewerkschaften ihre Aufgabe wahrnehmen, ihre soziale Befriedungsfunktion erfüllen können. Sonst bleibt die staatlich garantierte Tarifautonomie ein leeres Versprechen.
Meine Damen und Herren, wenn Gewerkschaften sich gezwungen sehen, Tarifl öhnen von weit unter 4 Euro zuzustimmen, darf das nicht als Zeichen dafür gewertet werden, dass diese Löhne dann offenbar sogar von den Gewerkschaften selbst als angemessen angesehen werden. Das wäre zynisch. Hieran zeigt sich vielmehr überdeutlich, in welche Schiefl age wir geraten sind und wie notwendig es ist, für mehr Gleichgewicht zwischen den Tarifpartnern zu sorgen. Das ist vielleicht auch das wirksamste Mittel gegen Tariffl ucht, wie wir sie gerade wieder in diesem Land erleben und wie niemand sie, denke ich, gutheißen kann.
Meine Damen und Herren, die Einführung eines den Lebensunterhalt sichernden Mindestlohnes löst selbstverständlich nicht alle aktuellen sozialen Probleme, die es vor allem in Ostdeutschland gibt. Ich nenne nur das in manchen Regionen so schwierige Verhältnis von Arbeitslosen und offenen Stellen, dass das Prinzip „Fördern und Fordern“ oftmals unrealistisch erscheint oder die große Zahl der Langzeitarbeitslosen, von denen einige aller Voraussicht nach nie mehr in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden können, dafür müssen noch Lösungen gefunden werden.
Die Einführung von Mindestlöhnen entfaltet aber schon für sich allein ganz sicher positive Wirkungen weit über das rein Finanzielle für den einzelnen Arbeitnehmer hinaus. Die Geringschätzung der Leistungen und Fähigkeiten einer großen Gruppe von Menschen wird beendet. Sie und ihre Familien – ich bitte das nicht zu vergessen – erhalten das klare Signal: Ihr seid nicht ausgegrenzt, Ihr gehört dazu, wir brauchen Euch.
Meine Damen und Herren, ich bitte alle demokratischen Parteien dieses Hauses, sich für die Einführung von Mindestlöhnen einzusetzen. Was die Höhe angeht, hat die SPD in Mecklenburg-Vorpommern auf ihrem Parteitag vor drei Wochen die Forderung der Gewerkschaften nach 7,50 Euro unterstützt. Ob das die richtige Zahl ist, ob vielleicht zwischen Ost und West differenziert werden muss, das können wir sicherlich noch im Einzelnen diskutieren mit den Arbeitgebern und Arbeitnehmern, vielleicht auch mit Wissenschaftlern. Dieser Prozess wird ja noch andauern.
Wo wir auf keinen Fall differenzieren dürfen, ist zwischen Männern und Frauen. Ganz im Gegenteil wollen wir da eine stärkere Angleichung erreichen. Frauen erhalten immer noch im Durchschnitt für gleiche Arbeit deutlich weniger Lohn und sie sind unter denen, die mit Löhnen zwischen 3 und 4 Euro abgespeist werden, weit überdurchschnittlich vertreten. Deshalb ist ein Mindestlohn in vernünftiger Höhe auch ein wichtiger Beitrag, um gerechtere Löhne für Frauen zu erreichen.
Ich bitte um ein gemeinsames Signal in Richtung Mindestlohn. – Vielen Dank.