Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 23. Sitzung des Landtages. 19 Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion der FDP haben gemäß Paragraf 72 Absatz 4 unserer Geschäftsordnung die heutige Dringlichkeitssitzung beantragt. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die vorläufi ge Tagesordnung der 23. Sitzung liegt Ihnen vor. Wird der vorläufi gen Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 23. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.
Ich rufe auf den einzigen Punkt der Tagesordnung: Aussprache zum Thema „Fortsetzung der Funktional- und Kreisstrukturreform in Mecklenburg-Vorpommern“, hierzu Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Für Mecklenburg-Vorpommern – Verwaltungsmodernisierung zügig voranbringen!, Drucksache 5/777, und Beratung des Antrages der Fraktion der FDP – Verfassungsgemäße Fortsetzung der Funktional- und Kreisstrukturreform, Drucksache 5/778. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.
Aussprache zum Thema Fortsetzung der Funktional- und Kreis- strukturreform in Mecklenburg-Vorpommern
Antrag der Fraktion DIE LINKE: Für Mecklenburg-Vorpommern – Verwaltungsmodernisierung zügig voranbringen! – Drucksache 5/777 –
Antrag der Fraktion der FDP: Verfassungsgemäße Fortsetzung der Funktional- und Kreisstrukturreform – Drucksache 5/778 –
Das Wort zur Begründung des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/777 hat die Abgeordnete Frau Měšťan.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die heutige Dringlichkeitssitzung des Landtages ist gemeinsam von der FDP-Fraktion und der Fraktion DIE LINKE beantragt worden.
Gegen diese Sondersitzung, das war in den letzten Tagen medial zu vernehmen, sind Einwände auch von Mitgliedern des Landtages öffentlich vorgetragen worden. Aktivismus, Populismus, Geldverschwendung waren die Botschaften. Ich will derartige Vorwürfe nicht näher kommentieren, aber klar sagen: Bei dem heute auf der Tagesordnung stehenden Beratungsgegenstand sollte derartiges parlamentarisches Selbstverständnis in diesem Landtag keine Plattform fi nden.
Wer bei einer solch zentralen Angelegenheit für die Zukunft des Landes die Berechtigung oder gar die Notwendigkeit einer Sondersitzung des Gesetzgebers nicht erkennen will, der beginnt, die Sinnhaftigkeit unserer eigenen Geschäftsordnung, ja, unsere Arbeit hier im Parlament in einem wesentlichen Punkt infrage zu stellen. Dessen sollten wir uns bewusst sein, auch in der sogenannten parlamentsfreien Zeit.
Meine Damen und Herren, die Fraktion DIE LINKE hat Ihnen heute einen Antrag vorgelegt mit der Überschrift „Für Mecklenburg-Vorpommern – Verwaltungsmodernisierung zügig voranbringen!“. Sollte dieser Titel bei dem einen oder anderen hier Anwesenden Assoziationen zu einem Antrag der 4. Wahlperiode auslösen, so war dies durchaus nicht unbeabsichtigt. Ich darf den damaligen Antrag der CDU-Fraktion zitieren: „Miteinander für Mecklenburg-Vorpommern – Gemeinsamkeit bei der Verwaltungsreform erzielen“.
(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Daran hättet ihr euch halten sollen. – Zurufe von Dr. Armin Jäger, CDU, und Andreas Bluhm, DIE LINKE)
Der Hintergrund unseres heutigen Antrages dürfte allgemein bekannt sein und der Anlass ist auch weitgehend unstrittig. Mit dem Urteil des Landesverfassungsgerichtes vom 26. Juli wurde der notwendigen Verwaltungsmodernisierung in Mecklenburg-Vorpommern die bisherige gesetzliche Grundlage weitgehend entzogen. Der enorme Reformbedarf besteht jedoch fort. Der Reformdruck nimmt dabei sogar zu. Dies alles wird von keiner demokratischen Fraktion in diesem Landtag bestritten.
Meine Damen und Herren, wäre die heutige Sitzung von einer der Koalitionsfraktionen oder beiden gemeinsam beantragt worden, Kollege Müller und Kollege Ringguth, ich hätte vollstes Verständnis dafür gehabt.
Das Gerichtsurteil hat nicht allen bisherigen Reformbemühungen, praktischen Reformvorbereitungen beziehungsweise defi nierten Reformschritten die gesetzliche Grundlage weitgehend entzogen, nein, dieses Urteil erschüttert auch die Koalitionsvereinbarung beziehungsweise das Handlungsprogramm der gegenwärtigen Landesregierung in ganz erheblichem Maße, und zwar von der Präambel bis zu den konkret defi nierten Handlungsfeldern der Ziffer 272 und folgende. Das Urteil hat auf zentralen Aufgabenfeldern der Landespolitik weiße Flecken hinterlassen. Anders ausgedrückt: Es gibt derzeit zur notwendigen und umfassenden Modernisierung der Verwaltung des Landes und der Kommunen keine schlüssige Konzeption. Und spätestens in dieser für das Land kritischen Situation muss sich der Landtag seiner eigenen Initiativfunktion bewusst sein.
Die Verfassungsrichter, meine Damen und Herren, wenn Sie alle das Urteil gelesen haben, haben zu dieser Problematik überdeutlich gerade an uns, den Landtag, Erwartungen formuliert.
Unser vorliegender Antrag enthält zwei Beschlusspunkte. Zum besseren Verständnis scheint es mir sinnvoll, den Tag der Urteilsverkündung und das nähere zeitliche Umfeld kurz über entsprechende Presseinformationen in Erinnerung zu rufen. Bis 26. Juli sind alle gespannt wie Flitzebogen, am 26. Juli Genugtuung und Enttäuschung. Innenminister Caffi er kündigt an, das Urteil jetzt sorgfältig aufzuarbeiten
und gemeinsam mit dem Koalitionspartner und den kommunalen Landesverbänden einen neuen Ansatz zu erarbeiten.
CDU-Fraktionschef Dr. Jäger hält es für machbar, den ursprünglichen Zeitplan der alten Landesregierung zu halten und 2009 Kommunalwahlen in neuen Strukturen durchzuführen. Man müsse nicht bei null anfangen, sondern wir sollten die guten Vorarbeiten der damaligen Landesregierung nutzen – eine Position, die ich im Übrigen auf Nachfrage von Journalisten ausdrücklich unterstützt habe. Am 27. Juli kündigt Ministerpräsident Dr. Ringstorff einen neuen Reformanlauf an. Am 28. Juli verschieben SPD und CDU nach einem Spitzentreffen der rot-schwarzen Koalition die Verwaltungsreform um Jahre, einigen sich, das Projekt erst nach 2009 anzugehen.
(Dr. Armin Jäger, CDU: Nee! – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Das stimmt ja nicht. – Zuruf von Heinz Müller, SPD)
Abschließend will ich den Vorsitzenden des Landkreistages, Landrat Molkentin, zitieren: „Wir müssen die gegenwärtige Reformbereitschaft in den Kreisen nutzen, um ein besseres Gesetz auf den Weg zu bringen, und zwar schnell.“
Meine Damen und Herren, unserem Antrag ist zu entnehmen, dass meine Fraktion erstens für eine sehr gründliche Auswertung des Urteils steht. Wenn die Koalitionsspitze aber bereits zwei Tage nach dem Urteil zu prinzipieller Entscheidungsfi ndung fähig ist, dann gehören, meine Damen und Herren, diese Entscheidungen und maßgebliche Fachgründe, die dazu geführt haben, hier auf den Tisch unseres Hauses.
Und genau das ist der Gegenstand unseres ersten Beschlusspunktes. Eine Verschiebung notwendiger Reformschritte um Jahre sollte Gegenstand politischer Willensbildung sein, und zwar öffentlich. Der Landtag wird andernfalls in Haftung genommen für Entscheidungen, deren Gründe im Dunkeln bleiben.
Zweitens. Eine mögliche Verschiebung einer Kreisgebietsreform weit über das Jahr 2000 hinaus, ist allein keine Reformkonzeption.
Ganz im Gegenteil, hier hat der Landtag das Recht und die Pfl icht, von der Landesregierung deutlich Fundierteres zu verlangen. Darauf zielt unser zweiter Beschlusspunkt.
Meine Damen und Herren, wenn das Urteil von einem Prinzip geprägt war, dann von der kommunalen Selbstverwaltung. Ja, das Urteil liest sich fast wie eine Denkschrift.
(Dr. Armin Jäger, CDU: Das haben wir Ihnen doch gesagt, Frau Měšťan. – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Wieder und wieder.)
Das ist gut und tut gut, wenigstens emotional. Und wenn die bisherige Zeit nach dem Urteil von einem Wort dominiert wurde, dann von dem Wort „Konsens“. Und das, meine Damen und Herren der vertretenen Fraktionen hier im Landtag, sollten wir uns in der heutigen Aussprache gemeinsam sehr zu Herzen nehmen. Ihre Einladung, Herr Innenminister Caffi er, an die demokratischen Oppositionsfraktionen haben wir vernommen. Verstehen Sie bitte den vorliegenden Antrag der Fraktion DIE LINKE als Annahme dieser Einladung.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen DIE LINKE und FDP – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sehr gut. – Heiterkeit bei Volker Schlotmann, SPD)
Das Wort zur Begründung des Antrages der Fraktion der FDP auf Drucksache 5/778 hat der Fraktionsvorsitzende der FDP-Fraktion Herr Roolf.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Mitglieder der FDP-Fraktion und die Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE haben sich in ihrem Wählerauftrag zusammengefunden, um die heutige Landtagssitzung als Dringlichkeitssitzung einzuberufen und dem, was das Gericht uns als Abgeordneten und als Parlamentariern auf den Zettel geschrieben hat, hier an diesem Ort heute gerecht zu werden. Das Gericht hat in zweierlei Bereichen schwere Kritik an dem vorliegenden Gesetz zur Verwaltungsmodernisierung geübt. Der eine Bereich, das ist die Kritik an die Landesregierung, über das, was als Ergebnis vorgelegt worden ist, und über das, was als Gesetzestext verabschiedet worden ist. Der zweite Bereich, der uns hier als Abgeordnete heute zusammenführt, ist der Bereich der Kritik am Parlament. Das Parlament, so die Richter, hat seine Aufgabe nicht so ausgeführt, dass es zu einem ordnungsgemäßen Abwägungsprozess und zu einer ordnungsgemäßen Mitarbeit hier im Parlament geführt hat. Und genau aus diesem Grunde haben wir uns hier heute zusammengefunden, um uns in unserer Verantwortung als Abgeordnete diesem Votum zu stellen.
Was gibt es zu der heutigen Landtagssitzung noch zu sagen? Kollegin Měšťan hat es sehr richtig gesagt: Wir können uns jetzt hier hinstellen und das Niveau der Presse arbeit der letzten vier Wochen gemeinsam aufarbeiten. Wir können uns damit konfrontieren, wer welches Zitat zu wem gerade gesagt hat, in welcher Reihenfolge, und wir können uns womöglich auch gegenseitig beschimpfen und uns irgendwelche Dinge vorwerfen. Das, meine Damen und Herren, ist genau das, was wir nicht tun sollten,