Heike Habermann
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Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will das an den Anfang der Debatte stellen: Wir werden Ihrem Entschließungsantrag zustimmen. Die SPD-Fraktion unterstützt und fördert jede Initiative, die die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung unterstützt und Durchlässigkeit zwischen den Bildungsabschlüssen und Bildungswegen fördert.
Allerdings fragen wir uns, was die CDU bewogen hat, diesen Entschließungsantrag heute zum Setzpunkt zu machen; denn der Neuigkeitswert strebt gegen null.
Mit der Novelle des Hessischen Hochschulgesetzes wurde der Modellversuch für ein Studium ohne Abitur ermöglicht und zum Wintersemester 2016/17 gestartet.
In diesem Modellversuch haben Absolventen mit mittlerem Bildungsabschluss erstmals bereits nach einer dreijährigen anerkannten Berufsausbildung mindestens mit der Abschlussnote 2,5 einen prüfungsfreien Zugang zu allen gestuften Studiengängen an den Hochschulen des Landes.
Herr Kollege Hofmeister, ich habe mir genau wie Sie an dieser Stelle erlaubt, die Pressemitteilung des Wissenschaftsministeriums aus dem Jahr 2016 zu zitieren, um deutlich zu machen, um was es geht.
Über den Start des Modellversuchs haben wir in der Plenarsitzung am 26. Januar 2017 debattiert. Es ist für uns nicht ersichtlich, was sich bis zum heutigen Tag an neuen Erkenntnissen und Ideen zum Thema Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung ergeben hat.
Die SPD-Fraktion begrüßt, dass sich nach drei Semestern Laufzeit des Modellversuchs die Zahl der Teilnehmer fast verdreifacht hat.
Die Zahl von 235 Studierenden zeigt aber auch, dass noch große Anstrengungen unternommen werden müssen, um diesen alternativen Weg zum Studium regelhaft zu entwickeln.
Wir begrüßen auch, dass die Hochschulen Maßnahmen und Instrumente entwickeln, die den Studierenden ein erfolgreiches Studium ermöglichen sollen. Beratung und Unterstützung, die auf die besondere Situation der Studierenden zugeschnitten sind, sind aus unserer Sicht absolut notwendig. Da der Modellversuch allerdings erst zum Sommersemester 2021 abgeschlossen und evaluiert werden soll, ist der Antrag zwar zustimmungsfähig, aber am heutigen Tag gleichzeitig überflüssig.
„Repetitio est mater studiorum“,
wobei die Betonung für die Koalition eindeutig auf „Wiederholung“ liegt und nicht auf dem „Studieren von neuen Erkenntnissen“. Die Koalition scheint zu befürchten, dass ihre Leistungen von der Öffentlichkeit nicht bemerkt werden. Das ist möglicherweise auch nicht ganz unbegründet.
Ich will gerne noch zu einigen inhaltlichen Aspekten Stellung nehmen. Es ist längst nicht mehr allein meine individuelle Entscheidung, ob ich mich fort- und weiterbilde, sondern es ist eine Notwendigkeit geworden. Lebenslanges Lernen ist Bedingung für eine erfolgreiche berufliche Perspektive. Gleichzeitig sind Durchlässigkeit und der Abbau von Barrieren und roten Ampeln notwendig, um unser Bildungssystem fit für die ständig neuen und wechselnden Anforderungen im Beruf zu machen. Um die Anforderungen von Digitalisierung und Spezialisierung in immer neuen Ausbildungsberufen, Studiengängen und Berufsbildern zu bewältigen, brauchen wir ein flexibles und durchlässiges Bildungssystem.
Wir brauchen es – das füge ich ausdrücklich hinzu –, um Chancengleichheit beim Zugang zu diesen Bildungsangeboten zu gewähren. Ich glaube, da hat Hessen noch sehr viel Nachholbedarf.
Solange Eltern ihre Kinder deshalb aufs Gymnasium schicken, weil sie Angst haben, dass ihr Kind woanders in einer Bildungssackgasse landet, ist die Formel von der Gleichwertigkeit noch ungelöst.
Durchlässigkeit darf es nicht nur in der Anschlussfähigkeit nach einem Abschluss geben, sondern sie muss auch davor vorhanden sein. Wenn man den Hochschulzugang nach dem allgemeinen Schulabschluss – aus unserer Sicht zu Recht – auch für junge Menschen ohne Abitur und mit Berufserfahrung öffnet – darüber sind wir uns in diesem Hause alle einig –, muss man auch die Frage stellen, ob beispielsweise abschlussbezogene Bildungsstandards heute noch zeitgemäß sind oder ob es nicht vielmehr überfällig ist, bestehende Bildungsstandards und Kerncurricula daraufhin zu überprüfen, ob sie dem Anspruch an Gleichwertigkeit von Bildungsgängen und Durchlässigkeit genügen.
Die Grenzen zwischen praxisbezogener und theoretischakademischer Ausbildung sind heute verschwommener geworden. Das Meisterstudium, steigende Studierendenzahlen an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften und im dualen Studium wie auch der Erfolg von Modellen zum Studieren ohne Abitur – all das zeigt, dass der Schulabschluss im allgemeinen Schulsystem längst nicht mehr den Berufsweg eines Menschen determinieren muss. Aber leider – das hat viel mit dem zu tun, was in der allgemeinbildenden Schule geschieht – tut dieser Schulabschluss das immer noch, nämlich das Schicksal von Menschen und ihre Berufswege vorzuentscheiden, und das oft nicht so, dass die Fähigkeiten des Einzelnen auch ausgenutzt werden können.
Ich will noch einen letzten Punkt anfügen. Die SPD-Fraktion begrüßt selbstverständlich auch, dass Schülerinnen und Schüler in allen Schulformen Unterstützung durch eine qualifizierte Berufsorientierung erhalten sollen. Herr Hofmeister hat in seinem Redebeitrag gesagt, dass die Koalition und die Landesregierung dies kontinuierlich verbessern würden. Davon aber habe ich bis jetzt leider noch nichts gemerkt, insbesondere wenn es um die Forderung geht, auch an den Gymnasien eine entsprechende Berufsorientierung zu etablieren. Da ist es mit Praktika nicht getan.
Dankenswerterweise hat der Kultusminister gestern in der Debatte zur Enquetekommission „Bildung“ angekündigt, dass es in Arbeit sei, eine neue Verordnung auf den Weg zu bringen und dies entsprechend in den Schulen zu etablieren. Darauf warten wir und sind sehr gespannt, wie es in Hessen umgesetzt wird.
Lassen Sie mich zum Abschluss aus einem Zeitungsartikel zitieren. Er ist aus der „Hanauer Allgemeinen“ vom 2. Juli 1975. Die Überschrift lautet „Sie schafften es: Ohne Abitur Start frei für die Hochschule“. Der Artikel berichtet über einen Lehrgang an der Volkshochschule Hanau, die es den ersten 23 Absolventen ermöglicht hat, auch ohne Abitur anschließend ein Hochschulstudium aufzunehmen.
Deswegen lautet mein Fazit: Diese Landesregierung macht eben nichts Gutes, was einer sozialdemokratisch geführten Regierung nicht schon viel früher eingefallen wäre.
Deshalb fällt uns die Zustimmung zu diesem Antrag trotz allem nicht schwer – verbunden mit der Ermunterung an die CDU, auch in anderen bildungspolitischen Bereichen etwas fortschrittlicher zu argumentieren und neueste Erkenntnisse auch aus der Enquetekommission „Bildung“ zur Kenntnis zu nehmen. – Herzlichen Dank.
Herr May, haben Sie noch meinen Debattenbeitrag von Januar letzten Jahres in Erinnerung, in dem ich genau diese Unterstützung für den Modellversuch bereits einmal vonseiten der SPD-Fraktion erklärt habe?
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr May, auch von dieser Stelle aus noch einmal herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.
Für die SPD-Fraktion kann ich sagen: Das Ziel, die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung zu verbessern, wird von uns uneingeschränkt geteilt.
Was allerdings Punkt 1 Ihres Antrags, das „Allzeithoch bei der Lehrerversorgung“ und die „Rekordausgaben im Hochschulpakt“, mit dem Erreichen dieses Ziels zu tun hat, hat sich mir nicht erschlossen. Sie sind in Ihrer Rede wohlweislich nicht darauf eingegangen.
Es gelingt Ihnen einmal mehr, einen zustimmungsfähigen Antrag so mit Eigenlob zu garnieren, dass eine Zustimmung der Opposition der Verleihung eines Lorbeerkranzes für Ihre tatsächlichen oder vorgeblichen Leistungen gleichkäme.
Kollege May, das erschwert ein bisschen ein einfaches Ja zu diesem Antrag, und das ist schade. Denn das Anliegen des Antrags ist wichtig. Jede Maßnahme zur Verbesserung der Durchlässigkeit des Bildungssystems ist nicht nur eine Chance für einzelne Menschen, sondern auch eine Notwendigkeit angesichts eines sich ständig verändernden Arbeitsmarktes.
Tätigkeitsprofile und Anforderungen ändern sich rasant. Neue Berufsbilder entstehen. Die Geschwindigkeit der technologischen Innovation erfordert mehr und neue Qualifikationen von Einzelnen in immer kürzerer Zeit. Eine Aufteilung nach ausschließlich theorie- oder praxisorientierter Ausbildung – oder vereinfacht: nach Kopf und Hand – ist längst obsolet geworden.
Die Forderung, lebenslanges Lernen zu fördern und zu ermöglichen und auf bestehende Schul- und Berufsabschlüsse aufbauen zu können, entspricht nicht nur dem Anspruch an ein gerechtes Bildungssystem. Offene Türen zu anderen und weiterführenden Qualifikationen sind zur Notwendigkeit für jeden Einzelnen geworden, um seine Bildungschancen und beruflichen Perspektiven zu nutzen.
Meine Damen und Herren, seit dem KMK-Beschluss vom Juni 2002 über die Anrechnung von außerhalb des Hochschulwesens erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten auf ein Hochschulstudium haben alle Bundesländer Regelungen beschlossen, um die Durchlässigkeit zu verbessern. Fast alle – so wie bisher auch Hessen – nehmen als Kriterium für die Aufnahme eines Studiums nach der Ausbildung eine dreijährige Berufstätigkeit im erlernten Ausbildungsberuf.
Rheinland-Pfalz hat diese Bedingung auf zwei Jahre gekürzt und weitere Möglichkeiten eröffnet, ohne Abitur ein Studium aufzunehmen. Herr May, insofern ist der neue hessische Ansatz eine Weiterentwicklung. Das ist in der Tat korrekt. Es werden bestehende Zulassungsvoraussetzungen verändert und dadurch Hürden für die Absolventen niedriger angesetzt.
Wir begrüßen deshalb den vom DGB und den Handwerkskammern unterstützten Modellversuch in Hessen, der bei entsprechenden Voraussetzungen auf den Nachweis der Berufstätigkeit nach der Ausbildung verzichtet, und wünschen uns, dass er nicht nur rege genutzt, sondern auch in eine regelhafte Praxis überführt werden kann.
Kolleginnen und Kollegen, für bedenkenswert halte ich in diesem Zusammenhang die Regelung im Hochschulgesetz von Hamburg. Hamburg ist das einzige Bundesland, das die Verpflichtung der Hochschulen gesetzlich festgeschrieben hat, Studierende ohne Hochschulzugangsberechtigung bei der Studiengangsplanung zu berücksichtigen und besondere Angebote für diese Gruppe zu entwickeln.
Ich denke, das ist auch für Hessen eine Idee, über die nachgedacht werden sollte, um die Zahl der Studierenden aus diesem Bereich zu erhöhen und sie im Studium auch zu unterstützen.
Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich auch noch einige Bemerkungen zum Thema der Durchlässigkeit machen, die mir sehr wichtig ist. Wenn wir über die Durchlässigkeit des Bildungssystems diskutieren, so ist fast immer die vertikale Durchlässigkeit gemeint, also die Anschlussfähigkeit nach einem erworbenen Abschluss.
Wer die Forderung nach Gleichwertigkeit akademischer und beruflicher Abschlüsse allerdings ernst nimmt, muss sich auch die Frage nach der horizontalen Durchlässigkeit in unserem Bildungssystem stellen. Wer mehr jungen Menschen die Wahl zwischen Ausbildung und Studium oder eine Kombination beider Wege erleichtern und öffnen will, kann nicht darüber hinwegsehen, dass die horizontale Durchlässigkeit in unserem Bildungssystem bis zum ersten Schulabschluss nur auf dem Papier Bestand hat.
Wir wissen alle, dass sich Kinder unterschiedlich schnell entwickeln. Das gilt nicht nur für die motorischen oder sozialen Kompetenzen, sondern das gilt insbesondere auch für die Entwicklung von Lernbereitschaft und Lernfähigkeit. Interesse an Themen, Fächern oder einem Berufsbild entsteht zu unterschiedlichen Zeitpunkten und verändert sich, Motivation und Eigeninitiative ebenfalls.
Unser Bildungssystem ist bisher nur unzureichend flexibel strukturiert, um individuelle Entwicklungsbiografien ausreichend zu berücksichtigen und zu fördern. Es ist z. B. längst überfällig – da bin ich ganz Ihrer Meinung –, dass auch an Gymnasien die Möglichkeiten verschiedener Berufs- und Ausbildungswege durch ein Angebot zur Berufsorientierung im Unterricht von den Schülerinnen und Schülern erfahren werden können.
Eine vorrangige Orientierung auf ein anschließendes Studium im Gymnasium ist nicht mehr zeitgemäß. Durchlässigkeit ist eine Forderung, die an das gesamte Bildungssystem gestellt werden muss; denn nur in einem von Beginn an durchlässigen Bildungssystem kann es gelingen, die Begabungspotenziale des Einzelnen auszuschöpfen. Wer zu Recht über Wege nachdenkt, die Durchlässigkeit zwischen Beruf und Studium zu erhöhen, darf aus unserer Sicht einen kritischen Blick auf die mangelhafte Durchlässigkeit des Schulsystems nicht verweigern.
Zusammenfassend will ich sagen: Die SPD-Fraktion unterstützt die Forderung, die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Ausbildung zu erhöhen. Wir begrüßen das Modellprojekt als einen Baustein zu größerer Anschlussfähigkeit im Bildungssystem. Auf die selbstverlieb
te Begleitprosa des Koalitionsantrags hätten wir gerne verzichtet. – Vielen Dank.
Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion wird dem vorliegenden Gesetzentwurf in der zweiten Lesung zustimmen, wie wir dies auch im Ausschuss getan haben. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass wir Gelegenheit hatten, die Anhörungsunterlagen der Regierung einzusehen. Uns ist beim Studium dieser Anhörungsunterlagen nichts aufgefallen, was zu substanziellen Änderungen an diesem Gesetzentwurf führen müsste. Ich will nicht wiederholen, was die Vorredner betreffend Einbeziehung bisheriger Verordnungslösungen in das Gesetz gesagt haben. Das ist sicherlich eine sinnvolle Sache.
Aber wenn wir heute noch einmal darüber debattieren, will ich einen Punkt aufgreifen, den wir im Ausschuss nachgefragt haben. Es gab einen Kritikpunkt der Arbeitsgemeinschaft der Berufsakademien zu § 11 des Gesetzes, „Abschlussbezeichnung“. Hier wurde darum gebeten, dass die Abschlussbezeichnung „Bachelor“, die an den Hochschulen verwendet wird, durch die Begrifflichkeit „Bachelorgrad“ oder „akademischer Grad“ ersetzt wird, um eine Gleichstellung auch in der Bezeichnung zu gewährleis
ten. Das Gesetz sieht zwar vor, dass dies hochschulrechtlich gleichgestellt ist, verwendet aber eine andere Bezeichnung.
Das ist für uns ein Hinweis darauf, dass Gleiches ungleich behandelt wird. Wir haben uns informieren lassen, dass dies auf einer Vereinbarung der Kultusministerkonferenz beruht und dass deswegen innerhalb des Gesetzesrahmens in Hessen zunächst keine Änderung möglich ist. Wir würden aber anregen, dass man sich darüber unterhält, im Rahmen der Kultusministerkonferenz einen entsprechenden Vorstoß zu machen.
Abschließend. Ich habe gesagt, wir stimmen dem Gesetzentwurf zu. Ich denke, es ist wichtig, die dualen Studiengänge weiter zu stärken. Darüber haben wir hier im Haus schon des Öfteren debattiert. Ich glaube, es sind weitere Anstrengungen notwendig, um die Zahl der Studierenden nicht nur an den Berufsakademien, sondern auch an den Hochschulen im dualen Studium weiter zu erhöhen, weil dies ein Weg ist, der mit Sicherheit in Zukunft in unserem Land eine wesentlich größere Rolle spielen wird. – Herzlichen Dank.
Ich frage die Landesregierung:
In welcher Form will sie die laut Koalitionsvertrag vorgesehene Partnerschaft mit der Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung in Kassel umsetzen?
Herr Staatsminister, gibt es Überlegungen, die Förderung nochmals aufzustocken, um dem Archiv die Möglichkeit zu geben, eine weitere Stelle einzurichten, wie sie bereits zu Beginn der Arbeit dort mit den Verantwortlichen im Ministerium für Wissenschaft und Kunst diskutiert wurde?
Herr Minister, wie beurteilen Sie die Tatsache, dass innerhalb der Projektentwicklungsgesellschaft seit Längerem darüber diskutiert wird, dass die Grundstücke endlich an den Markt gehen sollen, und die Entwicklungschancen des Hafengeländes davon abhängen, dass kurzfristig eine Entscheidung darüber getroffen wird, wie es auf den betroffenen Grundstücken weitergeht?