Detlef Baer
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin nen und Kollegen! Der vorliegende Antrag fordert, dass das Land Brandenburg familienfreundlicher wird und eine - ich zi tiere - „Willkommenskultur für Kinder“ gestaltet. Dafür feiert sich die AfD-Fraktion in den sozialen Medien schon seit eini gen Tagen ordentlich selbst. Als Mittel der Wahl soll - wie eben dargestellt - ein Familientag dienen, für den der Haushaltstag in der DDR zum Vorbild genommen wurde.
Der Vollständigkeit halber sei hier für geschichtlich Interes sierte angemerkt, dass die Einführung des Haushaltstages durchaus schon etwas länger zurückliegt: In der Zeit des Natio nalsozialismus wurde der Haushaltstag 1939 als monatlicher Waschtag von den Nationalsozialisten zugunsten der für die Rüstungswirtschaft kriegsverpflichteten Frauen eingeführt.
Im Oktober 1943 erhielt er dann den Gesetzesrang für alle - al lerdings nur nichtjüdischen - erwerbstätigen Frauen.
Der Familientag, meine Damen und Herren, beschäftigt die AfD in Brandenburg übrigens schon seit 2014, als er vor der Landtagswahl von Herrn Gauland in einem Gespräch mit der „MAZ“ als Forderung der AfD thematisiert wurde. Nun hat es fast fünf Jahre gedauert, bis daraus ein Antrag - wieder kurz vor der Landtagswahl - wurde.
- Ach, wissen Sie, Herr Kalbitz, ich sitze da hinten in der drit ten Reihe seit knapp einem Jahr und höre mir Ihre Reden an, was manchmal schwerfällt.
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir wenigstens am letzten Sitzungstag den gleichen Respekt entgegenbrächten und mir zuhörten.
Ja, selbst wenn diesem Antrag heute - das wissen Sie - zuge stimmt würde, was wir natürlich nicht tun werden, wäre er rein zeitlich nicht mehr umsetzbar.
Das wissen wir alle hier und weiß natürlich auch die AfD-Frak tion. Frau Bessin, Sie sprachen hier gestern erst von einem an deren Antrag als Schaufensterantrag - jetzt weiß ich, was damit gemeint ist.
Der Antrag ist wieder einmal ein Paradebeispiel dafür, wie Lö sungen ohne jeden Wirklichkeitsbezug versprochen werden. Aber: Es klingt natürlich auch erst einmal nett: Alle Eltern sol len drei Tage pro Kalenderjahr freibekommen. Übergeordnetes Ziel ist, dass sich mehr Familien ihren Kinderwunsch erfüllen. - Ich weiß ja nicht, in welcher Welt Sie leben, aber ich kenne kein Paar, das die Entscheidung für oder gegen ein Kind von sechs freien Tagen im Jahr abhängig macht.
Es geht um ausreichend qualitativ gut ausgestattete Kitaplätze, bezahlbaren Wohnraum und eine wirkliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf - das sind doch die Themen, die Paare auf dem Weg zur Familiengründung umtreiben.
Ob Sie es hören wollen oder nicht: Das sind genau die Berei che, in denen die rot-rote Landesregierung dieses Land deut lich vorangebracht hat.
Wo wir gerade über Familiengründung sprechen: Es ist doch Ihre Fraktion, die hier regelmäßig definieren will, was eine Fa milie ist und was nicht, wer eine Familie gründen sollte und wer nicht.
Ich betone das deshalb hier noch einmal: Familie ist überall dort, wo Menschen einander lieben und Verantwortung fürein ander übernehmen.
Zurück zum Antrag: Die Forderung nach Gewährung eines Fa milientages für berufstätige Eltern ist dem Kern nach soge nannter Zusatzurlaub, der ohne näheren Bedarfsbezug gewährt werden soll. In Deutschland prägt noch immer die 40-StundenWoche mit einer leider unbestimmten Anzahl von Überstunden das Normalarbeitsverhältnis. Wenn beide Elternteile zusam men 80 oder mehr Stunden die Woche arbeiten, lassen sich Fa milie und Beruf nur schwer unter einen Hut bringen. Da helfen auch drei bzw. sechs freie Tage pro Jahr wenig weiter.
Familien brauchen Flexibilität: Dazu können Heimarbeitsmo delle genauso gehören wie die Möglichkeit, Kinder auch mal zur Arbeit mitzubringen oder Besuche beim Arzt oder bei Be hörden zur Not auch in der Arbeitszeit zu erledigen. Bereits heute haben wir sozial- und tarifrechtliche Ansprüche, die be zahlte Freistellung von der Arbeit im Zusammenhang mit sozi
alen Verpflichtungen der Arbeitnehmer regeln - so zum Bei spiel bei Erkrankung von Kindern, Pflegeaufgaben und vielem mehr.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es sind in erster Linie Tarif regelungen, die für eine ausgewogene Balance zwischen Ar beits- und Privatleben sorgen. Es ist nicht Aufgabe des Staates, familienfeindliche Arbeitsbedingungen zu subventionieren. Darum besteht keine Notwendigkeit für ein solches Landesge schenk, das Arbeitgeber aus ihrer Verantwortung entlässt,
ein Geschenk, von dem Frau Bessin schätzt, dass es 56 Millio nen Euro kosten würde.
- Das ist ja noch besser. - Nur mal zum Vergleich: Ein weiteres kostenfreies Kitajahr würde in etwa 44 Millionen Euro kosten.
Was heißt das? Wir müssen eher über eine generelle Arbeits zeitverkürzung sprechen. Unser Ziel ist, dass den Menschen ermöglicht wird, neben dem Beruf Zeit für ihre Kinder, die Pflege der Eltern, das Engagement in der freiwilligen Feuer wehr oder in einem Sportverein zu haben - Zeit für all die Din ge, die unsere Gesellschaft zusammenhalten. Das ist genau der Trend der Zeit, wie die letzten großen Tarifabschlüsse zeigen, nämlich Arbeitszeitregelungen, die flexible Lösungen nach den sozialen Belangen der Arbeitnehmer und für Alltagsthemen er möglichen.
Ich bin überzeugt, dass sich dieser Weg in Zeiten des Fachkräf temangels auch so fortsetzen wird. Ein Beispiel hierfür sind die jüngsten Tarifabschlüsse von IG Metall und EVG, um nur zwei zu nennen: Die Kolleginnen und Kollegen haben erkämpft, dass sie in Zukunft die Wahl zwischen mehr Geld oder mehr Urlaub haben; die meisten haben sich im Übrigen für mehr freie Zeit entschieden.
Lassen Sie mich zum Schluss kommen: Auch beim Thema Ar beitszeiten waren die Gewerkschaften wieder einmal Motor des Fortschritts. Ich bin überzeugt, dass sie das auch in Zukunft sein werden. Umso mehr wünsche ich mir, dass auch der zu künftige Landtag mehrheitlich an der Seite der Gewerkschaf ten stehen wird und die Politik in diesem Land auch weiterhin die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Mittelpunkt stellt.
Auf die üblichen Abschiedsworte anlässlich meiner letzten Re de verzichte ich gerne und schenke Ihnen lieber die letzten zweieinhalb Minuten meiner Redezeit. - Vielen Dank und tschüss!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal geht mein Dank an Herrn Minister Steinbach für die Vorstellung des ausführlichen Berichts, der vor allem eines deutlich zeigt: Es gibt keine einfache Lösung für die angestreb te Gebührenfreiheit, weil Kosten und Kostenstrukturen je nach Gewerk, Beruf oder eben - wie dargestellt - sogar Region sehr unterschiedlich sind. Hier wäre es, Herr Bommert, sicherlich sinnvoll, zunächst eine Harmonisierung aufseiten der Kam mern durchzuführen. Aber das wäre natürlich Aufgabe der dortigen Selbstverwaltung.
Bereits heute gibt es unterschiedliche Fördermöglichkeiten für Aufstiegsqualifikationen. Deshalb ist es schwierig, die tatsäch liche Belastung für die Absolventinnen und Absolventen einzu schätzen. Auch auf Bundesebene gibt es je nach Bundesland unterschiedliche Förderprogramme zur Unterstützung von Meisterabsolventinnen und -absolventen. In Brandenburg sind wir mit unserem Meisterbonus, den wir beschlossen und im letzten Jahr in Abstimmung mit den Kammern eingeführt haben, im Konzert mit den anderen Bundesländern recht gut platziert: Der Meisterbonus beträgt zurzeit 1 500 Euro.
Für uns steht fest, dass Bildung - dazu gehören auch Aufstiegs qualifikationen - kostenlos sein muss. Das gilt für den Bereich der Kita genauso wie für die berufliche Bildung. Die historisch gewachsene Erhebung von Lehrgangs- und Prüfungsgebühren im Bereich der beruflichen Bildung und der beruflichen Auf stiegsqualifikation ist nicht mehr zeitgemäß.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, so sehr ich auch ein Verfechter des Föderalismus bin, so sinnvoll ist in diesem Fall wirklich eine bundeseinheitliche Lösung. Ein gegenseitiges Abwerben von Fachkräften ist sicherlich weder solidarisch noch wünschenswert. Ein Brandenburger Sonderweg wird des wegen abgelehnt.
Im Koalitionsvertrag des Bundes ist bereits die Stärkung der beruflichen Bildung fixiert: Unter anderem sollen mittels eines Meisterbonus Gebühren der Meisterprüfung erstattet werden. Vor allem aber - das ist für mich der entscheidende Punkt - soll das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz deutlich ausgebaut werden. Dazu sind bereits 350 Millionen Euro zusätzlich im Bundeshaushalt eingeplant. Ich bin mir sicher, dass das Land Brandenburg die Novelle des AFBG im Bundesrat weiter kons truktiv begleiten wird.
Ich bin davon überzeugt, dass es richtig ist, dass auch Meister ausbildungen kostenlos werden. Das ist eben auch eine Frage der Bildungsgerechtigkeit. Aber gestatten Sie mir zum Abschluss die Bemerkung: Diese Maßnahme allein wird uns nicht helfen, mehr junge Menschen für eine Berufsausbildung zu begeistern. Um auch in Zukunft ausreichend Fachkräfte zur Verfügung zu haben, müssen sich insgesamt deutlich mehr Ju gendliche für eine duale Berufsausbildung entscheiden. Dazu braucht es neben guten Ausbildungsbedingungen auch gut bezahlte Ausbildungsplätze.
Deshalb freue ich mich, dass heute das Bundeskabinett be schlossen hat, eine Mindestausbildungsvergütung im Bund ein zuführen. Ich denke, das ist ein Weg in die richtige Richtung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich bin ich der AfD-Fraktion sogar dank bar, dass sie uns einige Tage vor dem 1. Mai, dem Tag der Ar beit, Gelegenheit gibt, zum Thema Ausbildungskonsens und Fachkräftesituation zu sprechen. Das knüpft gut an die Aktuel le Stunde an, die wir vorhin hatten. Hier aber hört meine Dank barkeit schon auf.
Der vorliegende Antrag trägt den Titel „Ausbildungskonsens - und wie nun weiter?“ Leider geht es in dem Antragstext kaum um den Ausbildungskonsens, sondern um ein buntes Potpourri aus Forderungen, Unterstellungen und gezielt missverständlich eingesetzten Zahlen. - So viel, Frau Schade, zu Ihren „sorgfäl tig recherchierten“ Zahlen.
Die Situation im Bereich der Ausbildung hat sich in den ver gangenen Jahren grundlegend verändert. Auch die Zahl der Ju gendlichen, die keinen Ausbildungsplatz finden, wird immer kleiner.
Dies hat unterschiedliche Gründe. Einen entscheidenden Anteil daran hat aber auch der Brandenburgische Ausbildungskon sens. Darin ist unter anderem das Ziel festgeschrieben, jedes Jahr 10 000 neue Ausbildungsverträge zu schließen. Ich freue mich, dass wir dieses Ziel im vergangenen Jahr - anders als im Antrag unterstellt - wieder erreicht haben. Denn im Land Bran denburg wurden im Ausbildungsjahr 2017/2018 10 068 Ausbil dungsverträge geschlossen. Damit wird der Aufwuchs an be trieblichen Ausbildungsverträgen im dualen System erfolg reich fortgesetzt. Aber der Ausbildungskonsens ist mehr als die Vereinbarung über diese 10 000 neuen Ausbildungsverträge.
Wir sind stolz darauf, dass wir mit dem Ausbildungskonsens eine bewährte Partnerschaft aus Wirtschaft, Gewerkschaften, Kammern, der Bundesagentur für Arbeit und der Landesregie rung haben. All diese Partner helfen Jugendlichen, eine Berufs perspektive zu finden, und tragen damit zur Fachkräftesiche rung im Lande bei. Der Ausbildungskonsens ist seit 2003 ein Erfolgsmodell; das sollten wir uns auch nicht schlechtreden lassen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Zur Unterstützung der These einer Zuspitzung der Situation auf dem Arbeitsmarkt greift der Antragsteller auf Zahlen aus dem Juli vergangenen Jahres zurück: Zu diesem Zeitpunkt ha be es noch etwa 4 900 unversorgte Bewerber gegeben.
Die Zahl klingt sehr hoch, sie ist auch richtig, aber sie ist nicht wirklich relevant. Denn was zählt, sind nicht die Zahlen im Sommer eines Jahres, sondern die Zahlen zum Ende eines Aus bildungsjahres und zu Beginn eines neuen Ausbildungsjahres. Ende September hatten eben nur noch 1 092 Jugendliche kei nen Ausbildungsplatz. Das sind immer noch sehr viele, deswe gen startet auch jedes Jahr eine Nachvermittlungsaktion bis Ende Dezember. Das heißt aber, dass allein in diesen zwei bis drei Monaten vor Beginn des Ausbildungsjahres noch weitere 3 000 Jugendliche einen Ausbildungsplatz gefunden haben. Diese Zahlen zeigen im Übrigen, dass die Kolleginnen und Kollegen bei der Arbeitsagentur und den Jobcentern einen gu ten Job machen. Es sind übrigens inzwischen elf Jugendberufs agenturen - und nicht neun, wie Sie in Ihrem Antrag schreiben.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Jeder Jugendliche, der keinen geeigneten Ausbildungsplatz findet, ist sicherlich einer zu viel. Aber Anlass zu Schwarzmalerei besteht wirklich nicht.
Was im Antrag leider völlig fehlt, ist der Verweis auf die eigene Verantwortung der Wirtschaft für die Fachkräftesicherung. Im Übrigen weigere ich mich, Auszubildende, wie im Antrag ge schehen, lediglich als Ressourcen für die Wirtschaft zu be trachten, die den drohenden Engpass in Betrieben beheben müs sen.
Jugendliche Schulabgänger und Auszubildende haben das Recht und Anspruch darauf, bei der Berufswahl gut beraten zu wer den und dann eine unabhängige, faire und freie Entscheidung zu treffen, in welchen Beruf sie einsteigen und wo sie sich ent wickeln wollen. Erst das garantiert eine wirkliche Auswahl des Ausbildungsplatzes sowie Zufriedenheit und Engagement im Berufsleben. Gerade in Zeiten von Fachkräfteengpässen ist ei ne hohe Ausbildungsbereitschaft vonnöten und die beste Vor sorge der Unternehmen. Leider bildet aber noch immer nur je des vierte Unternehmen bei uns aus.
Wir werden den vorliegenden Gemischtwarenladen der AfD ablehnen
- zum einen, weil der Antrag in sich widersprüchlich ist, und zum anderen, weil er die Aufgabe der Unternehmen bei der be
trieblichen Ausbildung vernachlässigt. Was im Übrigen auch fehlt, sind die Chancen der Zuwanderung. Aber dazu ist vorhin schon einiges gesagt worden. - Vielen Dank.