Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe Gäste! Vor Eintritt in die Tagesordnung der heutigen 77. Sitzung des Landtages Bran denburg rufe ich alle Brandenburgerinnen und Brandenburger auf, am Sonntag, dem 26. Mai, ihre Stimme zur Wahl der Kommunalparlamente und des Europäischen Parlaments abzu geben.
Liebe Wählerinnen und Wähler! Für freie Wahlen sind Bürge rinnen und Bürger in der Friedlichen Revolution 1989 auf die Straße gegangen und haben mutig und zuversichtlich den Auf bruch zur Demokratie und zu einem geeinten Europa gewagt. Hätte man ihnen in der Silvesternacht 1988/89 gesagt, dass im neuen Jahr Hunderttausende auf die Straße gehen und für Demokratie kämpfen würden, das Politbüro entmachtet würde und die Grenzen in Deutschland - wie in ganz Europa - geöff net würden, hätte das wahrscheinlich niemand geglaubt - auch nicht, dass am 18. März 1990 die erste und zugleich letzte freie Volkskammerwahl der DDR stattfinden werde und am 6. Mai die ersten freien Kommunalwahlen abgehalten würden.
Was damals unmöglich schien, ist Wirklichkeit geworden: Menschen haben die Erfahrung gemacht, dass sie die Gesell schaft verändern können und Demokratie der Weg zu dieser Veränderung ist.
Wie groß war die Freude, als nach 40 Jahren SED-Herrschaft und der Wahlfälschung bei der Kommunalwahl 1989 endlich freie Wahlen stattfanden.
Wir hatten damals nicht den geringsten Zweifel, dass sich die Bürgerinnen und Bürger Demokratie und Freiheit nie mehr nehmen lassen und die Chancen von Demokratie und Teilhabe sehr schnell verstehen, nutzen und auch verteidigen würden.
In den vergangenen 30 Jahren haben wir gelernt, dass Demo kratie - wenn einmal erkämpft - nicht für alle Zeit bestehen bleibt, sondern wir sie schützen und weiterentwickeln müssen
Dem gemeinsamen europäischen Projekt verdanken wir die längste Friedensperiode in unserer Geschichte: Nie zuvor hat Europa eine vergleichbare Phase von Freiheit, Wohlstand und Freizügigkeit seiner Bürgerinnen und Bürger erlebt. All diese Errungenschaften sind heute wie nie zuvor dem Druck von außen und auch von innen ausgesetzt. Die Europäische Union wird ihre Rolle in der Welt neu ausrichten müssen.
Wir wissen: Zukunftsfragen wie die Wahrung europäischer Sicherheits- und Handelsinteressen, die Rettung des Klimas, die Migration nach Europa, die Digitalisierung, die gemein same Währung oder der Kampf gegen den Terrorismus können nur von einer starken und handlungsfähigen Union gemeistert werden.
Mit Ihrer Stimme entscheiden Sie mit, wie das Europäische Parlament, das wichtige und alle Bürgerinnen und Bürger be treffende Gesetze entscheidet, den Präsidenten der Europäi schen Kommission wählt und über den Haushalt zu entschei den hat, zusammengesetzt sein soll.
Bei der Kommunalwahl entscheiden Sie, welche Bürgerinnen und Bürger ehrenamtlich - in ihrer Freizeit - in Stadtverordne tenversammlungen, Gemeindevertretungen oder Kreistagen über den Finanzrahmen, die Ortsentwicklung, Investitionen in Schulen, Kitas, Krankenhäuser, Gemeinde- und Kreisstraßen, Sportanlagen und die Feuerwehren entscheiden. In den Kom munalparlamenten werden die wichtigsten Entscheidungen Ihrer Stadt, Ihrer Gemeinde oder Ihres Landkreises getroffen.
Liebe Bürgerinnen und Bürger, bei den Kommunalwahlen und der Europawahl entscheiden Sie, wer Ihre Interessen vertritt. Sie entscheiden, in welchem Land Sie leben wollen. Mit Ihrer Wahl entscheiden Sie über Freiheit und Demokratie in Bran denburg und Europa mit. Ich bitte Sie: Nutzen Sie Ihre Chance! - Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie nun herzlich zur 77. Sitzung des Landtages Brandenburg. Ganz besonders be grüße ich heute Morgen Gäste auf unserer Besuchertribüne, und zwar eine Delegation aus der Gemeinde Wandlitz im Landkreis Barnim. Herzlich willkommen! Ich wünsche Ihnen einen interessanten Vormittag bei uns im Landtag.
Bevor ich über den Entwurf der Tagesordnung abstimmen lasse, informiere ich Sie, dass der Abgeordnete Sven Schröder erklärt hat, dass er seit dem 29. April 2019 nicht mehr der AfDFraktion angehört. Herr Schröder übt sein Mandat im Landtag als fraktionsloser Abgeordneter weiter aus und arbeitet weiter hin im Ausschuss für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft als stimmberechtigtes, nunmehr fraktionsloses Mitglied mit.
Zur Tagesordnung: Gibt es Ihrerseits Hinweise zum Entwurf der Tagesordnung? - Da das nicht der Fall ist, lasse ich über den Entwurf der Tagesordnung abstimmen. Wer ihm folgt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltun gen? - Damit ist die Tagesordnung einstimmig beschlossen.
Thema: Zukunft sichern, die Gegenwart gestalten - Branden burg vor der Kommunalwahl am 26. Mai 2019!
Des Weiteren liegen ein Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/11379 sowie
ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Frak tion DIE LINKE auf Drucksache 6/11384 vor.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle gen! Sehr verehrte Gäste! Elf Tage sind es noch - elf Tage, in denen Wählerinnen und Wähler bereits jetzt von ihrem Recht auf Mitbestimmung Gebrauch machen, wie sie auch in den ver gangenen Tagen von ihrem Recht Gebrauch machten und am 26. Mai Gebrauch machen werden, mitzubestimmen, zu wäh len. Vielleicht gelingt es uns gemeinsam, noch Unschlüssige, Zweifler und Wahlmüde von der Chance ihres demokratischen Rechts, des Rechts auf Wahl zu überzeugen.
Es ist ein doppelter Wahltag, ein wichtiger Wahltag und sicher ein Wahltag der Extreme. Einerseits geht es im wahrsten Sinne des Wortes um die kontinentale Dimension - es geht um Europa - und andererseits um die lokale, regionale Dimension, um die kleinste Einheit unseres Gemeinwesens: um die Dörfer, die Städte und unsere Landkreise. Es scheint gegensätzlich, doch das täuscht: Europa ist nicht das ferne Brüssel oder Straßburg. Europa ist überall um uns - dort, wo wir leben, einkaufen, zur Schule gehen, arbeiten, den ÖPNV nutzen - einfach überall. Europa beeinflusst unser Rechts- und Wertesystem und unser soziales Miteinander, und für uns Linke stecken noch viel zu wenig soziale Sicherheit und soziale Gerechtigkeit in diesem unserem Europa, und wir wollen dafür kämpfen, dass das an ders wird.
Ja, es sind Richtungswahlen. Wir werden darüber entscheiden, in welchem Europa wir leben werden: militarisiert oder fried lich, mit neuen Grenzen oder ohne, mit mehr Gerechtigkeit für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder noch stärkeren Vorteilen für die Reichen auf diesem Kontinent, mit mehr oder weniger demokratischer Mitwirkung. Nicht zuletzt entscheiden wir über den Sieg der Vernunft, der Solidarität und der Mensch lichkeit oder der von Rechts geschürten Angst voreinander, des Hasses aufeinander und der neuen Mauern in den Köpfen und an den europäischen Außengrenzen.
Ja, es geht um Demokratie, es geht um unser Wertesystem; das ist ohne Zweifel richtig. Genauso richtig ist es, dass auch und gerade in den Kommunen darüber abgestimmt wird. Wie es tatsächlich um Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit, Toleranz und Mitmenschlichkeit sowie Verantwortung bestellt ist, ent scheidet sich in erster Linie in unserem täglichen Miteinander im Dorf, in der Stadt, in unseren Schulen, unseren Aus bildungs- und Arbeitsstellen, in den Vereinen, in unserem Ge meinwesen in Deutschland und in Brandenburg - unabhängig davon, ob wir hier geboren wurden oder gerade erst hier Wurzeln schlagen.
Ob wir Nationalisten oder Internationalisten sind, zeigt sich in den praktischen Angeboten eines jeden Tages, in den Entschei dungen der Kommunalparlamente und in den Verwaltungen ebenso wie im täglichen Miteinander der Menschen, und ich
möchte die Gelegenheit nutzen, mich im Namen meiner Frakti on bei allen Gemeindevertretern, Stadtverordneten, Kreistags mitgliedern und Ortsbeiräten für ihre in den letzten fünf Jahren geleisteten Arbeit zu bedanken.
Die Ergebnisse der Kommunal- und Europawahlen werden zeigen, welchen politischen Weg die Bürgerinnen und Bürger favorisieren; und sie erteilen der Politik lediglich ein Mandat, denn sie stehen selbst weiter in der Verantwortung. Deshalb geht es eben nicht nur um Wahlergebnisse und Wahlbeteili gung, sondern um eine wache Zivilgesellschaft und gesell schaftliches Engagement. Das dürfen wir nie aus den Augen verlieren. Weil wir es nicht aus den Augen verloren haben, ha ben wir zum Beispiel die gut gemeinte Kreisgebietsreform nicht umgesetzt, da der Wille der Kommunen in ihrer Mehr zahl ein anderer war. Fehler machen ist das eine, sie zu korri gieren ist viel wichtiger.
Diese Wirklichkeit ist unsere kommunale Selbstverwaltung in den Gemeinden und Landkreisen, und wir sind dafür verant wortlich, dass sie funktioniert sowie handlungsfähig ist und bleibt. Der Staat trägt dafür eine beträchtliche Verantwortung. Das betrifft einerseits den rechtlichen Rahmen und die Hand lungs- und Gestaltungsmöglichkeiten und andererseits natür lich auch die Ressourcen, über die man verfügt - schlichtweg: Wir sprechen hier vom Geld. Deshalb haben wir in der Regie rung der rot-roten Koalition seit 2009 streng darauf geachtet, die finanzielle Ausstattung der Kommunen so gut wie nur möglich und zugleich immer besser zu gestalten. Wir haben das Finanzausgleichsgesetz gerechter gestaltet - und nein, wir haben eben nicht wie andere Bundesländer den Landeshaushalt zulasten der Kommunen saniert.
Auch mit dem laufenden Doppelaushalt haben wir den Anteil, den das Land den Kommunen aus Steueraufkommen zur Ver fügung stellt, um rund 800 Millionen Euro deutlich angehoben, und mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der gemeindlichen Ebene haben wir zwei neue Möglichkeiten der Organisation der Verwaltung auf gemeindlicher Ebene eingeführt - die Ver bandsgemeinde und das Mitverwaltungsmodell. Hierbei setzen wir auf strenge Freiwilligkeit und stellen dafür Geld zur Verfü gung. Ich erinnere an das kommunale Investitionsprogramm, dessen Volumen auf 161 Millionen Euro angestiegen ist, sowie daran, dass wir die Kommunen bei den nicht belegten Unter bringungsplätzen für Asylbewerberinnen und Asylbewerber entlastet haben.
Meine Damen und Herren, wir wissen: Die kommunalen Schulden bleiben für viele Kommunen dennoch ein drücken des Problem, und wir wissen, dass ein Fünftel der Kommunen im Land Brandenburg auf absehbare Zeit keine Chance hat,
Sicher, wir dürfen den Landeshaushalt nicht überfordern, aber angesichts dieser Herausforderungen müssen wir handeln. Wir Linken haben die klare Absicht, gerade für hoch verschuldete Städte und Gemeinden eine Teilentschuldung durch das Land vorzunehmen, um diesen Kommunen ihre kommunale Selbst verwaltung zurückzugeben.
Zahlreiche Prognosen sagen, die fetten Jahre seien möglicher weise zu Ende. Dabei geht es für Brandenburg um viel Geld, um schätzungsweise 200 Millionen Euro weniger. Deshalb, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, können und dürfen wir uns dabei nicht übernehmen. Aber die Kraft eines Bundes landes allein reicht nicht aus, um dies zu kompensieren. Das Problem der Gemeindefinanzen gehört in diesen Zusammen hang, und das schon seit vielen, vielen Jahren. Deshalb schaue ich mit Unverständnis und wachsender Verärgerung auf die zu nehmende Blockadehaltung der Union in Sachen Grundsteuer reform.
Wir alle wissen doch, dass dies eine zentrale Einnahmequelle unserer Kommunen ist. Wir alle kennen das Verfassungs gerichtsurteil, wonach bis Ende des Jahres eine Neuregelung gefunden sein muss oder die Grundsteuer ersatzlos entfallen wird. Mir ist vollkommen unverständlich, wie man diese Ein nahmequelle mit Tricksereien zugunsten der wohlhabenden Grundstücksbesitzer - insbesondere im Süden Deutschlands - insgesamt aufs Spiel setzen kann.