Anja Heinrich
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Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu rück zur Kultur ist in dem Rahmen und an dieser Stelle viel
leicht gar nicht so schlecht. Wenn wir über kulturelle Bildung sprechen, kommen wir nicht umhin, zunächst den Stellenwert von Kultur hervorzuheben; denn nur wer Kunst und Kultur überhaupt ernst nimmt, wird sich für ihre Vermittlung einset zen, dafür, persönliche, individuelle, künstlerische Stärken und Interessen früh zu entdecken und auszubilden und kulturelle Prozesse auch kritisch zu reflektieren.
Auch wenn ich ehrlichen Herzens überzeugt bin, dass wir in diesem Plenum bei diesem Punkt nicht uneins sind, bleibt es notwendig, immer wieder zu betonen - öffentlich und auch bei diesem Tagesordnungspunkt -: Kultur ist eben kein nachrangi ges Politikfeld, sondern vielmehr Auftrag, Inhalt und Ziel un seres Verständnisses von einer humanen Gesellschaft. Ich bin es auch nicht leid, immer wieder anzumahnen, dass Kunst und Kultur Orientierung geben, Partizipation fördern, ein Integra tions-, ein Kreativfaktor, identitätsstiftend und nicht zuletzt für unser Land auch imageprägend sind.
Verehrte Damen und Herren! Als ich zum ersten Mal vor die sem Plenum sprechen durfte - das war im Jahr 2009 -, vollzog sich gerade die Umsetzung eines wunderbaren Bausteins in der kulturellen Bildung unseres Landes: Das Projekt „Klasse: Mu sik für Brandenburg“ wurde diskutiert, beworben, fand erste begeisterte Schulen, nahm so manche fiskalische Hürde und überzeugte Eltern, Grund- und Förderschulen und ist bis heute ein Erfolgsmodell. Bereits damals habe ich angemahnt, das Projekt „Klasse: Musik für Brandenburg“ durch ein analoges Projekt „Klasse: Kunst für Brandenburg“ zu qualifizieren. Ich habe diese Forderung in jede Haushaltsdebatte eingebracht - nicht ganz ohne Erfolg. Zwar gibt es bis heute keine einzige Klasse Kunst, dennoch empfand ich die Diskussion über dieses Thema unter den Kollegen in den Fachkreisen und darüber hin aus immer als wohlwollend. Leider erschöpften sich bei dieser Planung seit 2009 die Eruierungsprozesse im Wollen und bis heute in einer völligen Unverbindlichkeit. Daher heute ein er neuter Versuch, diese Unverbindlichkeit und das Wohlwollen in eine gemeinsame und vielleicht fraktionsübergreifende Kon zeptionierung und Umsetzung zu begleiten.
Mit dem Programm „Klasse: Musik für Brandenburg“ ist eine hervorragende Grundlage geschaffen, jedem Kind unabhängig von seiner Herkunft und seinen bisherigen Vorkenntnissen den Zugang zu musischer Bildung zu ermöglichen, ein Instrument in den Händen zu halten und sich an Instrumenten auszupro bieren. Durch den Verband der Musik- und Kunstschulen Bran denburg e. V. wird nicht nur Unterstützung gegeben, sondern es werden auch die instrumentalen Klassensätze, zum Beispiel für Bläser, Gitarristen, Streicher, Percussion, für die elementa ren Musik- und Singklassen, Jahrgangsstufen 1 bis 6, kosten frei zur Verfügung gestellt. Die Kinder erhalten an den dafür interessierten Grund- und Förderschulen von Musikschullehr kräften für die Dauer von zwei Jahren gebührenfrei MusikKlassenstunden. Das Angebot „Klasse: Musik für Branden burg“ wird aus dem Förderprogramm „Musische Bildung für alle“ finanziert und kann auf eine durchaus bewährte Koopera tion mit der Universität Potsdam, dem dortigen Lehrstuhl für elementare Musikpädagogik, zurückgreifen.
Nun verfügen wir im Land Brandenburg nicht zuletzt durch den Zusammenschluss der Landesverbände der Musikschulen mit dem Landesverband der Kunstschulen über eine gute Ar beitsgrundlage und einen hervorragenden Partner bei der Qua lifizierung der „Klasse: Musik für Brandenburg“ hin zur
„Klasse: Kunst für Brandenburg“. In diesem Kontext darf, glaube ich, nicht unerwähnt bleiben, dass wir in Brandenburg nicht nur zahlenmäßig über viele Musikschulen verfügen, son dern diese auch bundesweit großartige Erfolge aufzuweisen haben. Ein Beispiel - das sage ich nicht minder stolz -: Allein im Landkreis Elbe-Elster besucht jeder vierte Schüler, der an einer allgemeinbildenden Schule im Landkreis lernt, die kreis liche Musikschule. Diese Kennzahl steht für den bundesweit höchsten Versorgungsgrad. Dass diese Schülervielzahl nicht zulasten der Qualität ging, hat diese musisch-kulturelle Bil dungseinrichtung beim Bundeswettbewerb „Jugend musi ziert“ mit einem 1., einem 2. und sechs 3. Plätzen bewiesen. Das verdeutlicht - darauf will ich hinaus - ganz eindrucksvoll, dass es völlig irrelevant ist, ob kulturelle Bildung in den Met ropolen oder auf dem Land vermittelt wird. Ich bin davon überzeugt: Was uns in diesem Land im Bereich der musischen Bildung gelingt, wird auch im Bereich der Kunst zu einem er folgreichen Baustein in der kulturellen Bildung führen - nicht mehr und nicht weniger als ein Baustein in der kulturellen Bil dung.
Es ist nun schon einige Jahre her, verehrte Damen und Herren, da schrieb ich eine Diplomarbeit mit dem Titel: „Kunst kennt keine Behinderung“. Ausschlaggebend dafür war eine Ausstel lung von Künstlern mit einer oder mehreren Behinderungen in Berlin. Thomas Kahlau war schon damals aus meiner Sicht ei ner der bedeutendsten Künstler. Es war die künstlerische Aus drucksweise der inneren Erfahrung jedes einzelnen Künstlers, seine Sicht auf die Welt, auf die Natur, auf die eigene Person in der Sprache der Kunst, zur Diskussion einladend, nicht außen stehend, sondern Teil einer Gesellschaft zu sein. Es war eine unvergessliche und tiefgründige Erfahrung. So war der Ansatz des Projekts „Klasse: Musik für Brandenburg“, die Kooperati on zwischen Grund- und Förderschulen zu suchen, richtig. Wa rum diese Form der erlebbaren kulturellen Bildung, des Zu gangs zu künstlerischen Ausdrucksformen nicht für alle Schul formen in Brandenburg öffnen? Es ist an der Zeit, nicht nur die musischen Zugänge durch die Kunst zu ergänzen, sondern je dem interessierten jungen Menschen, jeder interessierten Schu le die Möglichkeit zu schaffen, wenigstens einmal im Leben mit Ausdrucksformen und der Vielfalt kulturellen Schaffens in Berührung zu kommen. In Analogie der Musikschulen sind die Kunstschulen unerlässlicher Partner bei der Konzeptionierung und Umsetzung einer künftigen „Klasse: Kunst für Branden burg“.
Nun ist unschwer festzustellen, dass wir zum heutigen Zeit punkt nicht über eine annähernd ausreichend große Anzahl an regionalen Kunstschulen verfügen. Wenn es uns jedoch wirk lich gelingen soll, Schulen zu sensibilisieren, sich dem Pro gramm „Klasse: Musik für Brandenburg“ oder „Klasse: Kunst für Brandenburg“ zu nähern - an der Freiwilligkeit sollten wir nicht rütteln -, Angebote in vielfältigster Form zu ermöglichen, sind gerade unsere Berufskünstler - Maler, Grafiker, Designer, Bildhauer, ich denke aber auch an Schriftsteller, Architekten, Archäologen, Denkmalpfleger, die Kirchengemeinden, Histo riker, Schauspieler und nicht zuletzt Tänzer und Bühnenbild ner - um nur einige zu nennen -, unerlässlich. Wenn wir genau hinschauen, erkennen wir, dass wir über unerschöpfliche Mög lichkeiten verfügen, das Projekt „Klasse: Kunst für Branden burg“ mit Wissen, Handwerk und einer Vielfalt kommunikati ver Ausdrucksformen auszufüllen und unseren Kindern und Jugendlichen eine kluge und weitsichtige kulturelle Bildung mit auf ihren Lebensweg zu geben.
Verehrte Damen und Herren! Den ganzen Menschen machen eben mehr als nur Kopf und Verstand aus. Die meisten Studien zur Bildung sind gewissermaßen auf einem Auge blind. Wenn wir unsere Gesellschaft zukunftsfähig machen wollen, dann müssen wir den ganzen Menschen im Blick haben, nicht nur den Kopf, sondern die ganze Person: Verstand, Sinne, Vernunft und Gefühle gleichermaßen.
Eine Bildung, die Erfolg haben will, muss von einem ganzzeit lichen Verständnis von Bildung ausgehen und der Persönlich keitsentwicklung ausreichend Raum ermöglichen. Sie wissen genauso wie ich, dass die Welt sich verändert, schneller, un übersichtlicher wird, und wer sich in ihr zurechtfinden will, braucht nun mal mehr als nur Fachwissen. Vielmehr brauchen wir heute Eigenverantwortung, Gemeinschaftssinn, Kreativi tät, Urteilsvermögen und Orientierungsfähigkeit als Grundele mente für jegliche Entscheidungsprozesse.
Verehrte Damen und Herren! Mit der Schaffung einer „Klasse: Kunst für Brandenburg“ wollen wir kein aktionistisches Kurz zeitprojekt. Darum werbe ich heute explizit um die Qualifizie rung der bestehenden und sehr erfolgreichen „Klasse: Musik für Brandenburg“ mittels eines verbindlichen und klugen Kon zeptes für die „Klasse: Kunst für Brandenburg“, und wün schenswert wäre, bis zum Jahresende, um noch in dieser Legis latur erste Modellklassen an den Schulen oder den jeweiligen Kulturorten schaffen zu können.
Uns allen sollte bewusst sein, dass vollmundige politische Be kenntnisse zur kulturellen Kinder- und Jugendbildung ohne de ren Umsetzung in die Realität nichts wert sind.
Verehrte Kollegen, ich würde mich über eine Überweisung sehr freuen, weil ich auch an Ihren Ideen und Zugaben zu die sem Konzept sehr interessiert bin, und werbe daher, den Antrag auch im Wissenschaftsausschuss entsprechend zu beraten. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Liedke, etwas brennt mir auf dem Herzen: Es befremdet mich ein Stück weit, dass man hier heute ganz selbstverständlich sagt: Wir haben ein Konzept, es ist vorbereitet, wir machen das. - In den 79 Sitzungen des AWFK seit 2009, gab es noch nie eine Information zu „Klasse: Kunst“ - Sie können jedes Protokoll durchschauen. Insofern freut es mich, wenn die Vor sitzende des Ausschusses und ich von diesem Konzept Kennt nis erhalten. An einer Qualifizierung des Antrags sind wir selbstverständlich interessiert und beteiligen uns auch von Her zen gern daran. - Danke schön.
Eines habe ich vergessen, ein Wort noch zu Herrn Königer - heute widerspreche ich einmal ganz vehement -: Man kann we der ein Musikstück, ein musisches Tun noch Kunst beurteilen. Aber dass man Kunst- und Musikschaffende respektiert, in der Art, wie es den jeweiligen Fähigkeiten entspricht, sollte uns wohl einen. Ihre Formulierung hat mich wirklich ein bisschen wütig gemacht, und ich denke, wir könnten uns noch einmal darüber unterhalten, wie man mit Kunst und künstlerischem Schaffen umgeht. - Danke schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Prof. Morsch! Verehrte Damen und Herren! Lese ich die Überschrift des Antrags, kann ich ihm uneingeschränkt Folge leisten. Schaue ich in den Text des Antrags, sehe ich, dass man ihm zustimmen kann, aber man sucht vergeblich nach Vollständig keit - mit dem Blick auf unsere gemeinsame Geschichte, die es doch besser und mit weitreichenderen Fördermodalitäten und Konzepten zu vermitteln gilt.
Es wird in der Betrachtung geschichtlicher Ereignisse immer Diskussionen, Kontroversen und Leidenschaft geben, aber im mer sollte es Denken geben, eigenständig, unvoreingenommen und die Tatsachen nicht leugnend. Es wird leider auch immer möglich sein, Menschen mit alten Versprechen erneut zu ver führen. Nur kluges menschliches Kommunizieren, Austau schen, Zuhören, Erlebbarmachen, schlichtweg Bilden - nicht das Vorgeben von Meinungen - werden verhindern, überhaupt verführbar zu sein und jenen alten Versprechen oder men schenverachtenden Ideologien aus den vergangenen Diktaturen von 1933 bis 1990 erneut zu verfallen.
Ich behaupte, verehrte Damen und Herren, dass es nie eine Ge neration vor der unsrigen gab, die besser in der Lage und Ver fassung gewesen wäre, Geschichte aufzuarbeiten und daraus zu lernen, wie es uns heute möglich ist.
Ich bin froh und dankbar dafür, dass wir auch in Brandenburg, nicht zuletzt durch die Gedenkstättenstiftung, eine lebendige Erinnerungs- und Gedenkstättenkultur pflegen: Orte wie Ra vensbrück, Sachsenhausen, Below, das ehemalige Zuchthaus Brandenburg, um nur einige zu nennen. Wo aber in Ihrem An trag finde ich die Leidenschaft für die Aufarbeitung des Un rechts durch die DDR-Diktatur?
Die Gedenkstätte Leistikowstraße, das Menschenrechtszentrum, die Gedenkstätte Lindenstraße - wo finde ich jene Leidenschaft
in Ihrem Antrag, die den zahlreichen Menschen gerecht wird, die der kommunistischen Diktatur im Wege standen? Selbst die Ber liner Gedenkstätte im ehemaligen Stasigefängnis Berlin-Hohen schönhausen möchte durch kluge pädagogische Konzepte dazu anregen, sich nicht nur mit der SED-Diktatur, sondern auch mit aktuellen Formen des gewaltbereiten Linksextremismus ausein anderzusetzen. Dem wird Ihr Antrag nicht gerecht.
Neben einer unerlässlichen wissenschaftlichen Arbeit, die längst nicht abgeschlossen oder vollendet ist, weil immer wieder neue Erkenntnisse unserer Aufmerksamkeit bedürfen, ist aus meiner Sicht der pädagogische Ansatz das Wichtigste, was unsere Generation in den Gedenkstätten leisten muss. Ohne ausreichende finanzielle Mittel, ohne ausreichendes und professionelles Personal bleibt gerade jungen Menschen in vielen Belangen in unseren Gedenkstätten vieles verbor gen.
Gern möchte ich meine Redezeit dafür nutzen, einmal ein paar ganz persönliche Erfahrungen zu schildern: Gemeinsam mit drei Sozialarbeitern - einer davon ich selbst - fuhren wir für fünf Tage mit 20 Schülern im Alter von 14 bis 20 Jahren aus Gymnasium, Oberschulen und Berufsschulen nach Oświęcim, nach Auschwitz. Dass ich Abgeordnete war, sollte keine Rolle spielen. Dass mancher damals auch mit Springerstiefeln in den Bus stieg, ebenso wenig. In diesen Tagen ließen wir den Ju gendlichen Raum und Möglichkeiten, Fragen auf ihre Neugier zu finden. Es gab keine Verhaltensregeln, keine Vorschriften, sondern nur uns als Betreuer, Menschen und auch Freunde, um Dinge selbst zu erfahren, Zweifel zuzulassen, das Gesehene hinterfragen zu dürfen, nicht belehrt, nicht zu politischer Kor rektheit ermahnt zu werden.
Keiner der noch so auf Rebellion bedachten Jugendlichen ver hielt sich an den Gedenkorten respektlos, nahm in der Gedenk stätte Handy oder Zigarette zur Hand. Verweigerte mancher den Besuch der Synagoge - was wir für legitim hielten -, so wollte er später alles darüber wissen. Noch nachts arbeiteten alle an den unterschiedlichsten Themen, suchten in Bibliothe ken nach Antworten. Wer es nicht aufschreiben mochte oder konnte, gab sein Wissen in Eindrücken, in bemerkenswerten Kunstwerken wieder.
Die Zeit war kurzweilig und wir voller Spannung, wie das Re sümee wohl ausfallen würde. So manch einer, von dem ich nicht erwartet hätte, dass er sich auf die Suche begibt, um für sich Antworten zu finden, sagte, es sei die größte Erfahrung gewesen, die er in seiner Schulzeit gesammelt habe. Auf die Frage „Warum? antwortete er, dass sich noch nie zuvor jemand so viel Zeit für ihn genommen habe, um das Vergangene in ei ner Gedenkstätte - mitten in einer Gedenkstätte - verstehen zu können.
Verstehen Sie mich nicht falsch, verehrte Kolleginnen und Kollegen, nicht jedem Schüler kann ein so umfangreiches Pro jekt zuteilwerden. Darum sollten wir alles dafür tun, dass je dem Jugendlichen in unserem Land Zeit und Einfühlungsver mögen entgegengebracht werden, um vor Ort - ich sage es noch einmal: vor Ort - in den Gedenkstätten menschenverach tender Diktaturen zu lernen, zu verstehen und über seine Zu kunft klug abwägen zu können. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Ge rade in Krisenzeiten brauchen Menschen Werte und eine positi ve Lebenseinstellung, eine andere Form von Reichtum, als das Bruttoinlandsprodukt je bemessen kann. So ist es in jeder Haushaltsdiskussion eine zu beobachtende Gratwandung, die Investitionen im Bereich der Kultur nicht dem Ruf des Luxus und der vermeintlichen Entbehrlichkeit preiszugeben, sondern ihren Platz als Wirtschaftsförderung, Bildungsmotor und iden titätsstiftenden Kreativfaktor zu verteidigen.
Seit dem Jahr 2015 hat sich der Anteil am Landeshaushalt für Kultur von 0,96 % auf genau 1 % erhöht. Was so bescheiden klingt, ist dennoch Ausdruck einer gewissen Beständigkeit des Brandenburger Kulturhaushalts. So stiegen die Zuweisungen an die Kommunen und freien Träger im Bereich der allgemei nen Projektförderung. Die Musik- und Kunstschulen erwartet ein höherer Etat aus Lottomitteln. Es gibt Zuschüsse für das Filmorchester und die Investitionen für das Stift Neuzelle sind klug und weitsichtig.
Unser Land ist geprägt von einer engagierten und couragierten Landschaft der Theater, Orchester, Bühnen, Museen und Erin nerungsstätten. Ich glaube, wir wären ohne Kulturland Bran denburg und die Kulturfeste um ein Vielfaches ärmer. - Und das waren nur einige Beispiele.
Diese Entwicklungen sind richtig, achtenswert und dürfen nicht geringgeschätzt werden. Doch man muss genau hin schauen, um nicht nur die guten Ansätze, sondern auch die feh lenden strategischen Entscheidungen im Haushalt offensiv zu betrachten. So erfüllt mich die Haushaltsentwicklung im Be reich der Personalausgaben im Bereich des Denkmalschutzes mit großer Sorge. Kein Personalaufwuchs in den Ausgaben seit dem Jahr 2010! Seit 1998 wurden die Stellen im Brandenburgi schen Landesamt für Denkmalpflege und dem Archäologi schen Landesmuseum um ganze 40 % gekürzt. Unter größtem persönlichem Einsatz der Mitarbeiter kann das Amt mit Mühe seine wichtigen Aufgaben erfüllen. Weitere Personalkürzun gen, wie sie derzeit vorgesehen sind, müssen zu Einbußen in der Arbeit führen. Einen entsprechenden Antrag der CDU, ge nau dies zu verhindern, lehnten SPD und Linke ab.
Ich habe den Eindruck, manch einer denkt: Wir haben doch vieles saniert und restauriert, nun möge es genügen. - Wie tö richt und kurzsichtig sind solche Denkweisen! Im Land der Schlösser und Gärten Brandenburg befinden sich auch 3 000 Industrie- und Technikdenkmale, das sind etwa 10 % aller Denkmale in Brandenburg. Etwa die Hälfte davon ist erst er fasst und in die Landesdenkmalliste eingetragen.
Wie, verehrte Damen und Herren der Regierungskoalition, steht es eigentlich um den Landesdenkmalfonds? In den Wahl programmen von SPD und Linke finden sich unsere langjähri gen Forderungen nach einem Denkmalfonds. Ich glaube Ihnen als Regierungsfraktionen sogar, dass Ihnen die Notwendigkeit
bewusst ist. Aber Sie werden nun mal am Tun und nicht am Versprechen gemessen.
Noch ein Wort zur kulturellen Bildung: Wir haben es derzeit mit einem eigenartigen Widerspruch zu tun: Einerseits hat der Begriff kulturelle Bildung Hochkonjunktur und wird geradezu zum Hoffnungsträger von Bildungsbemühungen - und doch sind es zunehmend die Musik- und Kunstschulen, die zum al leinigen Heilsbringer dieses Anspruchs auserkoren werden.
In kulturelle Bildung fließen aus meiner Sicht zu wenige staat liche Bildungsressourcen, und sie ist als freiwillige kommuna le Aufgabe stets besonders gefährdet. Es sind die Künste von Musik, Theater über die Literatur bis zur Malerei, der Raum des Emotionalen, des Sinnlichen, des Symbolischen, in dem in freierer Weise das Eigene ausgebildet und erfahren und zu gleich das Fremde, das Andere akzeptiert, anerkannt und integ riert werden kann.
Kulturelle Bildung bedarf aus meiner Sicht der viel intensive ren Vernetzung von Kultur und Bildungseinrichtungen in der Kommunalpolitik. Was ist mit der Vermittlung von Heimatge schichte, Theater oder professionellem Kunstunterricht? Kultu relle Bildung wirft wie kaum ein anderer Bereich schwierige Fragen, vielleicht auch nach einer grundlegenden Reform von Schule auf.
Es könnten spannende Zeiten für die Kulturförderung sein - von neuem Denken oder gar Wagemut ist in dem vorliegenden Entwurf leider nichts zu spüren. Der Haushaltsentwurf ist durchaus solide, aber in diesen Zeiten trotzdem eine vertane Chance. - Danke schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Die Theaterkunst ist um die 2 500 Jahre alt, das deutsche Theatersystem, wie wir es heute kennen - mit festem Haus, Repertoire und Ensemble -, etwa 200 Jahre, und über das weitgehend öffentliche Theater mit flächendeckender Versor gung sprechen wir seit etwa 100 Jahren. Heute müssen wir aber nicht die öffentlichen Theater diskutieren, heute geht es um eine vergleichsweise junge Entwicklung in der Theater landschaft - die Freien Theater - um die Frage: Warum, für wen, mit welchen Strukturen und zu welchem Preis?
Freie Theater, verehrte Damen und Herren, brauchen die Kraft, eine Gesellschaft unzensiert zu reflektieren und nicht verein facht politische Zusammenhänge auf der Bühne darzustellen. Um diese Kraft zu haben, benötigen sie unsere Hilfe bzw. die von uns geschaffenen Rahmenbedingungen.
Theater kann Themen - das ist für sie nicht neu - eben anders als in der Wirklichkeit behandeln: spielerischer, fragender, ka rikierender. Das bedeutet nicht, dass man den Freien Theatern absprechen sollte, auch unterhaltend und entspannend zu sein. Doch ist unstrittig, dass sich Theater in ihrem Stellenwert nur dann behaupten können, wenn sie demonstrativ und auch pro vokant in gedanklicher Eigenständigkeit und künstlerischer In dependenz sich immer wieder neu erfinden können.
In Anbetracht der Diskrepanz zwischen hochverschuldeten öf fentlichen Haushalten, dem steigenden Bedarf der Freien Thea ter auf dem Land und der Verantwortung eines anspruchsvollen und professionellen Theaters muss man sich letztlich entschei den, was uns die Freien Theater und ihr bildungs- und kultur politischer Auftrag wert sind.
- Danke schön. - Das erläuterte Ihnen bereits Frau von Halem.
25 Mitglieder sind im Landesverband der Freien Theater orga nisiert, davon verfügen acht über ein eigenes Haus. Sie bieten Schauspiel, Musiktheater, Tanz, Puppenspiel, Medien und Kleinkunst und gaben allein im Jahr 2015, wie Sie bereits hör ten, 2 513 Vorstellungen mit über 200 000 Besuchern.
Ein Drittel aller Theaterbesuche in Brandenburg erfolgt in ei nem Freien Theater, und das Großartige, verehrte Damen und Herren: Die Freien Theater konzentrieren sich eben nicht nur auf die Metropolregion. Ganz im Gegenteil! Tourneen und Auf führungen in 71 von 110 Städten und Gemeinden Brandenburgs, verehrte Damen und Herren, das ist aus meiner Sicht Teilhabe durch kulturelle Bildung im gesamten Land Brandenburg.
Doch da ist Sand im Getriebe, wenn jeder Besuch eines Freien Theaters mit knapp 5 Euro bezuschusst wird, während öffentli che Häuser einen Zuschuss von gut 40 Euro je Besucher erhal ten. Obwohl die Freien Theater 27 % aller Theaterbesucher haben, erhalten sie nur 4 % der Förderung durch das Land.
Die Erfolge unserer Freien Theater dürfen nicht darüber hin wegtäuschen, dass auch bei ihnen nicht zuletzt durch einen personalintensiven Sektor der Finanzbedarf stetig steigt - und das, obwohl die Lohnsteigerungen im öffentlichen Dienst für die meisten künstlerischen Beschäftigten überhaupt nicht infra ge kommen. Klar ist auch, dass die Kostensteigerungen nicht allein durch die Einspielergebnisse kompensiert werden kön nen.
Wenn wir über Jahre mehr Präsenz der Freien Theater in der Fläche fordern und die bisherige Förderung unzureichend und brüchig wird, dann, verehrte Kollegen, ist es an der Zeit, über die Funktion und Realisierung von Theater für die einzelnen Bevölkerungsgruppen und Regionen Brandenburgs neu zu re flektieren.
Neben dem von CDU und Bündnis 90/Die Grünen vorgeschla genen Theaterfonds, der Berücksichtigung der zu erwartenden Tarifsteigerungen, der verbesserten Zugangsmöglichkeit für Arrangements mit den Freien Theatern muss unser Kulturhaus halt dringend angepasst und muss die Förderung der Freien Theater für die Arbeit vor allem in der Fläche finanziell solide untersetzt werden.
Diese Diskussion, verehrte Damen und Herren, muss dahin führen, dass wir die Freien Theater zeitgenössisch, jenseits von Musealität und Amüsement trotz des allgegenwärtigen Finanz drucks in einer sich gesellschaftlich und kulturell verändernden Welt zukunftsfähig machen.
Den verehrten Kollegen, die wir heute noch nicht überzeugen können, empfehle ich eine der wunderbaren Veranstaltungen in der Sommerpause. Das Programm liegt Ihnen allen vor; auch dafür herzlichen Dank an die Theater, an Frank Reich für die stete Information. Nutzen müssen Sie sie selbst. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Der literarische Spiegel Preußens, einer der bedeutendsten Vertreter des bürgerlichen Realismus - das sind nur zwei Beschreibun gen, die man für Theodor Fontane, der vor 199 Jahren in Neu ruppin geboren wurde, finden kann. Die „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“, verehrte Damen und Herren, sind durchaus ein literarischer Spiegel unseres Landes. Fontane hat darüber gesagt:
„Je nun, so viel hat Mark Brandenburg auch. Geh’ hin und zeig’ es.“
Er hat sein Werk von Anfang an also auch als Werbung für die se beeindruckende Region betrachtet und war damit überaus erfolgreich. Noch heute ist es ein reizvolles touristisches Un terfangen, gezielte Wandertouren auf seinen historischen Spu ren zu unternehmen. Literarisch wirkungsvoll und unterrich tend führt sein Werk durch Brandenburger Landschaften, Städ te und Gemeinden, die Brandenburger Geschichte und wirkt bis in die Gegenwart, weit über die Landesgrenzen hinaus.
Dass wir, verehrte Damen und Herren, seinen 200. Geburtstag im nächsten Jahr also gebührend feiern, sollte eine Selbstver ständlichkeit sein. Genauso selbstverständlich ist es eigentlich, dass das zuständige Kulturministerium von sich aus aktiv wird und ein Konzept erarbeitet bzw. erarbeiten lässt. Dass wir jetzt über diesen Antrag beraten, befremdet mich schon etwas.
Trauen Sie Ihrem Ministerium nicht zu, dass es seine Arbeit vernünftig macht? Es scheint fast so, als hätte ich mehr Ver trauen in Ihre Ministerin als Sie.
Wenn wir schon einen solchen Antrag beschließen, sollten wir es auch klug tun, dann sollten wir mehr als ein paar schöne Worte und Zitate verlieren und einen konkreten und durch dachten Antrag beschließen, der dafür sorgt, dass das Jubilä umsjahr ein nachhaltiger Erfolg wird. Dafür lohnt es sich na türlich, zu schauen: Wie können wir als Parlamentarier den Er folg sicherstellen? Dazu erinnere ich gern an die überaus er folgreiche Erste Brandenburgische Landesausstellung in der Klosterstadt Doberlug-Kirchhain in Elbe-Elster. Ohne die Pro fessionalität von Kulturakteuren wie beispielsweise Dr. Kurt Winkler, Anne-Katrin Ziesak, Peter Langen, den viele von sei nen Publikationen her kennen, oder Brigitte Faber-Schmidt vom Kulturland Brandenburg wäre die Ausstellung nur eine von vielen gewesen: beliebig und schnell vergessen.
„Preußen und Sachsen: Szenen einer Nachbarschaft“ war nicht nur hinsichtlich der Qualität der Ausstellung und der Besucher zahlen ein großer Erfolg. Gerade im Hinblick auf Nachhaltig keit hat die Landesausstellung alle Ziele erreicht und sollte auch für das Fontane-Jubiläum als Vorbild gelten. Von Anfang an waren die Kompetenz des Museumsverbundes, der Förder verein, die Regionalmärkte einbezogen und auch die freien Theater in der Planung berücksichtigt und vor Ort aktiv. Da durch haben wir heute mit wechselnden Ausstellungen und ei ner neuen Dauerausstellung, die im Herbst dieses Jahres be ginnt, nachhaltige Effekte für die Region und das Land Bran denburg erzielt. Nicht weniger dürfen wir vom Fontane-Jubilä um erwarten.
Deswegen halte ich es für dringend geboten - das betone ich -, dass die Konzepterstellung nicht nur in Abstimmung mit der Brandenburgischen Gesellschaft für Kultur und Geschichte er arbeitet wird, sondern auch die Umsetzung unter deren Feder führung und Trägerschaft erfolgt. Wer in Neuruppin soll denn diese Federführung übernehmen? - Das unterscheidet unser Ansinnen ganz klar von Ihrem Antrag.
Unerlässlich ist - wie auch Sie, liebe Gerrit Große, anführten -, dass die Landkreise und kommunalen Akteure frühzeitig ein gebunden werden. Wenn wir schon ein brandenburgisches Ju biläum feiern, sollte das Thema unbedingt im Haus der Bran denburgisch-Preußischen Geschichte als zentralem Museum angemessen präsentiert werden. Unbestritten ist, dass auch die Region Neuruppin ein zentraler Ort des Fontane-Jubiläums ist. Doch wenn wir Neuruppin als zentralen Ort wollen, liebe Ger rit Große, müssen wir auch Sorge dafür tragen, dass dieser Ort nicht nur wandernd, wie Fontanes Buchbände es veranschauli chen, zu erreichen ist, sondern dann müssen unverzüglich Maßnahmen ergriffen werden, die entsprechenden Zufahrts straßen, insbesondere die Landesstraßen 167 und 18, zu sanie ren und den ÖPNV entsprechend zu ertüchtigen.
Selbst im Titel Ihres Antrags - lassen Sie mich an dieser Stelle ein klein wenig und charmant Kritik üben - lassen Sie den Lan
desnamen Brandenburg außen vor. Dabei hat es sich etabliert, das fünfbändige Werk unter dem Titel „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ zu führen. In diesem Sinne werbe ich für unseren Entschließungsantrag, denn er ist wesentlich konkreter und zielführender als der Antrag der Koalition. - Vielen Dank.