Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie sehr herzlich zur 46. Sitzung des Landtages Brandenburg.
Ihnen liegt für den heutigen Tag eine Tagesordnung im Ent wurf vor. Ich frage Sie: Gibt es dazu Bemerkungen? - Das sieht nicht so aus. Dann lasse ich über die Tagesordnung abstimmen. Wer ihr folgen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dann haben wir ihr einstimmig zugestimmt.
Es liegen Ihnen weiterhin ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion DIE LINKE auf Drucksa che 6/6582 und ein Entschließungsantrag der CDU-Fraktion auf Drucksache 6/6618 vor.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete und Gäste! „Dynamik auf dem Arbeitsmarkt bringt Chancen und Heraus forderungen für ganz Brandenburg!“ ist das Thema der Aktuel len Stunde. Das hört sich ein bisschen trocken an.
- schön! - zu Unrecht, wollte ich nämlich sagen, wäre das so! Wir haben nämlich zurzeit auf dem Arbeitsmarkt eine Situati on, wie wir sie vor zehn Jahren noch für unmöglich gehalten hätten. Angesichts der heutigen Zahlen hätten wir wohl jeden Abend eine Flasche Rotkäppchen geöffnet.
Vielleicht sollten wir heute Abend tatsächlich einmal gemein sam auf die Pressemitteilung der Regionaldirektion Berlin
Brandenburg der BA vom 3. Mai anstoßen: Niedrigste Arbeits losigkeit in Brandenburg seit der deutschen Einheit!
Ich füge hinzu: Allein in den letzten 12 Monaten sank die Ar beitslosigkeit in Berlin um 8 % und in Brandenburg sogar um 13,6 %.
Das waren immerhin 14 800 Arbeitslose weniger im Land als vor genau einem Jahr und knapp 20 000 weniger als 2015. Die sind nicht alle in Rente gegangen.
Und es gibt einen stetigen Zuwachs an Arbeitsstellen. 7,1 % Arbeitslose in Brandenburg im April, zum ersten Mal unter 100 000 - das sind grandiose Zahlen, und wir können Hoffnung haben, dass dieser Trend anhält.
Sie werden sich vielleicht erinnern, dass ich schon öfter erzählt habe, dass ich selbst in den 90er-Jahren viele Jahre arbeitsu chend war, acht Jahre, um genau zu sein. Ich kann mich noch sehr gut an dieses Gefühl erinnern, nicht nur nicht die Arbeit zu finden, die ich suche, sondern gar keine Arbeit zu finden. Ich wäre putzen gegangen. Es gab nicht einmal Stellen zum Put zen. Ich glaube, dieses schlimme Gefühl muss man jetzt nicht mehr haben.
Inzwischen - das ist bewiesen - profitieren von diesem Trend auch Langzeitarbeitslose und über 50-Jährige. Die gute Nach richt des gestrigen Tages war, dass die Einnahmen aus Steuern und Finanzausgleich auch in den kommenden Jahren weiter steigen werden. Unser Finanzminister erklärte gestern dazu:
„Dies liegt insbesondere an der anhaltend guten Kon junktur und der guten Beschäftigungssituation in der Bundesrepublik. Diese positive Entwicklung zeigt sich auch in Brandenburg.“
Und doch, wo viel Licht ist, ist auch Schatten. So hört man an gesichts der brummenden Konjunktur aus ganz Deutschland den Ruf, dass Fachkräfte knapp würden, der Arbeitsmarkt in manchen Branchen leergefegt sei. Auch aus Brandenburg hö ren wir das, obwohl ich persönlich manchmal das Gefühl habe, manche Arbeitgeber vermissen einfach, dass 100 Leute vor der Tür stehen; manchmal stehen nur noch zwei da. Aber das ist meine persönliche Meinung.
Das ist alles gut für die Arbeitslosenquote, aber ein Risiko für weiteres Wirtschaftswachstum, aber auch schon für die Siche rung der jetzigen Bestände an Firmen und Arbeitsplätzen. Die demografische Entwicklung und die niedrigeren Löhne er schweren die Situation hier im Osten der Republik zusätzlich. Das sind unter anderem die Herausforderungen, die in der Überschrift unserer Aktuellen Stunde gemeint sind: Chancen für Wirtschaft, Finanzen, gute Arbeit, Herausforderungen, die
se Chancen möglich zu machen, Chancen für Arbeitslose, ob kurz oder lang, für Menschen mit Beeinträchtigungen, für Schulabgängerinnen und Schulabgänger, für Rückkehrerinnen aus der Familienphase, für Alleinerziehende und Teilzeitbe schäftigte, für Migranten, für Senioren, die länger arbeiten wollen, für zweite oder dritte Chancen im Berufsleben durch Qualifizierungen und auch für Rückkehrer, also Landeskinder, die ihr berufliches Glück erst einmal in anderen, meist westli chen Bundesländern gefunden haben und angesichts der guten Arbeitsmarktsituation jetzt an Rückzug in die Heimat denken! All diese Menschen können unsere Chance sein, dem Fach kräftemangel entgegenzuwirken. Das ist das Reservoir, aus dem wir schöpfen müssen.
Zum Thema Rückkehrer wird später noch mein Kollege Stohn sprechen. Ich bringe in Erinnerung, was wir für die anderen Gruppen in meiner Aufzählung schon tun - im Land und vieles auch im Bund gemeinsam mit der CDU.
Ein ganz großer Baustein im Land zur Sicherung der Arbeits kräfte ist die aktuelle Strategie „Fachkräfte bilden, halten und für Brandenburg gewinnen“. Damit werden Unternehmen bei ihrer Fachkräfteentwicklung unterstützt.
Zur Sicherung des Fachkräftenachwuchses haben wir den „Brandenburgischen Ausbildungskonsens“ zur Stärkung der dualen Berufsausbildung mit unseren Partnern fortgeschrieben.
Förderungen zur Umsetzung guter Arbeit bietet das „Arbeits politische Programm Brandenburg - In Menschen investieren - Regionen stärken“. Das enthält zum Beispiel Förderprogram me zur beruflichen Aus- und Weiterbildung sowie zur Integra tion in den Arbeitsmarkt.
Die aktuell größte Fördermaßnahme ist das Programm „Integ rationsbegleitung für Langzeitarbeitslose und Familienbedarfs gemeinschaften“, bei dem besonders benachteiligte Langzeit arbeitslose und Erwerbslose mit Kindern von Integrationsbe gleitern mit individuell passenden Angeboten unterstützt wer den, damit auch sie wieder in Arbeit kommen. Ich glaube, auf diesem Gebiet haben wir besonders viel Arbeit zu leisten, denn wir haben einen großen, festen Block von Langzeitarbeitslo sen, auf die man viel Mühe verwenden muss, um sie wieder fit fürs Berufsleben zu machen.
Wir müssen aber auch die, die im Beruf sind, bedenken. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für viele Menschen ein Spagat. Dazu bedarf es eines exzellenten Kinderbetreuungs systems - wir haben hier gestern über das Kita-Anpassungsge setz diskutiert -, aber auch Programme wie ElterngeldPlus und Familienarbeitszeit könnten helfen. Die gibt es leider noch nicht. Das ist ein Auftrag für die Wahlprogramme.
Was es im Gegensatz zum Letztgenannten schon gibt, ist die Flexirente, um ältere Arbeitnehmer länger in den Betrieben zu halten. Mit dem Bundesteilhabegesetz sollen unter anderem auch die beruflichen Chancen für Menschen mit Beeinträchti gung verbessert werden.
Eine immerwährende Herausforderung wird die Möglichkeit, aber auch die Einforderung des lebenslangen Lernens sein, der
Qualifizierung im Beruf, aber auch Aufstiegsqualifizierung, Umschulung und nicht zuletzt die Vorbereitung und Begleitung von Industrie 4.0.
Ich habe jetzt viele Herausforderungen und Chancen angespro chen und setze nun auf die Vervollständigung des Themas durch die Redebeiträge der Kolleginnen und Kollegen. - Danke.
Vielen Dank, Frau Kollegin. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht die Abgeordnete Schier für die CDU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Februar 2017 waren 31,77 Millionen Menschen sozialversi cherungspflichtig beschäftigt. Das sind gegenüber dem Vorjahr 717 000 Menschen mehr. Unserer Republik geht es gut. Die Bürger investieren. Die Wirtschaft floriert. Und Brandenburg? Liegt die Arbeitslosenquote in Deutschland bei 5,8 %, so ist sie in Brandenburg bei 7,1 %.
Wenn wir über Herausforderungen und Chancen sprechen, brauchen wir eine Bestandsaufnahme. Ich möchte Ihnen ein Beispiel geben. Im Jahr 2016 ist eine richtig schöne urige Kneipe - eine Gaststätte - im Spreewald abgebrannt. Viele Ge werke waren am Wiederaufbau beteiligt: Rohrleger, Tischler, Schreiner, Maler, Fliesenleger, Installateure und viele mehr.
Die Handwerker hatten etwas gemeinsam: Sie waren alle über 50 Jahre alt. Lehrlinge für das Handwerk sind schwer zu fin den, Nachfolger erst recht. Handwerk heißt oft auch körperlich arbeiten in Staub und Geruch. Da stellt sich die Frage: Was ist eigentlich, wenn diese Handwerker in Rente gehen?
Die Gaststätte ist wieder geöffnet - es ist ein guter Hinweis, wer es nachher wissen will -, aber jetzt geht der Ärger weiter. Sie suchen Servicekräfte. Sie haben keine Servicekräfte. Ich könnte jetzt beliebig fortfahren für das Handwerk, für die In dustrie. Ich glaube, jeder von Ihnen könnte ein Beispiel dazu beitragen. Dem stehen 6 815 Arbeitslose im Alter von 15 bis 25 Jahren gegenüber. Das ist eine Quote von 8,5 %. Meine lie ben Kollegen, können wir uns das leisten?