Trend- und Sentimentanalyse

Verfassungsgerichte in Parlamentsdebatten

Wann steigt die Erwähnung von Verfassungsgerichten in den Debatten der Landesparlamente? Eine Analyse zeigt klare zeitliche Muster und unterschiedliche Bewertungen zwischen den Parteien.

Prof. Dr. Bruno Castanho (FU Berlin), Prof. Dr. Sabine Kropp (FU Berlin), Friedrich Zillesen (Verfassungsblog) und Annika Grah (Stuttgarter Nachrichten)
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Graphic Recording zum Thema Verfassungsgerichte in Parlamentsdebatten
Graphic Recording: Lorna Schütte

Die Fragestellung

Die Forschungsgruppe untersuchte eine zentrale Frage zur Rolle der Justiz im politischen Diskurs: Wann hat die Erwähnung von (Verfassungs-) gerichten in Debatten zugenommen? Diese Frage zielt darauf ab, zeitliche Muster in der politischen Bezugnahme auf die Justiz zu identifizieren und mögliche Zusammenhänge mit politischen Ereignissen aufzudecken.

Zeitliche Entwicklung: Der Anstieg während der Finanzkrise

Die Analyse der StateParl-Daten brachte einen klaren zeitlichen Trend zum Vorschein: Die Erwähnung von Verfassungsgerichten in Landtagsdebatten stieg deutlich in den Jahren 2008 bis 2012 an. Der Peak lag dabei im Jahr 2010 – mitten in der Finanzkrise.

Sentimentanalyse der Aussagen zu Verfassungsgerichten nach Partei über Zeit
Sentimentanalyse der Aussagen zu Verfassungsgerichten nach Partei über Zeit

Dieses Muster deutet darauf hin, dass Krisenzeiten die Bezugnahme auf verfassungsrechtliche Institutionen in der politischen Debatte verstärken. Die Finanzkrise führte offenbar dazu, dass Politiker häufiger auf die Autorität der Verfassungsgerichte verwiesen.

Parteiliche Unterschiede in der Bewertung

Eine Sentimentanalyse der Äußerungen zu Verfassungsgerichten offenbarte deutliche Unterschiede zwischen den Parteien. Besonders markant zeigt sich eine Sinuskurve bei der AfD mit einem klaren Tiefpunkt zum Ende der Coronazeit. Dies bedeutet, dass die AfD Verfassungsgerichte zu diesem Zeitpunkt besonders negativ bewertete.

Interessant ist die Ähnlichkeit zwischen CDU, CSU und AfD: Ihre Bewertungskurven verlaufen ähnlich, allerdings auf unterschiedlichem Niveau. Dem gegenüber stehen SPD, Linke, Grüne und teilweise die FDP, die sich ähnlich bewegen. Ab 2021 kam es zu starken Veränderungen und einer Differenzierung zwischen den Parteien.

Bemerkenswert ist auch die Phase von 2015 bis 2020: In diesen Jahren glichen sich die Bewertungen aller Parteien an – ein Zeichen für einen parteiübergreifenden Konsens in der Bewertung von Verfassungsgerichten.

Thematische Einordnung bleibt diffus

Das Topic Modeling der Debattenbeiträge führte zu einem weniger eindeutigen Ergebnis: Die Gruppe konnte keine klaren Themenschwerpunkte identifizieren. Stattdessen zeigt sich eine Mischung aus länderpolitischen Themen mit Hinweisen auf einzelne Debatten und Urteile des Bundesverfassungsgerichts.

Graphic Recording der Gruppenergebnisse
Übersicht der Gruppenergebnisse
(Graphic Recording: Lorna Schütte)

Diese Befunde zeigen, dass die Bezugnahme auf Verfassungsgerichte in Landtagsdebatten weniger an spezifische Politikfelder gebunden ist, sondern eher situativ und kontextabhängig erfolgt. Die Erwähnung der Gerichte scheint vielmehr ein Instrument der politischen Argumentation zu sein, das je nach aktueller Debattenlage eingesetzt wird.