Topic Modeling

Xenophobie in AfD-Reden

Eine Analyse aller Landtagsreden der AfD zeigt, wie seit zehn Jahren Narrative in Parlamenten getestet werden, oft lange, bevor sie öffentlich debattiert werden. Zum Artikel

Eric Beltermann (Tagesspiegel), Hendrik Lehmann (Tagesspiegel), Nina Breher (Tagesspiegel) und Lennart Tröbs (Tagesspiegel)
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Graphic Recording zum Thema Xenophobie in AfD-Landtagsreden
Gestaltung: Markus Günther

Wie die AfD systematisch fremdenfeindliche Narrative in deutsche Parlamente getragen hat – eine datengetriebene Analyse von zehn Jahren Parlamentsreden zeigt die kontinuierliche Verschiebung des Sagbaren.

Nach den Correctiv-Enthüllungen über das Geheimtreffen in Potsdam war die Empörung groß. Doch sind die extremistischen Positionen der AfD wirklich überraschend? Das Forschungsteam ging der Frage nach: Wie hat sich die Sprache der AfD in deutschen Landtagen seit 2014 entwickelt? Welche fremdenfeindlichen Narrative werden kontinuierlich aufgebaut und wie radikal sind die Aussagen bereits geworden?

Die zentrale These lautete: „Remigration" ist nur die Spitze des Eisbergs. Die Forderung nach massenhafter Abschiebung ist das Resultat einer kontinuierlichen Entwicklung, bei der die AfD seit zehn Jahren die Grenzen des Sagbaren in deutschen Parlamenten verschiebt.

Methodik: Mixed Methods

Das Tagesspiegel Innovation Lab analysierte erstmals alle Parlamentsreden der AfD in deutschen Landtagen seit 2014 – insgesamt 340.000 Absätze mit über 15 Millionen Wörtern. Grundlage war der neue StateParl-Datensatz der Freien Universität Berlin, der seit August 2024 direkten und automatisierbaren Zugang zu Landtagsprotokollen ermöglicht.

Das Team entwickelte einen innovativen Methodenmix: Zunächst wurde ein Sprachmodell unter Verwendung qualitativer Methoden iterativ darauf trainiert, fremdenfeindliche Aussagen zu identifizieren. Mit Unterstützung von Topic Modeling und anderen Analysestrategien wurden die wichtigsten Narrative analysiert und repräsentative Zitate ausgewählt.

Datenjournalismus vom Feinsten: Das Team von Eric Beltermann durchleuchtet die schockierende AfD-Rhetorik in den Landtagen — erschließt aber ganz nebenbei eine fantastische Forschungsressource

Prof Dr. Dr. Hanjo Hamann, EBS Law School

Systematische Radikalisierung sichtbar gemacht

Die Datenanalyse brachte erschreckende Erkenntnisse hervor: Mit zunehmender Zahl an Landtagsabgeordneten verschiebt die AfD kontinuierlich die Grenze des Sagbaren. Was 2014 noch als Einzelfall galt, ist 2024 systematische Strategie geworden.

Statistiken zur Verwendung der Begriffe Flüchtlinge, Migranten und Asylanten in AfD-Reden
Die Analyse zeigt eine kontinuierliche Zunahme und Radikalisierung fremdenfeindlicher Äußerungen in AfD-Reden von 2014 bis 2024

Besonders deutlich wird dies bei der Verwendung entmenschlichender Sprache. Begriffe wie „Messermänner" oder „Ficki-Ficki-Bereicherer" zeigen, wie systematisch fremdenfeindliche Narrative aufgebaut werden. Die Analyse identifizierte verschiedene Kategorien: von verharmlosenden Formulierungen bis hin zu offen menschenverachtenden Äußerungen.

Interaktive Recherche ermöglicht Transparenz

Ein zentraler Baustein des Projekts ist die interaktive Suchmaschine, die es Nutzern ermöglicht, selbst in den AfD-Reden zu recherchieren. Diese Transparenz war dem Team wichtig: Jede Analyse sollte nachvollziehbar und überprüfbar sein.

Screenshot der interaktiven Suchfunktion
Die interaktive Datenbank ermöglicht es Nutzern, selbst in den Parlamentsreden der AfD zu recherchieren

Das Tool zeigt nicht nur die problematischen Äußerungen, sondern ordnet sie in ihren parlamentarischen Kontext ein. Nutzer können nach Zeiträumen, Bundesländern und Themen filtern und so die systematische Entwicklung fremdenfeindlicher Rhetorik nachvollziehen.

Die Arbeit zeigt exemplarisch, wie moderne Datenanalyse und traditioneller Journalismus zusammenwirken können. Durch die Kombination von Big Data-Methoden mit qualitativer Analyse gelang es, ein komplexes gesellschaftliches Phänomen empirisch zu erfassen und verständlich zu vermitteln.

Best Use of Visual Journalism and Storytelling Tools: Tagesspiegel Innovation Lab „Interactive database on the AfD“

INMA Global Media Awards 2025

Das Projekt macht nicht nur die systematische Radikalisierung der AfD-Rhetorik sichtbar, sondern etabliert auch neue Standards für die Analyse parlamentarischer Debatten. Der Zugang zu StateParl-Daten eröffnet Forschenden und Journalisten völlig neue Möglichkeiten, demokratische Prozesse zu analysieren und transparent zu machen.