Framing

Die politischer Debatte von Mietpreisbegrenzungen

Wie sich die Sprache über mietpolitische Maßnahmen mit den Jahren verändert hat – und wie die Parteien darüber sprechen.

Prof. Dr. Dr. Hanjo Hamann (EBS), Franziska Treder (EU-Ministerium Schleswig-Holstein), Dr. Sandra Michel (Bundesrat) und Johann Krümmel (Hertie School of Governance)
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Graphic Recording zur Fragestellung Mietpreisbremse
Graphic Recording: Lorna Schütte

Wie sprechen Politiker über Mietpolitik? Eine Analyse der Landesparlamente zeigt: Die Wortwahl ist nicht zufällig – und sie verändert sich mit politischen Ereignissen.

Fragestellung

Liegt ein Mietpreisdeckel vor oder handelt es sich um eine Mietpreisbremse? Was zunächst wie eine rein semantische Frage erscheinen mag, offenbart bei genauerer Betrachtung wichtige Einblicke in politische Strategien und Diskursverschiebungen. Im Rahmen des transdisziplinären Workshops analysierten Forschende die Entwicklung der Sprache über mietpolitische Maßnahmen in deutschen Landesparlamentsdiskussionen.

Die zentrale Forschungsfrage lautete: Wie haben sich verschiedene Begriffe zum Thema Mietbegrenzungen entwickelt? Welche Parteien legen welche begrifflichen Schwerpunkte? Und welche äußeren Einflüsse – von Bundesgesetzgebung bis zu Gerichtsurteilen – haben diese Diskursentwicklung geprägt?

Methodik

Die Gruppe analysierte systematisch parlamentarische Debatten aus den deutschen Landesparlamentenen. Über zwei Jahrzehnte verfolgten sie verschiedene Begriffe für mietpolitische Regulierungsmaßnahmen:

  • Kappungsgrenze: Begrenzung von Mieterhöhungen bei bestehenden Mietverhältnissen
  • Mietpreisbremse: Regulierung der Anfangsmiete bei Neuvermietungen
  • Mietpreisdeckel: Umfassendere Regulierung, die auch Mietsenkungen vorsehen kann

Die Forschenden untersuchten dabei nicht nur die absolute Häufigkeit der Begriffe, sondern auch deren Verwendung durch verschiedene Parteien und zeitliche Zusammenhänge mit politischen Ereignissen und Gesetzesänderungen.

Die Mietpreisbremse in den Landesparlamenten

Zeitreihe der Begriffshäufigkeiten
Entwicklung der Begriffe „Kappungsgrenze“ (rot), „Mietpreisbremse“ (blau) und „Mietpreisdeckel“ (grün) in den Landesparlamentstexten von 2000 bis 2023

Die Workshop-Gruppe konnte zeigen, dass die Zeitreihenanalyse deutliche Sprünge in der Verwendung bestimmter Begriffe aufweist, die eng mit politischen Ereignissen korrelieren. Während "Kappungsgrenze" bereits seit den frühen 2000er Jahren sporadisch auftauchte, explodierte die Verwendung des Begriffs "Mietpreisbremse" praktisch über Nacht mit der Einführung des entsprechenden Bundesgesetzes 2015.

Besonders bemerkenswert ist der starke Anstieg des Begriffs "Mietpreisdeckel" ab 2019, der zeitlich mit der Diskussion über den Berliner Mietendeckel zusammenfällt. Nach dem Scheitern des Berliner Modells vor dem Bundesverfassungsgericht sank die Verwendung dieses Begriffs wieder deutlich ab.

Die Gruppe entdeckte systematische Unterschiede in der Begriffswahl zwischen den Parteien. Die SPD verwendet überwiegend den Begriff "Mietpreisbremse" – ein Terminus, der in der Regel mit moderateren, marktkompatibleren Eingriffen assoziiert wird. Grüne, Linke und teilweise auch die FDP greifen häufiger zum Begriff "Mietpreisdeckel", der eine stärkere staatliche Regulierung impliziert.

Diese unterschiedliche Begriffswahl spiegelt nicht nur verschiedene politische Standpunkte wider, sondern auch strategische Überlegungen: "Bremse" suggeriert eine temporäre, vorsichtige Maßnahme, während "Deckel" eine festere, dauerhaftere Intervention bedeutet.

Drei zentrale Ereignisse prägten die Diskursentwicklung maßgeblich:

  • 2015 - Gesetz zur Mietpreisbremse: Bundesweite Einführung führte zu explosionsartigem Anstieg der Begriffshäufigkeit
  • 2019 - BVerfG-Urteil zur Mietpreisbremse: Verfassungsgerichtliche Bestätigung verstärkte die Diskussion
  • 2020 - Berliner Mietendeckel: Berliner Sonderweg führte zu intensiver bundesweiter Debatte über "Mietpreisdeckel"

Die Gruppe konnte exemplarisch zeigen, wie sich politische Begriffe und Diskurse über Zeit entwickeln und von äußeren Ereignissen geprägt werden. Allerdings beschränkt sich ihre Analyse auf die formale Häufigkeitsverteilung der Begriffe. Eine qualitative Inhaltsanalyse könnte zusätzliche Erkenntnisse über die konkreten Argumentationslinien und Bewertungen der verschiedenen Instrumente liefern.

Graphic Recording der Workshop-Ergebnisse
Übersicht der Gruppenergebnisse
(Graphic Recording: Lorna Schütte)

Die Workshop-Ergebnisse machen deutlich, dass die Wahl politischer Begriffe nicht neutral ist, sondern strategischen Überlegungen folgt und sich in Reaktion auf politische Entwicklungen verändert. Für künftige Analysen wäre es interessant zu untersuchen, ob ähnliche Muster auch bei anderen politischen Themenfeldern auftreten.