Frau Baum, ich habe Ihnen extra meine Mündliche Anfrage mit dem Titel „Feststellungsverfahren bei Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf“ zugeleitet.
Sie wissen aus dieser Antwort, die gerade mal zwei Monate alt ist, dass sich die Anzahl der Widerspruchsverfahren mit der Implementierung des neuen Schulgesetzes, was den Lernort Förderschule anbetrifft, halbiert hat. Wie können Sie da allen Ernstes sagen, dass wir oder auch Verwaltung, dass Schulämter den Elternwillen nicht respektieren? Das ist mir völlig schleierhaft. Sie haben doch die Antwort erhalten. Und genauso – Kollegin Ro
the-Beinlich ist darauf eingegangen, damit haben wir im Übrigen gerechnet – ist auf die Frage, wie sich denn die Förderschulquote entwickelt hat, geantwortet worden, dass wir das erste Mal seit zehn Jahren mit dem neuen Schulgesetz einen Anstieg der Kinder an den Förderschulen um 200 haben.
(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Wir haben ja auch steigende Schülerzahlen überall! Das ist doch Hokuspokus!)
Ja, wenn Ihre These stimmen würde, Kollege Tischner, dass auf Grundlage des neuen Schulgesetzes der Elternwillen nicht respektiert werden würde und dass wir irgendwas mit der Brechstange machen, dann dürfte das alles doch gar nicht sein. Überlegen Sie doch mal! Kommen Sie doch mal zur Besinnung! Da ist noch völlig unberücksichtigt, dass dieses Gesetz gerade erst mal mit Einbringung der CDU vier Monate galt. Sie haben es nahezu komplett eins zu eins übernommen. Vier Monate! Das ist ein Novum, dass ein so wichtiges Gesetz nach vier Monaten schon wieder infrage gestellt wird.
Ist auch so, auch und insbesondere im Ausschuss. Frau Baum ist immer topaktuell informiert, kann sich immer in Diskussionen einbringen und hat auch immer eigene Vorstellungen. Nun frage ich mich aber, wenn Sie dem beitreten, was die CDU vorgelegt hat, ob der Druck Ihrer drei Herren aus Ihrer Gruppe der FDP so groß und auch Ihre ideologischen Scheuklappen im Bereich Inklusion so unüberwindlich sind, dass Sie nicht das umsetzen konnten, was Ihnen sonst ebenso eigen ist: eine faktenbasierte Politik zu betreiben. Zumindest – und da will ich auch noch mal kurz auf Ihren Antrag eingehen – zeigt Ihr Antrag eine ziemlich – für mich zumindest – sinnfreie Forderung.
Sie wollen nämlich Schulen für den Gemeinsamen Unterricht ausweisen. Ich möchte nur noch mal daran erinnern: Inklusion ist ein Menschenrecht. Und wenn Sie das ernst meinen, Frau Baum, da müsste auf diesem Label stehen: Schulen in Wahrung aller Menschenrechte.
Überlegen Sie sich das gut, ob Ihnen das wirklich so ernst ist, Schulen für den Gemeinsamen Unterricht, wenn das ein Menschenrecht ist, so wie es definiert ist. Tatsächlich zeigen die Schulträger, welche auch bundesweit hohe Inklusionsraten haben wie zum Beispiel Jena, wie es geht, und dass es um die Umsetzung eines Rechtsanspruchs geht und nicht um die Umsetzung eines Labels.
Aber noch viel mehr enttäuscht war ich, als ich feststellen musste, dass die FDP zwar einige Kardinalfehler aus dem ersten CDU-Gesetzentwurf wie zum Beispiel zum Thema „Demokratisierung von Schulen und Gemeinschaftsschulen“ korrigieren konnte, aber danach ihre politische Wirkmächtigkeit völlig erstarrte. Wir haben als Bildungspolitiker/-innen der demokratischen Fraktionen in den letzten Monaten viele Anträge auf den Weg gebracht, die zum Teil beschlossen sind, zum Teil noch im Ausschuss sind. Gerade in der Pandemie und gerade durch die Pandemie wurden Defizite an allen Schulen bundesweit deutlich. Ich will mal aus der neuen „PÄDAGOGIK“ 6/2022, Seite 23, zitieren: Welche Schulentwicklungsvorhaben hat Ihre Schule im Schuljahr 2020/2021 verfolgt, pandemisch noch mal verstärkt? Als Erstes: digitales Lernen mit 38,4 Prozent, als Zweites: Unterrichtsqualität mit 20,6 Prozent, als Drittes: selbstständiges Lernen mit 11,11 Prozent – ich könnte es jetzt fortsetzen. Jetzt schauen wir uns mal Ihren Gesetzentwurf an. Was steht denn außer Inklusion sonst noch drin? So gut wie nichts und vor allen Dingen nichts dazu, vor welchen Herausforderungen die Schulen tatsächlich derzeit stehen.
Frau Baum, da frage ich Sie: Was ist denn zum Beispiel mit Digitalität? Ist das nicht Ihr Markenthema? Wo findet sich das in Ihrem Entwurf wieder? Ich sage Ihnen jetzt schon: Darum werden wir uns im Ausschuss kümmern – auf Vorschlag von RotRot-Grün –, wie die Schulen tatsächlich fit für die Zukunft gemacht werden. Kein Gesetzentwurf …
Das ist nun wirklich hanebüchen, ein Jahr nichts gemacht. Darauf kann Herr Minister dann gern noch mal eingehen. Das ist schon wirklich schlimm,
so was hier zu sagen – ein Schlag ins Gesicht aller Schulträger, ein Schlag ins Gesicht aller Schulen, die sich im Bereich Digitalität extremst weiterentwickelt haben.
Zweites Thema: Wir haben im Bereich der Schulentwicklung Riesenaufgaben, das weiß auch jeder, zum Beispiel, dass wir Schülerinnen und Schüler haben, die leider immer noch ohne Abschluss abgehen. Das ist völlig unberücksichtigt bei Ihnen. Alle Themen, die tatsächlich Zukunftsthemen sind – Kollegin Rothe-Beinlich ist auch schon darauf eingegangen –, sind bei Ihnen unberücksichtigt geblieben. Wenn wir uns über ein modernes Schulgesetz unterhalten wollen, dann werden wir genau diese Themen besprechen.
Hingegen werden zum Beispiel die Doppeljahrgangsstufe und die Versetzungsentscheidung infrage gestellt. Nun hat Kollege Tischner selbst Kleine Anfragen dazu gestellt und sollte aus seinen Erfahrungen und mit den Gesprächen der Kolleginnen und Kollegen aus den Schulen wissen, dass sowohl seine Kleinen Anfragen als auch die Praktikerinnen deutlich sagen: Das mit den Doppeljahrgangsstufen, das mit den Nichtversetzungsentscheidungen, das ist schon richtig. Es gibt Grenzen, da gibt es Brüche, das ist die Klassenstufe 7/8, darüber kann man sich unterhalten.
Aber insgesamt habe ich noch keinen Pädagogen – aus welcher Schulart auch immer – getroffen, der sagt, das war der falsche Weg. Sie wollen es komplett abschaffen, Kollege Tischner. Da gehen wir nicht mit.
Genauso die Frage, wie wir Regelschulen weiterentwickeln. Regelschulen, wichtige Schulart, gerade im ländlichen Raum, die Fachkräfte für die Zukunft bilden, aber vor hohen Herausforderungen stehen, da wir nicht genügend Regelschullehrer finden. Wenn wir jetzt auf den Vorschlag eingehen und nicht mehr nach Kursen, sondern nach Klassen schon ab Klassenstufe 7 verfahren, dann gibt es kaum noch Möglichkeiten vor Ort, auf die Heterogenität einzugehen. Sondern das, was die Regelschule eigentlich mal ausgemacht hat, nämlich ein längeres gemeinsames Lernen und dann in der Klassenstufe 9 die Orientierung, wird damit ad acta gelegt. Wollen Sie das wirklich? Große Fragezeichen.
fassen. Erstens: Die Fraktionen Die Linke, SPD, Bündnis 90/Die Grünen benötigen keinen Gesetzentwurf von Ihnen, schon gleich gar keinen, der nicht mit der Feder der Vernunft oder der zu bewältigenden Herausforderungen in der Schule oder auf Grundlage von Erfahrungen und Fachwissen formuliert wurde, sondern auf Grundlage ideologischer Blaupausen eines prinzipiellen Misstrauens gegenüber unseren Förderpädagogen, der mit dem Trotz, weil wir es können, haben wir es geschrieben, hier eingebracht worden ist.
Zweitens: Es obliegt den Fraktionen von Rot-RotGrün, die Vernunft, die richtigen Instrumente und wissens- und effizienzbasierte Vorschläge zur Weiterentwicklung unserer Schulen im Sinne der besten Bildung für unsere Kinder ins Gesetz zu bringen. Dies werden wir auch zeitnah machen. Die Schlagwörter habe ich gesagt. Wir tun dies in der Verantwortung gegenüber unseren Schulen, unseren Kindern und Familien.
Drittens: Dazu wird keine einzige Stimme aus dem Lager der neuen Rechten hier im Haus benötigt. Der Eklat in der Abstimmung nach dem ersten Vorschlag der CDU, als hier AfD-Abgeordnete versucht haben, die Abstimmung zu manipulieren, sollte deutlich machen und mahnt uns alle, dass wir diese Fraktion auf gar keinen Fall benötigen.
Es muss immer und wird immer möglich sein, dass Demokraten Kompromisse finden und diese Kompromisse auch zu einem guten Ende führen oder – um es anders zu sagen – das Beste unter dem Möglichen auch gemeinsam zu erreichen.
Deswegen empfehle ich meiner Fraktion die Überweisung des Gesetzentwurfs der CDU und der Gruppe der FDP zum Schulgesetz sowie der beiden Anträge und wünsche mir einen fairen und lösungsorientierten Umgang unter den demokratischen Fraktionen und der Gruppe der FDP, bin für eine gemeinsame Anhörung und Beratung der Vorschläge aus den demokratischen Fraktionen und verbinde dies mit dem Wunsch, dass die dann gefundenen Lösungen für die beschließenden Fraktionen über die Legislatur hinaus bindend sind und die Schulen sich darauf einlassen können, damit das langfristig gilt, was im Landtag beschlossen worden ist. Vielen Dank.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Nachteil an langen Redezeiten ist, dass ich gerade die Wahl hatte, den Redner zu unterbrechen oder den Präsidenten des Senats des Königreichs Spanien auf der Tribüne begrüßen zu dürfen. Der ist jetzt schon wieder weg, deswegen leite ich es nur damit ein. Ich will nur damit sagen: Wir haben heute hohen Besuch im Haus, nämlich Herr Ander Gil García ist heute da. Er saß ganze 5 Minuten da oben, was mir nicht wirklich die Chance gegeben hat, ihn zu begrüßen. Ich hätte Herrn Wolf dafür unterbrechen müssen. Nur falls Sie einen Schuldigen suchen, der wäre dann damit gefunden.
Ich will es zumindest erwähnt haben, weil ich glaube, auch für die Schülerinnen und Schüler ist vielleicht interessant, wer gerade neben ihnen saß. Das ist also ein wichtiger Mensch aus Spanien, der sitzt dem Senat in Spanien vor. Der Senat ist vergleichbar mit dem Deutschen Bundesrat, dem gerade unser Ministerpräsident Bodo Ramelow vorsitzt. Deswegen waren die gerade hier zusammen mit der Delegation. Ich bedauere es sehr, dass wir ihn nicht begrüßen konnten, aber das schaffen wir dann hoffentlich das nächste Mal.
Jetzt fahre ich in der Redeliste fort. Als Nächstes erhält Abgeordneter Tischner für die CDU-Fraktion das Wort.
Ich sage es gleich dazu: Ich werde jetzt die Schüler vertreiben, aber nicht, weil ich rede, sondern weil sie jetzt gleich zur Nachbesprechung gehen müssen. Aber von der Stelle auch herzliche Grüße an die Schülerinnen und Schüler hier aus Erfurt, die uns bei der Debatte zuhören, und auch an die Kollegen. Ich habe mal so hochgeschaut, den Kollegen in die Augen geschaut und habe das Schütteln des Kopfes an manchen Stellen durchaus vernommen. Ich glaube, es ist gut und richtig, dass wir heute wieder die Debatte hier führen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin, Unterrichtsgarantie und Schulfrieden – zwei große Worte und zwei noch größere Vorhaben dieser Landesregierung und doch eigentlich alles, was wir Bildungspolitiker hier im Landtag auch wollen. Unterrichtsgarantie, 2017 von Minister Hoff ausgerufen, was daraus geworden ist, wissen alle, vor allem die Praktiker. Schulfrieden, 2020 in den Stabilitätsmechanismus geschrieben, leider auch noch weit entfernt. Unser Gesetzentwurf soll in diese Richtung gehen. Leider müssen wir aber feststellen, dass wir von den bei
den Zielen noch weit entfernt sind und dass die gemeinsamen Initiativen – wir erleben es auch heute – immer große Kraftanstrengungen bedeuten.
Mit dem heute hier vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des Thüringer Schulgesetzes haben wir nach einem breiten Partizipations- und Gesprächsprozess mit vielen Praktikern gemeinsam mit der FDP drei wesentliche Schwerpunkte erneut in den Fokus genommen, weil sie uns von GEW, von tlv, von Schülervertretungen, von Elternvertretungen …
(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Die Lehrer unterstützen Ihren Gesetzentwurf aber nicht! Sie sollten hier auch nicht den Eindruck erwecken!)
Ich werde es Ihnen gleich zitieren, Herr Dittes. Ich werde es Ihnen gleich zitieren, wo die GEW unterstützt und wo nicht, natürlich, aber in den entscheidenden Punkten, Herr Dittes. Hören Sie zu, bleiben Sie hier, dann erfahren Sie es!
Erster Schwerpunkt, der uns eint und zurückgegeben worden ist, ist das gesetzlich garantierte Recht der Eltern und der Erziehungsberechtigten, über den Lernort und den Einschulungstermin ihrer Kinder zu entscheiden, Frau Rothe-Beinlich, und nicht so ein bisschen mit zu beraten; wir haben da ja gerade so eine Paralleldebatte in den sozialen Netzwerken.
Zweitens ist uns der Erhalt unserer Förderschulen als Lernort wichtig, was nicht ausschließt, dass es den Gemeinsamen Unterricht geben soll. Aber wir wollen die Förderschulen im Sinne bester individueller Förderung und Durchlässigkeit.
Drittens ist uns die Anerkennung und Stärkung der pädagogischen Kompetenz bei den Bildungsempfehlungen und Versetzungsentscheidungen wichtig. Nichts ist so, wie es Frau Rothe-Beinlich beschrieben hat, dass wir das Pädagogische, was die Kollegen in den Schulämtern oder in den Schulen haben, übergehen wollen – im Gegenteil. Wir wollen es zur Grundlage des Entscheidungsrechts der Eltern machen.