Protocol of the Session on December 8, 2023

Vielen Dank. Gibt es jetzt weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten? Das sehe ich nicht. Für die Landesregierung erhält Staatssekretär Speitkamp das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zuletzt ist eher über Inklusion gesprochen worden und es liegt nahe, dass wir unsere Position dazu noch mal deutlich machen. Ich fürchte aber, es geht hier um ein unterschiedliches Bildungsverständnis, ein unterschiedliches Menschenbild und ein unterschiedliches Bild von einer menschenwürdigen Gesellschaft. Und da werden wir nicht zusammenkommen, sehr geehrte Herren von der AfD. – Das war ein generisches Maskulinum.

Ich komme also zur Sache, nämlich zum Antrag der AfD. Die Berufsausbildung zur Heilerziehungspflegerin und zum Heilerziehungspfleger beinhaltet – es wurde jetzt auch schon vereinzelt angesprochen – ein Praxismodul von 19 Wochen. Viele von Ihnen haben sicherlich bei der Diskussion im Hinterkopf, dass die

Praxisorientierung wichtig ist beim Erlernen des Berufs. In der Zeit der Praktika haben die Fachschülerinnen und Fachschüler einen Praktikantenstatus. Daraus können, aber müssen nicht, Schwierigkeiten erwachsen.

Wie kann man also damit umgehen, wie heilt man das? Die Fallkonstellation ist nicht ohne Weiteres übertragbar bzw. nicht ohne Weiteres vergleichbar mit anderen Berufsfeldern, die das hier ausführen. Auch – und darauf möchte ich hinweisen – der Weg, den Sie vorgeschlagen haben, dieser Weg ist nicht gangbar, nicht nachvollziehbar. Sie fordern die Regierung auf, ein Gesetz zu ändern, nämlich Anlage 3 zum Thüringer Gesetz über die Schulen in freier Trägerschaft, und das ist offenkundig ein Problem oder ein Fehler. Gesetze ändert eben der Landtag und nicht die Regierung.

Aber selbst wenn Sie diesen Fehler nicht gemacht hätten, gibt es schon den nächsten Fehler, das nächste Problem. Der Beruf Heilerziehungspflegerin oder Heilerziehungspfleger ist kein definierter Gesundheitsfachberuf. Die definierten Gesundheitsfachberufe sind bundesgesetzlich geregelt. Ein Beruf, der kein Gesundheitsfachberuf in diesem Sinne ist, kann nicht ohne Weiteres in der Anlage 3 des Thüringer Gesetzes über die Schulen in freier Trägerschaft aufgenommen werden. Laut § 18 Abs. 2 Satz 6 dieses Gesetzes können das nur Gesundheitsfachberufe sein. So weit zur politischen Methodik.

Schauen wir uns nun an, wo diese Fachschülerinnen und Fachschüler das Praktikum absolvieren. Da stellt sich heraus, dass es durchaus einen Unterschied macht, ob man einen sozialen Politikansatz verfolgt, der

eben auch für die Vergütung von Praktika plädiert, oder ob einem solche sozialen Fragen eher einerlei sind. Vergütete Praktika, also die Frage der vergüteten Praktika, wofür sich unter anderem Die Linke seit je eingesetzt hat, sind eine Frage der Tarifautonomie. Deshalb ist es gut, wenn solche Fragen in Tarifverträgen erstritten und geregelt werden. Für den öffentlichen Dienst gibt es so einen Tarifvertrag und der dürfte für etliche Fachschülerinnen und Fachschüler zum Tragen kommen, denn viele machen ihr Praktikum in Einrichtungen der frühkindlichen Bildung, die oft in kommunaler Trägerschaft sind bzw. ähnliche Tarifregelungen haben.

Wir sind aber noch nicht am Ende, denn alle Fachschülerinnen und Fachschüler im Praktikum sollten ein Einkommen haben, damit sie dieses Praktikum eben auch machen können. Hier ist aus unserer Sicht zunächst der Bund gefragt, diese Sache im BAföG oder im Aufstiegsfortbildungsgesetz zu regeln. Was Vergütungsregeln auf Landesebene angeht, so fehlt es bisher an einer gesetzlichen Grundlage, die rechtlichen Voraussetzungen zur Implementierung von praxisintegrierten Ausbildungen gibt es aber bereits.

So sollten Sie sich die Thüringer Fachschulordnung für den Fachbereich Sozialwesen anschauen. Dort heißt es in § 3 Abs. 1 „Die Vollzeitform kann mit überwiegend fachtheoretischem Unterricht in den ersten fünf Ausbildungshalbjahren und abschließender berufspraktischer Ausbildung in Blockform im letzten Ausbildungshalbjahr (konsekutive Ausbildungsform) oder mit durchgängig abwechselnden Unterrichts- und Praxisphasen im Rahmen eines Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses (praxisintegrierte Ausbildungsform) durchgeführt werden.“ Sie sehen also, wir sind in Thüringen längst viel weiter, als Sie denken. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Dann kommen wir jetzt zur Abstimmung über den Antrag. Ich habe keine Ausschussüberweisung wahrgenommen, also stimmen wir direkt über den Antrag ab. Was jetzt?

(Zuruf Abg. Aust, AfD: Sozialausschuss!)

An den Sozialausschuss? Gut, dann ist Ausschussüberweisung beantragt an den Ausschuss für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung. Wer dieser Ausschussüberweisung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist die Fraktion der AfD. Gibt es Gegenstimmen? Das sind die restlichen Fraktionen und Gruppen des Hauses. Und Stimmenthaltungen? Von den fraktionslosen Abgeordneten gibt es 2 Stimmenthaltungen. Damit ist die Ausschussüberweisung trotzdem abgelehnt.

Wir kommen jetzt direkt zur Abstimmung über den Antrag in der Drucksache 7/6836. Wer für diesen Antrag stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist die AfD-Fraktion. Gibt es Gegenstimmen? Das sind die restlichen Gruppen und Fraktionen des Hauses. Gibt es Stimmenthaltungen? Das sind die fraktionslosen Abgeordneten. Damit ist der Antrag abgelehnt und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Wir kommen jetzt zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 44

Viertes Gesetz zur Änderung des Thüringer Waldgesetzes Gesetzentwurf der Parlamentarischen Gruppe der FDP - Drucksache 7/6811 -

(Staatssekretär Prof. Dr. Speitkamp)

dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten - Drucksache 7/8907 -

dazu: Wald muss Wald bleiben – keine Windkraftanlagen in Thüringer Wäldern Entschließungsantrag der Fraktion der CDU - Drucksache 7/9068 -

dazu: Keine Windkraftanlagen im Wald – Wiederbewaldung statt Industrialisierung unserer Natur Entschließungsantrag der Fraktion der AfD - Drucksache 7/9146 -

ZWEITE BERATUNG

Das Wort erhält Herr Abgeordneter Bergner aus dem Ausschuss für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten für die Berichterstattung zu diesem Gesetzentwurf.

Vielen Dank. Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, mit Ihrer Erlaubnis möchte ich Bericht erstatten über die Beratungen zum Vierten Gesetz zur Änderung des Thüringer Waldgesetzes in der Drucksache 7/6811. Am 07.12.2022 reichte die Parlamentarische Gruppe der FDP den Gesetzentwurf mit dem Titel „Viertes Gesetz zur Änderung des Thüringer Waldgesetzes“ in der Drucksache 7/6811 ein. In der 102. Sitzung des Thüringer Landtags am 03.02.2023 wurde der Gesetzentwurf in erster Lesung beraten und zur weiteren Diskussion an den Ausschuss für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten verwiesen.

In der 40. Ausschusssitzung des AfILF am 02.03.2023 wurde die Durchführung einer schriftlichen Anhörung beschlossen. In der 41. Ausschusssitzung des AfILF am 30.03.2023 reichten die AfD in Vorlage 7/4986, die Koalitionsfraktionen in Vorlage 7/4988 sowie die Parlamentarische Gruppe der FDP in Vorlage 7/4989, welcher sich die Fraktion der CDU mit Ergänzungen anschloss, ihre Vorschläge für Anzuhörende ein. Zudem wurde die Durchführung eines Onlinediskussionsforums beschlossen. Im Onlinediskussionsforum

wurden insgesamt 65 Beiträge eingereicht. Dies entspricht der zweithöchsten Beteiligungsquote, die eine Onlinediskussion neben der Diskussion zu Drucksache 7/62 – ebenfalls ein Entwurf zum Waldgesetz – in der laufenden Legislatur erreichte – hier der Verweis auf die Vorlage 7/5128 der Landtagsverwaltung.

In der 42. Ausschusssitzung des AfILF am 11.05.2023 wurde der Tagesordnungspunkt auf Veranlassung der Koalition vertagt. In der 43. Ausschusssitzung des AfILF am 22.06.2023 wurde der Tagesordnungspunkt erneut geschoben, um über die parlamentarische Sommerpause eine interfraktionelle Verständigung über den Gesetzentwurf zu ermöglichen. In der 46. Sitzung des Ausschusses am 19.10.2023 wurde der Gesetzentwurf der Freien Demokraten mehrheitlich angenommen und mit der Beschlussempfehlung in

(Vizepräsidentin Henfling)

Drucksache 7/8907 zurück ins Plenum zur zweiten Lesung verwiesen. Soweit, meine Damen und Herren, die Berichterstattung. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. Ich weise noch mal auf die Anwesenheit von Referentinnen und Referenten im Haus hin, dass es sozusagen nicht allzu viele werden, wäre gut. Da hinten sieht es mir eng aus. Vielen herzlichen Dank.

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: Die FDP hat alle!)

Wird das Wort zur Begründung zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU gewünscht? Nein, das sehe ich nicht. Wird das Wort zur Begründung zum Entschließungsantrag der Fraktion der AfD gewünscht? Auch nicht.

Bevor ich die Aussprache eröffne, möchte ich dafür werben, das Schreiben des Direktors beim Landtag vom gestrigen Tag in den Meinungsbildungs- und Entscheidungsfindungsprozess hier im Hohen Hause mit einzubeziehen. Darin wirbt er ausdrücklich dafür, in Betracht zu ziehen, den Gesetzentwurf nach Maßgabe des § 59 der Geschäftsordnung erneut an den Ausschuss für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen. Zielstellung solle danach sein, die Datenbasis durch Einbeziehung von Fachexpertise so zu erweitern, dass eine abschließende Begutachtung für eine rechtssichere Beschlussfassung zu dem Gesetzentwurf durch den Wissenschaftlichen Dienst des Landtags möglich erscheint.

Damit eröffne ich die Aussprache. Zunächst erhält das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Möller.

Vielen Dank. Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Zuschauer auf der Tribüne und am Livestream, wir befinden uns mit diesem Tagesordnungspunkt wortwörtlich in einer Sackgasse. Um es noch mal deutlich zu machen, um was es insgesamt eigentlich geht: Wir reden ja über den Thüringer Wald, den Wald in Thüringen. Und da haben wir bereits eine sehr große Fläche verloren. Diese Fläche ist viermal so groß wie die Stadt Erfurt. Waldflächen in ganz Thüringen sind von Schäden betroffen und in den nächsten Jahren werden gesunde Waldbestände weiter rapide schrumpfen. Allein die Wiederaufforstung

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Wiederaufforstung! Die sind nicht verloren, diese Waldflächen!)

der bereits verlorenen Wälder und Forste würde und wird uns als Land einen zweistelligen Millionenbetrag auf ein Jahrhundert hinaus kosten. Zum anderen liegt heute ein Gesetzentwurf vor, der den Waldumbau verhindern soll. Anders als man vermuten könnte, zielen dieser Entwurf und die angehängten Anträge nicht darauf ab, den Waldumbau und die Wiederaufforstung zu stärken.

(Zwischenruf Abg. Montag, Gruppe der FDP)

Nein! Er dient dazu, die ohnehin überhitzte Debatte um den Einsatz von Windkraft auf Waldflächen, ob mit oder ohne Bäumen, weiter anzuheizen. Nichts weiter, Herr Montag, nichts weiter.

(Beifall DIE LINKE)

Die Anhörung im Fachausschuss hat gezeigt, dass dieser Gesetzentwurf schon verfassungsrechtlicher Unsinn ist. Die Bedenken, die von der Landtagsverwaltung erst gestern noch einmal in aller Deutlichkeit

(Abg. Bergner)

übermittelt worden sind, appellieren an das Verantwortungsbewusstsein – aber, Herr Kemmerich, was sage ich da – der einreichenden Fraktionen. Eine Gesetzesänderung, die aufgrund unklarer Rechtsbegriffe erhebliche rechtliche Unsicherheit in das Landesrecht einführt, kann nicht das Ziel des Vorhabens sein – ist es aber faktisch.

Wir hören insbesondere bei den Betroffenen, sowohl den Waldbesitzern als auch den Investoren und auch der Thüringer Wirtschaft, dass genau diese Verunsicherung, Herr Kemmerich, das Problem ist und den Wirtschaftsstandort Thüringen gerade gefährdet.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es kann also nicht das Ziel sein, die Entscheidung des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts zu ignorieren. Dieser erklärte § 10 Abs. 1 Satz 2 des Thüringer Waldgesetzes aufgrund des massiven Eingriffs in das im Grundgesetz garantierte Eigentumsrecht für nichtig. Eigentümer von Waldflächen werden über die nächsten Jahrzehnte massive Defiziten aufgrund von Einnahmenausfällen durch Schadholz und den nötigen Waldumbau tragen müssen. Das ist ein Fakt. Das hat nichts damit zu tun, ob hier irgendjemand negiert, dass man sozusagen den Thüringer Wald schützen und schonen möchte. Er ist geschädigt und er wird weiter geschädigt und es sind massive Einnahmeausfälle, die die Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer haben. Das betrifft auch den Staatswald. Gleichzeitig werden bis zur Hälfte des Waldbestandes in Thüringen mit oder ohne Windkraft in den nächsten Jahren verloren gehen. Die Bäume werden sterben. Über zwei Generationen hinweg werden diese Flächen zum Pflegefall, ohne eigene Einnahmen, und um diesen Pflegefall müssen wir uns kümmern. In dieser dramatischen Situation, Herr Kemmerich, wollen die FDP und CDU den Eigentümern, ob privat oder öffentlich, die Handlungsfreiheit nehmen. Sie wollen die Handlungsfreiheit nehmen für die nächsten Jahrzehnte. Wichtige Funktionen wie die Wasserbereitstellung sind ohne erhebliche Investitionen nicht zu bewältigen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Umweltausschusssitzungen in der letzten Woche. Ganz Thüringen wird noch stärker auf Fernwasser aus den Gebirgslagen angewiesen sein. Das setzt stabile, funktionsfähige und gesunde Wälder voraus, die heute an vielen Stellen bereits verloren sind. Um uns von teuren fossilen Energien unabhängig zu machen, müssen wir auch in Thüringen mehr Strom und Wärme vor Ort erzeugen. Windkraft stellt bereits jetzt die Lokomotive der Stromversorgung als die größte erschlossene Energiequelle dar.

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, Gruppe der FDP: Das ist ein Unsinn!)

Gut 10 Prozent der Landesfläche eignen sich aufgrund guter Windverhältnisse und ausreichender Abstände zu Wohnhäusern und Schutzgebieten für die Windkraft. Zugleich zeigt die Debatte in Thüringen eine erhebliche Ungleichheit zwischen den Regionen auf. Auch das ist eine Tatsache. Während in Mittel- und Nordthüringen der fünffache Zubau erfolgen wird, sind Süd- und Ostthüringen nahezu ausgeschlossen. Das ist Konsequenz Ihrer politischen Praxis, liebe CDU und FDP, und das, obwohl die Industrie und Betriebe in den Bereichen Glas, Stahl, Papier, Chemie und Metallverarbeitung oder die Lebensmittelproduktion nach regional verfügbaren erneuerbarem Strom verlangen. Das wird die Debatte auch heute noch einmal deutlich zeigen.

Der Freistaat Thüringen ist der größte Landbesitzer. Vor allem der Staatswald könnte eine Schlüsselrolle für das Zusammenwirken eines nachhaltigen Waldumbaus und damit der Sicherung unserer Wälder und einer regionalen Energiegewinnung spielen. Um dieses Potenzial einmal zu verdeutlichen: Wenn wir allein auf den geeigneten Flächen in Landesbesitz die Windkraft nicht ausschließen, könnten sich die jährlichen Pachteinnahmen auf mindestens 40 Millionen Euro pro Jahr belaufen, und das über eine Nutzungsdauer

von mindestens 25 Jahren. Das wäre die Grundlage, den Waldumbau und den Waldschutz wirklich auch zu finanzieren.