Protocol of the Session on June 1, 2023

Ich will ja damit auch gar nicht sagen, dass man nun alles positiv sieht. Ich denke, ich habe genug negative Sachen gesagt. Aber ich glaube, das, was Sie hier getan haben, hat nun wirklich keine Relevanz. Es ist ein wirklich belastbarer Aspekt, schauen Sie noch mal in den Thüringen-Monitor.

Deswegen glaube ich auch, dass Sie wirklich Führungsqualitäten beweisen würden, wenn Sie sich ernsthafter auch mit diesen Zahlen beschäftigen würden und nämlich Analyse zur Grundlage Ihrer öffentlichen Kommentierungen machen würden und

nicht nur einem politischen Ziel folgend Zahlen aus dem Monitor suchen, manche erfinden Sie ja auch, oder Zahlen, die möglicherweise Ihre Argumente widerlegen, einfach ignorieren, weil das auch eine Ursache dafür ist, dass das Vertrauen in die Politik verloren geht, weil Fehldeutungen gezeichnet werden und falsche Bilder, und das kriegen Menschen in diesem Land auch tatsächlich mit.

Was Sie stattdessen aber machen, ist, Sie bedienen Narrative. Narrative, die das Vertrauen in die Demokratie und die für die Demokratie verantwortlichen Institutionen seit Jahren angreifen und die – das hatte ich eingangs gesagt, was mir Sorgen bereitet – langsam Wirkung entfalten.

In den vergangenen Jahren – ich hatte es auch schon gesagt – ist eine Verschärfung des Umgangstons in der Politik zu verzeichnen gewesen und – das stellen wir auch fest im Thüringen-Monitor – der politische Populismus hat zugenommen, an Stärke gewonnen. Ich will es auch kurz beschreiben. Kaum ein politischer Prozess geht ohne Unterstellungen und Verbreiten von Fehlinformationen vonstatten. Die Sachlichkeit nimmt ab, man bedient sich zunehmend undifferenzierter Bilder, es gibt kaum mehr Interesse an wirklicher Auseinandersetzung auf der Grundlage anerkannter Fakten. Kommunikationsstrategien und Machtpolitik dominieren die politische Auseinandersetzung, es wird Misstrauen in politische Entscheidungsprozesse geschürt und politische Muster werden bedient, die das gesellschaftliche Klima anheizen und Politikverdrossenheit schüren.

Ich will Ihnen das auch mal an sechs Beispielen Ihrer Politik deutlich machen, denn da wird es nämlich greifbar und sichtbar. Zwei aktuelle Beispiele aus der heutigen Beratung: Sie haben sich hierhin gestellt und haben gesagt, Rot-Rot-Grün nimmt den Bürgermeistern im Kommunalen Finanzausgleich das Geld weg. Wir hätten das Kleine-GemeindenProgramm gestrichen. Die Wahrheit ist: Seit 2014 steigt jedes Jahr der Kommunale Finanzausgleich an

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

und die Kommunen hatten nie mehr Geld, als es in diesem Jahr durch die Landeszuschüsse und durch die eigenen Steuereinnahmen gab. Sie haben gesagt, wir hätten das Kleine-Gemeinden-Programm gestrichen. Auch das stimmt nicht.

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU)

Es war von vornherein auf ein Jahr angelegt. Aber Sie bemängeln hier, dass den Kommunen angeblich durch das Kleine-Gemeinden-Programm

30 Millionen Euro genommen worden sind. Im selben Zeitraum wurden im Kommunalen Finanzausgleich über 150 Millionen Euro zugeführt, das heißt, 120 Millionen Euro noch einmal obendrauf, und Sie stellen sich hin und sagen, 150 Millionen Euro – ist mir egal, es fehlen 30 Millionen. Also entschuldigen Sie, Herr Voigt: Was Sie da betreiben, ist Desinformation und Sand in die Augen, auch von Kommunalabgeordneten …

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Sie rennen durch das Land seit einigen Tagen und Wochen schon und sagen: Rot-Rot-Grün will die Grundschulen schließen. Nun haben Sie aber auch ein Schulgesetz mitbeschlossen, wo Schülermindestzahlen beschlossen worden sind. Das heißt, wenn wir mit unserem Vorschlag auch Kooperationen eingehen, dann ja mit dem Ziel, dass wir tatsächlich Grundschulstandorte erhalten. Denn wenn man nichts macht – und da bin ich wieder in Ihrer Politik, alles soll so bleiben, wie es ist – würde man nämlich dann in die Situation kommen, bei zurückgehenden Kinderzahlen Grundschulen schließen zu müssen, weil die Mindestschülerzahlen, die Sie auch mit beschlossen haben, nicht mehr erreicht werden können.

(Unruhe CDU)

Das Gegenteil dieser Gesetzesinitiative von RotRot-Grün ist der Fall. Mit Kooperationen soll genau das umgangen werden, dass Schulstandorte geschlossen werden müssen, weil Mindestschülerzahlen nicht mehr erreicht worden sind. Aber wir wollen die Unterrichtsqualität durch die Zurverfügungstellung von Lehrern sichern und Sie ziehen durch das Land und sagen: Rot-Rot-Grün will Grundschulen schließen und führen im Prinzip zu Angst und Furcht bei Eltern oder künftigen Eltern gerade im ländlichen Raum.

Sie sagen, mit dem Bürgergeld – ich habe es vorhin schon angesprochen –, da verbreiten Sie sogar Social-Media-Bilder, wo Sie behaupten, mit Bürgergeld würde man mehr Geld bekommen, als wenn man arbeiten gehen würde. Das ist vielfach widerlegt, und nicht nur durch Zeitungen, die unserem politischen Spektrum nahestehen, sondern das Handelsblatt hat damals sehr ausführlich diskutiert. Sie haben es sich nicht nehmen lassen, Sie haben es immer wieder behauptet, dass Bürgergeld mehr Einkommen erzielt, als zur Arbeit zu gehen. Das war wissentlich falsch und da haben Sie auch bewusst gelogen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Drittens – Sie behaupten, Gendersprache wäre dieser Landesregierung wichtiger. Es gibt nicht eine, nicht eine parlamentarische Initiative zur Gendersprache von Rot-Rot-Grün, es gibt nicht eine Vorgabe der Landesregierung zur Gendersprache. Ich weiß gar nicht, ob wir überhaupt mal aus eigenem Antrieb hier darüber im Landtag diskutiert haben.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein!)

Aber es gibt einen Antrag Ihrer Fraktion, der den Menschen verbieten sollte, wie sie zu sprechen und zu schreiben haben, und hier sogar Vorgaben für Professoren und Dozenten an Universitäten machen wollte, und Sie wollten sogar Journalisten vorschreiben, wie sie nicht zu sprechen haben, wenn sie im Fernsehen und im Radio auftreten. Es ist im Prinzip Ihre Politik, die den Menschen vorschreiben will, wie sie zu sprechen haben.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber Sie stellen sich hierhin und sagen, die Gendersprache wäre uns wichtiger – nicht eine Initiative. Und ich kann Ihnen sagen, im Wahlprogramm der Partei Die Linke, 140 Seiten Inhalt, es gibt einen Satz zur Gendersprache, einen Satz, und ich weiß nicht, wie viele Seiten zur Sozialpolitik. Was Sie hier betreiben, ist Desinformation und im Prinzip Unterstellung.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt komme ich zu einem Punkt, der mir sehr wichtig ist, weil er wirklich kennzeichnend ist für das politische Klima, für das Sie verantwortlich sind: zur Diskussion um die Heizungsumstellung.

Nun kann man erst mal sagen: Wenn eine Heizung, die eine Lebensdauer von 30 bis 40 Jahren hat, jetzt neu installiert werden muss, dass ich vielleicht auch diesen Lebenszyklus mit in den Blick nehme und dass man vielleicht auch, wenn man die letzten Jahre an Diskussionen verfolgt hat, feststellen kann, dass Öl und Gas vielleicht jetzt nicht die Energieträger der Zukunft in diesem Bereich sind. Nun kommt das Wirtschaftsministerium, macht einen Gesetzentwurf und sagt: 65 Prozent bei der Wärmeerzeugung sollen künftig auf regenerativer Energieträgerbasis erfolgen. Nun kann ich das durchaus sagen auch aus linker Sicht: Die Kommunikation des Bundeswirtschaftsministeriums war Murks. Es wunderte mich auch nicht, dass keine sozialpolitischen Aspekte da eine Rolle spielen. Man kann noch viele andere Kritikpunkte an der konkreten Ausgestaltung haben. Was machen allerdings Sie?

Ach so: Im Übrigen will ich mal sagen, was Ihr Gegenkonzept ist. Ich habe ja vorhin sehr genau zugehört, als Sie Ihr Zukunftsbild von Thüringen gezeichnet haben. Ihr Gegenkonzept war, dass man im Dorf den Maibaum versteigert, damit er zum Heizen im Winter genommen werden kann.

(Heiterkeit und Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Also, beim besten Willen!

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU)

Nein, Herr Voigt, ich habe es nicht gesagt – Sie haben das gesagt. Das ist das Bild, wie Thüringer leben wollen.

(Unruhe DIE LINKE, CDU)

Ich habe mir das Zitat doch nicht ausgedacht, Herr Voigt, das haben Sie gesagt. Entschuldigen Sie, ich habe es doch nicht gesagt, das haben Sie doch gesagt.

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Wie Sie es sagen!)

Machen Sie mich doch nicht dafür verantwortlich. Hätten Sie es nicht gesagt, hätte ich es mir nicht ausgedacht. Aber egal, Sie tun damit dem Konservatismus auch keinen Gefallen.

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Kein Ge- spür!)

Aber das ist eine lustige Randnotiz. Sie regen sich darüber auf – geschenkt, können wir abhaken. Ich werde es auch nicht wiederholen.

Aber nun gehen wir mal davon aus, dass es nachlesbar ist, nicht nur im Protokoll, sondern auf Ihrer Internetseite. Und Ihre Internetseite dazu heißt: Ampel stoppen. Also da ist offensichtlich jemand unterwegs, der gefährlich ist für das Land, den muss man stoppen. Eine Bundesregierung muss man stoppen.

(Beifall CDU)

Ihr Vorgänger hat mal gesagt: Wir werden Sie treiben.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Jagen!)

Sprachgebrauch, ich glaube, da sind Sie – ich komme gleich noch dazu – von anderen in diesem Haus nicht so weit weg.

Dann charakterisieren Sie den Gesetzentwurf als übergriffig und Angriff auf die fleißigen Leute und motivieren die Leute zum Unterschreiben. Sie haben gesagt: 16.000 Unterschriften unter der Überschrift „Jetzt gegen Habecks Verbotswahn unterschreiben!“. Das titeln Sie dann noch. Na klar, das

haben ja Ihre Bildredakteure gemacht mit dem Ausschnitt aus der „Bild“-Zeitung mit dem Bild von Robert Habeck „Habeck will Öl- und Gasheizungen verbieten“. Dass das sachlich alles falsch ist, das hatte ich ausgeführt, das wissen Sie auch. Aber was Sie damit machen – und da reden wir über das gesellschaftliche Klima –: Sie personifizieren in der Person Robert Habeck das Böse für die Leute in diesem Land, Robert Habeck in Person – und das noch nicht mal aus einer Motivation, die Sie möglicherweise kritisieren, sondern auch noch möglichem krankenhaften Wahnzustand, dass er die Menschen angreift. Wissen Sie, was das für Wirkung hat? Das wissen Sie, denn das erleben Sie auch. Ich bin kein Fan der Grünen-Bundespartei, Astrid weiß das. Wir haben da viel, ich habe da viel Kritik daran.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das hätten Sie gar nicht sagen müssen! Das wissen wir doch!)

Aber was ich erlebe in meinen täglichen Gesprächen mit Menschen in diesem Land, welcher Hass den Grünen und auch den Personen, die Verantwortung für die Grünen übernommen haben, entgegenschlägt, das ist zum Teil menschenverachtend. Und Sie haben mit Ihrer Politik dazu einen Beitrag geliefert.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Und dann legen Sie letzte Woche sogar noch einen drauf und sagen zu dem Gesetz – was im Übrigen in Bayern „Klimagesetz“ heißt, den Gesetzentwurf aus der Bundesregierung mit einer Regelung, die dem des bayrischen Klimagesetzes ähnlich ist –, dort wolle offensichtlich die Bundesregierung eine „Energiestasi“ einsetzen. Also entschuldigen Sie, Herr Voigt, Sie reden viel über Ihre DDR-Vergangenheit, aber wie man nur so geschichtsvergessen sein kann, diese Verbrechen,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

die auch von der Stasi begangen worden sind, derart zu relativieren, das ist mir unverständlich. Und Sie schüren damit eine völlig undifferenzierte und auch falsche und auch am Sachthema vorbeigehende Stimmung. Das ist eben auch Ihre Verantwortung, die zu diesem gesellschaftlichen Klima beitrug, das wir in diesem Thüringen-Monitor erleben. Es wird deutlich, dass Sie auf die 60 Prozent der Thüringerinnen, die laut Monitor anfällig für Populismus sind, schielen, und zwar um des Wahlerfolgs wegen. Offensichtlich nehmen Sie den Verlust des Demokratie- und Institutionenvertrauens und die Verschlechterung des gesellschaftlichen Klimas

als Kollateralschaden einfach in Kauf. In der – empfehle ich Ihnen – aktuellen Kolumne vom „Spiegel“Autor Christian Stöcker heißt es etwa dazu, dass auch der Tonfall aus der Union teils nicht mehr von Äußerungen aus der AfD zu unterscheiden sei: „Die trumpeske Diffamierung des politischen Gegners ist in einem Land mit Verhältniswahlrecht selten ratsam oder gar nachhaltig. Vor allem aber beschädigt sie die Qualität des politischen Diskurses und damit am Ende die Demokratie selbst.“

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)