Protocol of the Session on November 3, 2017

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich heiße Sie alle herzlich willkommen zu unserer heutigen Plenarsitzung. Besonders herzlich heiße ich, ich glaube, vier 9. Klassen der Edith-Stein-Schule in Erfurt in unserem Rund auf der Besuchertribüne willkommen.

(Beifall im Hause)

Ich möchte etwas nachholen, was ich am Mittwoch vergessen habe. Durch die Bundestagswahl sind zwei unserer Kollegen in den Bundestag eingezogen. Daraufhin sind zwei Kollegen nachgerückt und jetzt neu in den Landtag eingezogen. Ich möchte sie herzlich begrüßen. Das ist einmal Frau Scheerschmidt in der SPD und es ist Herr Rietschel,

(Beifall im Hause)

der ja bereits seine Jungfernrede gehalten hat. Herzlich willkommen Ihnen beiden und auf eine gute Zusammenarbeit!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, für die Plenarsitzung hat als Schriftführer neben mir Abgeordneter Schaft Platz genommen. Die Redeliste wird von Frau Abgeordnete Rosin geführt.

Für die heutige Sitzung haben sich eine ganze Reihe Kollegen entschuldigt: Frau Abgeordnete Becker, Herr Abgeordneter Fiedler, Frau Abgeordnete Leukefeld, Frau Abgeordnete Meißner, Frau Abgeordnete Tasch, Herr Minister Prof. Dr. Hoff, Frau Ministerin Keller, Herr Minister Lauinger, Herr Minister Maier, Herr Minister Tiefensee zeitweise und Herr Abgeordneter Siegfried Gentele. Ich darf den Kolleginnen und Kollegen in der Regierung und auch im Landtag, die erkrankt und ernsthaft erkrankt sind, von hier aus alles Gute und beste Genesung wünschen.

(Beifall im Hause)

Danke schön.

Wir kommen zur Tagesordnung. Ich frage, ob es weitere Änderungswünsche gibt. Das ist nicht der Fall, sodass wir jetzt unmittelbar eintreten können.

Ich rufe auf, wie verabredet, den Tagesordnungspunkt 30

Beratung des Zwischenberichts des Untersuchungsausschusses 6/2 „Aktenlager Immelborn“

Beschluss des Thüringer Landtags - Drucksache 6/3373 dazu: Zwischenbericht des Untersuchungsausschusses 6/2 „Aktenlager Immelborn“ - Drucksache 6/4641

Vor der Aussprache erteile ich der Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses, Frau Abgeordneter Henfling, das Wort. Bitte schön, Frau Henfling.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, sehr geehrter Herr Präsident, liebe Schülerinnen und Schüler! Die heutige Debatte findet aufgrund der am 26. Februar 2017 vom Thüringer Landtag beschlossenen Drucksache 6/3310 statt. Demnach wurde der Untersuchungsausschuss mit der Erstattung eines Zwischenberichts bis zum 31. Mai dieses Jahres beauftragt. Da dieser Termin allerdings nicht eingehalten werden konnte, wurde er zunächst in den September verschoben. Währenddessen hat die CDU-Fraktion in der Sommerpause beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf einstweilige Anordnung zum Zwischenbericht gestellt. Die Erstellung des Berichts konnte dann erst nach dem Beschluss des Verfassungsgerichts am 13. September abgeschlossen werden. Anschließend wurde den Fraktionen Gelegenheit gegeben, in einem Sondervotum eine eigene Stellungnahme zum Bericht abzugeben. Diese Frist endete am 16.10.2017. Die Fraktion der CDU hat diese Möglichkeit wahrgenommen. Ihre Stellungnahme ist im Bericht unter dem Gliederungspunkt E beigefügt.

Ich möchte zunächst kurz darauf eingehen, warum die Aussprache über den Bericht erst heute, also vier Monate später als ursprünglich beschlossen, stattfinden kann. Dies liegt im Wesentlichen in den unterschiedlichen Auffassungen der Fraktionen begründet, welche Teile der Zwischenbericht beinhalten sollte. Die CDU-Fraktion hat von Anfang an den Standpunkt vertreten, dass ein Zwischenbericht keinen Wertungsteil enthalten dürfe. Aufgrund dieser Rechtsposition konnte im Ausschuss zwischen den Fraktionen keine Einigkeit über Inhalt und Umfang des Zwischenberichts erzielt werden, was dementsprechend dann auch Auswirkungen auf die im Ausschuss diskutierten und beschlossenen Terminpläne hatte. In seiner Sitzung am 24. April kam der Ausschuss dann überein, dass eine Vorlage des Berichts noch vor der Sommerpause nicht realisiert werden könne. Terminfragen und die Zulässigkeit eines Wertungsteils im Zwischenbericht waren dann erneut Thema einer Plenarsitzung am 22. Juni 2017. Mit dem Ziel, die Vorlage eines Zwischen

berichts mit Wertungsteil zu verhindern, stellte die CDU-Fraktion am 24. Juli einen Antrag auf einstweilige Anordnung beim Verfassungsgerichtshof. Bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs verzögerte sich die Vorlage des Berichtsentwurfs – wie bereits erwähnt – dann ein weiteres Mal.

Da die Thematik der Rechtmäßigkeit eines Wertungsteils in einem Zwischenbericht dennoch bis hin zu den Presseäußerungen in den letzten Wochen zwischen Ausschussmehrheit und der CDUFraktion umstritten blieb, möchte ich deshalb an dieser Stelle zu den von der CDU in der Öffentlichkeit wiederholt vorgetragenen Sachverhalten einige Klarstellungen vornehmen.

Während des gesamten Prozesses der Erarbeitung des Zwischenberichts wurde durch die Ausschussmehrheit immer klargestellt, dass es sich bei den Darlegungen im Bericht nur um vorläufige Tatsachenfeststellungen und Wertungen handelt. Dementsprechend waren in der Vergangenheit bei anderen Thüringer Untersuchungsausschüssen bereits Zwischenberichte verfasst worden. Dem Vorwurf der CDU, die Ausschussmehrheit hätte ihr nicht zustehende Wertungen vorgenommen, mit denen Parlament und Öffentlichkeit in die Irre geführt würden, möchte ich deshalb ausdrücklich widersprechen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

An jeder Stelle des Zwischenberichts ist der vorläufige Charakter der Feststellung und Wertung klar gekennzeichnet. Bei noch offenen Fragen wird im Bericht klar darauf hingewiesen, dass diese in der weiteren Beweisaufnahme behandelt werden sollten und dass sich die vorläufigen Feststellungen aufgrund von neu gewonnenen Erkenntnissen im Hinblick auf einen Abschlussbericht dann auch ändern könnten. Zudem hält der Zwischenbericht auch fest, auf welchen Zeitpunkt der Beweisaufnahme sich diese vorläufigen Feststellungen und Wertungen beziehen, nämlich auf den des Landtagsbeschlusses vom 26.01.2017. Nach diesem Stichtag in das Verfahren eingeführte Zeugenaussagen und Urkundenbeweise wurden nicht in den Teil C zu den ermittelten Tatsachen des Zwischenberichts aufgenommen. Dementsprechend wurden dazu auch im Wertungsteil keine abschließenden Feststellungen und Wertungen getroffen. Auch wurde die Beweisaufnahme des Ausschusses nach dem Landtagsbeschluss niemals unterbrochen. Das diesbezüglich rechtmäßige Vorgehen des Ausschusses wird auch noch einmal durch den Beschluss des Verfassungsgerichts vom 13. September bestätigt. Dort heißt es auf Seite 7 – ich zitiere –: „Es“ – also das Recht der CDU auf eine effiziente Durchführung des Verfahrens – „wäre durch einen Zwischenbericht mit Wertung auch nicht betroffen, solange gesichert ist, dass hierdurch eine

abschließende Beweiswürdigung nicht erfolgt und die Beweisaufnahme fortgeführt wird.“

Weiterhin möchte ich noch darauf hinweisen, dass der CDU selbstverständlich ausreichend Zeit zur Verfügung stand, ihre Kritik an dem Wertungsteil in einem Sondervotum darzulegen. Hierzu verweise ich nochmals auf den Beschluss des Verfassungsgerichts, das zum Thema der Rechte einer Minderheitsfraktion auf Seite 7 ausführt – ich zitiere –: „[…]oder abweichende Ansichten zu Ausschussberichten in einer eigenen schriftlichen Stellungnahme zu äußern […]. Insbesondere von der letztgenannten Möglichkeit kann die Antragstellerin auch in Zukunft weiter Gebrauch machen.“ Ich möchte deshalb noch einmal festhalten: Der Verfassungsgerichtshof hat bejaht, dass ein Zwischenbericht unter gewissen Vorgaben einen Wertungsteil enthalten kann, und der vorliegende Zwischenbericht wurde gemäß diesen Vorgaben erstellt.

Darüber hinaus möchte ich einen weiteren, von der CDU während der Berichterstellung wiederholt erhobenen Vorwurf entkräften, nämlich den, die Ausschussmehrheit würde verhindern, dass entscheidende Fragen des Untersuchungsauftrags im Ausschuss nicht behandelt würden. Exemplarisch dazu ein Satz aus der Pressemitteilung der CDU vom 24. Oktober – ich zitiere –: „Zugleich setzt die Linkskoalition alle Hebel in Bewegung, damit der Untersuchungsausschuss nicht zu den entscheidenden Rechtsfragen vordringen kann“. Das ist schlicht unzutreffend. Die Fraktionen sind in der Wahl der Beweisthemen für ihre Anträge völlig frei. Die CDU hätte also auch zu diesen Themen in den letzten zwei Jahren jederzeit Beweisanträge stellen können. Die Ausschussmehrheit hat jedenfalls bisher keinen einzigen Beweisantrag auf Zeugenvernehmung der CDU abgelehnt. Wenn Vernehmungen dann allerdings wie bei unserer letzten Ausschusssitzung am 23. Oktober verlaufen, bei der Zeugen entweder überhaupt keine Angaben zum Sachverhalt machen können oder längst erhobene Tatsachen zum wiederholten Mal nur erneut bestätigen, hat dies die antragstellende Fraktion der CDU selbst zu verantworten.

Zum Thema der offenen Rechtsfragen hat die CDU tatsächlich bisher nur ein einziges Mal mit einem Antrag zur Einholung eines Sachverständigengutachtens einen Versuch zur Beweiserhebung unternommen. Es trifft zwar zu, dass dieser von den Koalitionsfraktionen im Ausschuss als unzulässig abgelehnt wurde, die CDU-Fraktion hat daraufhin aber auch ihr Recht wahrgenommen und die Richterkommission angerufen. Diese legte am 7. März in einer gutachterlichen Äußerung dar, dass der Antrag zwar zulässig, jedoch auch sachwidrig sei. Nach der darauffolgenden Ablehnung des Antrags durch die Ausschussmehrheit wegen Sachwidrigkeit hätte die CDU zwei Möglichkeiten gehabt. Sie hätte juristisch dagegen vorgehen oder nach den

Vorgaben der Kommission sachgerechte Beweisanträge stellen können. Beide Möglichkeiten hat die CDU-Fraktion allerdings nicht genutzt. Stattdessen beauftragte sie die Landtagsverwaltung mit der Erstellung eines Gutachtens mit einer ähnlichen Fragestellung wie beim abgelehnten Beweisantrag. Bei der Vorlage des Gutachtens wies die Landtagsverwaltung mit Verweis auf die geltende Beschlusslage dann darauf hin, dass die konkret gestellten Fragen im Gutachten nur abstrakt beantwortet werden könnten. Dies wurde von der CDU in einer Pressemitteilung vom 24.10. dann aber ignoriert. Das abstrakte Landtagsgutachten, das überhaupt keine Wertung zu konkreten Sachverhalten des Untersuchungsgegenstandes vorgenommen hat, wurde nur so ausgelegt, als ob sich daraus ein konkretes Fehlverhalten des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit ableiten ließe.

Ich möchte deshalb mit Bezug auf meine bereits gemachten Anmerkungen zur Vorläufigkeit von Feststellungen und Wertungen an dieser Stelle festhalten: Unzulässige Wertungen werden von der CDU in ihren Pressemitteilungen, nicht aber von dem Ausschuss in Gänze im Zwischenbericht vorgenommen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte meine Ausführungen zum formalen Teil des Zwischenberichts mit der Bitte an die CDU beschließen, zu einer sachlichen Arbeitsweise im Ausschuss zurückzukehren und die von der Richter-Kommission und vom Verfassungsgerichtshof ergangenen Entscheidungen zu respektieren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde es befremdlich, wenn die CDU in ihren Pressemitteilungen unterstellt, sie würde im Ausschuss von den anderen Fraktionen in ihrer Arbeit durch unrechtmäßige Verfahrensweisen behindert. Ich möchte deshalb an dieser Stelle zusammenfassen: Der Zwischenbericht wurde gemäß den Hinweisen des Verfassungsgerichtshofbeschlusses erstellt. Feststellungen und Wertungen sind als vorläufig gekennzeichnet, es wird auch keine abschließende Beweiswürdigung vorgenommen. Für die Darstellung abweichender Meinungen in einem Sondervotum stand ausreichend Zeit zur Verfügung. Dieses – wie andere Minderheitenrechte – wurde durch die Ausschussmehrheit jederzeit gewahrt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, es ist wichtig, das zu sagen, weil in der Außenwirkung dargestellt wird, dass wir als Untersuchungsausschuss Minderheitenrechte beschnei

den würden. Ich finde, das bedarf einer Klarstellung. Es ist meines Erachtens wichtig, auch in einer Demokratie sagen zu können, dass das nicht den Tatsachen entspricht, wie eine Fraktion das hier darstellt, und es ist dem Ansehen des Untersuchungsausschusses nicht besonders dienlich. Ich finde, deswegen sollte man das hier auch an dieser Stelle klarstellen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nach den Ausführungen zum formalen Teil der bisherigen Ausschusstätigkeit gehe ich nun zu den inhaltlichen Fragestellungen über. Dabei möchte ich zunächst noch einmal an den eigentlichen Untersuchungsauftrag erinnern. Im Juni 2013 erlangte die Behörde des Thüringer Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Kenntnis von einem ungesicherten Aktenlager in einem Gewerbegebiet der Gemeinde Barchfeld-Immelborn. Bis zur Insolvenz im Januar 2008 waren dort Firmen zur Erbringung von Archivierungsdienstleistungen ansässig. Seither war dieses Aktenlager nicht mehr weiterbetrieben worden. Der Aktenbestand mit mehreren Hunderttausend Akten war jedoch im Gebäude verblieben. Der Zustand des ungenutzten Gebäudes verschlechterte sich im Laufe der Jahre immer weiter. Eine gesicherte Aufbewahrung des Aktenbestands mit personenrelevanten Daten war nicht mehr gewährleistet. Die Akten waren somit dem Zugriff unbefugter Dritter ausgesetzt. Durch diese Verletzung der Datenschutzgesetze war eine Störung der öffentlichen Sicherheit eingetreten. Die Behörde des Thüringer Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit reagierte nach der Kenntnisnahme umgehend, indem sie zur Beseitigung der Rechtsverstöße mit anderen Behörden in Kontakt trat. Seit dem Zutritt des TLfDI ins Aktenlager am 15. Juli 2013 nahm die Öffentlichkeit über eine kontinuierliche Medienberichterstattung am weiteren Umgang mit dem Fall Immelborn teil. Nach der Kenntnisnahme des TLfDI kam es zwischen den Behörden schnell zu unterschiedlichen Auffassungen darüber, welche Maßnahmen geeignet wären, die vorgefundenen Zustände zu beheben, und wer dafür zuständig sei. Neben den Fragen zur Gebäudesicherung standen dabei auch Fragen zum weiteren Umgang mit dem Aktenbestand im Raum.

Zur Sichtung des Aktenbestands stellte der TLfDI bei der Landespolizeidirektion einen Antrag auf Amtshilfe, der schlussendlich im April 2014 durch das Innenministerium abgelehnt wurde. Daraufhin verklagte der TLfDI das Innenministerium auf Gewährung der Amtshilfe. Nachdem sich der ehemalige Firmeninhaber im Herbst 2014 dann bereit erklärt hatte, als Nachtragsliquidator aufzutreten, konnte das Aktenlager dann bis zum März 2015 beräumt werden. Mit dem Bekanntwerden dieser Beräumungsarbeiten hegte die CDU-Fraktion den

Verdacht, bei den durch den TLfDI ergriffenen Maßnahmen seien schwerwiegende Fehler begangen worden. Es wurde darüber hinaus der Vorwurf erhoben, der TLfDI hätte seine Handlungen sogar bewusst darauf ausgerichtet, dem CDU-geführten Innenministerium zu schaden. Zitat aus der Pressemitteilung der CDU vom 12. Februar: „Wir wollen klären, welche Möglichkeiten der Sicherung und Beräumung des Aktenlagers seit dem Sommer 2013 bestanden, geprüft und verfolgt worden sind. Auf dieser Basis muss geklärt werden, ob die Lösung dieses Problems bewusst verschleppt oder mögliche Ansätze ungenutzt blieben, um daraus politisches Kapital zu schlagen, insbesondere zulasten der damaligen Hausleitung des Thüringer Innenministeriums. Sollte sich bei der Untersuchung herausstellen, dass Hasse den Vorgang bewusst verschleppt oder missbraucht hat, wäre das ein weitaus größerer Skandal als der Aktenfund selbst.“ Mit Beschluss vom 26. März 2015 wurde dann der Untersuchungsausschuss 6/2 eingesetzt, um die beschriebenen Vorgänge um das Aktenlager zu beleuchten und um zu untersuchen, durch wen es dabei zu welchem Verhalten gekommen sein könnte. Im vorliegenden Zwischenbericht sind die 30 im Einsetzungsbeschluss aufgeworfenen Fragen im Teil D in fünf größere Untersuchungskomplexe eingegliedert und werden dort nach dem Stand der Beweisaufnahme vom 26.01.2017 beantwortet.

In meinem weiteren Redebeitrag werde ich mich darauf beschränken, nur kurz auf einzelne Ergebnisse aus dem Untersuchungskomplex einzugehen und einen Ausblick auf die weitere Untersuchungstätigkeit zu geben. Ansonsten verweise ich auf die detaillierten Ausführungen zu den Einzelfragen im Bericht.

Der erste Untersuchungskomplex beschäftigt sich mit den Fragen zu den historischen Hintergründen des Aktenlagers und den Umständen, die zur Entdeckung durch den Landesdatenschutzbeauftragten geführt haben. Der Ausschuss konnte feststellen, dass mehrere Firmen zum Betrieb des Aktenlagers in Immelborn ansässig waren, wann diese gegründet und verkauft wurden, wie deren Insolvenzverfahren verliefen und welche Personen wann die Sachherrschaft über das Aktenlager bis zur Entdeckung ausübten. Kurz gesagt bestand das Geschäftsmodell des Aktenlagers darin, für ihre Kunden umfangreiche Aktenbestände zugriffsfähig einzulagern und diese nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen zu vernichten. Als wesentliche Betreiberfirma war dazu 1993 die Ad Acta gegründet worden, für die im Januar 2008 Insolvenz angemeldet wurde und deren Insolvenzverfahren im Januar 2013 endete. Seit Beginn der 2000er-Jahre war mit der EDS ein weiterer Archivierungsdienstleister ansässig, der von der Ehefrau des Inhabers der Ad Acta betrieben wurde. Entgegen der Anmerkung im Sondervotum der CDU zur Firma EDS möchte ich

darauf hinweisen, dass zu dieser Firma keine abschließenden Feststellungen getroffen werden können. Die beispielsweise dort angeführten Gewerberegisterauszüge befinden sich zwar in der dem Ausschuss zur Verfügung stehenden Aktenlage, sie wurden aber noch nicht ins Verfahren eingeführt. Feststellungen dazu, die im Sondervotum gefordert wurden, wären demnach unzulässig und sind deshalb im Zwischenbericht unterblieben.

Festzustellen ist allerdings, dass es bereits vor der Entdeckung im Sommer 2013 bezüglich des Aktenlagers zu Versäumnissen gekommen ist. Nach der Insolvenz im Januar 2008 erlangten zwar mehrere Behörden und Personen Kenntnis von den Zuständen um das Aktenlager, eine Informationsweitergabe an die zuständigen Datenschutzbehörden erfolgte aber nicht. So hatten die Staatsanwaltschaft Mühlhausen, die Thüringer Staatsarchive, das Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, die Amtsgerichte Meiningen und Jena, die Gemeinde Immelborn, das Landratsamt Wartburgkreis und die Polizeiinspektion Bad Salzungen jeweils für ihren Zuständigkeitsbereich Maßnahmen bezüglich des Aktenlagers ergriffen. Aber erst die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen blickte sozusagen über den Tellerrand des eigenen Zuständigkeitsbereichs hinaus. Nachdem sie im Frühjahr 2013 von einer Ärztin über das Aktenlager informiert worden war, setzte sie den Datenschutzbeauftragten davon in Kenntnis. Zum Stand der Beweiserhebung zu diesem Untersuchungskomplex ist zu sagen, dass der noch zu erwartende Aufklärungsbedarf überschaubar sein dürfte.

Beim zweiten Untersuchungskomplex, bei dem es um die Fragen des Vorgehens gegen die für die Störung der öffentlichen Sicherheit Verantwortlichen geht, möchte ich die Frage der Ersatzvornahme herausgreifen. Da der vormalige Eigentümer des Aktenlagers durch seinen Umzug in die Schweiz nicht erreichbar war, entschied sich der Datenschutzbeauftragte, zur Herstellung datenschutzkonformer Zustände in die Ersatzvornahme einzutreten. An diesem Beispiel könnte ich noch einmal die bereits eingangs gemachten Anmerkungen zur Vorläufigkeit der im Zwischenbericht gemachten Feststellungen und Wertungen illustrieren. Wegen der unklaren Rechtslage trifft der Zwischenbericht zu diesem Thema eben keine endgültige Wertung, sondern lässt diese offen. Ich zitiere aus der Randnummer 1008: „Es gibt zu diesem Rechtsproblem unterschiedliche Auffassungen und gegensätzliche Positionen in der Kommentierung des Gesetzes. Die Entscheidung des TLfDI wird durch eine der beiden divergierenden Literaturmeinungen gestützt. Der Untersuchungsausschuss regt eine Klarstellung durch den Bundesgesetzgeber an.“ Ansonsten möchte ich zu diesem Untersuchungskomplex noch anmerken, dass es über diese angespro

chenen Rechtsfragen hinaus keinen erheblichen Beweiserhebungsbedarf mehr geben dürfte.

Damit komme ich zum dritten Untersuchungskomplex, der sich mit den Fragen der Sicherung des Aktenlagers beschäftigt. Wie bereits erwähnt, waren die personenrelevanten Akten durch den ungesicherten Zustand des Gebäudes der möglichen Einsichtnahme durch unbefugte Dritte ausgesetzt. Als wichtigstes Rechtsgut war dadurch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Da der für die Gebäudesicherung eigentlich zuständige Immobilieneigentümer durch seinen Aufenthalt in der Schweiz nicht erreichbar war, stellte sich somit die Frage, welche Behörde für die vom Gebäude ausgehende Gefahrenabwehr zuständig war. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass die Zuständigkeit bei der Gebäudesicherung nicht beim TLfDI, sondern bei der Polizei und/oder der Gemeinde gelegen hat. Diese konnten sich allerdings bis zur Beräumung des Aktenlagers weder über die Zuständigkeit noch über geeignete Sicherungsmaßnahmen einigen. Die vermutlich geeignetste Maßnahme wäre eine bauliche Sicherung durch das einbruchssichere Verschließen von Türen und Fenstern gewesen, die somit aber nicht realisiert werden konnte. Stattdessen musste die Polizei das Gebäude über fast zwei Jahre hinweg täglich bestreifen. Das Innenministerium als übergeordnete Behörde führte trotz der Kenntnisse über diesen Zuständigkeitsstreit keine Klärung herbei. Der weitere Aufklärungsbedarf bei diesem Untersuchungskomplex dürfte vor allem davon abhängig sein, inwieweit der Ausschuss diese Zuständigkeitsfragen vertiefen möchte.

Der vierte Untersuchungskomplex beschäftigt sich mit den Fragen zur Art und des Umfangs des Aktenbestands und dessen Sichtung. Den größten Raum nimmt dabei die Frage des Amtshilfegesuchs ein, das der TLfDI an die Landespolizeidirektion gerichtet hatte. Dazu zunächst ein paar Worte, warum ein solches vom TLfDI überhaupt gestellt wurde: Nach dem Erstzutritt wurde der Bestand auf etwa 250.000 Akten geschätzt. Ziel des Datenschutzbeauftragten war es, diese an die Akteneigentümer zurückzuführen. Dazu musste aber erst einmal festgestellt werden, wem diese Akten überhaupt gehören. Aufgrund der chaotischen Zustände in dem Gebäude sah sich der Datenschutzbeauftragte allerdings nicht in der Lage, nur mit seinen Behördenmitarbeiterinnen und -mitarbeitern die notwendigen Sicherungsmaßnahmen durchzuführen. Dabei verwies er darauf, dass er für eine Sondersituation wie Immelborn weder über genügend Personal noch über das technische Gerät verfüge, das für das Bewegen des auf Paletten und in Gitterboxen lagernden Aktenbestands notwendig war. Deshalb nahm er schon frühzeitig Kontakt zur Landespolizeidirektion auf, um über die Frage einer möglichen Amtshilfe zu reden.

Ich möchte den weiteren Verlauf hier nur kurz skizzieren. Nachdem es aus der LPD zunächst Signale an den Datenschutzbeauftragten gegeben hatte, einer Amtshilfe wohlwollend gegenüberzustehen, wurde das Gesuch dennoch am 9. Oktober 2013 abgelehnt. Durch die bisherige Beweisaufnahme kann festgestellt werden, dass für diese Ablehnung die Intervention des damaligen Staatssekretärs des Innenministeriums eine mitentscheidende Rolle gespielt haben dürfte. Klar zu kritisieren ist hierbei das Agieren des Thüringer Innenministeriums, dem es zu diesem Zeitpunkt nicht zustand, auf das Gesuch Einfluss zu nehmen. Als Aufsichtsbehörde wäre das Ministerium erst nach einem Entscheid der LPD über das Gesuch berechtigt gewesen, sich mit der Frage der Amtshilfe zu beschäftigen. Im weiteren Verlauf kam es dann zwischen TLfDI und Innenministerium zum Austausch mehrerer Schriftsätze zum Amtshilfeersuchen, bis dieses dann schließlich im April 2014 endgültig abgelehnt wurde. Darauf reagierte der TLfDI mit einer Klage gegen das Innenministerium beim Verwaltungsgericht Weimar. Da das Gericht zum Zeitpunkt der Beräumung des Aktenlagers im Februar 2015 über das Verfahren noch nicht entschieden hatte und der Klagegrund mit der Auflösung des Lagers entfallen war, stellten sowohl TLfDI als auch das Innenministerium Anträge auf das Ruhen des Verfahrens, das dann mit dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Weimar vom 18. Februar 2016 beendet wurde.

Meine Anmerkungen zu diesem Untersuchungskomplex sind damit abzuschließen, dass zur Frage der Amtshilfe im Ausschuss weiterhin unterschiedliche Rechtsauffassungen bestehen. Der Ausschuss wird entscheiden müssen, in welcher Tiefe er sich mit dieser Thematik weiterhin beschäftigen will.

Beim fünften und letzten Untersuchungskomplex geht es um die Fragen, die sich mit der Beräumung des Aktenlagers beschäftigen. Dazu ist zunächst anzumerken, unter welchen Rahmenbedingungen die Akten in Immelborn eingelagert wurden. Die Verträge des Aktenlagers waren so gestaltet, dass die Kunden zum Einlagerungsbeginn einmalig einen gesamten Preis für die komplette Aufbewahrungszeit und die anschließende Vernichtung gezahlt hatten. Der Insolvenzverwalter des Aktenlagers hatte die Kunden nach 2008 aufgefordert, ihre Akten wieder zurückzunehmen. Die Kunden weigerten sich allerdings, die Rückführungskosten zu übernehmen, da sie schließlich schon einmal für das Gesamtpaket gezahlt hatten. Nach einer ersten Teilsichtung forderte der Datenschutzbeauftragte im September 2013 die einlagernden Kunden ebenfalls zur Rücknahme auf. Allerdings holte im Januar 2014 nur ein Kunde seinen Bestand aus dem Aktenlager ab. Im Sommer 2014 lud der Datenschutzbeauftragte einige einlagernden Kunden in seine Behörde. Eine bei diesem Treffen angedachte Lösung scheiterte dann aber erneut an ungeklärten

Eigentumsfragen von noch im Aktenlager verbliebenen Mobilien. Erst durch die Bereitschaft des Firmengründers im Herbst 2014, das Amt des Nachtragsliquidators zu übernehmen, war die Möglichkeit eröffnet, das Lager zu beräumen. Nach der Bestellung durch das Insolvenzgericht wurde dann im Februar und März 2015 in der Verantwortung des Nachtragsliquidators und unter Aufsicht des Datenschutzbeauftragten die Beräumung realisiert. Der Ausschuss hat zu den Fragen, welche Institutionen und Entsorgungsfirmen wann und zu welchen finanziellen Bedingungen die Beräumung durchführten, umfassend Beweis erhoben. Wie schon bei den anderen Untersuchungskomplexen bleiben hier allenfalls Rechtsfragen offen, hier vor allem diejenigen, die sich um die Nachtragsliquidation drehen.

Ich komme zum Schluss und zu meinem Resümee. Da mittlerweile von allen Akteuren, die in die Vorgänge um das Aktenlager involviert waren, Zeugenaussagen vorliegen, ergibt sich zu den Hintergründen und Abläufen des Falls „Immelborn“ ein ziemlich klares Gesamtbild. Den weiteren Aufklärungsbedarf bei der Ermittlung des Sachverhalts halte ich für überschaubar. Er dürfte größtenteils über die Erhebung von Urkundenbeweisen gedeckt werden können. Wie dargelegt, können lediglich zu einzelnen Maßnahmen und Handlungen und zu deren rechtlichen Einordnung noch keine endgültigen Wertungen vorgenommen werden.