indem Sie gesagt haben, wir würden hier Opfer nebeneinander stellen und ungleich behandeln. Das sind unterschiedliche Fragen, die wir hier zu klären haben.
Die Opfer der NSU-Anschläge und die Angehörigen der Ermordeten haben ein teilweise massives Martyrium hinter sich. Nicht nur dass sie ihre Angehörigen und ihre Lieben verloren haben, sie sind auch massiv verdächtigt worden,
genau, selber schuld am Tod ihrer Angehörigen zu sein oder auch an der Tatsache, dass sie bei einem Sprengstoffanschlag verletzt wurden. Sie sind rassistischen Praxen in den Sicherheitsbehörden ausgesetzt gewesen. Das kann man nicht anders sagen. Das ist übrigens nicht die gleiche Aussage wie „die gesamte Polizei ist rassistisch“. Das hat hier niemand gesagt. Aber worüber wir reden müssen, ist der Rassismus, den es in einigen Behörden gibt.
Das heißt nicht, dass einzelne Polizistinnen und Polizisten rassistisch handeln, sondern das heißt, dass wir Grundlagen haben, die dazu führen, dass sie das tun. Und das müssen wir aufklären, dazu haben wir übrigens die Enquetekommission zum Thema „Rassismus“ eingerichtet.
Diese Menschen haben also ihre Angehörigen durch Personen verloren, die rassistisch motiviert durch dieses Land gezogen sind und Menschen ermordet oder mit Anschlägen verletzt haben und sie sind danach gleich noch mal, als es eigentlich darum ging, aufzuklären, warum ihre Angehörigen ermordet wurden, an vielen Stellen – auch öffentlich – mit Rassismus überzogen worden. Auch die Medien haben da mitgemacht. Ich erinnere an das Wort „Dönermorde“, was hier jahrelang eine Rolle gespielt hat.
Ich will da ganz kurz noch mal Semiya Şimşek, die Tochter von Enver Şimşek, zitieren, die gesagt hat: „Ich kann akzeptieren, dass die Polizei alle Möglichkeiten prüfen musste, dass sie auch in die Familie hineinleuchtete. Aber die Art, wie sie es tat, war unerträglich, all die Verdächtigungen und Unterstellungen. Der Druck, dem sie uns aussetzte, sollte in den folgenden Wochen immer heftiger werden.“ Das berichten ganz viele Angehörige der vom NSU Ermordeten, dass sie massivem Druck ausgesetzt worden sind, dass sie rassistisch behandelt worden sind, dass sie verdächtigt worden sind und dass sie dadurch psychische und physische Folgen davongetragen haben.
Jetzt kann man sagen, wir in Thüringen haben keine Verantwortung dafür, was Sicherheitsbehörden in anderen Bundesländern gemacht haben. Aber da bin ich bei meiner Kollegin Birgit Pelke. Was ist denn das für eine Art und Weise, wenn wir uns hier hinstellen und immer schön die Verantwortung von A nach B schieben?
Wer soll uns als Politikerinnen und Politiker denn ernst nehmen, wenn wir es nicht mal schaffen, hier klar zu sagen, nachdem wir es aufs Papier gesetzt haben: Ja, wir übernehmen diese Verantwortung und ja, wir wollen, dass so etwas nicht wieder passiert. Diese Verantwortung übernehmen wir ein Stück mit dem Opferentschädigungsfonds. Dafür zu sorgen, dass das nicht wieder passiert, eine Stätte der Mahnung, der Erinnerung, aber auch eine Stätte zu haben, in der wir darüber reden können, wie es denn dazu kommt, dass Leute von Rechtsterroristen ermordet werden, dass diese Grundlage dafür Rassismus ist, darüber müssen wir in so einer Gedenkstätte reden können. Das machen wir in ganz vielen Gedenkstätten in Thüringen, das machen wir in den Gedenkstätten, die wir beispielsweise für die Holocaustopfer haben, das haben wir aber auch in Gedenkstätten für die Opfer der DDR. Da reden wir darüber, wie wir dafür sorgen können, dass so was nicht wieder passiert. Das ist genau unser Ansinnen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich noch ganz kurz auf die Frage eingehen, die Herr Rudy aufgeworfen hat – ist schon eigentlich nett formuliert, so nett wollte ich es gar nicht sagen, weil ich es auch gar nicht so nett meine. Wissen Sie, warum wir Ihren Anträgen nicht zustimmen, immer wenn es darin um islamistischen Terror geht? Nicht weil wir der Meinung sind, dass das nicht schlimm ist, was da passiert und nicht, weil wir der Meinung sind, dass bei Anis Amri in Berlin keine Fehler passiert sind. Da gibt es einen Untersuchungsausschuss.
Wir haben uns als Grüne sehr wohl für einen Untersuchungsausschuss in diesem Bereich eingesetzt. Ich verbitte mir,
dass Sie permanent lügen. Das verbitte ich mir. Das ist einfach nicht wahr. Es gibt dazu einen Untersuchungsausschuss.
Da übernehmen wir genauso Verantwortung, wie wir das immer tun, wenn so etwas passiert. Da ist es erst mal nicht wichtig, ob das ein islamistischer Terroranschlag war oder ob es ein rechtsterroristischer Anschlag war, wir übernehmen an dieser Stelle Verantwortung. Ich verbitte mir sozusagen, uns hier zu unterstellen, dass wir da nicht mit gleicherlei Maß messen, das ist schlicht und ergreifend falsch. Was wir nicht machen, ist, Ihren Anträgen zuzustimmen, die hier permanent versuchen, gute und schlechte Opfer hinzustellen.
Das ist genau das, was Sie tun. Sie sagen, wir müssen, wenn die Täter islamistisch motiviert waren, dann ist das für Sie ja immer – Sie haben das ja hier auch wieder getan, Sie haben auch gesagt, wir kümmern uns nicht darum. Das stimmt einfach nicht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte Sie bitten, heute hier diesen beiden Anträgen zuzustimmen. Ich halte sie für einen wichtigen Schritt, was die Aufklärung angeht. Ich glaube, dieses Parlament hat heute gezeigt, dass wir mit einem Erinnerungsort in Thüringen viel Arbeit haben werden, dass wir sozusagen hier auch die richtigen Zeichen gesetzt haben. Ich bin auch bei Bodo Ramelow, wenn er sagt, dass wir darüber reden müssen, wie das Ganze ausgestaltet werden muss. Deswegen steht es auch noch nicht so explizit in diesem Antrag, sondern es ist ein Anstoß, damit wir uns den Prozess überlegen und uns Gedanken darüber machen, wie wir da zu einer wirklich guten Lösung kommen. Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich bin eigentlich entsetzt, wie hier von einem Teil reagiert wird, und ich möchte noch mal an die Kolleginnen und Kollegen der CDU appellieren. Diese Debatte sollte eigentlich oder muss eine Stunde des Anstands werden, des Anstands den Opfern gegenüber.
dachte, das ist seichte Literatur und da kannst du ein paar schöne Stunden am Strand verbringen und liest das Buch. Es waren dann keine schönen Stunden, das Buch ist von Wolfgang Schorlau: „Die schützende Hand“. Wer nicht die Protokolle des Untersuchungsausschusses lesen will, das sind ziemlich dicke Pakete, dem empfehle ich dieses Buch. Es ist zwar ein Buch, in dem ein Privatdetektiv beauftragt wird, zu untersuchen, was in Eisenach-Stregda passiert ist, wie Mundlos und Böhnhardt umgebracht worden sind. Das ist die Romanhandlung. Die Hälfte des Buchs, meine Damen und Herren, sind Zitate, Protokolle, Dokumente aus unserem Untersuchungsausschuss hier im Thüringer Landtag sowie Protokolle des Untersuchungsausschusses des Bundestags. Und es sind Originale, die dort zitiert wurden. Und zu dieser seichten Kost, als ich das gelesen habe, muss ich Ihnen sagen: Nach drei, vier Seiten habe ich entweder nachdenklich das Buch zur Seite gelegt oder habe es auch wutentbrannt in die Ecke geschmissen. Denn auf der einen Seite bekam ich Scham für das, was dort geschildert wurde, und auf der anderen Seite auch Wut, wie dilettantisch dort unter anderem durch Untersuchungsbehörden in Stregda vorgegangen worden ist. Und das ist nicht von dem Schriftsteller erfunden worden, das ist einfach Tatsache und das hat auch unser Untersuchungsausschuss ermittelt. Was mich dann genauso erschüttert hat, ist, dass dort teilweise auch die Attentate geschildert wurden und wie dann durch Untersuchungsorgane – Frau Henfling hat das gesagt – im Prinzip die Betroffenen, die Angehörigen dort selber verdächtigt und fast zu Tätern gemacht wurden. Und das ist doch eigentlich beschämend, dass so was passiert ist.
Gut ist, dass sich alle Fraktionen des Thüringer Landtags – außer eine, die es damals noch nicht gab – geschlossen einig waren, dies zu untersuchen. Dieses Buch, nur ein ganz normaler Kriminalroman, ist unter anderem auch das Ergebnis dieser Untersuchung. Und dieses Buch erschüttert, erschüttert darüber, was passiert ist und mit welchem Dilettantismus man vorgegangen ist, und da sollten wir doch jetzt das Kreuz haben, alle Parteien, bis auf die eine, von der erwarte ich das nicht und die hat auch heute mit diesem Diskussionsbeitrag ihr wahres Gesicht, ihre wahre Ideologie gezeigt. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, damals haben wir Einigkeit gezeigt, damals waren wir einig in dem Willen, wir wollen das untersuchen, so was darf nicht wieder passieren, und da sollten wir, moralisch und auch aus Fragen des Anstands heraus, den wir haben, diesen Anträgen zustimmen. Ansonsten, muss ich sagen, gewinnen solche Leute wie die, die hier sitzen, und das darf nicht sein. Danke.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, mich hat es doch noch einmal an das Pult getrieben, weil hier doch wirklich eine krasse Verkehrung der Tatsachen stattgefunden hat, durch Frau Kollegin Henfling,
(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das haben Sie das letzte Mal schon gemacht! Sie haben Sachen gesagt, die nicht wahr sind! Das geht nicht, Herr Möl- ler!)
wir wären diejenigen, die fordern würden, dass es Opfer zweiter und dritter Klasse gibt. Das ist natürlich absoluter Nonsens, denn – das wissen Sie auch ganz genau – nicht wir sind es, die eine Entschädigung für eine sehr überschaubare Opfergruppe fordern, die es nach aktueller Rechtslage schlicht nicht gibt. Sie sind es, Sie wollen diese Opfergruppe besserstellen.
Natürlich geht es da um eine Besserstellung. Wo ist denn eine entsprechende Regelung, wo bleibt denn Ihre Initiative für Opfer des Terrorismus? Wo bleibt denn Ihre Initiative für Opfer von schwerer Kriminalität, die mittlerweile sehr stark zunimmt? Wo bleibt das denn?
Das können Sie nicht beantworten. Genau deswegen sind Sie es, die hier in Opferkategorien denken: Was ist ein Opfer, das besondere Zuwendung braucht, und was sind Opfer, die wir eher unter den Tisch fallen lassen, weil sie nicht in unsere Ideologie hineinpassen? Da sind wir beim springenden Punkt dieses Antrags. Es geht hier um nichts anderes als um die Instrumentalisierung des Gedenkens an schlimme Vorgänge, um bestimmte politische Positionen zu diskreditieren und die eigene Position zu überhöhen.
Darum geht es Ihnen, um nichts anderes. Das haben insbesondere die Wortbeiträge von Frau Pelke gezeigt. Das hat aber auch der Wortbeitrag von