Protocol of the Session on September 28, 2017

(Zwischenruf Holter, Minister für Bildung, Ju- gend und Sport: Inklusion ist kein linkes Pro- jekt!)

Und Sie haben sich eben nicht …

Sehr geehrter Herr Tischner, Sie haben natürlich das Wort. Ich bitte die Regierung um Einhaltung der Regeln hier in diesem Hohen Hause und auch die Abgeordneten natürlich um etwas mehr Aufmerksamkeit.

Es bleibt dabei, meine Damen und Herren, die Bildungspolitik der letzten Jahre war eine linke ideologische Bildungspolitik und Sie haben es versäumt, sich mit den tatsächlichen Herausforderungen zu beschäftigen. Sie haben es versäumt, sich der Aufgabe anzunehmen, die uns am meisten umtreibt, nämlich die Gestaltung des Generationswechsels an unseren Schulen.

(Beifall CDU)

Herr Minister, ich bin mir nicht sicher, ob Ihnen vor Ihrem Amtsantritt folgende Zahlen mitgeteilt wurden: 750, 940, 967, 1.030

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Sind das die Lottozahlen?)

ich finde es nicht lustig, Frau Henfling –, 1.004. Man merkt wirklich, dass die Koalitionsfraktionen nicht verstanden haben, wie die Situation im Land draußen ist, wie ernst die Situation ist.

(Beifall CDU)

Herr Minister, Sie sollten sich die Zahlen mal genau anschauen. Das sind die Kolleginnen und Kollegen, die in den kommenden fünf Jahren jährlich aus dem Dienst ausscheiden. Das sind in Thüringen 25 Prozent aller Lehrerinnen und Lehrer – in fünf Jahren! –, das ist dramatisch.

(Beifall CDU)

Aber diese Prognose aus dem Jahr 2015 – Frau Rothe-Beinlich, Sie müssten die Zahlen sehr genau kennen, Sie stammen aus einer Anfrage von Ihnen.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist meine Anfrage!)

Dann – hören Sie jetzt mal genau zu! –, müssten Sie Ihre Anfrage vielleicht mal neu stellen. Diese Zahlen sind eben nicht mehr zutreffend. Ich möchte die Dramatik der Situation an den Ruhestandszahlen des vergangenen Schuljahres und des laufenden Schuljahres beschreiben – und dann wird deutlich, dass diese Zahlen eben nicht stimmen.

Einige Worte zum vergangenen Schuljahr 2016/ 2017: Während die Personalabteilung des Ministeriums immer darauf verweist, dass im vergangenen Schuljahr 500 bis 750 Lehrer in den Ruhestand gegangen sind, hält diese Aussagen dem Faktencheck nicht stand. Zu meiner Kleinen Anfrage teilten Sie mir diese Woche dankenswerterweise folgende Zahlen mit: Im vergangenen Schuljahr sind an den Grundschulen in Thüringen 192 Kollegen in den Ruhestand gegangen, an den Regelschulen 288 Kollegen, an den Förderschulen 63 Kollegen, an den Gymnasien 255 Kollegen, an den Thüringer Gemeinschaftsschulen 67 Kollegen, an den staatlichen berufsbildenden Schulen 136 Kollegen. Das macht 1.001 Kollegen, die in den Ruhestand gegangen sind. Umgerechnet auf Stellen sind das 811,8 Stellen, die letztes Jahr in den Ruhestand gegangen sind.

(Zwischenruf Abg. Korschewsky, DIE LINKE: Den Ruhestand haben sie sich verdient!)

Wie viele Kolleginnen und Kollegen wurden im vergangenen Schuljahr eingestellt – wie gesagt, angesichts steigender Schülerzahlen: in der Grundschule 124 Kollegen, in der Regelschule 110 Kollegen, in der Förderschule 48, an den Gymnasien 107, an der Gemeinschaftsschule 62, an den berufsbildenden Schulen 39 – macht 490 Kollegen. Wie gesagt: alles mit Blick auf die steigenden Schülerzahlen – 2.200 mehr im Jahr. Ihre Bilanz ist – mit Blick auf das vergangene Schuljahr –, dass Sie 511 Lehrer bei steigenden Schülerzahlen abgebaut haben – und das ist aus unserer Sicht das falsche Signal.

(Beifall CDU)

Was planen Sie für das jetzt begonnene Schuljahr? Kurz gesagt: Man könnte sagen, Sie planen den Kollaps. Da die Prognose des Austrittsverhaltens des Bildungsministeriums weit an der Praxis vorbeigeht – ich habe es Ihnen eben bewiesen –, sage ich Ihnen mit Blick auf die Erfahrungen des vergangenen Schuljahres: Es gehen in diesem Schuljahr weit mehr als 1.000 Kollegen in den wohlverdienten Ruhestand. Und was ist Ihre Einstellungspolitik? Sie planen angeblich 900 Einstellungen. Mittlerweile wird auch offiziell vom Ministerium zugegeben: Es sind wahrscheinlich nur 450, weil 450 Entfristungen dabei sind – wobei ich immer sage, jede Entfristung ist richtig und notwendig, aber die sind eben schon da.

(Zwischenruf Abg. Dr. Lukin, DIE LINKE: Sind das keine Einstellungen?)

Bei den 450 neuen Einstellungen – Frau Finanzministerin, Sie kennen die Zahlen, aber ich sage Sie Ihnen auch gern noch mal: 170 Stellen nehmen Sie den Regelschulen weg und geben sie in den Hortbereich – die fehlen in den Schulen. Sie ziehen 80 Stellen vor und dann gehen noch mal 30 Stellen im nächsten Jahr an die Schulämter. Dann bleiben 170 Stellen zum Einstellen übrig – bei 1.000 Ruheständen. Ich prophezeie Ihnen: Wenn Sie diese Einstellungspolitik nicht bis zum Jahresende korrigieren, steht Thüringen nächstes Jahr vor dem Kollaps im Thüringer Schulsystem.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, nach drei Jahren linker Bildungspolitik in Thüringen wird eines klar: Die Thüringer Schulen werden mit ihren Sorgen allein gelassen. Stattdessen gibt es Schulleiterkonferenzen, Gewerkschaftsworkshops, Zukunftswerkstätten, Beiräte, Kommissionen und, und, und. Seit drei Jahren ein und dasselbe Spiel, nur immer mit anderen Überschriften. Eins machen Sie allerdings nicht, im Unterschied zu Sachsen: Sachsen entscheidet, Sachsen handelt. Bei uns wird immer nur geredet, geredet und geredet.

(Beifall CDU)

In diesem Sinne hat die CDU-Fraktion bereits zu Beginn des Jahres ein umfassendes Papier vorgelegt, welches im Dialog mit Praktikern und Verbänden entstanden ist. Einen Teil der Vorschläge haben wir im Februar in das Parlament hier eingebracht, insbesondere jene Vorschläge, die sich auf die Lehrerausbildung konzentrieren, denn wer einstellen will, der muss zunächst mal ausbilden. In diesem Sinne ist es völlig verkehrt, wenn wir sagen: „Wer einstellen will, muss ausbilden“, dass Rot-RotGrün – das liegt nicht an Ihnen, Herr Minister, das war vor Ihrer Zeit – die Referendarzahlen vor zwei Jahren von 600 geplanten auf 400 damals reduziert hatte. Dass Sie den Ernst der Lage, sehr geehrte Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, nicht ganz verstanden haben, zeigt sich auch darin, dass Sie unseren Antrag mit sehr praktikablen, umsetzbaren Vorschlägen

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ein bisschen übermütig, was?)

ein halbes Jahr im Bildungsausschuss verschoben, verschoben und verschoben haben. In unserem Antrag fordern wir unter anderem – ich will nur kurz das benennen, weil wir in meiner Einführungsrede das ja sehr ausführlich dargestellt haben – mehr Referendare und natürlich dann auch Fachleiter. Wir fordern Bonusfaktoren für Mangelfächer, wir fordern zügigere Einstellungsverfahren und wir fordern auch Vorverträge zur Bindung von Lehramtsanwärtern an Schulen. Alles hilfreiche Vorschläge,

die – wie gesagt – schon längst hätten Realität sein können! Stattdessen kommen Sie nun mit eigenen Vorschlägen um die Ecke, mit eigenen Vorschlägen, die sich aber durchaus in Teilen mit denen der CDU decken. Die Evaluierung, um auf ein paar Punkte einzugehen, der Umsetzung und die Weiterentwicklung des Personalentwicklungskonzepts Schule gemeinsam mit den Gewerkschaften ist längst überfällig, in der Tat. Jedoch wird auch dieser Diskussionsprozess viel Zeit in Anspruch nehmen, die unsere Schulen in der derzeitigen Situation nicht haben. So sollen in diesem Prozess beispielsweise auch Ansätze der bedarfsgerechten Gewinnung von Fachleitern in der zweiten Phase der Lehrerbildung weiterentwickelt werden. Hier stellt sich mir die Frage, welche konkreten Ansätze zur Gewinnung von Fachleitern es denn seitens der Landesregierung gibt. Ich konnte in den letzten Jahren keinerlei Initiative vonseiten der Landesregierung vernehmen, wo sie die Situation der Fachleiter verbessern wollte.

Das geforderte Landesstipendium, was Sie vorschlagen, für Lehramtsstudierende in Mangelfächern stellt eine wichtige Maßnahme dar, ja. Warum hier seitens der Koalitionsfraktionen lediglich ein Prüfauftrag in den Antrag aufgenommen wurde, erschließt sich uns nicht. Hier kann man von unserem Nachbarbundesland Sachsen ebenfalls eine Menge lernen, denn dort gibt es bereits diese verschiedensten Stipendien, zum Beispiel mit Blick auf die Gewinnung von Lehrern in den ländlichen Regionen. Die vorgeschlagene Novellierung des Thüringer Besoldungsgesetzes ist dringend notwendig. Das sagen wir auch. Das Ziel allerdings, attraktive und transparente Karrierewege im Thüringer Schuldienst zu eröffnen, deckt sich nicht mit den Aussagen der Landesregierung im Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport. Dort führt die Landesregierung nämlich aus, dass es mit der Novelle des Thüringer Besoldungsgesetzes künftig keinerlei Beförderungsmöglichkeiten für Lehrer im Thüringer Schuldienst mehr geben soll. Es sei denn, sie wollen Schulleiter oder Stellvertreter werden. Frühzeitige Einstellungszusagen seitens der Landesregierung sind eine nicht zu unterschätzende Maßnahme bei der Gewinnung von Lehrernachwuchs. In der Tat, hier sollte die Landesregierung möglichst schnell handeln und alle Möglichkeiten prüfen, dass dies auch zum nächsten Einstellungstermin in Kraft tritt.

Auch bei der Stärkung der Eigenverantwortung von Schule bei der Personalgewinnung wird sich die CDU-Fraktion nicht verschließen. Das Instrument der schulscharfen Stellenausschreibung haben wir jahrelang hier in diesem Haus eingefordert und glücklicherweise wurde es vor zwei Jahren vonseiten der Bildungsministerin Klaubert auch in ersten Modellprojekten bezogen auf die Gemeinschaftsschulen angewendet.

Den Thüringer Schuldienst künftig auch für Seiteneinsteiger zu öffnen – auch eine Forderung, die wir unterstützen und vorgetragen haben –, ist wichtig und notwendig. Dennoch ist es gleichzeitig genauso wichtig zu überlegen, wie qualifizieren wir diese Seiteneinsteiger. Man hört weder etwas von dieser Richtlinie vonseiten der Landesregierung noch von irgendwelchen Qualifizierungsprogrammen der Seiteneinsteiger, wenn wir denn endlich dann auch mal damit loslegen könnten.

Dann fordern Sie die Rückkehr zum Programm „Geld statt Stellen“. Genauso wie bei den eigenverantwortlichen Schulen eine Sache, die Sie erst zurückgedreht haben und Ihnen jetzt wieder einfällt. Eine vernünftige Sache! Handeln Sie endlich und reden Sie nicht so viel.

(Beifall CDU)

Auch die Unterstützung von Lehrkräften zum Beispiel durch weniger Bürokratie oder Fortbildungsangebote deckt sich mit unseren Vorschlägen. Es bleibt abzuwarten, wie weit die Landesregierung mit diesen Maßnahmen bis Ende 2017 dann auch tatsächlich kommen wird.

Meine Damen und Herren, wie ich eingangs schon erwähnte, hätten wir uns gewünscht, dass insbesondere die Maßnahmen zur Stärkung der Lehrerbildung und Gewinnung von ausreichend Lehrernachwuchs schon zu Beginn des Jahres 2017 beschlossen worden wären. Dann hätten wir nämlich zum Einstellungstermin im Februar oder spätestens zum Einstellungstermin im August vielleicht schon bessere Resultate erzielen können. Aus diesem Grund hat die CDU-Fraktion im Bildungsausschuss auch immer wieder auf eine zügige Beratung unseres Antrags „Situation der Thüringer Lehramtsanwärter verbessern – Lehrernachwuchs sichern“ gedrängt. Leider wurde die Beratung des Antrags von den Koalitionsfraktionen immer wieder verschoben, sodass wir erst heute abschließend über den Antrag beraten können. Ein halbes Jahr lang war mehr oder weniger die Aussage, wir müssen erst einmal warten, was die Regierung vorlegt. Jetzt erzählt uns die Regierung, wir müssen erst einmal warten, was wir vielleicht noch in den Expertengesprächen hören. Ich frage mich, wie lange Sie noch warten wollen.

Meine Damen und Herren, trotz des heute vorliegenden Antrags der Koalitionsfraktionen, der durchaus richtige Ansätze zeigt, möchte ich nochmals um Zustimmung zum Antrag der CDU-Fraktion werben, denn er enthält konkrete Maßnahmen, die die Situation von Lehramtsanwärtern in Thüringen verbessert. Es sind nicht nur Prüfaufträge und Diskussionsanstöße, sondern konkrete Vorschläge. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Als nächster Redner hat Abgeordneter Matschie, Fraktion der SPD, das Wort.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! In einem Punkt, Herr Tischner, stimmen wir sicher überein, dass wir vor einem enormen Umbruch in der Schullandschaft stehen, was die Personalsituation angeht. Bis 2025 werden rund 8.000 Lehrerinnen und Lehrer ausscheiden, die ersetzt werden müssen. Gleichzeitig steigen die Schülerzahlen im Zeitraum bis 2025 um 5 bis 6 Prozent an. Das ist eine enorme Herausforderung. Trotzdem kann ich nur davor warnen, hier den Kollaps des Schulsystems an die Wand zu malen, weil das kein einziges Problem löst.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das löst kein einziges Problem, sondern das trägt nur zu schlechter Stimmung bei und zu dem Eindruck, dass Politik nicht handlungsfähig wäre.

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Schönreden hat noch nie geholfen!)

Es geht nicht ums Schönreden und ich werde hier auch nichts schönreden, aber wer ein bisschen Ahnung von der Materie hat, weiß, dass Personalpolitik sehr langfristig wirkt und dass wir heute,

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Ja, des- wegen habe ich es ja … ! Sie machen nichts!)

Herr Tischner, immer noch auch mit Konsequenzen aus personalpolitischen Entscheidungen der CDU zu kämpfen haben

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Aus Ihrer Zeit!)

und auch mit personalpolitischen Entscheidungen aus der letzten Koalition zwischen CDU und SPD, das sage ich auch ganz deutlich. Die CDU hat damals verhindert, dass mehr Lehrer eingestellt werden können.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erinnere noch einmal daran. Als wir den letzten Doppelhaushalt beschlossen haben für die Jahre 2013 und 2014,

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Da haben Sie versagt!)