Meine Damen und Herren, ich habe hier schon viele menschenverachtende, rassistisch motivierte Redebeiträge
der AfD gehört. Ich habe auch schon viele dümmliche Argumente gehört, auch in ihrer Gesamtheit dümmliche Redebeiträge. Aber so was Unverfrorenes, was wir eben hier zu Ohren bekommen, zu Gehör bekommen haben, hat man, glaube ich, selten in Parlamenten und damit auch in der Öffentlichkeit vernehmen müssen. Denn das, was wir hier gehört haben, war kein Werben für die Ausübung der Jagd, aber auch kein Werben für Jagdvereine. Es war auch kein Werben für den Schießsport und kein Werben für Sportvereine, sondern es war ein Werben dafür – und das bitte ich Sie, sich tatsächlich einmal bewusst zu machen, für was die AfD hier eintritt –, dass jeder und jede in diesem Land einfach mal so eine Waffe besitzen kann, die keinen anderen Zweck erfüllt oder bedient, als zu verletzen und zu töten. Wer sich hinstellt und sagt: Das ist alles nicht so schlimm, 70 Tote in einem Jahr, das interessiert uns nicht im Zusammenhang
mit Waffen, das hat eigentlich mit dem Waffenbesitz überhaupt nichts zu tun, der argumentiert unverfroren. Ich sage auch ganz ehrlich: Das ist auch gefährlich, wenn sich nur ein Punkt dessen, was Herr Möller hier vorgetragen hat, in die Realität umsetzt.
Meine Damen und Herren, die Erzählung, die Herr Möller für die AfD zur Diskussion hier geleistet hat, zur Großen Anfrage – auf die ist er gar nicht eingegangen, ich aber werde das tun, um viele Sachen hier zu widerlegen, und zwar mit Argumenten, die Sie als platte Worthülsen in den Raum geworfen haben –, die Erzählungen der AfD kann man im Prinzip ganz kurz zusammenfassen: Es geht in dem Fall darum, keine weitere Verschärfung des Waffenrechts vorzunehmen. Es sei schließlich ein Bürgerrecht, dass man Waffen, die zum Töten und zum Verletzen da sind, hier sichern müsse.
Die AfD sei ohnehin der Retter, nicht nur von allem, sondern auch der Jäger und Sportschützen im speziellen, in diesem Fall. Waffen würden ohnehin bei der Gesamtzahl der Straftaten eine geringe Rolle spielen. Außerdem: Terroristen, die die eigentliche Gefahr sind, nutzen illegale, nicht legale Waffen. Gefahr gehe schließlich auch nur von illegalen Waffen aus.
Wenn man das in die aktuellen Geschehnisse einordnet, was ich hier an Forderungen oder an Positionen der AfD zusammengefasst habe und was die AfD bestätigt hat, mal vor diesem Hintergrund bewertet: Da fragt man sich natürlich auch, was das eigentliche Ziel ist, warum eine politische Partei genau so argumentiert. Das will ich Ihnen sagen: Wenn eine AfD-Abgeordnete aus Mecklenburg-Vorpommern die Erschießung von Menschen, die in Hamburg Läden geplündert haben, fordert oder wenn der ehemalige AfD-Fraktionsvize von Mecklenburg-Vorpommern Arppe im Chat zitiert wird: „Der Typ“ – und damit nimmt er Bezug auf JanHendrik H. , gegen den eine Razzia durch den Generalbundesanwalt durchgeführt worden ist – „würde perfekt in unsere Reihen passen [also in die Reihen der AfD]. Er hasst die Linken, hat einen gut gefüllten Waffenschrank in der Garage“. Und, meine Damen und Herren, natürlich hat sich die AfD jetzt nach dem Rücktritt von Arppe davon distanziert und sagt: Die Entscheidung ist überfällig. Aber sie sagt in diesem Zusammenhang nicht, dass in dem Chat, in dem Arppe genau diese Aussagen getroffen hat, Mitglieder dieser Partei anwesend waren, mitdiskutiert haben und die ganze Zeit keiner widersprochen hat oder sich geäußert hat, weil es eben ge
nau zu diesem Gedankengut dieser Partei dazugehört, dass man sich am liebsten bewaffnen möchte, um gegen den politischen Gegner zu Felde zu ziehen. Das ist das Gefährliche an der AfD und deswegen lassen wir es der AfD auch nicht durch,
Deswegen will ich auch für Die Linke gleich eingangs noch mal formulieren: Die Linke hegt keine generellen Vorbehalte gegen Sportschützen und Jäger. Es geht auch nicht um eine pauschale Einschränkung von Freiheit – wenn man die Entscheidung, eine Waffe zu besitzen, als solche überhaupt bezeichnen möchte. Es geht um eine reale Betrachtung der Gefahren, Missbrauchspotenziale und Risiken, die durch den Besitz und die Aufbewahrung von Waffen und Munition in gewöhnlichen Haushalten einfach existieren. Da unterscheiden wir uns tatsächlich – ich denke, da sind wir uns mit den anderen Fraktionen in diesem Haus auch einig – ganz diametral von der AfD. Für uns hat die Sicherheit von Menschenleben immer einen höheren Wert als Freizeitinteressen und Kostenersparnisse oder die Gewaltfantasien von AfD-Abgeordneten.
Meine Damen und Herren, ich will auf die Große Anfrage eingehen, weil es ist natürlich in der Gesamtheit durchaus auch ein wichtiges Thema, das wir hier diskutieren müssen. Es hat viele Facetten, auf die ich im Einzelnen auch eingehen möchte. Die Große Anfrage der AfD zielt neben statistischen Daten auch auf Positionen der Landesregierung zum Waffenrecht und in diversen Fällen interessiert sich die AfD auch für die nicht deutschen Tatverdächtigen. Ich werde darauf noch im Einzelnen zu sprechen kommen.
Ich werde eingangs auch noch mal darstellen, wie sich die Zahl der erlaubnispflichtigen Waffen in Thüringen entwickelt hat. Die Anfrage hinterfragte einen Zeitraum bis zum Jahr 2015 und ergibt tatsächlich, dass die Zahl der erlaubnispflichtigen Waffen in Thüringen mit 126.400 relativ konstant geblieben ist und auch die 28.000 Waffenbesitzerlaubniskarteninhaber sind relativ konstant geblieben. Wir wissen aber aus parlamentarischen Anfragen, dass es gerade im Jahr 2016 noch mal eine weitere Entwicklung gegeben hat. So ist der Anteil oder die Zahl der erlaubnispflichtigen Waffen noch mal gestiegen und auch die Anzahl der Waffenbe
sitzerlaubniskarteninhaber ist auf ein Rekordniveau von über 30.000 Inhabern in Thüringen gestiegen.
Nun sagen diese Zahlen allein natürlich nichts aus. Natürlich gibt es einen Zusammenhang zwischen Waffenbesitz legal, illegal und tatsächlichen Straftaten. Das heißt aber nicht, dass jeder – und das habe ich, denke ich, deutlich gemacht –, der die Jagd ausübt oder Sportschütze ist, Straftaten begeht. Für die übergroße Mehrheit ist das ganz und gar nicht der Fall. Aber wir müssen über die Risiken reden. Da heißt es natürlich auch, tatsächlich in die Kriminalitätsstatistik zu schauen. Wenn die AfD hier ausführt, dass der Einsatz von Schusswaffen bei den wenigsten Straftaten in Thüringen überhaupt eine Rolle spielt, dann ist das natürlich richtig – wenn man das ins Verhältnis setzt zur Gesamtstatistik der in Thüringen verübten Straftaten, denn ein Großteil der Straftaten, die dort erfasst werden, steht nicht mal im Ansatz in einer Beziehung zu tätlichen Auseinandersetzungen, wo Waffen tatsächlich zum Einsatz kommen. Wir reden da über Kriminalitäts- oder Deliktbereiche wie Cybercrime, Warenbetrug, Ausspähen von IT-Daten, Straftaten im Umwelt- oder Wirtschaftsrecht. Wenn man das mal tatsächlich aus der Statistik rausnimmt, wird man schon mal zu einem anderen Schluss kommen, als das hier dargestellt worden ist. Dann geht man wirklich mal ins Detail und wird feststellen, dass allein im Jahr 2015 – und das ist eben anders als die Zahl, die Herr Möller hier für die AfD hat darstellen wollen, weil er dann Zahlenkolonnen und Durchschnittswerte gebildet hat, damit er auf eine ihm angenehme Zahl kommt. Deswegen nehmen wir mal tatsächlich den Jahresverlauf 2015. Dort wurde in 43 Fällen mit Waffen gedroht und in 87 weiteren Fällen sogar geschossen. Der Vollständigkeit halber will ich sagen: In den fünf Jahren zuvor waren es insgesamt 550 Straftaten mit Schusswaffen.
Wenn die AfD – heute nicht, aber zum Beispiel in Pressemitteilungen – eher bejubelt oder freudig feststellt, dass mit Schusswaffen in Thüringen im Jahr 2015 kein einziger Mord verübt wurde, und damit suggeriert, dass es keine große Gefahr gibt, die von Menschen mit Waffen ausgeht, dann ist das zynisch. Das offenbart eben auch, dass die AfD gar nicht willens war, die Antworten auf ihre Anfrage zu lesen, um das, was sie ideologisch motiviert, hier vortragen zu können. Denn tatsächlich gibt es wenige Morde in Thüringen, die mit Schusswaffen verübt wurden – 2015 auch keinen einzigen. Jedoch ist der Anfrage zu entnehmen, dass in den Jahren 1993 bis 2014 insgesamt 82 Tötungsdelikte in Thüringen gezählt wurden, bei denen geschossen wurde. Bundesweit sterben in Deutschland jedes Jahr rund 70 Menschen durch Angriffe oder Unfälle mit Schusswaffen.
Hinzu kommen mehrere Hundert Selbstmorde. Und die Unverfrorenheit und dieser Zynismus, mit dem Herr Möller diese Anzahl von Todesopfern hier relativieren wollte, ist, denke ich, für viele im Hohen Haus, genauso wie für mich, unerträglich gewesen.
Und weil jetzt auch die Frage dazwischengeworfen wurde, von welchen Waffen das denn ausging, will ich das auch sagen: Laut einer Recherche von „ZEIT ONLINE“ ging beispielsweise im Jahr 2013 die Hälfte der Schusswaffentoten auf das Konto registrierter Waffen – also legaler und den Behörden bekannter Waffen.
In der Antwort des Innenministeriums werden 1.233 Hoheitsdelikte in Thüringen gezählt – also Körperverletzungen, gefährliche, schwere Körperverletzungen –, bei denen geschossen wurde, allein zwischen 2011 und 2015 fast 100 Fälle. Hinzu kommen weitere 2.500 Fälle aus den letzten zwei Jahrzehnten in Thüringen, bei denen Körperverletzungen stattfanden und dabei Opfer mit Schusswaffen bedroht wurden, ohne dass tatsächlich ein Schuss fiel.
Auch ein Blick auf die Bundesebene zeigt uns, dass das, was die AfD hier vortragen wollte, pure Ideologie ist, denn der rückläufige Trend der Verwendung von Schusswaffen hat sich im vergangenen Jahr aufgehalten; es gab wieder einen Anstieg auf bundesweit fast 10.000 Fälle. In der Mehrheit der Fälle wurde geschossen. Die Fälle von gefährlicher und schwerer Körperverletzung, bei denen geschossen wurde, sind 2016 gegenüber dem Vorjahr um 25 Prozent auf 805 Fälle angestiegen. Das, was Herr Möller also hier für die AfD vorgetragen hat, ist im Prinzip nicht nur ideologisch motiviert gewesen und offenbart ein wirklich menschenverachtendes Gesellschaftsbild, es ist auch einfach nur falsch und gelogen, meine Damen und Herren.
Auch weil ich die Zahlen für den Bund genannt habe, will ich es noch mal deutlich sagen: Auch in Thüringen hat sich ausweislich der für 2016 veröffentlichten Polizeilichen Kriminalitätsstatistik die Zahl verändert – und zwar hat sich die Zahl der Fälle, in denen im letzten Jahr geschossen worden ist, auf 175 Fälle verdoppelt. Aber das ignoriert die AfD. Aber das hat sich bereits bei der Fragestellung angedeutet, wie diese Partei gegenüber Tatsachen und Fakten von Ignoranz geprägt ist.
Interessant ist natürlich auch, meine Damen und Herren, was die AfD nicht gefragt hat. Denn gefragt wurde nicht nach der Zahl der Neonazis und Reichsbürger in Thüringen, die legal Waffenbesitzkarten oder Waffen besitzen. Es wurde auch nicht nach der Zahl der Menschen gefragt, die durch
Schusswaffen in Thüringen verletzt wurden, und die Art der Körperverletzung. Es wurde zum Beispiel auch nicht nach illegalen Waffengeschäften und Schwarzmärkten von Neonazis und Rechtspopulisten gefragt, die einen Teil der AfD-Wähler bedienen. Das hat natürlich politische Hintergründe. Ich habe es an einigen Stellen gesagt, aber ich will es Ihnen auch noch mal in Erinnerung rufen: Das zeigte ja für Thüringen auch das Beispiel der Internetseite „Migrantenschreck“. Denn der Betreiber der Seite aus Erfurt, der dort unverfroren nicht nur Waffen anbot, sondern auch zu Gewalt und zum Töten von Migrantinnen und Migranten aufgerufen hat, war nach „FOCUS“-Informationen AfD-Mitglied der ersten Stunde. Ein Teil des Klientels der AfD bediente sich bei dieser Seite im Shop. Die Zeitung „DIE ZEIT“ hat die Kundendaten analysiert und sogar AfD-Lokalpolitiker aus Hamburg, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen unter den Waffenkäufern ermittelt. Das ist aber kein Anlass für die AfD, hierzu Stellung zu nehmen oder das sogar zu hinterfragen.
Zahlen, die die AfD auch nicht interessieren, sind zum Beispiel rechte Straftaten unter Einsatz von Schusswaffen. Das hat allerdings die Bundestagsfraktion der Linken getan und ist dieser Fragestellung nachgegangen. Sie hat als Auskunft vom Bundeskriminalamt bekommen, dass 536 solche als rechte Straftaten zu charakterisierende Straftaten unter dem Einsatz von Schusswaffen verübt worden sind. Die Zahlen des Bundes sind ebenso alarmierend wie handlungsauffordernd, wonach eben 700 sogenannte Reichsbürger sowie mindestens 400 Neonazis über waffenrechtliche Erlaubnisse verfügen.
Wenn Innenminister nach dem Mord an einem Polizisten im Oktober vergangenen Jahres in Mittelfranken überlegen, dass man – wie der Abgeordnete Fiedler hier zu Recht auch angemerkt hat – darüber nachdenken muss, Reichsbürger tatsächlich zu entwaffnen, kommentiert das der AfD-Abgeordnete Henke als ein altlinkes ideologisches Projekt der zwangspazifizierten und entwaffneten Gesellschaft. Ich glaube, hier wird auch deutlich, dass es eben nicht darum geht, Menschen vor Straftaten zu schützen, sondern der AfD geht es darum, Neonazis und Reichsbürger mit Waffen vor dem Zugriff des Staats zu schützen – und das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.
Ich will aber auch – denke ich, weil es wichtig ist – noch mal deutlich auf die legalen Waffen eingehen, weil wir in der Diskussion oftmals so eine Trennung haben: dort die gefährlichen illegalen Waffen und dort die legalen Waffen. Ich habe es eben ausgeführt: Auch unter den Waffen von Neonazis sind viele legale Waffen. Ich habe vorhin bereits die Zahl
genannt, dass etwa die Hälfte der Straftaten in Deutschland mit illegalen Waffen begangen wird. Das heißt doch schon mal in der Schlussfolgerung, dass auch bei den legalen Waffen ein ernsthaftes Bedrohungspotenzial existiert – und das ist auch unabhängig von der politischen Orientierung, unabhängig der Mitgliedschaft in rechten Organisationen. Da verweise ich auch mal wieder auf die Antwort des Ministeriums auf die Anfrage zu sichergestellten Waffen.
Ich wollte hier eigentlich nicht darauf eingehen, weil ich mich mit der AfD auseinandersetzen wollte und mit dem Inhalt. Mein Anliegen ist es, zur Anfrage zu reden und nicht die nicht gehaltene Rede zum Tagesordnungspunkt 15 an dieser Stelle. Vielleicht können Sie das mal mitnehmen in Ihre Fraktion.
Ich will aber – weil es tatsächlich ein wichtiges Anliegen ist, Herr Emde, auch wenn es Ihnen zu lang erscheint – noch mal deutlich auf die Möglichkeit des Umbaus und der Rückveränderung von Waffen eingehen. So wurden nach Auskunft des TMIK 2015 29 Schreckschuss-, Gas-, Signal-, Salut- oder Dekowaffen in Thüringen festgestellt, die umgebaut worden sind. In den letzten zehn Jahren waren es fast 250 Fälle in Thüringen, bei denen illegale Schusswaffen aus legalen hergestellt wurden. Ich will auch mal daran erinnern, falls Ihnen das nicht mehr in Erinnerung ist: Der Münchner Amokschütze, der im Juni 2016 neun Menschen tötete, hat die Morde laut Untersuchungsbericht der Sonderkommission mit einer umgebauten Theaterdekowaffe begangen.
Wir können den Bereich der Gefährlichkeit von legalen Waffen auch noch weiterführen. Ich will erinnern – Herr Fiedler hat es angesprochen: Die Amoktaten im Gutenberg-Gymnasium im Jahr 2002 in Erfurt oder von Winnenden 2009 zeigen, dass diese Taten nur möglich wurden, weil plötzlich Zugriff zu legalen Waffen bestanden hat. Insbesondere bei Familientragödien ist die Ursache im Zugang zu legalen Waffen zu suchen und auch zu finden.
Auf einen Punkt will ich noch eingehen: auf die vermeintlich kriminellen Ausländer bei waffenrechtlichen Verstößen. Darauf hat ja die AfD in ihrer Fragestellung sehr viel Wert gelegt, das zu erforschen und zu hinterfragen. Allerdings dürfte die Antwort für die AfD recht unbefriedigend ausgefallen sein, denn von den 750 Tatverdächtigen bei Straftaten mit Schusswaffen waren 90 Prozent deutscher Her