Protocol of the Session on August 30, 2017

Maier nach vorn. Die Anwesenden bitte ich, sich von den Plätzen zu erheben.

Sehr geehrter Herr Minister, ich verlese zuerst die in der Verfassung des Freistaats Thüringen vorgesehene Eidesformel. Sie können diese Eidesformel anschließend bekräftigen mit den Worten „Ich schwöre es.“ oder „Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe.“ Die Eidesformel lautet: Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des Volkes widmen, Verfassung und Gesetze wahren, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werden.

Ich schwöre, so wahr mir Gott helfe.

Wir haben die Bekräftigung des Eides gehört. Ich darf Ihnen herzlich gratulieren, wünsche Ihnen für die Amtsausübung zum Wohle des Freistaats alles Gute. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall im Hause)

Ich denke, wir können jetzt mit der Plenarsitzung fortfahren. Ich rufe zunächst den Tagesordnungspunkt 25 auf, die Aktuelle Stunde. Alle Fraktionen haben eine Aktuelle Stunde eingereicht. Jede Fraktion hat in der Aussprache eine Redezeit von 5 Minuten für ein Thema. Die Redezeit der Landesregierung beträgt grundsätzlich 10 Minuten und bei den fraktionslosen Abgeordneten gibt es eine Gesamtredezeit von 5 Minuten.

Ich rufe auf den ersten Teil

a) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema: „Ist die Thüringer Landwirtschaft vor dem illegalen Einsatz von Fipronil geschützt?“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/4407

Abgeordneter Müller hat für seine Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, seit August dieses Jahres wissen wir, dass mit Fipronil belastete Eier die Bundesrepublik erreicht haben, auch nach Thüringen gekommen sind, geliefert wurden und auch hier in den Einzelhandel geraten sind. Seit dem 21. August ermittelt die Staatsanwaltschaft Heilbronn in einem Fall im Ho

henlohekreis in Baden-Württemberg in dieser Sache. Der Hintergrund ist, dass es offensichtlich eine Lieferkette nach Thüringen gibt und die Gefahr besteht, dass auch mit Fipronil belastete Desinfektionsmittel in Thüringer Betrieben eingesetzt worden sind. Die ersten Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft deuten genau auf diesen Zukauf aus einem Thüringer Betrieb hin. Im Zusammenhang mit den sofort anberaumten Kontrollen können wir feststellen, dass das zuständige Kontrollwesen in Thüringen sehr gut funktioniert. An dieser Stelle gilt unser ausdrücklicher Dank Frau Werner und ihren Mitarbeitern, die unverzüglich dafür gesorgt haben, diesen Vorwurf tatsächlich auch entlasten zu können.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Allerdings – und das muss man auch bemerken – zeigen die Fälle aus den Niederlanden und aus Niedersachsen, dass insbesondere Legebatterien betroffen sind, die besonders groß sind und die sich der Hilfe externer Dienstleister angenommen haben, die dort die Desinfektion vorgenommen haben. Besonders problematisch sind dabei die großen Ställe, da hier die Kontrollwege für Reinigung und Desinfektionsmittel offensichtlich fehlen. Wir müssen feststellen, dass große Betriebe deutlich anfälliger als kleine Betriebe sind, da die diese Reinigungen outsourcen und sich mehr oder weniger blind auf die Durchführung und Einhaltung von Vorschriften verlassen müssen, weil sie selber in den Betrieben keine entsprechende Expertise mehr vorhalten können, um dieser Kontrollpflicht nachzukommen.

Der auf der Branche lastende Kostendruck verführt zur Anwendung zweifelhafter und verbotener Methoden und Mittel. Die Erfahrungen in Thüringen zeigen leider auch, dass gerade diese großen Betriebe praktisch mit den größten Problemen bezüglich Tierwohl und Hygiene zu kämpfen haben. Häufig geht leider der persönliche Bezug der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen großen Betrieben zu den zu betreuenden Tieren verloren. Die Arbeitsbelastungen lassen es kaum noch zu, sich gebührend um kranke Tiere und um kranke Bestände zu kümmern und rechtzeitig adäquate Mittel einzuleiten. Wir stellen fest, dass die Vermarktung von regionalen Produkten in überschaubaren Einheiten wesentlich effizienter ist und die Verbraucher sich mehr für regionale, mittelständische Produkte bereit erklären zu zahlen. Es gilt festzustellen, dass es eine deutlich bessere emotionale Bindung an regionale Produkte gibt. Die Wertschöpfung in kleinen und mittleren Betrieben ist ebenfalls deutlich höher als in Großbetrieben. Ein Verzicht auf solche Großbetriebe würde die Thüringer Landwirtschaft dauerhaft zukunftssicherer machen, als sie derzeit aufgestellt ist.

Der Fipronil-Skandal ist ein weiterer Hinweis in einer nicht enden wollenden Kette von Skandalen

(Präsident Carius)

aus der landwirtschaftlichen Massentierhaltung. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Als Nächste erhält Abgeordnete Becker für die SPD-Fraktion das Wort. Ich darf die Kollegen um etwas mehr Aufmerksamkeit bitten.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Aktuelle Stunde der Grünen kann man ganz klar beantworten: Nein, die Thüringer Landwirtschaft ist natürlich vor krimineller Energie nicht geschützt. Aber das sind wir alle nicht, will ich mal sagen. Dieser Lebensmittelskandal, einer wie viele in den letzten Jahren, ist auf kriminelle Energie zurückzuführen und nicht auf irgendeine Art, wie Legehennen gehalten werden. Das muss man sagen.

(Beifall CDU)

Die ersten Feststellungen waren ja im ökologischen Landbau. Es waren die Eier aus Ökolandbau, die als erste betroffen waren. Natürlich sind das in der Zahl viel weniger, als wenn sie aus großen Bodenhaltungsbetrieben kommen, das ist logisch. Aber es ist gegen Gesetze verstoßen worden. Die, die dieses tun, verstoßen gegen Gesetze der EU und in Deutschland.

(Beifall SPD)

Deshalb kann man es wirklich nicht an der Art und Weise der Haltung festmachen. Das ist schlimm genug. Jeder Lebensmittelskandal ist einer zu viel in Deutschland. Im 21. Jahrhundert sollte das eigentlich nicht mehr vorkommen. Aber es ist einfach so, dass Menschen aus Gier denken, sie können damit noch mehr Geld machen und verunreinigen dann die Mittel. Aber, meine Damen und Herren, das kann man wirklich nicht an der Tierhaltungsform festmachen. Die ökologischen Tierhaltungsbetriebe, die Freilandbetriebe und die Bodenhaltung sind betroffen. Die Käfige sind ja gar nicht betroffen, das ist ja das Schlimme an der ganzen Sache. Wir wollen doch alle keine Käfighaltung mehr, aber die Käfighaltung ist nicht betroffen. Es ist die Bodenhaltung. Das ist ja klar, das kann man sich auch vorstellen, dass da die Anwendung ist. Aber das wollen wir doch gerade nicht, die Käfighaltung. Wir wollen doch die Bodenhaltung. Dass natürlich die großen Betriebe in Holland und in Niedersachsen sind, das ist auch ganz klar. Ich finde das auch nicht toll, wenn da so viele Hühner auf einem Haufen leben müssen.

Aber das ist nicht die Ursache der Lebensmittelverunreinigung. Es gibt nicht nur die Eier. In Mecklenburg-Vorpommern waren es die Hähnchen in der

Anlage, die betroffen waren, also das Hähnchenfleisch. Wir müssen da genau unterscheiden. Aber es ist gar kein Landwirtschaftsproblem. Die Landwirtschaft hat damit gar kein Problem. Die Geflügelwirte sehen sich heutzutage auch gar nicht mehr als Landwirte. Es ist leider so. Das ist richtig, sie sehen sich in ihren Großbetrieben als Geflügelzüchter, aber nicht als Landwirte. Wir müssen da sicherlich was ändern, das ist nicht die Frage. Das soll auch nichts infrage stellen. Aber diesen Fipronilskandal zu nehmen, um zu sagen, wir müssen über die deutsche Landwirtschaft oder die Haltungsform reden, das ist nicht der richtige Ansatz. Das finde ich nicht richtig und es bringt auch nichts. Wir müssen sagen, es gab wieder Versäumnisse, wahrscheinlich diesmal auf europäischer Ebene. Also die Datenweitergabe aus Holland und aus Belgien ist sehr fragwürdig. Dann hat Herr Schmidt – unser Bundesminister – auch noch ein paar Tage gebraucht und dann die Koordinierung mit den Ländern. Das war schon bei jedem Skandal so, ob es das Pferdefleisch in der Lasagne oder das Gammelfleisch war. Es braucht immer seine Zeit, weil wir den Föderalismus haben. Ich glaube, den Thüringer Behörden ist wirklich nichts vorzuwerfen. Es hat alles funktioniert. Der ökologische Betrieb hat am 8. August selbst beantragt, Proben nehmen zu lassen. Wir können uns in Thüringen nichts vorwerfen lassen. Wir haben gehandelt. Wir haben das soweit wie möglich abklären können. Wir müssen die Verbraucher vor so etwas schützen, das ist vollkommen klar. Ich glaube, wichtig ist, dass wir es nicht der Landwirtschaft zugestehen, dass da irgendein Skandal passiert, sondern – wie ich am Anfang gesagt habe – es sind kriminell handelnde Menschen, die den Schaden von anderen Menschen einfach in Kauf nehmen, aber nicht menschenwürdig handeln. Die Gesetze sind verletzt worden. Es ist immer wichtig, dass wir auch wissen, die Gesetze hätten gewirkt, wenn sie eingehalten worden wären. Aber sie sind nicht eingehalten worden, deshalb können wir als Land auch nichts regeln. Wir haben so weit alles richtig gemacht, würde ich mal vorsichtig sagen. Wir müssen aufpassen, dass diese Machenschaften und die kriminelle Energie nicht mehr werden. Da können wir uns alle nur durch unser Verhalten kundtun, aber tun können wir nichts. Danke.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Als Nächster hat Abgeordneter Malsch für die CDU-Fraktion das Wort.

Werter Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, liebe Zuschauer, die Aktuelle Stunde

(Abg. Müller)

heißt: „Ist die Thüringer Landwirtschaft vor dem illegalen Einsatz von Fipronil geschützt?“. Das ist eine geschlossene Frage, auf die es in der Regel einfach nur ein Ja oder Nein gibt.

Ich habe nach einem Gleichnis gesucht. Man könnte auch fragen: „Sind die Thüringer Sparkassen vor illegalem Einsatz von Scheingeld geschützt?“ Dann wären wir genauso weit, das können wir auch nur mit Ja oder mit Nein beantworten.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Dann mach es doch!)

Ich bin froh, dass Dagmar Becker klargestellt hat, dass hier kriminelle Verursacher dahinterstecken und dort ein Fehlverhalten vorhanden ist. Ich habe – ehrlich gesagt – bis vorhin noch gehofft, dass Sie die Aktuelle Stunde zurückziehen. Ihre Behauptung ist seit einigen Tagen schon nicht mehr aktuell, dass die ersten Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft zu einem Fall aus dem Hohenlohekreis in Baden-Württemberg auf einen Zukauf aus einem Thüringer Betrieb hindeuten. Der aktuelle Fakt ist, dass der Verdacht der Staatsanwaltschaft Heilbronn sich nicht bestätigt hat, dass die belasteten Eier aus Thüringen kommen. Das passt aber sehr gut, sehr geehrte Damen und Herren, auch der Grünen: Erst mal die Thüringer Landwirtschaft in den Fokus stellen, gegebenenfalls beschimpfen und verdächtigen.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das machen Sie doch!)

Wie unterschiedlich die Auslegung der Aktuellen Stunde ist, hat gerade auch der Beitrag der Kollegin Dagmar Becker gezeigt. Ich finde es viel schlimmer, dass wir mit dem Titel der Aktuellen Stunde suggerieren, dass sich die Grünen auf einmal für den Schutz der Thüringer Landwirtschaft einsetzen. Aber die Begründung in der Aktuellen Stunde hat schon gezeigt, dass es in eine andere Richtung gehen soll. Das ist auch der allergrößte Hohn, der mir bislang untergekommen ist, denn die Partei – das müssen wir hier festhalten –, die sich als Totengräber der nachhaltigen modernen Thüringer Landwirtschaft betätigt, fragt heute, ob dieselbe Landwirtschaft vor irgendwas geschützt ist.

Werte Kolleginnen und Kollegen, eigentlich ist doch die Frage, ob und wie die Thüringer Landwirtschaft vor den Grünen geschützt werden kann.

(Beifall CDU)

Da sage ich Ihnen: Sie ist nicht geschützt. Im Gegenteil! Landwirtschaftsministerin Keller strampelt sich ab, das Schlimmste von den Bauern abzuwenden, was die Grünen in der Landwirtschaft an Schaden zufügen wollen. Unser Ministerpräsident tut auch nicht viel dazu. Er geht zwar brav zum Spargelstechen und Kartoffellegen und lässt sich

dabei fotografieren, aber die absurden Ideen aktueller Grünen-Landespolitik hat er nicht im Griff.

(Beifall CDU)

Ganz im Gegenteil! Er lässt Frau Siegesmund gewähren und stärkt ihr gar noch durch seine Untätigkeit den Rücken.

Werte Kolleginnen und Kollegen, der Thüringer Bauernverband, welcher mit mehr als 3.500 Mitgliedern nahezu 70 Prozent der Thüringer Landwirtschaft, egal ob Mehrfamilienbetriebe oder Einzelbetriebe, vertritt, hat sich vergangenen Donnerstag den Protesten zahlreicher grüner Verbände gegen die aktuelle Grünen-Landespolitik vor dem Thüringer Landtag angeschlossen. Ich möchte aus einer Pressemitteilung des Bauernverbands zitieren: „Die an der Landesregierung beteiligte Partei Bündnis 90/Die Grünen und insbesondere das Handeln der Umweltministerin Anja Siegesmund stellt aus Sicht des TBV die Existenz vieler Landwirtschaftsbetriebe in Frage.“ Das ist der Punkt.

(Beifall CDU)

Werte Kolleginnen und Kollegen, die Aktuelle Stunde hätte also wirklich besser lauten sollen: „Ist die Thüringer Landwirtschaft vor Grünen-Politik geschützt?“ Wir hätten diese Frage, die geschlossen ist, auch eindeutig mit Nein beantworten können.

(Beifall CDU)

Werte Kolleginnen und Kollegen, einer der Hauptkritikpunkte des Bauernverbands ist, dass in der Agrarinvestitionsförderung Tierbesatzobergrenzen eingeführt werden sollen. Das haben Sie vielleicht mitbekommen. Die Folge ist ganz einfach: Wird das Realität, dann wandert die Tierhaltung aus Thüringen ab. Das kann man ebenso wenig wollen wie Reinigungsmittel in Eiern.

Werte Kolleginnen und Kollegen, wer vorgibt, sich um Fipronil und dessen Auswirkungen auf die Landwirtschaft in Thüringen zu kümmern, verkennt schlicht das Große und Ganze. Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, weshalb die Landwirtschaft in Thüringen nicht nur vor Fipronil, sondern vor allem vor Grünen-Politik geschützt werden muss, angefangen vom unsäglichen Filtererlass über die Bestrebung, Gewässerrandstreifen zu vervielfachen, landwirtschaftliche Flächen durch überdimensionale Hochwasserschutzgebiete zu entwerten. Alles ist dabei im Grünen-Portfolio zum Schaden der Landwirtschaft. So, werte Kolleginnen und Kollegen, werden die Ziele Regionalität, Stoffkreisläufe und Wertschöpfung im ländlichen Raum nicht nur konterkariert, sie werden zerstört, allen voran mit den Tierbestandsobergrenzen. Sie widersprechen dem Ziel der Verbesserung der Tierhaltungsbedingungen. Jeder Stall, der mithilfe der Agrarinvestitionsförderung um- oder neu gebaut wird, ermöglicht eine tierwohlgerechte Haltung. Die Begrenzung der För

derung widerspricht allem Bemühen, das Tierwohl zu verbessern. Kümmern Sie sich um die Korrektur Ihres populistischen Kurses zum Schaden der Landwirtschaft! Reden Sie mit den Landwirten und nicht über unsere Landwirte und schauen Sie sich ein realistisches Bild von der Thüringer Landwirtschaft an! Ich weiß auch gar nicht, warum so ein Hype um dieses Fipronil gemacht wird. Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Wenn Sie heute in Thüringen ein Ei,

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Kriegst du jeden Tag zum Frühstück!)

wenn Sie heute in Thüringen als Verbraucher oder als Weiterverarbeiter Eier einkaufen, dann können Sie das guten Gewissens tun. Von der Thüringer Landwirtschaft wissen Sie, wo kommen die her,