Protocol of the Session on June 22, 2017

Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, stellen wir die sozialen Netzwerke einfach Presse, Rundfunk, Film und Fernsehen gleich, sodass es keine Missverständnisse mehr geben kann, wer alles dem

Schutzbereich des Artikels 11 der Thüringer Landesverfassung unterfällt.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Damit Sie ungestört het- zen können!)

Unser Gesetzesentwurf hat auch noch eine zweite Komponente: Wir wollen ausdrücklich die indirekte Einflussnahme auf Meinungsbildung und Meinungsäußerung untersagen. Diese äußert sich wie im eben beschriebenen Maas-Werk in existenzgefährdenden Straf- und Bußgeldandrohungen, die nicht nur direkt wirken – das ist das Infame –, sondern durch ihre Bedrohung des nur Verbreitenden, aber nicht Äußernden subtiler, letztlich viel effizienter die Löschung sogenannter gefährlicher Inhalte veranlassen, ja garantieren. Denn wer will sich schon einer solchen Drohung aussetzen, wenn er dabei für jemand anderen haften soll? Die Meinungsfreiheit, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, und das sei am Ende betont, ist in diesem Lande bedroht. Der jetzige Vorstoß des Bundesjustizministers ist ein weiterer trauriger Höhepunkt einer seit Jahrzehnten andauernden schlimmen Entwicklung, die sich leider in den letzten Jahren und Monaten in unerträglicher Weise beschleunigt hat.

Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, setzen wir hier gemeinsam in Thüringen deshalb ein starkes Zeichen für die Meinungsfreiheit eingedenk der Tatsache, dass ohne Meinungsfreiheit keine Demokratie gedacht werden kann. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Als nächste Rednerin hat Abgeordnete Henfling, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, da die AfD keinen Wert darauf legt, dass wir hier politisch korrekt miteinander umgehen, entschuldige ich mich bei den demokratischen Fraktionen jetzt schon, falls es in meiner Rede eventuell vorkommt, die AfD möchte das ja gern so – dann: Feuer frei!

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Ja, wir sind gespannt!)

„Hate Speech“, Herr Höcke, ist Englisch. Ich finde es immer witzig, dass Sie von Neudeutsch sprechen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Neudeutsch wäre es, wenn man von „Hate-Speechen“ sprechen würde, dann hätte man es eingedeutscht.

(Abg. Höcke)

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Ach, Sie sind auch Lehrerin, Frau Kollegin?)

Nein, ich bin keine Lehrerin, aber ich habe unter anderem auch Linguistik studiert. Ich glaube nicht, dass wir da auf Augenhöhe kommen.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Woher soll er das wissen?)

Aber gut!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ganz ehrlich, ich habe den Antrag der AfD gelesen, auch mehrfach, und meine erste Assoziation war so ein bisschen: Der Antrag fühlt sich an wie das Krankheitsbild der paranoiden Schizophrenie. Um das mal zu erläutern: Die internationalistische Klassifikation für diese Krankheit sagt – ich zitiere –: „Die paranoide Schizophrenie ist durch beständige, häufig paranoide Wahnvorstellungen gekennzeichnet, meist begleitet von akustischen Halluzinationen und Wahrnehmungsstörungen.“

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das soll natürlich nicht die Leute diffamieren, die tatsächlich unter dieser Krankheit leiden, aber auf den Rängen dort oben haben Sie das Papier vielleicht nicht gelesen. Ich werde dazu jetzt auch noch ein bisschen erläutern, warum ich zu diesem Schluss komme.

An Wahnvorstellungen und Wahrnehmungsstörungen mangelt es diesem Gesetzentwurf schlicht und ergreifend nicht. Um seine Notwendigkeit zu begründen, beschwört der Gesetzentwurf mit dem Problemaufriss ein apokalyptisches Bild deutscher Zustände. Herr Höcke hat das Ganze ja gerade noch einmal ausgeführt. Gleich zu Beginn wird mit nichts Geringerem eröffnet als mit dem heroischen Kampf der sozialen Netzwerke als letzter Hort emanzipatorischer Freiheitsrechte gegen die alles unterdrückende Lügenpresse. Dabei nutzt die AfD die sozialen Netzwerke – und das hat Frau KönigPreuss hier deutlich ausgeführt – gern selber, um Fake News zu verbreiten, und verschweigt dabei gerne, dass Wahrheit und Freiheit nicht unbedingt das Ziel ihres Handelns sind. Bernd Höcke, Björn Höcke – Entschuldigung, das passiert mir manchmal, da komme ich durcheinander –

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Wie bei der Krankheit!)

hat dies trefflich vor Kurzem bewiesen, er fing sich eine nette Unterlassungserklärung wegen eines gefälschten Buchtitels ein, den er erstellte und via Facebook teilte.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: So viel zur Wahrheit!)

Da ist dann schnell klar, dass das Ziel des Gesetzentwurfs wohl nicht das offensichtlich Angesprochene ist – dazu aber später.

Als nächstes Argument bringt der Antrag pauschal die realitätsferne Darstellung der Masseneinwanderung von 2015 und 2017 durch die Berichterstattung der klassischen Medien – diese arbeiten zusammen mit staatlich unterstützten Nichtregierungsorganisationen gegen die AfD. Ich sehe das immer wieder, wie die Amadeu Antonio Stiftung mit wehenden Fahnen, groß unterstützt von den breiten Massen, gegen die AfD arbeitet. Ich finde dieses Bild so völlig schizophren!

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Millionen Euro Steuergelder!)

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Jetzt reißt er aus!)

Als Krönung der Verschwörung bringt die Regierung dann das Netzwerkdurchsetzungsgesetz auf den Weg und macht sich damit selbst zu einem autoritären Staat. Das ist Ihre Argumentation. Diese Wahrnehmungen entspringen aus meiner Sicht einer doch durchaus schwierigen Weltsicht und haben mit der Realität wenig gemein. Das macht den Gesetzentwurf der AfD sachlich nicht nutzbar. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist – und das sage ich als Grüne leider mit voller Überzeugung – ein schlecht gemachtes Gesetz. Wir hätten mehr Zeit gebraucht,

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Und die Lan- desregierung hat es unterstützt!)

das zu diskutieren. Dazu haben wir Grüne die Kritik auf Bundesebene geäußert, dazu haben wir in den letzten Monaten heftig diskutiert.

Herr Möller, ich sage es noch einmal, so wie gestern: Wenn ich rede, höre ich vor allen Dingen meine Stimme und nicht Ihre und das ist wunderschön.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Jawohl, Frau Erzieherin!)

Wir Grüne sind der Meinung, dass die Rechts…

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Ein ganz schön arrogantes Mädel da vorn!)

Herr Abgeordneter Brandner!

(Abg. Henfling)

Wissen Sie, Herr Brandner, wenn Sie selbstbewussten Frauen – ich weiß, dass Sie damit schwer können, das ist für Ihr Ego ein Problem –,

(Heiterkeit und Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

gleich Arroganz unterstellen, nur weil die in der Lage sind,

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Für Sie mache ich eine Ausnahme! Nur für Sie!)

Ihr schlecht gemachtes Zeug hier auseinanderzunehmen, dann sagt das mehr über Sie, als über uns

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und ich glaube – na ja, mit dem Egoproblem müssen Sie klarkommen. Wir Grünen sind der Meinung, dass die Rechtsdurchsetzung verbessert werden muss, das existierende Melde- und Abhilfeverfahren, also das Notice and take down – wieder Englisch, nicht neudeutsch –, für rechtswidrige Inhalte muss gesetzlich klarer geregelt werden. Bisher gibt es nur allgemeine Vorgaben für Unternehmen. Verfahren bei strafrechtlich relevanten Online-Äußerungen werden regelmäßig eingestellt. Mit einer Konkretisierung der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren, die der enormen Verbreitungsdynamik im Digitalen gerecht wird, sowie einer verbesserten Ausstattung von Strafverfolgungsbehörden und Gerichten, soll die Zahl der Einstellungen deutlich verringert werden. Hier schafft das Gesetz leider keine Verbesserung, im Gegenteil – die Bundesregierung düpiert reihenweise Wissenschaftler mit ihrem Vorgehen. Auf die mannigfaltigen verfassungs- und europarechtlichen Bedenken ging Minister Maas leider auch nicht ein. Mit einer seriösen Netz- und Rechtspolitik hat das leider sehr wenig zu tun,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

auch wenn ich nachvollziehen kann – und das teile ich –, dass wir dort Handlungsdruck haben und dass wir da tatsächlich etwas machen müssen. Lassen Sie uns das lieber in aller Ruhe nach den Wahlen noch mal diskutieren und dann ein wirklich gutes und ein griffiges Gesetz auf den Weg bringen, das die tatsächlichen Probleme in diesem Bereich löst. Nach über einem Jahr runder Tisch, offener Brief und Taskforce der Bundesregierung zeigen die Studien, dass die Selbstverpflichtungen ebenfalls verbesserungswürdig sind und dass sie nicht ausreichend greifen. In einem Hau-Ruck-Verfahren haben wir jetzt dieses Gesetz auf dem Tisch liegen; unter anderem auch der Richterbund hat kritisiert, ich glaube oder ich hoffe zumindest, dass

der Druck, der da auch von zivilgesellschaftlicher Seite kommt, noch mal deutlich zu einem Überdenken dieser Gesetzesinitiative führt. Auch – und jetzt kommt es, jetzt muss die AfD die Öhrchen spitzen – die Amadeu Antonio Stiftung hat sich gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ausgesprochen.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Das geht ja auch schlecht!)