Es scheiden aus: 730 2018 und 880 2019, sind 1.610. Huch, da fehlen ja 60 Stellen! Dann kann man sagen: Okay, damit kann man schon draußen argumentieren. Das sollte man aber nicht tun, denn ein ganzer Teil derjenigen, die ausscheiden, sind gar nicht mehr vor den Schülern, sondern die sind in der Ruhephase der Altersteilzeit, auch die Zahlen kennen wir. Das sind ungefähr gut 400 Lehrer, die 2018 und 2019 aus der Ruhephase der Altersteilzeit ausscheiden. Da kann man sagen, dass dann, wenn man das einbezieht, ja alles in Ordnung ist und wir dann genügend einstellen können.
Nun wissen wir aber – und das hat der Kollege Hoff auch selbst deutlich gemacht –, dass ein Teil dieser 900 Stellen zum Beispiel in Entfristung geht: 300 Stellen bei den zusätzlich eingestellten Lehrern, 150 Stellen bei den DaZ-Lehrern, 100 Stellen für die Vertretungsreserve usw. usf. Und da schmilzt natürlich die Möglichkeit, tatsächlich neue Lehrer in die Schulen zu bringen, ziemlich zusammen.
(Zwischenruf Prof. Dr. Hoff, Minister für Kul- tur, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Nicht 250, Sie sollten nicht einfach etwas reinrufen, wenn es nicht stimmt!)
Ja, man kann sich dann immer über die Rechnung streiten. Ich will es mal ganz offen sagen, ich spitze mal die Frage zu: Stellen wir deutlich mehr Lehrer ein als vorher und haben trotzdem vielleicht nicht genug Personal an den Schulen – könnte auch das sein?
Man kann es gar nicht ganz exakt beschreiben, weil nämlich noch eine ganze Reihe von anderen Faktoren hinzukommt, die diese Rechnung, die man hier miteinander aufmachen kann, wieder durchkreuzen. Was ist zum Beispiel mit den gestiegenen Schülerzahlen? Haben wir die eigentlich bei der bisherigen Berechnung wirklich auf dem Schirm gehabt? Ich nehme mal nur diese Legislaturperiode: Die Schülerzahlen steigen vom Beginn bis zum Ende dieser Legislaturperiode noch mal um 7.000 Schüler an. Wenn man mal eine Klasse mit durchschnittlich 25 Schülern annimmt, sind das allein 280 Schulklassen mehr, die zu besetzen sind. Auch das muss natürlich noch mal durchdacht werden. Und die Schülerzahlen steigen danach weiter, dann soll aber ab 2020 auch der richtige Abbaupfad bei den Lehrern einsetzen.
Also ich habe den Eindruck, dass da noch nicht alle Zahlen und Ziele wirklich zueinanderpassen und dass es dabei noch ein Stück gründlicher Debatte braucht. Aber selbst wenn die Zahlen alle exakt wären und aufeinanderpassen würden, dann wissen wir gemeinsam, dass es trotzdem noch Probleme geben könnte, denn dann ist die Frage noch gar nicht beantwortet: Haben wir die richtigen Fachkombinationen an der Stelle, an der wir sie auch brauchen, um den Unterricht abzusichern? Frau Rothe-Beinlich hatte die Zahlen der Stellenwandlungen dankenswerterweise mal abgefragt und die sind ein Indiz dafür, dass wir an der Stelle ein echtes Problem haben. Das waren nämlich im August 2015 bei den damaligen Einstellungen gut 180 Stellenwandlungen und im Februar 2016 rund 200 Stellenwandlungen – das ist eine enorm hohe Zahl. Für alle, die sich damit nicht so auskennen: Stellenwandlung heißt, ich schreibe eine bestimmte Fachkombination aus, und wenn ich keine Lehrerin oder keinen Lehrer finde, die ich darauf einstellen kann, wandle ich die Stelle in eine andere Fachkombination um. Das heißt dann aber auch, ich habe zwar die Stelle besetzt, aber nicht wirklich exakt den Bedarf, den ich eigentlich abdecken wollte, getroffen.
Auch an dieser Stelle müssen wir natürlich darüber reden, wie wir besser werden können. Da möchte ich mal bei den eigenen Möglichkeiten anfangen. Man muss die Frage nach dem Nachwuchs tatsächlich stellen. Wir haben zurzeit rund 500 Referendare jährlich in der Ausbildung; wir wollen aber in den kommenden Jahren mehr als diese Zahl einstellen. Da frage ich jetzt mal angesichts eines bundesweiten Lehrermangels, zumindest in vielen Fächerkombinationen: Reicht es dabei aus, noch auf die Altbewerber zu setzen, von denen wir durchaus
noch einige haben? Oder muss die Landesregierung nicht auch rangehen und sagen, wir müssen die Referendariatsstellen in den kommenden Jahren noch einmal aufstocken? Wir brauchen mehr Ausbildungsplätze für junge Lehrerinnen und Lehrer.
Auch diese Frage ist noch nicht entschieden, wenn ich das richtig gesehen habe. Dann ist natürlich auch die Frage, wie viele Bewerber auf die Referendariatsplätze am Ende vorhanden sind. Aber ich glaube schon, dass wir auch über die Kapazitäten an dieser Stelle reden müssen.
Ich will es auch sagen: Die Planung und Steuerung des Personaleinsatzes – und darauf hat Torsten Wolf vorhin noch mal hingewiesen – ist ein Punkt, der oft in der Debatte unterschätzt wird. Ich weiß, dass wir uns damals schon mit dem Problem rumgeschlagen haben, weil die Software, die wir zur Personalplanung haben, eigentlich nicht wirklich funktioniert, die Schulleiterinnen und Schulleiter können wirklich ein Lied davon singen. Wir haben damals schon überlegt: Wir brauchen eine komplett neue Lösung, wir müssen einen neuen Aufschlag machen. Damals standen keine Mittel für eine solche neue Lösung zur Verfügung, weil die Haushalte sehr eng verhandelt worden sind und die finanzpolitischen Zwänge auch etwas größer waren, als sie im Moment gerade sind. Jetzt sind wir an dem Punkt, wo wir Mittel hätten, weil wir Haushaltsüberschüsse haben, die wir einsetzen können.
(Zwischenruf Prof. Dr. Hoff, Minister für Kul- tur, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Wir werden es tun!)
Ich glaube – und Sie nicken, Herr Hoff, Sie sehen das genauso –, wir brauchen dringend möglichst rasch ein Personalsteuerungsinstrument, was funktioniert, was in der Planung funktioniert, was uns aber auch zeigt, wo eigentlich welche Lehrer konkret im Einsatz sind und wo vielleicht auch Personalressourcen als Überkapazitäten weitergeführt werden, denn das – das muss man ja offen sagen – ist natürlich auch für die Schule angenehm, wenn sie da ein paar Überkapazitäten hat, die sie für die eine oder andere Aufgabe einsetzen kann, ist aber schlecht für die Nachbarschule, die Unterkapazitäten hat und dringend zusätzlichen Bedarf hätte, um den Unterricht abzusichern. Auch hierüber muss man sicher reden.
Es ist hier auch deutlich geworden, dass es vielleicht nicht die allerbeste Entscheidung war, das Programm „Geld statt Stelle“ wieder abzuschaffen. Ich glaube, dass wir ein flexibles Instrument brau
Ich bin froh, dass wir uns in der Frage auch einig sind; ob man das jetzt „Geld statt Stelle“ oder „Schulbudget“ nennt, ist völlig zweitrangig. Wichtig ist, dass wir ein Flexibilisierungsinstrument für die Schulen bekommen, damit sie den Unterricht da absichern können, wo es brennt.
Ich persönlich glaube auch, dass es keine gute Entscheidung war, dass die Schulen nicht mehr das Instrument der schulscharfen Ausschreibung haben. Was ist das? Das heißt, dass die Schulen selbst ihre Stellen ausschreiben und auch wesentlich bei der Besetzung dieser Stellen mitwirken. Ich kenne die Sorgen, die dahinter formuliert werden, dass dann die kleinen Schulen im ländlichen Bereich Probleme mit der Personalgewinnung hätten, aber ich glaube, wenn man das klug anstellt und die Schulen auch entsprechend unterstützt, dass es gerade in den Bereichen, in denen uns Fachlehrer fehlen, ein wichtiges Instrument sein könnte, um diese Lehrer zu finden. Denn womit können wir denn sonst werben? Eine Schule kann, wenn sie direkt ausschreibt und in direktem Kontakt mit Bewerbern ist, klarmachen: Wir haben dieses oder jenes besonderes Schulprofil, was dich vielleicht interessieren könnte. Oder sie kann in Zusammenarbeit mit ihrer Kommune vielleicht noch den einen oder anderen Anreiz für Lehrerinnen und Lehrer setzen, den wir zum Beispiel im Besoldungssystem aufgrund der rechtlichen Vorgaben nicht setzen könnten. Hier liegt eine große Chance, die ich auch noch mal genauer zu betrachten bitte. Die stellenscharfe Ausschreibung, dass die Schule versuchen kann, ihr eigenes Team zusammenzusetzen und damit pädagogische Qualität zu steigern, wäre, glaube ich, ein wichtiges Instrument für unsere Schulen in der Zukunft.
Ich finde es auch gut, wenn wir uns umschauen, was andere machen, um ihre Probleme im Schulbereich bei der Frage zu lösen, wie ich eigentlich junge Lehrerinnen und Lehrer auch für Schulen gewinne, die etwas weiter entfernt liegen von den Ballungszentren, die vielleicht etwas schwieriger zu besetzen sind. Unsere Nachbarn in Sachsen beispielsweise haben ein spezielles Stipendienprogramm aufgelegt, bei dem Masterstudierende ein
zusätzliches Stipendium bekommen, wenn sie sich auf der anderen Seite verpflichten, für eine bestimmte Anzahl von Jahren in Schulen im ländlichen Raum zu unterrichten. Ich finde, das ist ein sinnvolles Instrument, um junge Leute genau für solche Schulen zu interessieren.
Herr Hoff, Sie haben die Schulstruktur angesprochen, das ist in der Tat auch eine Frage, über die man reden muss, und Sie haben die Zahl von 180 Schülern genannt und gesagt, die Hälfte der Schulen liegt darunter. Wenn man die Grundschulen anschaut, sind es sogar drei Viertel der Grundschulen, die unter dieser Größe liegen. Jetzt ist nur die Frage: Was heißt das am Ende? Ich will eines hier ganz deutlich machen: Auf keinen Fall darf die Marschrichtung lauten: kleine Schulen zu, denn große sind effektiver. Das darf nicht die Lösung sein,
sondern wir brauchen Organisationsmodelle. Wir brauchen Organisationsmodelle, die die Existenz kleiner Schulen möglich machen, aber gleichzeitig dafür sorgen können, den Personaleinsatz flexibel zu steuern und die kleinen Schulen vor allem auch von Verwaltungsaufgaben zu entlasten. Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal ganz deutlich für das Modell der Sprengelschulen werben, das sich ja auch viele der Bildungspolitiker hier angeschaut haben, wie das zum Beispiel in Italien funktioniert.
Es wäre eine Möglichkeit, wie wir dafür sorgen können, dass nicht die Schule in der Gemeinde verschwindet, auch wenn sie nur noch 50 oder 60 Schüler hat, sondern vielleicht über eine längere Zeit eine Bestandsgarantie bekommen kann. In diesem Zusammenhang kann man auch noch einmal überlegen, dass Sprengelschulen nicht nur Verbünde von Grundschulen untereinander sein müssen. Wir haben heute schon zum Beispiel die Kooperation zwischen Gemeinschaftsschulen mit verschiedenen Grundschulen. Auch daraus kann man ein Sprengelmodell mit gemeinsamen Erledigungen von Verwaltungsaufgaben entwickeln. Auch so könnte man Grundschulen entwickeln und eine noch bessere Kooperation zwischen Grundschulen und Gemeinschaftsschulen organisieren. Hier gibt es viele Möglichkeiten, die wir nutzen können.
Ich glaube, auch in die interne Unterrichtsorganisation muss man bei dem Thema noch einmal schauen. Denn gerade dort, wo wenige Schüler sind, lohnt es sich, einmal auf die Erfahrungen zu schauen, die Grundschulen mit Jahrgangsmischung machen, mit jahrgangsübergreifendem Unterricht. Ein
Wir haben aber gerade gesehen, drei Viertel aller Grundschulen sind in einer möglicherweise unterkritischen Größe. Ich habe damals, als ich im Amt war, versucht, dieses Modell über die Schulordnung durchzusetzen. Ich habe das am Ende zurückgezogen, weil es massiven Widerstand aus den Grundschulen gab, die das noch nicht gemacht hatten. Ich habe das auch verstanden, auch der Zeitraum war sehr kurz gewählt. Aber wenn man die Grundschulen auf diesem Weg mit entsprechenden Weiterbildungsprogrammen unterstützt, mit Kooperationen mit Grundschulen, die ein solches Modell fahren, kann man auch darüber natürlich nicht nur einen pädagogischen Zugewinn erzielen, sondern auch einen deutlich besseren Personaleinsatz organisieren und damit Entspannung im Personalbereich schaffen, also Unterrichtskonzepte weiterentwickeln.
Ich will auch etwas zum Thema „Inklusion“ sagen, weil das mittlerweile zu einem großen Sorgenthema für Eltern und Lehrer geworden ist, und zwar nicht nur in Thüringen, sondern bundesweit. Ich will aber auch ganz deutlich sagen: Wir sollten nicht die Idee selbst diskreditieren, dass wir eine inklusive Gesellschaft erreichen wollen.
Und, Herr Kollege Tischner, wenn Sie hier in diesem Zusammenhang vom Inklusionswahn reden oder wenn der Kollege Höcke gar von einem Amoklauf im Zusammenhang mit der Inklusion spricht, wird da doch ein Bild gezeichnet, das nur noch Angst erzeugt. Wir müssen aber schauen, wie wir für dieses wichtige Thema der Gesellschaft positive Motivation wecken können.
Es geht doch nicht nur darum, dass wir immer wieder das Scheitern der Inklusion vorführen. Natürlich gibt es Schulen, in denen man auch das Scheitern der Inklusion vorführen kann. Es gibt sogar einen Regisseur, der das in einem Film sehr eindrücklich geschildert hat, wie Inklusion auch scheitern kann. Aber lasst uns doch nicht nur auf das Scheitern schauen. Aus dem Scheitern muss man lernen, wie man es besser machen kann.
Aber lassen Sie uns doch auch auf die gelingenden Beispiele schauen. Es gibt Tausende und Abertausende gelingende Beispiele von Inklusion hier in
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es geht nicht um Labor, das passiert doch in der Realität!)