Protocol of the Session on June 1, 2017

Herr Möller, Sie können sich hier gern zu Wort melden, aber diese Verdrehung von Tatsachen kann ich hier nicht so stehen lassen.

(Beifall SPD)

Ich will zu Beginn noch mal deutlich machen: Wenn Schüler, Eltern und Lehrer hier gemeinsam vor dem Parlament demonstrieren, dann geschieht das natürlich nicht ohne Grund. Es ist ein Signal, dass etwas an den Schulen nicht in Ordnung ist. Wir sollten genau hinhören, wir sollten genau zuhören. Dann gibt es allen Grund, sorgsam gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Da will ich hier auch in aller Offenheit sagen: Herr Kollege Hoff, wenn die Landesregierung eine Regierungserklärung auf die Tagesordnung setzt zu dem Zeitpunkt, an dem diese Demonstration stattfindet, und wir dann aber erleben, dass es hier keine gemeinsame Debatte gibt, dass der zuständige Minister nach seiner Regierungserklärung nach draußen geht, dass der zuständige Sprecher der Opposition nach seiner Erwiderung nach draußen geht, dass der Kollege Wolf nach seiner Wortmeldung nach draußen geht

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich saß hier!)

Astrid Rothe-Beinlich war die Einzige, die die ganze Zeit neben mir hier die Debatte verfolgt hat –, dann sage ich auch ganz ehrlich: Warum machen wir dann hier eine Debatte zur Bildungspolitik im Parlament? Dann können wir uns entscheiden, entweder wir gehen alle nach draußen und reden mit denen, die hier demonstrieren, oder wir führen hier drinnen gemeinsam eine Debatte, wir hören einander zu, sonst brauchen wir eine solche Debatte hier im Parlament nicht zu veranstalten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das hilft denen da draußen übrigens auch nicht, wenn jeder nur sein Statement abgibt, wir aber nicht wirklich miteinander ins Gespräch kommen.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Jetzt muss ich Ihnen leider mal recht geben!)

(Abg. Höcke)

(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Der Mann hat recht!)

Wenn nämlich am Ende nur jeder versucht, die Sorgen derjenigen, die da draußen demonstrieren, für sich politisch zu instrumentalisieren, dann hat die Schule gar nichts gewonnen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Schule gewinnt nur, wenn wir versuchen, Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten.

Herr Hoff, ich fand es gut, dass Sie gesagt haben, wir wollen hier keine Schwarz-Weiß-Debatte. Sie haben deutlich gemacht, es geht darum, Probleme weder zu relativieren noch zu überhöhen. Ich finde das gut, ich finde auch den Ton Ihrer Regierungserklärung gut, das will ich ausdrücklich sagen. Und ich sage es auch ganz deutlich: Er hebt sich auch wohltuend von dem Bild ab, das wir aus dem Ministerium vorher erlebt haben.

Es geht jetzt aber auch darum, dass wir versuchen, Klarheit über die Probleme und ihre möglichen Lösungen zu schaffen. Da will ich auch mit Blick auf die Redebeiträge hier noch mal deutlich sagen: Herr Kollege Tischner, wenn wir hier eine konstruktive Debatte führen wollen, Sie aber davon reden, dass es hier einen Frontalangriff auf das Thüringer Schulsystem gibt, oder wenn Herr Höcke vom völligen Scheitern der Bildungspolitik redet,

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Das war es auch!)

dann ist das nicht nur eine maßlose Übertreibung, sondern es führt auch ins Nirgendwo. Wenn wir eine bildungspolitische Debatte miteinander führen wollen, dann müssen wir doch gucken: Wo sind wirklich Schwachstellen im Bildungssystem? Dieser Generalverriss, das ist doch auch nicht die Wirklichkeit derer, die da draußen gestanden haben. Die haben ihre Probleme. Die wollen, dass diese Probleme gehört und gesehen werden, aber die wollen auch keinen Generalverriss. Ich habe das Gleiche erlebt, was Sie vorhin erwähnt haben, Herr Hoff, wenn man mit Lehrerinnen und Lehrern redet, die sagen: Ja, seht auf die Probleme, nehmt sie wahr, versucht was zu tun, aber macht auch deutlich, was für Anstrengungen und welche Qualität in diesem Thüringer Bildungssystem stecken, denn das Thüringer Bildungssystem schneidet im Bundesvergleich immer noch sehr gut ab. Auch das muss mal klar und deutlich gesagt werden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Noch!)

Schulen und Kindergärten – das ist auch kein Geheimnis – brauchen Verlässlichkeit über lange Zeiträume, die Entwicklung darf nicht alle paar Jah

re die Richtung wechseln. Das heißt aber auch nicht, dass alles immer so bleibt, wie es ist, denn mit dem Wandel der Gesellschaft müssen sich auch die Schulen weiterentwickeln. Herr Höcke, ich sage es Ihnen ganz deutlich: Als Sie hier über Schulfrieden geredet haben und Ihre Argumente hier dargelegt haben, da fiel mir eigentlich nur noch der Spruch „Die Schule ruhe in Frieden!“ ein, denn das ist genau das, wo Sie hinwollen. Die Schule soll erstarren, es soll sich nichts mehr ändern, es soll alles sein wie früher, nur dann wäre der Lehrer Höcke glücklich mit der Schule.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist aber nicht die Schulwirklichkeit von heute, sondern wir leben in einer modernen Gesellschaft, die sich Tag für Tag weiter verändert und in der wir unsere Kinder auf diese Veränderungen vorbereiten müssen. Wir können doch nicht mit der Schule des 19. Jahrhunderts Kinder für das 21. Jahrhundert ausbilden, Herr Höcke.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nein, es geht nicht um einen scheinbaren Schulfrieden – ich weiß nicht, was man darunter überhaupt verstehen soll –, sondern die Kunst guter Bildungspolitik besteht eigentlich darin, dass man die richtigen Entwicklungsimpulse setzt, und zwar zur richtigen Zeit, dass man die Partner einbezieht, die Lehrer, die Schüler, die Eltern, und dass man die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellt, Zeit, Geld, Personal. Ich will an dieser Stelle auch ganz selbstkritisch vorweg sagen: Ja, ich habe in meiner Zeit als Minister da auch Fehler gemacht, ich war auch manchmal zu schnell, ich wollte zu viel in kurzer Zeit. Ich habe manchmal Lehrer überfordert, ja, das stimmt. Aber aus den eigenen Fehlern kann man auch immer am besten lernen.

(Beifall SPD)

Deshalb sage ich selbstkritisch: Ja, man braucht lange Entwicklungszeiträume, wenn man in Schule etwas erreichen will, aber man muss sich auf den Weg machen. Ich habe – das sage ich auch kritisch zu meiner Erfahrung hier im Parlament – auch gelernt, dass viele bildungspolitische Debatten, die wir hier geführt haben, in der Sache kaum weitergeholfen haben, dass sie in der Regel dazu dienten, nur den jeweiligen Gegner anzugreifen, statt zu gucken, was man denn wirklich für Kindergärten, für Schulen, für Hochschulen gemeinsam auf den Weg bringen kann.

Weil ich oft erlebt habe, dass nicht transparent und offen argumentiert wird – auch das haben wir heute wieder erlebt, Herr Tischner, ich will es Ihnen sagen: Für die CDU wäre es auch wichtig, sich mal intern Klarheit darüber zu verschaffen, welche bildungspolitische Position sie eigentlich vertreten will.

Sie haben hier natürlich wieder den Lehrermangel und den Unterrichtsausfall beklagt und angemahnt, dass wir mehr Personal brauchen. Dann sagt aber die CDU gleichzeitig – das haben wir auch schon in der letzten Legislaturperiode erlebt –, wenn es um das Personalkonzept der Landesregierung geht, dass die gut 8.000 Stellen, die die Landesregierung vorgeschlagen hat, alles noch gar nicht genug ist. Herr Kollege Mohring, Sie wissen, was ich meine. Sie waren es damals, der für die CDU gesagt hat: Nein, wir müssen nicht 8.000, wir müssen 11.000 Stellen abbauen, und das bis 2020.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das wurde im Kabinett beschlossen!)

Ja, aber das passt doch alles nicht zusammen. Jetzt ist der Stellenabbau erst mal so weit ausgesetzt bis 2020, um Luft zu kriegen.

(Beifall DIE LINKE)

Sie sagen trotzdem noch, das reicht alles nicht aus,

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Hat doch kein Mensch gesagt!)

aber gleichzeitig fordern Sie einen viel schärferen Stellenabbau. Sie müssen mal versuchen, im Kopf zusammenzukriegen, was Sie eigentlich wollen: Entweder schärferen Stellenabbau oder mehr Lehrer in der Schule.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Beides gleichzeitig können Sie nicht haben. Das meine ich mit Intransparenz in der Bildungsdebatte. Oder Sie haben gesagt: Es fehlen die notwendigen Fachlehrer, wir brauchen die Instrumente, um konkurrenzfähig zu sein. Aber, Herr Tischner, das wissen Sie doch auch, auch wenn Sie erst seit dieser Legislaturperiode im Parlament sind: Wir diskutieren seit vielen Jahren darüber, dass wir so wie andere Bundesländer auch unseren Lehrern die Verbeamtung wieder anbieten müssen. Das ist natürlich nicht das Allheilmittel, aber das ist doch ein wichtiger Baustein, wenn man konkurrenzfähig um Lehrer werben will. Das hat die CDU in der letzten Legislaturperiode verhindert, dass die Verbeamtung wieder kommt. Ich habe es jahrelang gefordert, die CDU hat es verhindert. Herr Tischner, da müssen Sie auch mal Klarheit in Ihren Positionen schaffen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber ich sage genauso kritisch: Mir gefällt es auch nicht, dass die jetzige Landesregierung zweieinhalb Jahre gebraucht hat,

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Sie haben Ihre Hausaufgaben nicht gemacht!)

(Unruhe CDU)

sich endlich darauf zu verständigen, dass die Verbeamtung wieder kommt. Wir brauchen dieses Instrument, wenn wir um Lehrer werben wollen. Wir brauchen noch weitere, das ist auch wahr. Aber wir brauchen auch dieses Argument. Also im Sinne derer, die da draußen gestanden haben, und all derer, die vielleicht nicht draußen gestanden haben, aber die Probleme an ihren Schulen spüren oder in den Kindergärten, hören und schauen wir genau hin und akzeptieren wir keine Scheinlösungen.

Herr Hoff, ich finde, Sie haben hier eine gute Problemanalyse geliefert und mit viel Verständnis, auch mit Empathie die Situation beschrieben. Das ist wichtig. Das ist eine ganz zentrale Voraussetzung, um Schule besser machen zu können. Ich sage aber auch dazu – und das meine ich an uns alle –, wir sind in der Mitte der Legislaturperiode. Die Zeit läuft und wir sind kurz vor dem Abschluss der Haushaltsverhandlungen für den nächsten Doppelhaushalt. Alles, was wir noch umsetzen wollen in dieser Legislaturperiode und was haushaltsrelevant ist, das müssen wir jetzt entscheiden. Sonst wird in dieser Legislaturperiode nichts mehr daraus. Deshalb sehen Sie es mir nach, ich dränge ein bisschen aufs Tempo. In verschiedenen Punkten haben Sie hier gesagt, wir werden dieses und jenes noch bringen. Wir brauchen möglichst rasch Entscheidungen aus der Landesregierung, damit auch im Haushalt die notwendigen Entscheidungen verankert werden können.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD)

Ich will mit der Lehrereinstellung beginnen, denn das war ja auch ein wesentlicher Punkt, weshalb Schüler, Eltern und Lehrer da draußen gestanden haben – Personalsituation in den Schulen. Ich finde es gut, dass der Stellenabbaupfad zunächst einmal gestreckt worden ist. Das schafft eine gewisse Entlastung. Wir müssen uns jetzt mal genauer anschauen, ob es schon die Probleme löst.

Herr Kollege Wolf, ich will an dieser Stelle auch noch mal sagen: Wir beide haben ja in der vorherigen Legislaturperiode an einem Tisch gesessen, um über ein Personalentwicklungskonzept zu diskutieren. Da will ich auch noch mal sagen: Respekt für Ihre damalige Entscheidung als GEW-Vorsitzender, sich mit dem Ministerium, mit dem Minister an einen Tisch zu setzen und sich festlegen zu lassen auf ein Personalentwicklungskonzept. Aber, und das müssen wir heute beide einräumen, manche Entwicklungen haben wir in diesem Konzept natürlich nicht vorausgesehen. Die Zahlen, auf die wir uns damals verständigt haben, sind aus heutiger Sicht nicht mehr haltbar. Da gab es Dinge, die konnten wir nicht voraussehen, wie die Tatsache, dass eine enorme Anzahl an Flüchtlingen hierherkommt. Da gab es andere Perspektiven für die Schülerzahlentwicklungen, aber möglicherweise haben wir auch manchen zusätzlichen Bedarf in der

Qualitätsentwicklung unterschätzt. Ich sage das ganz bewusst, weil dann oft der Eindruck erweckt wird, die Politik weiß nicht, was sie tut. Die Politik kann nur zum jeweiligen Zeitpunkt versuchen, mit allem verfügbaren Wissen, was da ist, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Sie muss zugleich bereit sein, wenn sie erkennt, dass diese Entscheidung nicht ausreichend war, ihre Entscheidung weiterzuentwickeln, vielleicht auch zu korrigieren. In dieser Phase sind wir jetzt, was die Personalentwicklung für die kommenden Jahre angeht. Da werden ja oft die ganz einfachen Rechnungen aufgemacht, auch Herr Tischner hat hier Rechnungen zu Einstellungen und Ausscheidungen vorgeführt. Natürlich kann ich sagen, 9.000 plus 6.500, die eingestellt werden sollen im nächsten Doppelhaushalt,

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: 9.000?)

900 plus 650, Herr Tischner – sorry, wenn ich mich versprochen habe –, sind 1.550.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Ich hatte mich schon gefreut!)

Es scheiden aus: 730 2018 und 880 2019, sind 1.610. Huch, da fehlen ja 60 Stellen! Dann kann man sagen: Okay, damit kann man schon draußen argumentieren. Das sollte man aber nicht tun, denn ein ganzer Teil derjenigen, die ausscheiden, sind gar nicht mehr vor den Schülern, sondern die sind in der Ruhephase der Altersteilzeit, auch die Zahlen kennen wir. Das sind ungefähr gut 400 Lehrer, die 2018 und 2019 aus der Ruhephase der Altersteilzeit ausscheiden. Da kann man sagen, dass dann, wenn man das einbezieht, ja alles in Ordnung ist und wir dann genügend einstellen können.