Protocol of the Session on February 27, 2015

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das gilt auch für Sie!)

es kann ja unangenehm für Sie sein und der Präsident mag nach meinen Ausführungen bewerten, ob meine Ausführungen noch im Rahmen der Geschäftsordnung waren oder nicht, und mag mich entsprechend darauf hinweisen, aber es ist doch

schon Gegenstand öffentlicher Diskussion geworden, wenn Herr Kellner nach der Innenausschusssitzung gegenüber Medien darstellt, es seien viele Fragen offengeblieben, im Innenausschuss aber auf die Frage, ob Fragen offengeblieben sind, offensichtlich nicht zu antworten vermag.

(Beifall DIE LINKE)

Und, Herr Kellner, das sage ich Ihnen auch ganz deutlich: Es mag ja sein, dass aus Ihrer Sicht nach der Beratung im Innenausschuss Fragen offengeblieben sind, nur müssen Sie diese Fragen auch stellen. Denn es erschließt sich eben nicht für die Teilnehmer

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

der Innenausschusssitzung, wenn Sie im Innenausschuss fortsetzend geschwiegen haben, aber dann meinen, es gäbe noch einen großen Aufklärungsbedarf. Ihr Selbstbefassungsantrag im Innenausschuss hatte ja bereits ein besonderes Geschmäckle, weil nach § 112 Geschäftsordnung der Datenschutzbeauftragte verpflichtet ist, auf Verlangen eines Ausschusses Auskunft über seine Tätigkeit im Rahmen seiner Zuständigkeiten zu erteilen, und das macht natürlich nur Sinn, wenn er dies wahrheitsgemäß tut, und zwar ohne Auslassungen. Aber, meine Damen und Herren, wenn man gleichzeitig einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses stellt, der sich explizit gegen den Datenschutzbeauftragten richtet, macht man ihn zumindest im Verfahren des Untersuchungsausschusses zum Betroffenen der Untersuchung, woraus natürlich wieder besondere Rechte für den Betroffenen entstehen, die beispielsweise mit der Reichweite seiner Zeugenaussage zu tun haben. Dieses Verfahren, was Sie gewählt haben, wäre ungefähr so – da will ich mal an die Erfahrungswerte des Abgeordneten Walk, der ja an dem Verfahren beteiligt war, anschließen –, als wenn Sie heute einen Zeugen zu einem Sachverhalt bei der Polizei vorladen, dort ist er zur wahrheitskonformen und vollständigen Aussage verpflichtet, und ihm gleichzeitig eine Vorladung als Betroffenen in derselben Sache für nächste Woche übersenden, in dem Rahmen dieses Verfahrens er dann die Möglichkeit hätte, die Aussage zu verweigern. Dieses Verfahren, was Sie gewählt haben, ist, denke ich, nicht nur schoflig, sondern eben auch, wenn man tatsächlich Aufklärung über den Sachverhalt, über die Verfahrensabläufe erlangen will, nicht besonders klug, genau genommen ist es sogar sehr weit weg von dieser Kategorie.

(Beifall DIE LINKE)

Denn wenn Sie tatsächlich Aufklärungsinteresse gehabt hätten, wäre das richtige Mittel der Wahl gewesen, die Anfragen nach § 112 Geschäftsordnung im Innenausschuss zu stellen oder die Anfragen

nach Datenschutzgesetz zu stellen, die ja möglich sind seit der letzten Legislaturperiode, nämlich als parlamentarische Anfragen an den Datenschutzbeauftragten. Genau diese parlamentarischen Möglichkeiten haben Sie unterlassen zu nutzen.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Seit wann bestimmen Sie, welche Rechte wir wahrneh- men und welche nicht, Herr Dittes?)

Ich stelle das nur fest, ich bestimme das nicht, Herr Mohring. Ich stelle das nur fest und es verwundert mich und es offenbart natürlich auch Ihre Absicht und Ihre Motivation.

(Unruhe CDU)

Ich nehme Ihnen aber auch die Aufklärungsabsicht aus einem anderen Punkt nicht ab und da können Sie jetzt gleich wieder emotional nach oben fahren. Wenn der wesentliche Kern der Auseinandersetzung, nämlich warum musste eigentlich ein Amtshilfeersuchen an die Thüringer Polizei gerichtet werden, Ihren Abgeordneten im Innenausschuss nicht mehr erinnerlich ist, da frage ich mich natürlich schon: Was ist denn die eigentliche Zielrichtung Ihres Begehrens?

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Aber zum eigentlichen Inhalt: Meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, da bin ich gern bereit, mich in Ihre Gedankenwelt hineinzubewegen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das möch- ten wir gar nicht!)

Keine Sorge an die Kollegen meiner Fraktion, ich komme da auch wieder heraus.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Herr Fiedler, das müssen Sie ertragen!)

Volker Emde formulierte am 21.02. im „Freien Wort“: Unser Verdacht ist, dass der Datenschutzbeauftragte als SPD-Mitglied den CDU-Innenminister vorführen wollte. – Mit diesem Gedanken habe ich mich auseinandergesetzt und habe gefragt: Wie kommt die CDU-Fraktion darauf? Also: Lutz Hasse wollte durch eigenes Nichtstun das Innenministerium vorführen, er hat sich selbst erklärt, nicht in der Lage zu sein, seine Arbeit zu machen, um dem Innenminister zu schaden – ein ganz perfider Plan.

(Heiterkeit DIE LINKE)

Aber nicht genug: Lutz Hasse hat nicht nur nichts gemacht, um dem Innenminister zu schaden, er hat sogar noch den Innenminister aufgefordert, selbst aktiv zu werden. Da habe ich Ihre Motivlage nun wirklich nicht mehr verstanden, denn, Herr Geibert – Sie sitzen ja jetzt als Abgeordneter hier im Parlament –, Sie hätten ja diesen perfiden Plan des Datenschutzbeauftragten, Sie vorzuführen, ganz einfach durchkreuzen können, indem Sie nämlich Ihre

Verantwortung als Innenminister, als der für Ordnung und Sicherheit verantwortliche Minister in diesem Land, wahrgenommen hätten

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

und tatsächlich für die Einhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gesorgt hätten.

(Zwischenruf Abg. Geibert, CDU: Bevor man etwas tut, muss man auch wollen!)

Denn die Einhaltung der öffentlichen Ordnung ist immer dann gefährdet, wenn Rechtsgüter verletzt werden. Und das ist ja – wie Herr Kellner selbst beschrieben hat – der Fall gewesen, nämlich durch den Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz. Sie hätten also jederzeit durch eigenes Aktivwerden den aus Ihrer Sicht perfiden Plan des Lutz Hasse durchkreuzen können.

(Zwischenruf Abg. Geibert, CDU: Für Faul- heit!)

Offensichtlich gab es ja sogar diese Bereitschaft im Thüringer Innenministerium, diesen Plan zu durchkreuzen, wenn man in die Innenausschusssitzungsprotokolle der 5. Legislaturperiode hineinschaut und den Schriftwechsel zu Immelborn zur Kenntnis nimmt: Es waren Beamte der Bereitschaftspolizei vor Ort, die einen Einsatz für möglich erachtet haben, und es gab auch bereits offensichtlich die mündliche Zusage zur Hilfe durch die Polizei.

(Zwischenruf Abg. Geibert, CDU: Ist das ein Zitat aus dem Innenausschuss?)

Nein, das war kein Zitat, Herr Geibert. Nun seien Sie doch mal unaufgeregt!

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Hat er doch gerade „aus dem Protokoll“ gesagt?)

Vielleicht eine Bemerkung dazu und wir können diese Diskussion zu diesem Punkt beenden: Sie versuchen doch gerade auch, zur Reform des Parlaments darüber zu diskutieren, auch die Sitzungen der Ausschüsse öffentlich zu machen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das steht in der Geschäftsordnung, Herr Dittes!)

Aber jedes Mal, wenn man nur den Hauch einer Information in die Öffentlichkeit gibt, sind Sie sehr aufgeregt hier an dieser Stelle. Das kann ich nicht nachvollziehen, weil Sie, glaube ich, sehr genau wissen, dass, wenn man sich mit diesen Beratungen beschäftigt, man auch Aufklärung in der Sache hätte erlangen können.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das haben wir gestern erlebt!)

Aber weiter in Ihrem Vorwurf: Sie haben immer wieder darauf hingewiesen – nicht nur in Innenausschusssitzungen, auch in öffentlichen Pressemittei

lungen –, dass doch der Datenschutzbeauftragte ein privates Unternehmen hätte beauftragen können, müssen, um den datenschutzrechtswidrigen Zustand zu beseitigen. Aber diese Beauftragung kostet Geld, öffentliches Geld, was im Haushalt des Datenschutzbeauftragten nicht vorhanden war. Meine Damen und Herren, was Sie dem Datenschutzbeauftragten nicht vorwerfen können: Ihrem Hinweis nicht nachgegangen zu sein, denn bereits im September 2013 hat sich der Thüringer Datenschutzbeauftragte an alle Fraktionen des Thüringer Landtags gewandt mit der Bitte, die Voraussetzungen zu prüfen, genau dies auch möglich zu machen, weil ihm dieses Geld – es war damals in etwa eine Summe von 150.000 Euro im Raum stehend – nicht zur Verfügung steht, und er bat die Fraktionen um Unterstützung in der Sache. Auch diesen Weg, der von Ihnen gefordert worden ist, ist der Datenschutzbeauftragte gegenüber dem Parlament gegangen und er hat auch von Ihrer Fraktion in diesem Punkt keine Unterstützung erfahren.

Deswegen, meine Damen und Herren, werden wir natürlich auch im Untersuchungsausschuss die Rolle der CDU und des Thüringer Innenministeriums zum damaligen Zeitpunkt sehr genau betrachten. Diese Möglichkeit haben Sie uns mit der Fragestellung ja auch gegeben. Denn im Kern, meine Damen und Herren, geht es nicht nur um die Frage, warum der Datenschutzbeauftragte ein Amtshilfeersuchen an die Thüringer Landesregierung gerichtet hat, sondern es geht im Kern auch um die Frage, aus welchen rechtlich begründeten bzw. tatsächlichen Gründen wurde Amtshilfe verweigert

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

bzw. eine eigene Zuständigkeit auf der Grundlage des § 3 Thüringer Polizeiaufgabengesetz im Thüringer Innenministerium verneint.

Ehrlich gesagt, meine Damen und Herren: Vor diesem Hintergrund freue ich mich auch ein Stück weit auf den Untersuchungsausschuss und natürlich auch auf die Vernehmung der zur Wahrheit konform aussageverpflichteten Zeugen aus dem Thüringer Innenministerium, von denen ja zwei Beteiligte mittlerweile auch Mitglieder der antragstellenden Fraktion sind.

Meine Damen und Herren, der Untersuchungsausschussantrag – ich denke, das ist deutlich geworden – ist ein Politikum. Man könnte den Meinungsaustausch damit belassen und dem Minderheitenrecht entsprechen. Nun sagt das Untersuchungsausschussgesetz aber auch etwas anderes in § 2 Abs. 3, nämlich dass bei Zweifeln über die Zulässigkeit einer Untersuchung der Landtag einen Einsetzungsantrag zur gutachtlichen Äußerung an den Justizausschuss überweisen kann. Damit stellen Sie genau die richtige Frage, Herr Mohring, nämlich: Hat der Landtag bei dieser Frage allein auf der

Grundlage der Formulierung des Gesetzes ein Ermessen? Das hat er in der Tat, aber das muss er pflichtgemäß ausüben und wir müssen uns die Frage stellen, ob hier nicht ein – wie es im Verwaltungsrecht so schön heißt – Fall der Ermessensreduzierung auf Null vorliegt. Denn, meine Damen und Herren, bei dem Datenschutzbeauftragten handelt es sich um ein vollständig unabhängiges Organ, wie es bereits in § 36 des Datenschutzgesetzes zum Ausdruck kommt. Eine Grundlage hat diese Regelung in einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, wonach die EU-Datenschutzrichtlinie die – Zitat – „völlige Unabhängigkeit“ der Arbeit der zuständigen Kontrollstellen vorschreibt, und der EuGH urteilt im Jahr 2011, dass die Datenschutzaufsicht im privaten Bereich – wiederum Zitat – „jeglicher äußeren Einflussnahme entzogen sein [müsse], die ihre Entscheidungen steuern könnte“. Und der damalige Bundesdatenschutzbeauftragte Schaar bewertete das Urteil dahin gehend, dass jedes Risiko einer Einflussnahme auf die objektive und unabhängige Entscheidung der Datenschutzaufsichtsbehörden vermieden werden muss. Das ist allerdings, meine Damen und Herren, dann nicht mehr der Fall, wenn der Datenschutzbeauftragte jederzeit befürchten muss, durch eine Minderheit zum Gegenstand einer Untersuchung zu werden, in dessen Rahmen am Ende auch die Einsichtnahme in Vorgänge, in Akten, in nicht abgeschlossene Verfahren beim Datenschutzbeauftragten steht. Deswegen sagen wir auch, meine Damen und Herren, die Frage der rechtlichen Zulässigkeit Ihres Untersuchungsausschussantrags ist nicht nur eine Frage, die Ihren Antrag selbst betrifft, sondern sie ist von einer grundsätzlichen rechtlichen wie auch politischen Bedeutung, weil natürlich nicht nur der Thüringer Datenschutzbeauftragte, sondern auch die Datenschutzbeauftragten der anderen Bundesländer tatsächliche Rechtssicherheit über ihren Status als unabhängiges Organ haben müssen. Oder müssen sie zukünftig befürchten, jederzeit durch ein Minderheitenrecht zum Gegenstand einer an die Strafprozessordnung angelehnten Untersuchung werden zu können?

(Beifall DIE LINKE)

Ich denke, allein diese Tatsache rechtfertigt es, dass wir uns mit der Frage der Zulässigkeit nicht leichtfertig nur beschäftigen, sondern tatsächlich auch intensiv auseinandersetzen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ein zweites rechtliches Problem tut sich eben dann auch auf in dem besonderen Verhältnis des Datenschutzbeauftragten zum Parlament, selbstbetrachtend, weil der Datenschutzbeauftragte tatsächlich in Thüringen konstitutiv ein Teil des parlamentarischen Systems ist, ein Organ des Parlaments selbst ist. Eine Untersuchung in diesem Bereich

würde also quasi eine Untersuchung des Parlaments gegen einen Teil von sich selbst sein und das begegnet natürlich zumindest auch verfassungsrechtlichen Fragestellungen, die wir auch beantworten sollten, denen wir uns in jedem Fall stellen sollten.

Meine Damen und Herren, ich weiß ja, dass Ihr Vorwurf, sich diesen Fragen anzunehmen, dahin geht, dass es sich hierbei um eine Verzögerungstaktik handelt. Das ist es keinesfalls, meine Damen und Herren, denn die Frage derart verfassungsrechtlich relevanter Problemlagen, die sich mit Ihrem Antrag ergeben, sich diesen Fragen anzunehmen, ist keine Verzögerung, sondern gebietet einfach auch die Rechtssicherheit im Umgang dieses Parlaments mit einzelnen Organen,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)