Protocol of the Session on March 23, 2017

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 10

(Staatssekretärin Ohler)

Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung vor Tiergefahren Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/3570 ERSTE BERATUNG

Wünscht die Landesregierung das Wort zur Begründung? Herr Staatssekretär Götze, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, am 21. Mai 2010 kam es in Sachsenburg im Kyffhäuserkreis zu einem folgenschweren Hundeangriff, in dessen Verlauf ein dreijähriges Mädchen tödlich und seine Urgroßmutter schwer verletzt wurde. Im Oktober 2010 kam es in Kindelbrück im Landkreis Sömmerda erneut zu einem tödlichen Beißvorfall. Eine 57-jährige Frau wurde von ihrem eigenen Hund angegriffen und dabei so schwer verletzt, dass sie ihren Verletzungen erlag. Diese beiden Fälle hatten gezeigt, dass das Prinzip, nach dem ein Hund erst dann als gefährlich gilt, wenn er bereits Menschen oder Tiere verletzt hat, wie es in der Thüringer Gefahrenhundeverordnung geregelt war, nicht ausreicht, um auf Gefahren, die insbesondere von Hunden bestimmter Hunderassen und deren Kreuzungen ausgehen, reagieren zu können. Die Landesregierung war seinerzeit gefordert, effektive Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung zu ergreifen. Ein Kernpunkt des Thüringer Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung vor Tiergefahren war deshalb die Einstufung der Gefährlichkeit von Hunden nach ihrer Rassezugehörigkeit sowie die zwingend vorgeschriebene Unfruchtbarmachung von Hunden dieser Rasse. Mit der Frage nach der Zulässigkeit solcher Rasselisten bzw. einer erhöhten Gefährlichkeit bestimmter Hunderassen hatte sich das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 16. März 2007 zum Hundeverbringungsund -einfuhrbeschränkungsgesetz des Bundes vom 12.04.2001 intensiv auseinanderzusetzen.

Auch über zehn Jahre nach dieser Entscheidung aus Karlsruhe ist im Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz des Bundes eine Rasseliste enthalten und auch die Hundegesetze der überwiegenden Zahl der Bundesländer enthalten eine teilweise sehr umfangreiche Rasseliste. Bereits die damalige Landesregierung war sich bewusst, dass die Frage, ob die potenzielle Gefährlichkeit eines Hundes ausschließlich anhand seiner Rasse bestimmt werden darf, umstritten ist. Gegen Rasselisten wird eingewandt, dass die Gefährlichkeit bestimmter Hunderassen aufgrund genetischer Veranlagung bisher nicht habe wissenschaftlich be

wiesen werden können. Vielmehr seien äußere Faktoren wie Haltung und Erziehung von größerer Bedeutung. An dieser Argumentation ist richtig, dass Menschen bzw. die Halter von Hunden solcher Hunderassen großen Einfluss auf die persönliche Entwicklung ihrer Tiere haben können. Im Koalitionsvertrag wurde deshalb vereinbart, dass das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung vor Tiergefahren zu evaluieren und gegebenenfalls anzupassen ist.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ist es gelungen, die Balance zwischen der Wahrung der öffentlichen Sicherheit, insbesondere der Sicherheit unserer Kinder, und den Interessen der Hundehalter und ihrer Tiere zu wahren.

Ich möchte an dieser Stelle kurz auf die Eckpunkte des Gesetzentwurfs eingehen: Dort, wo die Gefährlichkeit eines Hundes aufgrund seiner Rasse gesetzlich vermutet wird, soll nunmehr die Möglichkeit eingeführt werden, im Einzelfall durch einen Wesenstest seine Ungefährlichkeit nachzuweisen. Damit verfolgt die Novelle eine vermittelnde Lösung. Die Rasseliste wird zwar grundsätzlich beibehalten, aber für den einzelnen Hund kann seine Ungefährlichkeit festgestellt werden. Das ist ein sachgerechter Kompromiss, der den Belangen der öffentlichen Sicherheit gerecht wird. Die bisher geregelte Verpflichtung, Hunde der Rasseliste zwingend mit Eintritt der Geschlechtsreife unfruchtbar machen zu lassen, wird durch eine Soll-Vorschrift ersetzt. Damit wird eine intendierte Ermessensentscheidung der Behörde im Einzelfall ermöglicht. Das gilt zum Beispiel dann, wenn das Tier krank ist und einen solchen Eingriff unter Umständen nicht überstehen würde. Hunde der sogenannten Rasseliste, deren Ungefährlichkeit durch einen Wesenstest festgestellt wurde, sind nicht mehr unfruchtbar zu machen.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, besonderes Augenmerk haben wir in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie auf die Stärkung des Präventionsgedankens zur Abwehr von Gefahren durch Hunde gelegt. So wurden auf Anregung des TMASGFF die §§ 8 Abs. 1 und 11 des vorliegenden Gesetzentwurfs neu gefasst. § 8 Abs. 1 des Regierungsentwurfs stellt klar, dass die zuständigen Behörden bei Vorliegen von konkreten Informationen über die Gefährlichkeit eines Hundes verpflichtet sind, den Sachverhalt von Amts wegen zu prüfen. Mit der Neufassung des § 11 Abs. 1 und 2 des Regierungsentwurfs wird nunmehr geregelt, dass nicht nur Hunde der sogenannten Rasseliste einem Zucht- und Vermehrungsverbot unterliegen, sondern auch Hunde anderer Rassen, die aufgrund eines Wesenstests im Einzelfall als gefährlich festgestellt wurden. Damit soll weitestgehend ausgeschlossen werden, dass bei den Nachkommen von als gefährlich festgestellten Hunden ebenfalls ein

(Vizepräsidentin Jung)

über das normale Maß hinausgehendes Aggressionsverhalten auftritt. Darüber hinaus werden in § 11 Abs. 2 zur vorbeugenden Gefahrenabwehr Verhaltensweisen von Hunden, welche auf eine Steigerung des Angriffs- und Kampfverhaltens eines Hundes unabhängig von der Rasse ausgerichtet sind, verboten.

Im Ergebnis der Anhörung wurde § 9 Abs. 2 Satz 5 des Entwurfs ergänzt. Insbesondere die kommunalen Spitzenverbände hatten daran Anstoß genommen, dass nach § 9 Abs. 2 Satz 4 der Nachweis der Fähigkeit eines Hundes der sogenannten Rasseliste zum sozialverträglichen Verhalten bei einem Halterwechsel unberührt bleibt. Nach § 9 Abs. 2 Satz 5 hat der neue Halter nunmehr innerhalb von drei Monaten einen Sachkundenachweis nach § 5 Abs. 1 vorzulegen. Die Möglichkeit, die Gefährlichkeit eines Hundes im Einzelfall zu widerlegen, soll es künftig nicht nur für Hunde der sogenannten Rasseliste geben, sondern auch für Hunde aller anderen Rassen, die aufgrund ihres Verhaltens auffällig und als gefährlich eingestuft worden sind. Nach dem vom Halter veranlassten, erfolgreich bestandenen Wesenstest soll die zuständige Ordnungsbehörde nach der neuen Regelung dann eine Bescheinigung ausstellen, mit der die Ungefährlichkeit des betreffenden Hundes nachgewiesen werden kann.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich bin mir bewusst, dass dieser Entwurf für viele Hundehalter und Verbände nicht weit genug geht und von dieser Gruppe nach wie vor aus grundsätzlichen Überlegungen heraus die vollständige Abschaffung der sogenannten Rasseliste gefordert wird. Auf der anderen Seite war jedoch zu berücksichtigen, dass vor allem die Kinderschutzverbände im Hinblick auf den Schutz von Leben und Gesundheit von Kindern, aber auch von älteren Menschen die im Entwurf vorgesehenen Lockerungen in Bezug auf Hunde der sogenannten Rasseliste sowie im Hinblick auf die im Einzelfall als gefährlich festgestellten Hunde anderer Rassen grundsätzlich ablehnen. Diesen Bedenken wurde im Rahmen der Stärkung des Präventionsgedankens Rechnung getragen.

Der Deutsche Kinderschutzbund, Landesverband Thüringen e.V., hat im Rahmen der Anhörung auch das Problem der scharfgemachten Hunde angesprochen. Ein solches Scharfmachen soll nunmehr ausdrücklich verboten sein und ist auch bußgeldbewährt. Die Deutsche Kinderhilfe ist der Auffassung, dass bei einem bestandenen Wesenstest der Entfall der Maulkorbpflicht, aber vor allem der Wegfall der Leinenpflicht bei potenziell gefährlichen Hunden nicht vertretbar seien, da sie die Bevölkerung in einem nicht kalkulierbar hohen Maß gefährden können. Ich gebe an dieser Stelle zu bedenken, dass in den vom Kinderschutzbund angesprochenen Fällen nur die Leinenpflicht nach dem Tiergefahrengesetz

entfällt, nicht aber die von den meisten Kommunen durch ordnungsbehördliche Verordnung erlassene Leinenpflicht in den jeweiligen Gemeindegebieten. Eine solche auf kommunaler Ebene geregelte Leinenpflicht trifft unabhängig von der Rasse oder einem bestanden Wesenstest jeden Hund.

Soweit der Deutsche Kinderschutzbund fordert, dass die Hundehalter stärker in die Pflicht zu nehmen sind, wurden auch diese Belange im Ergebnis berücksichtigt. Nach bisheriger Rechtslage war der Halter eines Hundes der sogenannten Rasseliste nicht dazu angehalten, sich übermäßig mit seinem gefährlichen Tier zu beschäftigen und dieses zu erziehen. Ein Wesenstest war nicht erforderlich, da der Hund per Gesetz als unwiderlegbar gefährlich galt. Dies wird sich mit der Möglichkeit, die Ungefährlichkeit des Hundes durch einen Wesenstest nachzuweisen, ändern. Will ein Hundehalter davon Gebrauch machen, muss er sich eingehend mit seinem Tier auseinandersetzen und dafür Sorge tragen, dass der Hund die Fähigkeit zu sozialverträglichem Verhalten entwickelt. Darüber hinaus wird mit einem Wesenstest nicht nur die Fähigkeit des Hundes zu sozialverträglichem Verhalten überprüft, sondern auch grundsätzlich das Zusammenspiel zwischen dem jeweiligen Halter-Hund-Gespann. Gerade in Bezug auf die Hunde der sogenannten Rasseliste, aber auch im Hinblick auf die im Einzelfall als gefährlich festgestellten Hunde, nimmt die Möglichkeit, die Gefährlichkeit im Einzelfall durch einen Wesenstest zu widerlegen, die betreffenden Hundehalter stark in die Pflicht. Nicht zuletzt die Sensibilisierung der Hundehalter im Hinblick auf mögliche Gefährdungen der Mitmenschen, verantwortungsbewusst mit ihren Hunden umzugehen, ist ein Aspekt, der generell durch dieses Gesetz verfolgt wird. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich eröffne die Beratung und als Erster hat Abgeordneter Kellner, Fraktion der CDU, das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuhörer und Gäste auf der Tribüne, der Staatssekretär hat in seiner Einbringung ja schon darauf aufmerksam gemacht, was damals die Ursache war, warum sich im Parlament und auch in der Öffentlichkeit eine breite Diskussion ergeben hat, nämlich die Vorfälle, bei denen das dreijährige Mädchen im Kyffhäuserkreis zu Tode gekommen ist durch diese vier gefährlichen Hunde der Rasse Staffordshire-Bullterrier, was uns dann wochenund monatelang sehr intensiv beschäftigt hat und woraufhin das Gesetz entstanden ist, das heute auf

(Staatssekretär Götze)

der Tagesordnung steht bzw. wozu heute die Änderungen auf der Tagesordnung stehen.

Der Herr Staatssekretär hat auch ausgeführt, dass viele Hundeverbände, Hundebesitzer das kritisch betrachtet haben, die Einstufung nach der sogenannten Rasseliste, dass das in den Kreisen, ich sage mal, zu Unruhe geführt hat, aber nicht nur dort, sondern auch hier in dem Parlament. An der Stelle bin ich mal gespannt, wie die Fraktion Die Linke auf diesen Gesetzentwurf reagiert, denn eines steht ja fest: Die Rasseliste bleibt bestehen. Ich möchte hier ganz einfach mal mit einem Zitat beginnen, Frau Präsidentin: „Eine unsinnige Rasseliste ist kein vernünftiger Grund und dabei bleibt auch die Fraktion Die Linke“, so Frau Berninger im Juni 2012 zur ersten Beratung des von den Linken eingebrachten Gesetzentwurfs zur Änderung des Tiergefahrengesetzes. Das war die Ausführung von Frau Berninger, die das von Anfang an abgelehnt hat, eine Rasseliste überhaupt in das Gesetz aufzunehmen. Dahinter hat sich auch die Linke gestellt und da bin ich natürlich besonders gespannt, wie man mit diesem Gesetzentwurf umgeht, in dem genau das nämlich Inhalt bleibt, und das aus gutem Grund. An dieser Stelle möchte ich mich bedanken, dass man daran nicht gerüttelt hat bei der Landesregierung, sondern diese Rassen weiterhin in der Rasseliste belässt. Wir haben ja zum anderen auch gefordert, es sollte eine Evaluierung in Bezug auf das Gesetz durchgeführt werden; das haben wir schon gefordert als CDU-Fraktion. Das wurde auch tatsächlich durchgeführt. Ich bedaure nur, dass das im Ausschuss kein Thema war. Uns hätte natürlich auch im Ausschuss interessiert, welches Ergebnis diese Evaluation erbracht hat. Das halten wir für sehr bedauerlich. Dann hätte man im Vorfeld ja auch mal die Sache gemeinsam auswerten können, um dann einen entsprechenden Gesetzentwurf mit auf den Weg bringen zu können. Stattdessen haben wir heute einen Gesetzentwurf vorliegen, den wir in den nächsten Wochen und Monaten beraten wollen und auch beraten werden.

In der Evaluation, die durchgeführt wurde, gab es den Hinweis, dass sich das bestätigt hat, was wir schon immer gesagt haben, dass diese Rasseliste ihre Berechtigung hat. Es wurde darin festgestellt, dass diese vier Rassen besonders auffällig bei Beißattacken waren. Wenn man das natürlich jetzt auch nicht unter der Menge oder Anzahl betrachten darf, weil das nur eine geringe Anzahl Tiere ist, die die Rasseliste beinhaltet, so ist doch festgestellt worden, dass erhebliche Beißattacken von diesen vier Rassen ausgegangen sind und dies eine gewisse Bestätigung dessen ist, dass die in die Gefährdungsstufen so eingestuft wurden, wie sie bei uns im Gesetz derzeit vorhanden sind.

Der Gemeinde- und Städtebund hat sogar gefordert, die Schäferhunde auf diese Liste mit aufzunehmen. Natürlich, die Häufigkeit bei Schäferhun

den ist viel größer, weil die Anzahl viel höher ist. Das war eine Forderung vom Gemeinde- und Städtebund. Danach sieht man auch, dass es deutliche Zeichen dafür gibt, dass wir nicht zu wenige Hunde auf der Rasseliste haben, sondern es unter Umständen mehr sein könnten. Das ist in anderen Bundesländern auch der Fall. An der Stelle haben wir uns damals sehr zurückgehalten und diese Rasseliste mit Augenmaß bestimmt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist auch noch ein anderer Aspekt zu betrachten. Das ist die Hundesteuer. Auch das wird in dem Gutachten ausgeführt, dass die Hundesteuer – man kann auch sagen: eine Lenkungssteuer – eingeführt wurde oder ermöglicht wurde, was die Kommunen in die Lage versetzt, gefährliche Hunde von dieser Rasseliste entsprechend hoch zu besteuern, um die Ausbreitung und Verbreitung der Tiere zu begrenzen. Da erwähne ich jetzt mal die Stadt Eisenach, die eine um 700 Prozent höhere Steuer nimmt als gegenüber normalen bzw. solchen Hunden, die sich nicht auf der Rasseliste befinden. 700 Prozent! Andere Kommunen machen das in ähnlicher Größe. Auch hier sieht man, dass es seine Berechtigung und seine Wirkung erzielt hat, dass die Kommunen davon Gebrauch gemacht haben, aber nicht nur aus Einnahmegesichtspunkten. Man möchte damit der Gefahr, die von diesen Tieren ausgeht, Rechnung tragen, um die Bürgerinnen und Bürger davor zu schützen. Das ist eine Lenkungssteuer, das ist keine große Einnahmequelle, das will ich an der Stelle betonen. Damit wird keine Gemeinde ihren Haushalt sanieren, aber die Sicherheit wesentlich erhöhen. Das ist letztendlich auch das Ziel, warum wir das mit aufgenommen haben.

Wenn wir jetzt davon sprechen, wir wollen das über einen Wesenstest ermöglichen, dass die Gefährlichkeit der Tiere dadurch widerlegt werden kann, so muss ich an der Stelle sagen: Unser Ansatz war immer ein völlig anderer. Das Problem ist nicht der Hund, sondern der Hundehalter. Das war schon immer so. Das Tier ist so gefährlich, wie letztendlich der Hundehalter das zulässt. Da muss man ernsthaft darüber nachdenken, welche Sanktionen man dann ermöglichen kann. Aber der Wesenstest ist jetzt ein Thema, das da mit einfließen soll, womit man ermöglichen will, dass Hunde nicht mehr als gefährlich eingestuft werden, obwohl sie auf der Rasseliste sind.

Wir haben unsere Rasseliste wirklich sehr, sehr begrenzt. Andere Bundesländer haben weitaus mehr, ich will mal ein paar aufführen: Nordrhein-Westfalen, SPD-grün-regiert, hat allein auf dieser Liste 14 Hunde.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Das macht es nicht besser!)

Hamburg, SPD-grün-regiert, hat 15 Hunde auf dieser Liste, Berlin, rot-rot-grün-regiert, 10 auf dieser

Rasseliste. Wir haben im Prinzip das Mindestmaß genommen, das auf der Bundesliste drauf ist. Ich denke, das ist auch richtig. Wenn man die Rasseliste nicht ganz wegbekommt, was immer das Ziel war, möchte man es jetzt ein Stück weit aufweichen, da muss ich den Koalitionären schon die Frage stellen, was ihre Kolleginnen und Kollegen von den anderen Bundesländern dazu sagen. Da gibt es mit Sicherheit genügend Gründe, in dieser Größenordnung Hunde einzustufen, während wir in Thüringen immer mehr davon Abstand nehmen oder versuchen, es aufzuweichen. Nach unserer Auffassung ist die Gefährlichkeit nach wie vor gegeben und der Schutz der Bürgerinnen und Bürger wichtiger. Also auch wenn ein Hundehalter bzw. sein Hund – ich sage mal – diesen Wesenstest vielleicht auch besteht, ist durchaus nach wie vor die Gefährlichkeit vorhanden, davon bin ich oder sind wir überzeugt. Ich will mal das Beispiel nehmen, das wir damals in der Debatte beim ersten Mal, wo das Gesetz eingebracht wurde, diskutiert haben, über die Gefährlichkeit dieser Tiere, weil uns ständig weisgemacht werden sollte, die sind gar nicht so gefährlich, wie wir meinen, vornweg Frau Berninger. Da gab es ja dann auch in der Diskussion ein interessantes Beispiel, was mein Kollege Matthias Hey gebracht hat. Das war der legendäre Berninger, der durch die Gassen fährt. Herr Hey hatte damals diesen Vergleich gezogen oder diese Metapher genommen, um das nochmals zu unterstreichen, wie gefährlich diese Hunde eben sind und sich von anderen abheben. Er hat das Beispiel eines Autos genommen. Da gibt es ja viele Autos. Die einen sind gefährlicher, die anderen nicht. Er hat diesen Berninger kreiert, der mit scharfen Spitzen –

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Das ist schon ein bisschen armselig, dass Sie das jetzt hier kopieren!)

das kann man ja im Protokoll nachlesen – rundherum bestückt war und durch die Gassen fährt, und wenn der jemanden anfährt, ist der Schaden wesentlich größer, als wenn es im Prinzip ein kleines rundes Auto ist. Das war doch damals das, was Herr Hey damit noch mal zum Ausdruck bringen wollte. Deswegen sage ich das, denn wir sitzen hier gemeinsam mit der Koalition und da weiß ich jetzt nicht, wo er den Berninger geparkt hat, auf jeden Fall war das doch ein deutliches Zeichen, was auch die SPD damals davon gehalten hat, was die Rasseliste anbelangt. Ich will vielleicht noch daran erinnern, die SPD wollte das zu der Zeit sogar noch verschärfen. Ich erinnere an die großen dicken Hunde, die noch eingeführt werden sollten, in die Rasseliste aufgenommen werden sollten, was aber die CDU-Fraktion damals verhindert hat.

Es wird eine spannende Diskussion. Ich freue mich darauf, im Ausschuss darüber zu diskutieren, wie wir mit dem neuen Gesetzentwurf und dem Ände

rungsantrag umgehen wollen. Mich interessiert auch in der Diskussion, welche Argumente von den anderen Fraktionen hervorgebracht werden, die es ermöglichen sollen, diesen Wesenstest einzuführen und damit die Gefährlichkeit der Hunde zu relativieren. Wenn man jetzt vorbringt, in anderen Bundesländern gäbe es den Wesenstest auch für Hunde, die auf einer Liste für gefährliche Hunde stehen, da kann ich nur erwidern, was ich vorhin gesagt habe: Nordrhein-Westfalen sind 14, Hamburg 15, Berlin 10 auf der Liste; jawohl, da kann man auch einen Wesenstest ablegen. Diese Hunde können das, aber der überwiegende Teil hat genau diese vier Hunde, die wir auf der Rasseliste haben, ausgenommen. Also da gibt es keine Möglichkeit des Wesenstests und damit die Ungefährlichkeit des Hundes zu belegen, sondern die beziehen sich in erster Linie auf die vielen anderen Hunderassen, die man aufgenommen hat. Wie gesagt, NordrheinWestfalen allein 14 oder Hamburg 15, da ist es möglich, aber viele Bundesländer – der überwiegende Teil hat nämlich diese, die wir auf der Rasseliste haben, rausgenommen oder vom Wesenstest ausgeschlossen, und das aus gutem Grund. Ich freue mich auf die Diskussion im nächsten Ausschuss. Wir würden beantragen, den Gesetzentwurf an den Innenausschuss zu überweisen. Ich freue mich auf die Diskussion. Vielen Dank!

(Beifall CDU)

Als nächste Rednerin hat Abgeordnete Berninger, Fraktion Die Linke, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren der demokratischen Fraktionen hier im Haus! Ich habe mir das schon gedacht, dass Sie gespannt sind – wo ist er denn, der Herr Kellner? –, was ich für einen Standpunkt für die Linksfraktion vortrage. Ich bin allerdings ein bisschen enttäuscht. Ich hatte erwartet, dass ich in der CDU-Fraktion eine Verbündete für unseren Standpunkt finde, dass nämlich Rasselisten nicht geeignet sind. Ich hatte auch erwartet, dass Wolfgang Fiedler zu dem Thema spricht, weil er in den letzten Jahren der befasste, zuständige Abgeordnete gewesen ist.

Meine Damen und Herren, wer die Debatte verfolgt hat, der weiß, dass die Linksfraktion mit dem jetzt vorgelegten Kompromissvorschlag nicht glücklich sein kann. Es geht natürlich nicht um Glücksgefühle meiner Fraktion hier im Haus und bei Gesetzgebungsverfahren, aber es ist dennoch so – wir bleiben dabei –, wir halten den Gesetzeszweck im Gesetz zum Schutz der Thüringer Bevölkerung vor Tiergefahren, nämlich in § 1 ist der formuliert, „[…] Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung

(Abg. Kellner)

vorzubeugen und abzuwehren, die mit dem Halten und Führen von gefährlichen und anderen Tieren verbunden sind“ –, wir halten die Rasseliste nicht für geeignet, diesen Gesetzeszweck zu erfüllen. Insbesondere die im Änderungsgesetz in Punkt 3 mit den vorgeschlagenen Änderungen zu § 2 Abs. 3 sind aus unserer Sicht noch nicht das, was zum Schutz der Bevölkerung nach unserer Meinung sachgerecht wäre. Wir halten die Liste aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse als gefährlich eingestufter Hunde nach wie vor für falsch. Wir finden, dass der mit dem Gesetzentwurf ermöglichte Wesenstest zur Widerlegbarkeit dieser unterstellten Gefährlichkeit ein Schritt in die richtige Richtung ist. Aber für uns ist es ein zu kurzer Schritt.

Herr Götze, ich finde es problematisch, auch Herr Kellner, wenn man schlimme Beißvorfälle zur Grundlage solcher Diskussionen zu solchen Gesetzen macht und sich dabei dann auch nur auf das Tier und nicht auf die durch die Menschen oder auch durch Behörden gemachten Fehler konzentriert. Ich weiß, in Oldisleben war der Gemeindeverwaltung lange bekannt, dass Hunde auf diesem Grundstück sind, aber es wurde nichts unternommen. Die Hunde waren nach meinen Informationen nicht registriert, die Behörde hat nichts gemacht. Der von Ihnen zitierte Vorfall 2010 in Kindelbrück wurde durch einen Rottweilermischling verursacht, nicht durch einen Hund, der auf dieser sogenannten Rasseliste steht. Es wurde nicht erwähnt, dass 2011 beispielsweise in Wülfingerode ein 62-jähriger Mann von seinem Dobermann tödlich verletzt wurde. Es werden dann immer nur die Beißvorfälle herangezogen, die auch den Zweck der geplanten Gesetzesänderung stützen, und andere werden weggelassen. Herr Kellner, ich finde es nicht hilfreich – jetzt ist er weg.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ich bin doch da und höre zu!)

Ich finde es nicht hilfreich, wenn mit dem Finger auf andere gezeigt wird. Aber wenn Sie das machen, dann will ich mal sagen: 2011 wurde in Niedersachsen das Gesetz geändert und ein Hundeführerschein eingeführt. Meines Wissens war Herr McAllister damals Ministerpräsident. Das ist ein CDUPolitiker, wenn ich mich richtig erinnere. Ich habe diese Woche einen Beitrag von Herrn Dierbach gelesen. Herr Dierbach ist diplomierter Veterinäringenieur, berufene sachkundige Person des Thüringer Landesverwaltungsamts und Mitglied der Interessengemeinschaft der Thüringer Hundesachverständigen. Er hat einen Beitrag veröffentlicht, in dem er schreibt, das möchte ich zitieren: „Verhaltensbiologisch ist die ‚gefährliche Rasse‘ nicht zu benennen, es ist naturwissenschaftlich so unsinnig wie unbewiesen, einer Hunderasse a priori, also ohne Berücksichtigung der Prüfung jedes Einzelfalles einer Beißattacke, eine gesteigerte ‚Gefährlichkeit‘ zuzu

schreiben. Rassenkataloge, die ‚Hunde mit gesteigerter Gefährlichkeit‘ auflisten, sind irreführend, weil der Objektivität entbehrend, sie fördern darüber hinaus“ – und das finde ich auch einen wichtigen Aspekt – „einen Hundemissbrauch, indem sie bestimmte Rassen für eine bestimmte Klientel erst attraktiv machen.“ Herr Dierbach und die Interessenvereinigung der Sachverständigen schlagen als Definition für die Gefährlichkeit vor, dass ein Hund gefährlich für Mensch und Tier ist, wenn er die Unversehrtheit der Person oder eines Tieres durch irgendeine seiner Verhaltensweisen, wenig oder nicht kontrollierte oder durch den Halter nicht kontrollierbare Bewegungen bedroht oder in Gefahr bringt. Das finde ich eine hilfreiche und sachgerechte Definition der Gefährlichkeit eines Hundes, die eben nicht an der Rasse, sondern am Verhalten und daran festgemacht wird, wie der Halter oder die Halterin mit dem Hund umgehen kann.

Meine Damen und Herren, die Zahlen der Beißstatistik belegen, dass diese Liste nicht geeignet ist, „Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorzubeugen und abzuwehren, die mit dem Halten und Führen gefährlicher Tiere“, in diesem Fall gefährlicher Hunde, „verbunden sind“. In der von Herrn Kellner erwähnten Evaluation sind die Zahlen für 2012, 2013, 2014 und 2015 aufgelistet. Ich will mich mal nur auf die des letzten Jahres, also 2015, beschränken. Da waren in Thüringen 145.298 Hunde gemeldet, davon 659 dieser sogenannten gefährlichen Rassen und 13.320 Schäferhunde. Die will ich mit erwähnen, weil die meines Erachtens ein wichtiger Beleg für die Unwirksamkeit oder Unsinnigkeit der Rasseliste sind. Es gab 2015 415 Vorfälle mit Hunden, also wo Hunde andere Tiere oder Menschen gebissen haben. Davon waren neun von Hunden der sogenannten Rasseliste verursacht, 72 von Schäferhunden, meine Damen und Herren. Der Schäferhund hat also in 2015 acht Mal so oft schwere oder leichte Verletzungen bei Menschen oder Tieren verursacht wie alle in der Liste aufgeführten Hunderassen zusammen. Ich will jetzt nicht dafür reden, dass der Schäferhund auf die Liste gefährlicher Hunde kommt, sondern ich will nur, dass anhand der Population und anhand der tatsächlich passierten Vorfälle mal nicht emotional, sondern nüchtern über das Thema nachgedacht wird.

Herr Kellner, Sie sind ja schon länger hier Mitglied im Landtag, Sie hätten doch die Evaluierung per Selbstbefassungsantrag im Ausschuss thematisieren können. Wir hätten uns da gefreut. Da hätte kein Mensch etwas dagegen gehabt. § 74 Abs. 2 in der Geschäftsordnung des Landtags ist dazu das Instrument. Ich verstehe nicht, warum Sie es nicht machen und dann hier beklagen, dass wir es Ihnen nicht serviert haben. Das verstehe ich tatsächlich nicht.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber wir stimmen Ihrem Überweisungsantrag zu. Wir werden natürlich in der Debatte im Ausschuss diesen Evaluierungsbericht der Landesregierung mit auf den Tisch legen und in die Debatten mit einbeziehen.

Wenn ich über die Beißstatistik und die Zahlen rede, dann ist es so, dass wir dabei dann auch nur von den sachgemäß angemeldeten Hunden reden. Das sind die mit den zumindest zum größten Teil verantwortungsvollen Halterinnen und Haltern, mit den Halterinnen und Haltern, die ihren Hund kennen und mit ihm umzugehen wissen, die ihn so sozialisiert haben, dass er eben nicht gefährlich ist, Herr Kellner. Das sind auch die, die fast klaglos diese exorbitant hohen Hundesteuern bezahlen, weil sie nämlich Tierfreunde und -freundinnen sind, weil sie den Hund als ein Familienwesen und nicht wie im Gesetz als Sache behandeln, und, Herr Kellner, das sind auch die, die die Kosten für den Wesenstest in Kauf nehmen werden. Und das sind auch die Hundehalterinnen und -halter, die den Wesenstest bestehen werden und damit ganz praktisch nachweisen, dass diese Rasseliste ein falsches Instrument ist.