Protocol of the Session on December 9, 2016

Kommission die Empfehlung des NSU-Untersuchungsausschusses aus der vergangenen Legislaturperiode umsetzen. In der Kommission wollen wir uns mit den Erscheinungsformen des Rassismus und der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit in Thüringen und der daraus resultierenden Gefährdung für die demokratische Kultur auseinandersetzen und auf der Grundlage dieser Analyse Handlungsempfehlungen zur Zurückdrängung rassistischer Einstellungen erarbeiten.

Herr Tischner, wir haben gestern versucht, Ihnen das zu erklären. Der Begriff der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit ist keine Engführung; gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist eine Erweiterung, denn gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit beschäftigt sich mit der kompletten Gesellschaft. Das heißt, sie beschäftigt sich nicht nur mit extremen Rändern, mit rechtsextremen und – wie Sie ja auch immer gern sagen – linksextremen, sondern hierbei ist die politische Einstellung – ob die rechts oder links ist – relativ egal.

(Unruhe CDU)

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit meint: Egal, in welche Gruppierung ich mich selbst einsortiere, wenn ich antisemitische oder rassistische Einstellungen habe, dann ist das ein Problem. Und das ist im Übrigen eine Erweiterung zu Ihrem Extremismus-Begriff.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Es geht um die Kriterien!)

Zu behaupten, der Begriff der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit würde ideologisch benutzt werden – da lache ich sehr laut. Das machen Sie ja mit „Extremismus“ gar nicht!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Also das ist wirklich der Hammer!

Für mich muss einer der Untersuchungsschwerpunkte der Enquete-Kommission auch die Auseinandersetzung mit institutionellem Rassismus sein. Der Begriff des institutionellen Rassismus fand in Deutschland erstmals im Zuge der Debatte um den NSU Verwendung. Dabei knüpft man an den Macpherson-Bericht aus dem Jahr 1999 in Großbritannien an. Zum Hintergrund: Der Macpherson-Bericht beschäftigt sich mit dem Mord an Stephen Lawrence. Am 22. April 1993 wurde der schwarze Jugendliche Stephen Lawrence an einer Bushaltestelle im Südwesten Londons von mehreren Männern erstochen. Die Polizei hatte ein rassistisches Motiv nicht in Erwägung gezogen, stattdessen wurde angenommen, der dunkelhäutige Teenager sei in Drogengeschäfte oder Straßenkriminalität verwickelt gewesen. Durch die schlampigen Ermittlungen konnten die Täter erst 2012 verurteilt werden. Ein im Jahr 1999 veröffentlichter parlamentarischer Un

tersuchungsbericht – der sogenannte MacphersonBericht – analysierte sowohl das institutionelle als auch das individuelle Verhalten der Polizei während der Ermittlungen in dem Mordfall. Der Bericht stellte fest, dass die polizeilichen Ermittlungen im Fall Lawrence durch eine Kombination aus fachlicher Inkompetenz, institutionellem Rassismus und Versagen polizeilicher Führungskräfte behindert wurde. Um zu prüfen, ob ihre Beobachtungen auch über die Londoner Polizei hinaus zutrafen, führte die Kommission Fallstudien in verschiedenen Teilen Großbritanniens durch. Sie erklärte schließlich, dass institutioneller Rassismus ein landesweites Phänomen in den Rängen der Polizei darstellte. Die Kommission diagnostizierte direkte Diskriminierung, die darin besteht, dass Personen aufgrund bestimmter Merkmale, wie zum Beispiel wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder Hautfarbe, von vereinzelten Beamten benachteiligt werden.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Wo ist denn da der Thüringer Bezug?)

Darüber hinaus stellte die Kommission strukturelle Diskriminierung fest, die darin besteht, dass sich unbewusste Vorurteile in der Arbeitsweise der Polizeibehörden niederschlagen. Institutioneller Rassismus beschreibt keine Neigung aller Polizisten zum Rassismus oder bewusste Diskriminierung durch den Polizeiapparat, sondern die unhinterfragte Existenz von Stereotypen oder Nichtwissen über bestimmte Bevölkerungsgruppen, die sich in der Funktionsweise und im Wirken eines Polizeidienstes äußern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Macpherson-Bericht heißt es: Institutioneller Rassismus ist „das kollektive Versagen einer Organisation, für Menschen bezüglich ihrer Hautfarbe, Kultur oder ethnischen Herkunft geeignete und professionelle Leistungen zu erbringen. Er lässt sich in Prozessen, Einstellungen und Verhaltensweisen festmachen, welche auf eine Diskriminierung durch unbewusste Vorurteile, Ignoranz, Gedankenlosigkeit und rassistische Stereotypen, die ethnische Minderheiten benachteiligen, hinauslaufen.“ In Deutschland wurde das Versagen der Sicherheitsbehörden im NSU-Komplex bisher weitgehend mit einem individuellen Fehlverhalten einzelner Beamter oder mit einer mangelnden Vernetzung von Sicherheits- und Polizeibehörden in der Bekämpfung des Rechtsextremismus erklärt. Dass dem Fehlverhalten eine institutionelle Diskriminierung aufgrund von Vorurteilen und Stereotypisierungen von Einwanderern wie im Fall Lawrence zugrunde gelegen haben könnte, wurde hingegen verneint. Diese Haltung wird sowohl vom Menschenrechtskommissar des Europarats als auch von Amnesty International kritisiert. Ich zitiere dazu den Menschenrechtskommissar: „Nach Meinung des Menschenrechtskommissars ist es das Hauptmerkmal dieser Affäre, dass die Polizei, die Staatsanwaltschaft und die Richter

nicht in der Lage waren, die rassistischen Motive der Verbrechen zu erkennen. Vielleicht noch wichtiger ist indes, dass diese Unfähigkeit auf eine strukturelle Voreingenommenheit gegen Ausländer zurückzuführen ist oder Personen, die als solche wahrgenommen werden, die bei Polizei und Strafverfolgungsbehörden vorherrscht, sowie auf ein weitverbreitetes Misstrauen gegenüber Ausländern in der Gesellschaft.“ Amnesty International schreibt dazu: „Der Unwillen der deutschen Polizei, dem mutmaßlichen rassistischen Hintergrund der Morde angemessen nachzugehen – erkennbar an dem Verwerfen der 2006 von den bayerischen Ermittler_innen bereitgestellten Fallanalyse, dem stereotypen Täterprofil und der Behandlung der Familienangehörigen –, deutet auf einen zugrunde liegenden institutionellen Rassismus hin. Das soll nicht heißen, dass einzelne Polizeibeamt_innen oder Ermittler_innen selbst Rassist_innen waren oder die Behörden eine rassistische Politik verfolgten oder rassistische Methoden anwendeten, sondern dass die Behörden als Institution ihrer Pflicht nicht nachgekommen sind, Menschen ungeachtet ethnischer Zugehörigkeiten und rassistischer Zuschreibungen gleich zu behandeln.“

Auch unabhängig vom NSU-Komplex wird im öffentlichen Diskurs rassistisches Verhalten entweder individualisiert oder als ein Problem benannt, das nur am rechtsextremistischen Rand existiert, meine sehr geehrten Damen und Herren. Und das ist auch der Grund, warum wir uns mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und nicht mit Extremismus auseinandersetzen, weil wir uns mit der gesamten Gesellschaft beschäftigen wollen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der in Deutschland weit verbreiteten Haltung, es gäbe keinen institutionellen Rassismus, stehen jedoch die Erkenntnisse von internationalen Organisationen wie dem schon benannten Menschenrechtskommissariat, aber beispielsweise auch dem UN-Antirassismus-Ausschuss gegenüber. So wird beispielsweise darauf hingewiesen, dass viele Straftaten mit rassistischem Hintergrund – weil von den aufnehmenden Polizeidienststellen nicht als solche eingestuft – gar nicht in der PMK-Statistik, also in der politisch motivierten Kriminalität, erfasst werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Voraussetzung für die Bekämpfung von strukturellen Diskriminierungen ist zunächst deren Benennung. Die Enquete ist ein geeignetes Instrument, sich vertieft mit den negativen Auswirkungen des institutionellen Rassismus zu beschäftigen und daraus folgend Konzepte zur Zurückdrängung aller Formen von Alltagsrassismus zu erarbeiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auf den Entschließungsantrag der AfD gehe ich hier nicht weiter ein;

(Beifall AfD)

er ist so schlecht, dass ich glaube, damit müssen wir uns nicht auseinandersetzen.

Ich freue mich auf die Einrichtung der EnqueteKommission und auf die Zusammenarbeit dort. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Abg. Brandner, AfD)

Danke schön. Für die AfD-Fraktion hat Abgeordneter Höcke nun das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, sehr geehrte Besucher auf der Tribüne! Eine Enquete-Kommission soll eingerichtet werden zum Thema „Auseinandersetzung mit Rassismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in Thüringen“ – so ist der neueste Versuch unserer kryptokommunistischen Landesregierung überschrieben, auf Steuerzahlerkosten ihr Ideologieprojekt „Buntes Thüringen“ zu realisieren.

(Beifall AfD)

Es ist immer wieder notwendig, das Ganze metapolitisch einzubetten, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete. Wer die Begriffsherrschaft – der Kollege Hoff wacht auf bei dem Begriff, wunderbar –

(Heiterkeit AfD)

in den Händen hält, der beherrscht die Sprache. Wer die Sprache beherrscht, beherrscht das Denken. Wer das Denken beherrscht, kontrolliert die Politik, egal, ob er in der Regierung sitzt oder nicht.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ihre Allmachtsfantasien!)

Sehr geehrte Kollegen von der Union, die Union als ehemalige konservative Volkspartei ist, wie ich das gestern schon ausgeführt habe, leider, zu meinem Bedauern, in vielen Politikfeldern gescheitert. Den größten Schaden für unser Land verursachte allerdings ihr Scheitern auf dem Feld der Metapolitik. Es hat eine historische Dimension, dass Sie, sehr verehrte Kollegen Abgeordnete von der Union, nicht den Mumm in den Knochen hatten, den versifften Alt-68ern und ihren kryptokommunistischen Apologeten die Stirn zu bieten.

(Unruhe im Hause)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Jetzt reicht es aber!)

(Abg. Henfling)

Herr Abgeordneter Höcke, dafür erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

Helmut Kohl kündigte …

Herr Abgeordneter Höcke, ich habe Ihnen einen Ordnungsruf dafür erteilt und ich erwarte, dass Sie diese Worte nicht weiter verwenden.

„Kryptokommunistisch“, Herr Präsident?

Die Beschimpfungen der Kollegen der Koalitionsfraktionen als „Alt-68er-Siff“ und „kryptokommunistisch“. Das haben Sie mit Ihrer Geste und der Wortverwendung getan. Deswegen habe ich Ihnen einen Ordnungsruf erteilt.

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Pein- lich, peinlich! Peinlich, was der Mensch macht!)

Helmut Kohl kündigte eine geistig-moralische Wende an. Ich glaubte ihm das. Wir glaubten ihm das. Aber es blieb leider bei einer Ankündigung. Heute exekutiert Ihre Bundesvorsitzende Angela Merkel völlig schmerzfrei eine rot-grün-bunte Agenda des Multikulturalismus und des Genderismus, die die Auflösung alles Bewährten zum Ziel hat.

Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete von der CDU, die politische Korrektheit liegt wie der Mehltau auf unserem Land, weil Sie nicht den Mut hatten, die Freiheit gegen die Feinde der Sprachfreiheit zu verteidigen.

(Beifall AfD)

(Heiterkeit SPD)

Heute existieren wir vielleicht noch in einer verfassten Freiheitlichkeit, aber leider nicht mehr in einer gelebten Freiheitlichkeit. Die gegenwärtig in der Bundesrepublik Deutschland gesprochene Sprache hat einen polemischen Charakter wie die Sprache der Deutschen Demokratischen Republik.

(Beifall AfD)

Sie ist zu einer Kampfsprache degeneriert worden, sehr verehrte Kollegen Abgeordnete. Eine Kampfsprache dient nicht dazu, einen Andersdenkenden in der Sache zu widerlegen. Eine Kampfsprache dient dazu, dem Andersdenkenden die Artikulationsmöglichkeiten zu verbauen.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Das ist doch wohl der Gipfel!)

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Das ausgerechnet von Ihnen!)

Es geht nicht darum, recht zu haben, es geht darum, recht zu behalten. Das ist der Ansatz von Ideologen und das ist der Ansatz der Thüringer Landesregierung.

(Beifall AfD)