Aber ich habe meine letzte Regierungserklärung zum Thüringen-Monitor 2015 im November 2015 ganz bewusst unter das Motto „Wachsen lernen“ gestellt, und ich meine damit, dass sich die Landespolitik, wenn sie das Land voranbringen will, den Herausforderungen einer Einwanderungsgesellschaft verpflichtet fühlen muss, und zwar sozial und integrativ.
Das Leitbild für die Landesentwicklung in diesem Veränderungsprozess ist die Vision einer Gesellschaft, in der sich soziale Sicherheit, innere Sicherheit, Gesellschaftlicher Zusammenhalt, wirtschaftlicher Erfolg sowie politische und kulturelle Modernisierung miteinander im Positiven verbinden.
Dieses Leitbild lässt sich in fünf Herausforderungen übersetzen, denen Leitprojekte der Landesregierung entsprechen:
Wir wollen die Voraussetzungen für den künftigen wirtschaftlichen Erfolg Thüringens durch die Sicherung des Fachkräftenachwuchses und durch Investitionen schaffen. Thüringen braucht in den kommenden Jahren eine große Zahl an Fachkräften für Industrie, Handel und Dienstleistung. Mittelfristig kann uns die gestiegene Geburtenrate dabei helfen. Kurzfristig werden wir werben müssen um junge Auszubildende, die hier auch bleiben und leben. Dies braucht gemeinsame Anstrengungen der Wirtschafts-, Arbeits- und der Bildungsministerien.
Auch da ein praktisches Beispiel: Die Firma HBS in Schleiz – einer der größten Baustellenausstatter, wenn es um Elektroausstattung geht, mittlerweile der zehntgrößte Betrieb der Bundesrepublik – steht vor dem Problem, aus der einheimischen Bevölkerung nicht mehr genügend Auszubildende finden zu können. Dort wird geworben in Bulgarien, in Rumänien, sie finanzieren den Deutschkurs in Rumänien und Bulgarien und sie bilden in Schleiz aus. Da haben wir gemeinsame Entscheidungen getroffen, dass ein solches Unternehmen einerseits begleitet wird bei der Absicherung der Ausbildung, aber andererseits darf sich niemand der Angeworbenen hier fremd fühlen und als fremd ausgegrenzt sein. Die, die wir dringend brauchen, müssen Menschen sein, die einfach Menschen sind und nicht eingeteilt werden nach Hautfarbe, nach Herkunft oder gar nach rassistischen Kennziffern.
Das Migrationsministerium wird weiterhin mit voller Kraft und unter Mithilfe aller Ressorts an einer schnellen Integration der nach Thüringen zugezogenen und zuziehenden Migranten arbeiten. Ich
wünsche mir, dass wir hier mehr innovative Wege gehen können, mehr kreative institutionelle Arrangements entwickeln können. Den Gemeinden vertrauen die Menschen in Sachen Integration am meisten, sagt der Thüringen-Monitor. Integration beginnt vor Ort. Wir werden daher vor allem die Rolle der Kommunen stärken, wenn es um Integration geht. Weil all das auch bei größter Anstrengung nicht ausreichen wird, werden wir uns auf Bundesebene weiterhin und verstärkt dafür einsetzen, dass ein Einwanderungsgesetz – neben vielem anderen – auch die Migration in den deutschen Arbeitsmarkt einheitlich regelt. Ich bleibe dabei: Ein Zuwanderungsland braucht ein Einwanderungsgesetz.
Die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen verschafft uns finanzielle und politische Planungssicherheit, um dringend notwendige Investitionen in die soziale, ökologische und kulturelle Infrastruktur weiterhin vornehmen zu können. Insbesondere Kultur, unsere Theater und Museen sind Visitenkarte des Landes und damit auch Werbeträger für den ganzen Freistaat.
Heute Politik für morgen zu gestalten, impliziert auch Investitionen in Klimaschutz, Ökologie und in die Energiewende. Nur wenn wir uns wirtschaftlich neu erfinden, sind wir auch in Zukunft noch konkurrenzfähig. Eine ressourcensparende und energieeffiziente, auch ökologische Modernisierung ist künftig eine Voraussetzung für den sozialen Zusammenhalt und den wirtschaftlichen Erfolg Thüringer Unternehmen. Thüringen kann zum Land der Energie-Gewinner werden. Wir denken Ökonomie und Ökologie zusammen. Wir verstehen Klimaschutz und die Energiewende als Triebfeder einer zukunftsfesten Entwicklung unseres Landes. Bis 2020 unterstützt die Thüringer Landesregierung Thüringer Unternehmen und Kommunen mit rund 59 Millionen Euro dabei, energieeffizient zu wirtschaften und den verbleibenden Energiebedarf durch klimafreundliche Energien zu decken. Daraus entsteht eine echte Win-win-Situation für den Klimaschutz und für die Sicherung des Wirtschaftsstandorts Thüringen.
Betrachtet man klimatische Verhältnisse in chinesischen Metropolen, wird man wissen, warum die Chinesen sehr genau gucken, wer der Innovationsträger ist, um auch in diesen Metropolen oder in Indien, in den Megametropolen dieser Welt Antworten zu geben, die in dem grünen Herzen entwickelt werden. Also zu glauben, dass wir uns hier raushalten könnten aus dem globalen Prozess, wäre ein schwerer Fehler. Wir könnten der Entwicklungsträger sein, um Angebote auch für große Investitionen
Wir wollen den sozialen Zusammenhalt durch eine Wiederinkraftsetzung sozialer Grundgewissheiten festigen und verbessern. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass bisher niemand auch nur einen Cent weniger wegen der Flüchtlingskrise bekommen hat oder gar Geld verloren hat.
Allen anderslautenden Gerüchten zum Trotz: Die 471 Millionen Euro, die wir in den Landeshaushalt eingestellt haben, um Integration zu leisten, sind zuvörderst ein Investitionsprogramm in unsere heimische Wirtschaft gewesen.
Die Häuser, die modernisiert worden sind, die Gebäude, die ertüchtigt worden sind, die Schulen, die hergerichtet worden sind, sind alles Investitionen gewesen, die an heimische Wirtschaftsvertreter gegangen sind. Insoweit waren das auch gut investierte Gelder zur Sicherung von Arbeitsplätzen unserer ganz normalen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Betrieben. Es ist eben eine Winwin-Situation, wenn wir es gemeinsam machen und nicht einem Teil der Bevölkerung das Geld wegnehmen und einem anderen dafür das Geld geben würden, sondern ganz im Gegenteil: Wir haben investiert in die Zukunft unseres Landes.
(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Was für eine Logik, Herr Ministerpräsident! Das ist wie mit der Abwrackprämie!)
Wenn Ihnen zu Flüchtlingen, sehr geehrter Herr Höcke, die Abwrackprämie einfällt, zeigt das Ihre intellektuelle Haltung. Ich sage: Das ist widerlich!
Wir werden uns auf Bundesebene in eine zentrale Gerechtigkeitsdebatte um die Zukunft der Rente mit einer eigenen Thüringer Positionierung einmischen. Es gilt: Keine Rentenreform ohne Renteneinheit in Deutschland!
Wir werden in Thüringen daran arbeiten, den öffentlichen Beschäftigungssektor weiter auszubauen. Ich meine damit nicht den öffentlichen Dienst, weil da nach wie vor der Umbauprozess gilt. Da gilt immer noch der Umbauprozess, den die vorherige Regierung beschlossen hat und der nicht aufgehoben wurde.
Dank Ihrer Haushaltsanträge, die Sie zur Haushaltsdebatte gestellt haben, wissen wir um Ihre Qualifikation,
an dem Veränderungsprozess teilzuhaben. Dieser öffentliche Beschäftigungssektor, den Sie, liebe CDU, immer ideologisch bekämpft haben, dieser öffentliche Beschäftigungssektor ist der Sektor der gemeinwohlorientierten Tätigkeit.
Wir sagen: Dort muss Arbeit geschaffen werden. Statt Arbeitslosigkeit zu bezahlen, muss dort endlich bezahlte Arbeit organisiert werden.
Wir wollen den gesellschaftlichen Zusammenhalt in einem unumgänglichen Reformprozess der öffentlichen Verwaltung und des öffentlichen Dienstleistungssektors stärken. Es geht bei diesen Reformen um die Lebensqualität in unserem Land, nicht um die Euros in der Kasse. Für eine bessere Lebensqualität müssen wir heute Aufgaben lösen, die sonst in der Zukunft zum Problem für unser ganzes Land werden.
Eine höhere Lebensqualität erreichen wir, indem wir Sicherheit ebenso gewährleisten wie Freiheit. Deshalb bin ich dankbar, dass eine Expertenkommission ein umfangreiches Gutachten zur Evaluierung der Polizeistrukturreform erarbeitet und Ende Oktober der Öffentlichkeit vorgestellt hat. Wichtig ist bei diesem Vorhaben, dass sich die Polizei weiterentwickelt, indem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Prozess mitgenommen werden. Und dann, lieber Herr Mohring, muss man sich mal entscheiden, ob wir die Polizei abbauen wollen oder ob wir die Polizei umbauen wollen.
Ja, Herr Fiedler, wenn man es also aufbauen will und Herr Mohring gleichzeitig sagt, wir sollen aber das Personal abbauen,
dann muss man mal erklären, an welchen Stellen wir die Ministerien auflösen wollen. Sollte ich dann die Staatskanzlei auflösen, lieber Herr Mohring?
Also, Sie sollten sich überlegen, welchen Weg wir beim Umbau unseres Landes eigentlich gehen wollen.
Wir haben auch ein weiteres Reformprojekt mit der Umsetzung eines beitragsfreien Kindergartenjahres auf den Weg gebracht als einen Schritt für eine gemeinsame Bildung von Anfang an. Wir werden ein zentrales Versprechen der Landesregierung umsetzen und eine Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform verabschieden. Mit der Zukunftsfähigkeit Thüringens in den nächsten Jahrzehnten wollen wir damit die Voraussetzungen schaffen, damit die Verwaltung auch in Zukunft noch die Aufgaben für die Bürger erledigen kann.