Es nützt ja nichts, wenn der Ministerpräsident samstags auf dem Linken-Parteitag erzählt: Nichts ist fest, was der Poppenhäger vorgelegt hat. – Wenn der Poppenhäger dann in den Landtag kommt und versucht zu erklären, was er macht, sind alle da, außer dem Regierungschef. Ich würde darüber nachdenken, welchen Rückhalt Sie eigentlich in der Regierung haben.
Diese Regierungserklärung hat wirklich nichts Neues gebracht, keinen neuen Inhalt. Keinen neuen Inhalt!
Aber die Regierungserklärung hat an einer entscheidenden Stelle neue Unsicherheit geschaffen. Da sagt der Innenminister in seiner Regierungserklärung doch wirklich: „Die Neugliederung der Landkreise und kreisfreien Städte soll im Gesetzentwurf entweder für den 1. Januar 2018 oder den 1. Juli 2018 vorgesehen werden.“ Wann wir es machen, das wollen wir erst noch entscheiden, weil wir es nicht genau wissen! Na, guten Morgen, Herr Innenminister – gut, dass Sie auch das nicht wissen!
Was muten Sie eigentlich diesen Menschen in der kommunalen Familie in diesem Land zu? Die kommunale Familie ist im Gegensatz zum Ministerpräsi
Ich glaube, ich spreche auch für einen Großteil der kommunalen Familie, wenn ich frage: Was machen Sie da eigentlich? Sie legen ein Vorschaltgesetz vor, sagen, bis zum 31. Oktober 2017 hat die kommunale Familie Zeit, sich freiwillig neu zu ordnen, aber notwendigerweise ist nicht unwichtig, wann Sie mit Gesetzeswerk von oben top-down eingreifen und einfach festlegen, was mit diesem Land passieren soll, aber nicht mal die Zeiträume definieren können, was nach der Freiwilligkeitsphase folgt. Das lassen Sie offen, lassen Verunsicherung in diesem Land zu, lassen die Leute allein, ohne Maßstäbe mitzugeben, ohne Orientierung zu geben. Sie handeln falsch und fahrlässig in diesem Land.
Dann fabulieren Sie: Es spart kein Geld, es soll Geld sparen, die Zukunftsfestigkeit wollen Sie organisieren. – Die Zukunftsfestigkeit in diesem Land würde sich an einer Stelle organisieren, wenn diese Regierung abtreten würde. Dann würde das Land wieder Zukunftssicherheit haben!
Ich will das mal beschreiben. Sie sagen auf Seite 2 Ihrer Regierungserklärung: „Zugleich reduziert der demografische Wandel auch die Möglichkeiten der Kommunen, qualifiziertes Fachpersonal vorzuhalten und öffentliche Einrichtungen ausreichend auszulasten.“ Und dann sagen Sie: „Dieses Personalproblem betrifft auch das Land.“ Da kann ich nur sagen: Ja, genauso ist es. Wir reden ja auch noch über Ihre Mittelfristige Finanzplanung. Da will ich Ihnen nur mal sagen: Wenn Sie die mal durchlesen würden – auch wenn Sie fachlich nicht zuständig sind –, da wächst Ihre Personalkostenquote bis 2020 auf knapp 30 Prozent an. Wenn Sie Personalprobleme lösen wollen, wenn Sie Personalentwicklung betreiben wollen, wenn Sie das Land zukunftssicher machen würden, dann dürfen Sie den Haushalt nicht aufblähen und müssen endlich mal Personalentwicklung angehen und nicht auf der Kiste sitzen und nichts machen. Das wäre Ihre Aufgabe der Zukunftssicherheit in diesem Land.
Dann sagen Sie einen ganz verräterischen Satz, Sie sagen: „Zugleich wird das Land große Einnahmedefizite kompensieren müssen, die nicht nur durch die Verringerung der Bevölkerung, sondern
beispielsweise auch durch das Auslaufen des Solidarpakts II und die Verringerung der Fördermittel der Europäischen Union entstehen.“ Was heißt das aber? Wenn Sie sagen, Sie müssen Einnahmedefizite beim Land kompensieren, und machen das bei der Regierungserklärung zur Kreisreform, dann heißt das nur eins: Sie wollen den Kommunen noch mehr Geld wegnehmen, weil sie Einnahmedefizite kompensieren wollen. Verräterischer kann man bei so einer Regierungserklärung nicht sein.
Man kann denken, in den 20 Minuten, die Sie sich Zeit nehmen, zu erklären, was Sie da eigentlich machen wollen, erzählen Sie, warum Sie die falschen Webfehler angesetzt haben, warum Sie die falsche Größenordnung bei den Landkreisen, bei den kreisfreien Städten, aber eben auch bei den Gemeinden in diesem Land annehmen, und Sie erklären bei einer Regierungserklärung zur Kreisgebietsreform vielleicht, dass Sie sich nicht an Nordhausen und von mir aus an Ilmenau aufhalten, weil das, soweit ich das weiß, gar keine Landkreise sind. Aber wenn es hilft – es stand vielleicht im Bogumil-Gutachten. Deswegen wissen Sie das auch nicht so genau.
Aber wenn Sie zum Beispiel mal etwas zum neuen Großkreis aus Schmalkalden-Meiningen, Suhl, Hildburghausen und Sonneberg gesagt hätten
und sich mal der Mühe unterzogen hätten, in diesem Land und diesem Landtag zu erklären, warum Sie so einen Großkreis mit 2.700 Quadratkilometern bilden, der größer wäre als das ganze Saarland, oder wenn Sie mal erklärt hätten, warum das Weimarer Land und Saalfeld-Rudolstadt zusammengehen sollen und diese dann eine Grenze von Sachsen-Anhalt, Burgenlandkreis, bis nach Bayern haben, wenn Sie sich da mal der Mühe unterzogen hätten, diesen Widersinn zu erklären, dann hätte die Regierungserklärung sogar noch Sinn gemacht.
In Bayern hat der kleinste Landkreis 66.000 Einwohner und in Rheinland-Pfalz 61.000 Einwohner, in Niedersachsen 48.000 Einwohner und trotzdem will dort keiner eine Kreisgebietsreform. Sie fabulieren immer von irgendwelchen Kreisgrößen, die Sie irgendwoher ziehen. Wenn Sie mal wirklich die Augen öffnen würden, würden Sie sehen, dass die Realität eine ganz andere ist. Bundesweit haben 20 Prozent der Landkreise weniger als 100.000 Einwohner. Das entspricht genau dem aktuellen Thüringer Durchschnitt von 95.000.
Was ich spannend finde, ist, dass Sie wirklich den Mut haben, von Mecklenburg-Vorpommern zu reden – nach der Wahl! – nach der Wahl, wo alle wissen, dass nicht AfD und Flüchtlingskrise zuallererst für die Wahlergebnisse zuständig sind, sondern dass die Gebietsreform, die zehn Jahre lang in diesem Land alle verrückt gemacht hat, auch
Gerichtsreformgesetze gerade aktuell in der Debatte, der Rückzug aus dem ländlichen Raum, der Angriff auf den ländlichen Raum, der Rückzug des Staats ebenfalls ursächlich sind für das,
was da an radikalen Wahlergebnissen zustande gekommen ist. Sich hinzustellen und zu sagen, Mecklenburg-Vorpommern sei ein gutes Beispiel für eine gelungene Kreisgebietsreform – da kann ich nur sagen: Vorsicht um diese Demokratie in diesem Land.
Schöne Zwischenrufe, gefällt mir gut, kommt genau, um mich zum nächsten Punkt sprechen zu lassen. Was sagen eigentlich andere rot-rot-grüne Leute, die eine Gebietsreform hinter sich gebracht haben?
Wir hören ja immer das Fabulieren, was vorher alles toll ist, die Bogumil-Gutachten, die Hesse-Gutachten, wo sie immer alles aus den Siebzigern abschreiben und uns vorlegen, wie schön das alles sei, im Jahre 2016. Was sagt zum Beispiel der Fraktionschef der SPD im Sächsischen Landtag auf die Frage: Wie steht es eigentlich im Land, was ist da passiert?
Der Dirk Panter sagt im Interview: „Ja, auch wir haben uns vom Zeitgeist anstecken lassen. Ich denke […] an die Kreisreform in Sachsen mit dem Mantra, dass alles effizienter wird. Diese Reform war in meinen Augen falsch und nicht dazu geeignet, Vertrauen in den Staat zu stärken.“ – Erkenntnis nach der Kreisgebietsreform.
Die Landrätin im Landkreis Vorpommern-Greifswald, Dr. Barbara Syrbe, der Linkspartei angehörig, sagt mit Blick auf die Gebietsreform, mit der Schaffung anonymer Großkreise, dass eben genau diese anonymen Großkreise für das gute Ergebnis der AfD im ländlichen Raum, vor allem im Osten von Mecklenburg-Vorpommern, verantwortlich sind. Diese Analyse ist richtig, weil sie lebensnah ist, von einer Landrätin, die bei der Linkspartei verantwortlich ist.
Noch schöner ist es, wenn sich ein Ministerpräsident äußert, einer von der SPD, Torsten Albig. Er sagt zu seinem Bundesland folgenden Satz zur Gebietsreform: „Es wird keine Gemeinde- oder Kreisgebietsreform mit dieser Regierung geben. Das ist ein Instrument aus der Vergangenheit, dessen Wirkungslosigkeit lange erwiesen ist.“ Das sagen Sozialdemokraten, die wissen, wie es in einem Land aussieht.
Sie sollten öfter mit Ihren Kollegen aus anderen Ländern reden. Stattdessen machen Sie, Rot-RotGrün, einen Angriff auf den ländlichen Raum, es droht die öffentliche Infrastruktur in die städtischen Ballungszentren verlagert zu werden. Sie wollen den ländlichen Raum entkernen. Das machen Sie bei der Schulpolitik, Sie machen es bei der Windenergie, Sie machen es bei den Kommunalfinanzen und Sie hören bei der Struktur in diesem Land nicht auf. Sie verkennen die Traditionen, Sie verkennen die Historie, Sie nehmen darauf keinen Blick. Nackte Verwaltungszahlen sind Ihre Mantras. Sie laufen in die falsche Richtung und Sie werden daran irgendwann auch scheitern. Das sage ich Ihnen voraus.