Protocol of the Session on September 30, 2016

die seit rund 20 Jahren gegen den Widerstand eben dieser CDU erfolgreich am Ausbau der direkten Demokratie in Thüringen arbeiten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Verleum- den? Ist ja lächerlich!)

Sollten Sie allerdings in einer Verfassungsänderung mit der rot-rot-grünen Landtagsmehrheit für eine weitreichende Abschaffung des Finanz- und Abgabenvorbehalts bei Volksbegehren und Volksentscheiden stimmen, wären Sie tatsächlich keine Demokratiebremse mehr wie all die Jahrzehnte zuvor.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir stehen bereit.

Und zum Abschluss, weil es einfach so gut ist: Kein Volksbegehren war notwendig, um Thüringen mit dieser Reform nun im bundesweiten Vergleich an die Spitze in Sachen direkter Demokratie zu stellen. Man darf es ruhig noch einmal zitieren: „Wir wollen nicht alles anders, aber vieles besser machen.“ Das zeigen wir mit diesem Gesetzentwurf.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Genau, das sieht man bei der Gebietsreform!)

Ich danke Ihnen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bevor wir in der Beratung fortfahren, Herr Abgeordneter Fiedler, darf ich Sie darauf aufmerksam machen: Sie tragen einen Button der gestrigen Demonstration gegen den übermäßigen Ausbau der Windkraft in Thüringen. Ich erteile Ihnen dafür einen Ordnungsruf, weil wir uns darauf geeinigt haben, nonverbale Meinungsäußerungen hier nicht zu tragen,

(Beifall DIE LINKE)

und ich bitte Sie, diesen Button nun zu entfernen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Freut euch nicht zu früh!)

Gut. Damit können wir in der Debatte fortfahren und ich erteile Abgeordneter Holbe für die CDU-Fraktion das Wort.

Werter Herr Landtagspräsident, meine Damen und Herren Kollegen, werte Gäste auf der Tribüne und werte Gäste vor dem Livestream! Unbestreitbar ist, dass jede Demokratie von einer aktiven Mitarbeit der Bürgerinnen und Bürger lebt.

(Beifall CDU)

In unserer heutigen Zeit erleben wir auf der einen Seite ein großes Misstrauen gegenüber Politikern in ihrem Handeln, auf der anderen Seite aber auch Menschen, die sich stark für Politik interessieren, die sich engagieren, Verantwortung übernehmen und sich gern in politische Entscheidungsprozesse einbringen wollen. Ich will eingestehen, dass der Gesetzentwurf an einigen Punkten positive Ansätze enthält, die unsere Zustimmung erfahren hätten. Allerdings sehen wir den Entwurf insgesamt, auch unter der Berücksichtigung Ihres Änderungsantrags, äußerst kritisch. Insbesondere die Einführung eines Abwahlverfahrens von Bürgermeistern durch ein Bürgerbegehren sowie die Einführung des sogenannten Ratsbegehrens sind mit uns nicht zu machen.

(Beifall CDU)

Insofern hat uns auch die mündliche Anhörung in unserer Auffassung bestärkt. Ich möchte noch einmal auf einige Punkte eingehen und diese näher beleuchten.

Zunächst hätten wir uns gewünscht, dass die Ausführung dieses Gesetzes in der Thüringer Kommunalordnung verankert wäre. Ich bin gar nicht Ihrer Meinung, liebe Vorrednerin, mit dem, was Sie ausgeführt haben, denn wir würden es anders sehen, nämlich dass die direktdemokratischen Beteiligungsmöglichkeiten hier in der Thüringer Kommunalordnung ausformuliert wären. Es ist irreführend und nicht besonders anwenderfreundlich, dass man hier ein Extra-Gesetz dafür macht.

(Beifall CDU)

In dem vorliegenden Gesetzentwurf stärken Sie die Rechte der Vertrauenspersonen und Stellvertreter für die geplanten Bürgerbegehren, Bürgerentscheide und Einwohneranträge. Diese Beratung der Vertrauenspersonen insbesondere zu formellen Aspekten durch eine zentrale unabhängige Stelle halten wir auch für sehr wichtig. Der Bürgerbeauftragte, Herr Dr. Herzberg, der sehr viel Erfahrung hat, hat auf eine Vielzahl von Bürgerbegehren verwiesen, die aus rein formellen Verfahrensgründen nicht zur Anwendung kamen, letztlich abgelehnt werden mussten.

Unserem Vorschlag wurde sogar Rechnung getragen, denn wir hatten sehr frühzeitig darauf hingewiesen, dass im Zuge der von Ihnen avisierten Verwaltungs- und Funktionalreform das Landesverwaltungsamt wegfallen könnte, das im Gesetzentwurf

(Abg. Müller)

als zentrale Beratungsstelle stand. Insofern begrüßen wir, dass Sie nun in Ihrem Änderungsantrag die Verantwortlichkeit einer zentralen Beratungsstelle bei den Rechtsaufsichten der Landkreise auch für die kreisfreien Städte geregelt und hier auch in der Änderung formuliert haben.

(Beifall CDU)

Es ist sehr zu begrüßen, dass wir eine einheitliche Anwendung damit erfahren können, denn die Rechtsaufsichten sind eine fachlich kompetente Stelle für die Betroffenen und ich meine, dass hiermit auch die Beratung entsprechend einheitlich erfolgen kann und garantiert ist.

Einige Änderungen kann man aus den gemachten Erfahrungen der kommunalen Praxis nachvollziehen. Das betrifft den Zeitablauf zwischen einem erfolgreichen Bürgerbegehren bis zur Einleitung des Bürgerentscheids. Hier sind drei Monate festgelegt. Neu eingeführt sieht der Gesetzentwurf in § 18 Abs. 3 vor, dem Gemeinderat die Möglichkeit einzuräumen, einen Alternativvorschlag zum selben Thema des Bürgerentscheids zur Abstimmung zu stellen. Damit haben die Bürger eine echte Wahlmöglichkeit. Beide Seiten, die Initiative des Bürgerentscheids und der Gemeinderat, können konstruktiv mit entsprechenden Argumenten für ihren Vorschlag werben.

Damit aber schon genug des Lobes.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das ist schon ganz schön viel!)

Das von Ihnen in § 18 Abs. 5 eingeführte Ratsbegehren lehnen wir kategorisch ab.

(Beifall CDU, AfD)

Der Gemeinderat kann mit zwei Dritteln seiner Mitglieder ein solches den Bürgern zur Entscheidung vorlegen. Der Gemeinderat ist von den Bürgern gewählt, um als Repräsentationsorgan Entscheidungen für die Bürger zu treffen. Der Gemeinderat könnte sich so vor unliebsamen Entscheidungen drücken und diese an die Bürgerschaft weitergeben. Nach unserer Auffassung widerspricht das dem demokratischen Prinzip.

(Beifall CDU, AfD)

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, einer unserer größten Kritikpunkte an diesem Gesetzentwurf ist aber die Abwahlmöglichkeit der Bürgermeister durch ein Bürgerbegehren. Schon jetzt ermöglicht § 28 Abs. 6 der Thüringer Kommunalordnung die Abwahl des Bürgermeisters. Dies habe ich auch bereits in meiner ersten Beratung hier vorgetragen. Der Bürgermeister kann mit zwei Dritteln der Stimmen des Gemeinderats, nachdem dieser zweimal getagt hat, ein Abwahlverfahren in Gang setzen. Dann sind die Bürgerinnen und Bürger des Orts aufgerufen und haben die Wahl, den Bürger

meister im Amt zu belassen oder abzuwählen. Die Bürger fühlen sich repräsentativ vertreten, denn sie haben in der Urwahl den Bürgermeister gewählt, sie haben den Gemeinderat gewählt,

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Ja, sie ha- ben ihn gewählt!)

sie haben ihre Interessenvertretungen im Gemeinderat, in den Parteien, in verschiedenen Wählervereinigungen, die es gibt, und haben dadurch auch die Einflussnahme, auf diese zuzugehen und über den Gemeinderat oder Stadtrat entsprechend ein Abwahlverfahren in Gang zu setzen.

(Beifall CDU)

Meine Fraktion und im Übrigen auch der Gemeinde- und Städtebund hat dies in seiner Stellungnahme noch einmal formuliert und vorgetragen. Wir – die Bürgermeisterkollegen meiner Fraktion – waren am Mittwoch in der Mitgliederversammlung des Gemeinde- und Städtebunds, und bei alldem, was die Bürgermeister neben dem großen Thema der Gebietsreform und nach den geplanten Änderungen umtreibt, von denen wir zum Kommunalabgabengesetz gelesen haben, war die Abwahl der Bürgermeister ein wichtiges Thema. Das treibt die Bürgermeister um und es ist vorgetragen worden.

Nun haben Sie einen Änderungsantrag eingebracht. Wahrscheinlich war Ihnen die Kritik auch zu Ohren gekommen. Es wurde auch von den Experten, von Professoren in der Anhörung noch einmal darauf hingewiesen: Die Quoren der notwendigen Stimmen für das Abwahlverfahren, die Sie hier eingearbeitet hatten, mit 21 Prozent haben Sie letztendlich auf 35 angehoben. Gleichwohl hätten wir uns gewünscht, dass sich der Kollege Höhn in seiner eigenen Fraktion, in den regierungstragenden Fraktionen durchgesetzt hätte

(Beifall CDU)

und hier dieses Abwahlverfahren hätte herausstreichen können.

(Beifall CDU)

Leider hat er sich nicht durchsetzen können und ist auch der Abstimmung im Innenausschuss ferngeblieben.

Durch die vorgesehene Regelung zur Abwahl der Bürgermeister sehen wir das Amt des Bürgermeisters geschwächt.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Genau!)

(Beifall CDU)

Ich kann mich erinnern: Am Mittwoch ist der Arnstädter Bürgermeister aufgetreten und hat seine Erfahrungen mit Abwahlverfahren geschildert – ich glaube, er hat schon mehrere hinter sich –,

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Falsch! Das ist falsch!)