Protocol of the Session on September 28, 2016

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Ja, mehr aber auch nicht!)

Ich diskutiere aber gern über Dinge, die ich bewerten kann. Grundlage einer solchen Bewertung ist unter anderem das Gutachten des Landesverwaltungsamts, welches sich vor Ort bereits ein Bild über die Unterbringungssituation gemacht hat. Dieses Gutachten liegt uns aber noch nicht einmal vor. Aus der Presse konnten wir jedoch bereits entnehmen, dass das Landesverwaltungsamt hier keine Handlungsnotwendigkeit oder gar unhaltbare Zustände bei der Flüchtlingsunterbringung sieht, wie es einzelne Vertreter des Flüchtlingsrats bereits dargestellt haben. Eine sofortige Schließung wird demnach nicht für notwendig erachtet – also völlige Unterstützung des Handelns des Landkreises Schmalkalden-Meiningen. Ein Vergleich dieses Streitfalls zwischen Vertretern des Flüchtlingsrats und einzelnen Parlamentskolleginnen auf der einen und dem Landkreis Schmalkalden-Meiningen mit Landrat Heimrich auf der anderen Seite mit den Vorfällen in Bautzen entbehrt jeder Grundlage, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In Meiningen gab es meines Wissens im Stadtgebiet weder Ausschreitungen, Volksaufstände oder Ähnliches,

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Gestern Abend erst!)

noch sind die lediglich als ungerecht empfundenen Unterbringungszustände von 14 Personen in einer Gemeinschaftsunterkunft meiner Meinung nach ausreichend, hier Parallelen zu den Vorfällen in Bautzen zu ziehen oder andere Dinge, die Sie vom Hörensagen hier vorbringen und die sich dann im Nachhinein zum Großteil als konstruiert oder ausgedacht darstellen.

(Beifall CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hoffe, dass wir die Unterlagen des Landesverwaltungsamts schnellstmöglich bekommen, damit wir fundiert über dieses Thema sprechen können. Der Presse liegt offensichtlich das Ergebnis bereits seit

Wochen vor, den Parlamentariern aller Fraktionen allerdings noch nicht. Ich kann nur hoffen, dass wir diese Unterlagen zeitgerecht bekommen, denn dies würde auch den wilden Spekulationen wie in dieser Aktuellen Stunde hier deutlich vorbeugen.

Wenn die Landesregierung hier Informationen zurückhalten sollte und im Ausschuss behauptet, man wisse nichts, wie wir es am letzten Freitag in einem anderen Fall zur konkreten Frage der Wanderungsbewegung anerkannter Flüchtlinge erlebt haben, der Minister dann aber am Montag mit konkreten Zahlen in der Presse zitiert wird, ist das nichts weniger als die grobe Missachtung der Mitglieder des Parlaments, meine Damen und Herren. Erzählen Sie mir bitte nicht, Herr Lauinger, die Zahlen hat ein Referent am Samstag noch schnell erarbeitet, damit Sie sie am Sonntag der Presse mitteilen können. Ich hoffe, dies bleibt ein einmaliger Vorgang an dieser Stelle, ein einmaliger Vorgang von schlechtem Stil, sonst können wir uns fraktionsübergreifend unsere Arbeit zukünftig nämlich sparen und müssen jede Aussage der Landesregierung anzweifeln, wenn es heißt: Wir wissen nichts davon.

(Beifall CDU)

Wie man richtige Zahlen dann interpretiert, bleibt jedem selbst überlassen. Und wenn der Landesvorsitzende der SPD dem Grünen-Migrationsminister Realitätsverlust vorwirft, dann offenbart das einmal mehr die Diskrepanz innerhalb der rot-rot-grünen Koalition zwischen ideologischem Denken und einem anderen, einem konkreten, sachfragenorientierten Ansatz.

(Beifall Abg. Holzapfel, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, hören Sie bei der Umsetzung Ihrer Flüchtlingspolitik doch einmal mehr auf die Praktiker aus der kommunalen Ebene – der eine ist immerhin SPD-Landesvorsitzender –, die Ihnen zu Recht sagen, wie es mit Unterbringungsstandards und der Wohnsitzauflage weitergehen soll und welche Schritte hier zur Entlastung der Kommunen notwendig sind. Setzen Sie endlich die Wohnsitzauflage um, wie wir es seit Wochen und Monaten fordern, um die vernünftige Integration vor Ort zu unterstützen, und verstecken Sie sich nicht hinter ideologischen Mauern, die Ihnen den Blick für die Realität versperren. Dann können wir uns zukünftig auch solche Aktuellen Stunden, die hier zum Großteil vom Hörensagen geprägt sind, wie hier und heute sparen. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Jetzt erteile ich Frau Abgeordneter Rothe-Beinlich, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

(Abg. Herrgott)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, als ich den Titel der Aktuellen Stunde von der AfD gelesen hatte,

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Waren Sie betroffen!)

habe ich mich zunächst gefragt, worum es Ihnen eigentlich geht, denn aktuell war daran nichts. Ich habe nach den News gegoogelt, wie man das so macht, habe „Flüchtlinge“ und „Meiningen“ eingegeben.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Dann müs- sen Sie mal hinfahren!)

Das Einzige, was da als Treffer angezeigt wird, ist ein Bericht, der mit „Wachmann betrügt Flüchtling: Strafbefehl“ überschrieben ist. Da handelt es sich nämlich um einen Vorfall, der vor die Staatsanwaltschaft in Meiningen gekommen ist, weil ein Wachmann einen Strafbefehl wegen Betrugs an einem Geflüchteten kassiert hat. Ich bin nicht nach Meiningen gefahren, aber ich habe telefoniert. Ich habe mit Ulrich Töpfer gesprochen – er ist Vorsitzender des Eine-Welt-Vereins, ist Moderator des Bündnisses gegen Rechts, ist Träger der Goldenen Ehrennadel der Stadt Meiningen – und gefragt: Was gibt es denn für aktuelle Vorfälle in Meiningen? Geht es tatsächlich um die von uns kritisierte Unterbringung beispielsweise in der RAW-Turnhalle, die für unsere Begriffe jedenfalls menschenunwürdig ist? Er hat gesagt, es gibt keine aktuellen Vorfälle, ihm sind sie nicht bekannt, auch im Kirchenkreis nicht, auch am Runden Tisch nicht. Sie von der AfD arbeiten einmal mehr mit Vorurteilen, Sie arbeiten mit Unterstellungen, mit rassistischen Ressentiments. Das kennen wir leider schon.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Problem, was dahintersteht, heißt Rassismus.

(Beifall DIE LINKE)

Rassistische Gewalt prägt den Alltag in Deutschland. Das will ich heute hier natürlich auch zum Anlass nehmen, um einmal mehr das Augenmerk darauf zu lenken. Wie war es denn in Bautzen? In Bautzen haben sich monatelang immer wieder Rechtsextreme auf den Straßen und Plätzen getroffen, bis schließlich ein rassistischer Mob – bestehend aus etwa 80 Menschen – 20 Geflüchtete durch die Stadt gejagt hat. Das ist die Realität, die wir in Bautzen erfahren mussten. Jetzt schreiben Sie „Pulverfass Meinigen“ – oder so ähnlich – Bezug nehmend auf die Flüchtlingsunterbringung auch dort. Was hat es denn in Bautzen weiterhin gegeben? Eine rassistische Attacke auf einen 72Jährigen mit algerischen Wurzeln erst vor ganz wenigen Tagen. Zum Glück gab es solche rassistischen Attacken in letzter Zeit nicht in Meiningen.

Rassistische Attacken allerdings sind an der Tagesordnung in Deutschland. Im 1. Halbjahr 2016 gab es 715 flüchtlingsfeindliche Vorfälle, davon 126 tätliche Angriffe auf Flüchtlinge mit Körperverletzung, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich finde es in der Tat schäbig, wenn hier mit Vorurteilen, mit Beschimpfungen, mit Mutmaßungen – Sie haben hier suggeriert, in Meiningen gäbe es neuerdings „Vergewaltigung“. Wo soll es die denn gegeben haben? Wenn es so etwas gibt, wenn es Vorfälle, wenn es Gewalt gibt, müssen sie aufgeklärt werden, und zwar ungeachtet von der Nationalität der Täter, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Strafvorfälle und Übergriffe müssen immer verfolgt werden, aber hier angebliche Vorfälle vorzutragen, wie Sie das tun, ist nicht nur fahrlässig, sondern ist schlicht und ergreifend Stimmungsmache, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir stehen für eine menschenrechtsorientierte Flüchtlingspolitik. Das haben wir immer wieder deutlich gemacht als Koalition. Dazu gehört auch eine menschenwürdige Unterbringung. Wenn Menschen menschenwürdig untergebracht sind, dann verringern sich auch Aggressionen, dann verringern sich selbstverständlich auch furchtbare Zustände, Umstände, unter denen sie leben müssen.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Das sind al- les Menschen, die abgeschoben gehören!)

Ich habe eine andere Einschätzung – Herr Heym, Sie müssen mir jetzt zuhören, ich muss Ihnen auch mitunter zuhören – zu den Bedingungen, wie wir sie im Moment in dieser Turnhalle in Meiningen haben. Auch wir warten übrigens auf das Gutachten vom Landesverwaltungsamt. Wir kennen es auch nicht. Aber ich teile die Einschätzung beispielsweise der Integrationsbeauftragten Mirjam Kruppa, die von menschenunwürdigen Zuständen gesprochen hat. Denn wer einmal in dieser Turnhalle gewesen ist, wo meines Wissens nach Aussage von Menschen aus Meiningen im Moment noch 18 Menschen untergebracht sind, dann kann ich nur hoffen, dass diese Einrichtung bald geschlossen wird. Wir alle wissen, dass dezentrale Unterbringung

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Wird sie nicht!)

das werden wir ja sehen – natürlich die Integration sehr viel mehr befördert und dass es darum gehen muss, ein gutes Miteinander zu leben und nicht Menschen aufeinander zu hetzen oder mit Stimmungsmache Ressentiments zu schüren, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ich kann abschließend nur noch einmal darauf hinweisen, es wurden viel zu lange die Augen verschlossen. Das Problem in unserer Gesellschaft,

das Problem heutzutage heißt viel zu oft Rassismus. Und das gilt es natürlich auch immer wieder hier an dieser Stelle beim Namen zu nennen. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Gibt es weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten? Herr Höcke, ich muss erst mal schauen, wie viel Redezeit noch zur Verfügung steht – einen kleinen Augenblick. 20 Sekunden.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Aber ohne Anlauf!)

Natürlich nicht.

Sehr verehrte Kollegen Abgeordnete, gestern kam es zu einem schweren Zwischenfall in Meiningen. Ein Augenzeuge berichtet Folgendes: Wie es der Zufall will, bin ich gestern nach dem Training nach Hause gefahren, kam aber nicht in die Hofeinfahrt, weil dort Polizeiwagen standen und ein Krankenwagen. Etwa acht Ausländer waren in den Hof eingedrungen und dann gab es auf meinem Grundstück eine Messerstecherei.

Herr Kollege, so schnell sind 20 Sekunden um.

Laut Aussage meiner Söhne war wohl ein Nationalitätenkonflikt Ursache. Die Polizisten wurden angegriffen, als sie die Täter überwältigen wollten, und …

Herr Kollege Höcke, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Aussprüche wie „Fuck Deutschland“.

Es ist wirklich gut jetzt.

Die Probleme sind …

Ich habe jetzt schon sehr viel Langmut an den Tag gelegt. Die Redezeit ist deutlich überschritten.

Danke schön. Danke.

(Beifall AfD)

Jetzt habe ich eine Wortmeldung von Frau Abgeordneter Berninger, Fraktion Die Linke.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren der demokratischen Fraktionen, sehr geehrte Gäste! Das Erste, was mir durch den Kopf gegangen ist, als ich den Titel dieser Aktuellen Stunde gelesen habe, war ein Slogan von Gesicht zeigen! e. V., der heißt: Gegen Hass & Hetze – ohne Wenn & Aber.