Auf jeden Fall, Herr Dittes, ein Punkt noch: Dass Bürgerbeteiligung die Gesellschaft spaltet, das fand ich ja auch mal wieder ein Offenbarungseid von Demokratieverständnis, was Sie da abgeliefert haben.
Bürgerbeteiligung ist nach Ihrem linken Verständnis nur dann zulässig, wenn es aus der richtigen Richtung kommt und die richtige Zielstellung hat. Deswegen möchten Sie am liebsten auch entscheiden,
welche Bürger sich beteiligen dürfen und welche nicht. Ich sage Ihnen eines, Herr Dittes: Genau so spaltet man die Gesellschaft, nicht, indem man Bürgerbeteiligung ganz allgemein den Weg bereiten möchte, wie wir das hier tun. Danke schön.
Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Herr Staatssekretär Götze, Sie haben das Wort für die Landesregierung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Herr Möller, Sie hatten es gerade gesagt und darin liegt genau das Problem: Ihr Gesetzentwurf ist auf Bauvorhaben anwendbar, ganz allgemein, und er bietet leider keine rechtssicheren Vorgaben, wie mit dieser frühzeitigen Bürgerbeteiligung umzugehen ist. Es dürfte gerade bei größeren Wirtschaftsansiedlungen äußerst schwierig werden, wenn Ihr Vorschlag wirklich in Gesetzeskraft erwachsen sollte, überhaupt noch für den Wirtschaftsstandort Thüringen zu werben. Darüber hinaus hatte Ihnen der Innenminister auch in der Erstberatung schon dargelegt, dass genau diese Problematik mit allen anderen Ländern und mit dem Bund schon intensiv in einem Bund-Länder-Arbeitskreis diskutiert worden ist: Wie erweitert man den § 25 Verwaltungsverfahrensgesetz? Die Länder sind zu dem Ergebnis gekommen, dass ein rechtssicheres Verfahren – und das sind wirklich Fachjuristen, die dort zusammensitzen – nicht gestaltbar ist. Deswegen hat man davon abgesehen, den § 25 zu erweitern. Ich kann nur dringend davon abraten, hier einen Thüringer Sonderweg zu gehen, wie Sie ihn vorschlagen. Es ist auch nicht damit getan, dass man jetzt einzelne Formulierungen in dem Gesetzentwurf diskutiert. Das ist alles schon geschehen.
Kurz und gut: Die Landesregierung lehnt diesen Gesetzentwurf ab. Wir sind der Meinung, dass damit eine erhebliche Schwächung des Wirtschaftsstandorts Thüringen erfolgen würde. Das kann nicht im Interesse des Landes sein. Herzlichen Dank.
Gibt es weitere Wortmeldungen? Das kann ich nicht erkennen. Dann kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion der AfD in der Drucksache 6/2139 in zweiter Beratung. Wer für den Gesetzentwurf stimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das ist die Fraktion der AfD. Gegenstimmen? Das sind alle anderen Fraktionen und die fraktionslosen Abgeordneten. Damit ist der Ge
Viertes Gesetz zur Änderung des Thüringer Kinder- und Jugendhilfe-Ausführungsgesetzes Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/2233 ERSTE BERATUNG
Wünscht die Landesregierung das Wort zur Begründung? Das tut sie. Frau Staatssekretärin Ohler, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Zuschauer auf der Tribüne! Mit dem vorliegenden Gesetz schaffen wir eine Rechtsgrundlage für die Verteilung von unbegleiteten ausländischen Kindern und Jugendlichen. Ausländische Kinder und Jugendliche, die ohne Eltern nach langer Flucht in Deutschland ankommen, gehören zu den besonders schutzbedürftigen Personengruppen. Das ist nicht nur in der UN-Kinderrechtskonvention festgelegt, es ist auch unsere tiefe Überzeugung, dass junge Menschen, die sich ohne elterlichen Schutz auf eine lange Flucht begeben, besondere Zuwendung und Betreuung brauchen. Die UN-Kinderrechtskonvention räumt deswegen dem Recht auf eine am Kindeswohl orientierte Unterbringung, Versorgung und Betreuung eine besondere Bedeutung ein.
In den vergangenen Jahren und Monaten haben sich an vielen Orten der Welt Konflikte und Krisen zugespitzt. Viele Menschen sind auf der Flucht. Auch die Anzahl der Kinder und Jugendlichen, die sich allein durchschlagen müssen und die auf der Suche nach Schutz sind, ist angestiegen. Schauen wir uns die Zahlen für Deutschland an: 2010 wurden bundesweit etwas mehr als 2.800 unbegleitete ausländische Kinder und Jugendliche registriert. Ende 2015 waren es 42.309. Das ist deutschlandweit ein Anstieg um nahezu das Fünfzehnfache. Lange gab es keine Regelung zur Verteilung der unbegleiteten Kinder und Jugendlichen. Zuständig waren die Jugendämter dort, wo die jungen Leute ankamen. Das war meist an den zentralen Verkehrsknotenpunkten. Mit dem Anstieg der Ankommenden stießen die betroffenen Jugendämter rasch an ihre Grenzen. Das Kindeswohl war nicht mehr zu gewährleisten. Es war klar, wir brauchen eine neue Regelung.
dische Minderjährige werden nun nach dem Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer verteilt. Deswegen brauchen wir eine landesrechtliche Regelung, um das Bundesrecht in Thüringen rechtssicher umzusetzen.
Der Gesetzentwurf stellt klar: Zuständig für Unterbringung, Betreuung und Versorgung sind die Landkreise und kreisfreien Städte als örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Die Zuweisung erfolgt über das Landesjugendamt. Der Gesetzentwurf wurde im Rahmen der Anhörung an 18 Einrichtungen, Verbände und Interessenvertretungen versandt. Die meisten beteiligten Institutionen erhoben keine Einwände. Drei Anzuhörende verzichteten auf die Abgabe einer Stellungnahme. Die Änderungsbedarfe, die der Gemeinde- und Städtebund Thüringen und der Thüringische Landkreistag angezeigt haben, wurden berücksichtigt. Wir sind uns gleichwohl einig, dass es auf Bundesebene noch Änderungsbedarf gibt.
Sehr geehrte Damen und Herren, die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe sind zuständig für die Betreuung. Das Land stellt Mittel bereit. Wie die Kostenerstattung geregelt wird, ist in dem Gesetzentwurf festgelegt. Im Doppelhaushalt sind im Jahr 2016 etwa 76,6 Millionen Euro eingestellt. 2017 sind es knapp 63 Millionen Euro. Darin enthalten sind neben den Kosten für Unterbringung und Betreuung auch die Kosten für die Landesmeldestelle, die Verwaltungskosten für Jugendämter sowie Mittel für erforderliche investive Maßnahmen zur Schaffung von Einrichtungsplätzen für die Betreuung von unbegleiteten ausländischen Kindern und Jugendlichen.
Ich möchte an dieser Stelle noch einen großen Dank aussprechen. Mit der Verteilung der unbegleiteten ausländischen Kinder und Jugendlichen auf die Länder hat Thüringen eine neue und große Aufgabe übernommen. Um Ihnen das noch einmal deutlich zu machen, nenne ich nur zwei Zahlen: Aktuell halten sich knapp 1.400 unbegleitete ausländische Kinder und Jugendliche in Thüringen auf. Ende 2014 waren es noch 53 Kinder und Jugendliche, die wir in Thüringen in Obhut genommen haben. Innerhalb weniger Monate wurde in Thüringen fast das 26-Fache aufgenommen. Das Jugendministerium hat diese Aufgabe gut bewältigt. Im Sommer 2015 wurde unter meiner Leitung eine Stabsstelle UMA eingerichtet. Diese Stabsstelle hat alle zusammengebracht, die mit der Betreuung der unbegleiteten ausländischen Kinder und Jugendlichen beschäftigt sind: die zuständigen Ministerien, die kommunalen Spitzenverbände, die Wohlfahrtsverbände, das Landesverwaltungsamt und den Flüchtlingsrat. In dieser Stabsstelle haben wir geklärt, wie Clearingstellen eingerichtet werden sollen, wie wir Vormünder gewinnen können, wie wir es schaffen, in solch kurzer Zeit qualifiziertes Personal zu rekrutieren. Auch dank der Stabsstelle haben wir die
enormen logistischen und rechtlichen Herausforderungen gut bewältigt. Unter großem zeitlichem Druck musste im vergangenen Jahr eine komplette Infrastruktur geschaffen werden. Zusammen mit den Kommunen wurden die Voraussetzungen für die Durchführung von Clearingverfahren geschaffen. Unterkünfte mussten bereitgestellt, geeignete Immobilien mit Brandschutz-, Sicherheits- und Informationstechnik gefunden werden. Fachkräfte mussten eingestellt werden: Betreuungsfachkräfte, Leitungsfachkräfte, Vormünder, Mitarbeiter im sozialen Dienst und Mitarbeiter in der wirtschaftlichen Jugendhilfe, aber auch technisches Personal wie Hausmeister und Hauswirtschaftskräfte. Fortbildungen wurden angeboten, um das Personal zu schulen.
Mein Dank geht hier an die Fachhochschulen in Erfurt und Jena, die berufsbegleitende Vorbildung für Quereinsteiger anbieten. Ich möchte aber allen danken, die sich hier eingebracht haben, den Verantwortlichen in den Kommunen und Landkreisen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Jugendämtern, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Träger der Einrichtungen, den ehrenamtlichen Vormünderinnen und Vormündern sowie allen unermüdlichen Helferinnen und Helfern sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Jugendministeriums.
Was in den vergangenen Monaten geleistet wurde, war ein Kraftakt – ein Kraftakt, der sich gelohnt hat. Heute verfügt Thüringen über ein gutes Netzwerk. Wir haben die jungen Menschen gut aufnehmen können. Mit dem Gesetzentwurf sorgen wir für ein festes Fundament. Ich bitte das Hohe Haus um Zustimmung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, lieber Gast, die Landesregierung möchte sich mit der hier diskutierten Regelung umfangreiche Befugnisse im Zusammenhang mit der Verteilung von minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen innerhalb Thüringens verschaffen. Das klingt erst mal ziemlich verwaltungstechnisch und langweilig, aber wer den Gesetzentwurf durchliest, der hat dann überhaupt keine Probleme, emotional zu werden.
Fangen wir mal mit den positiven Emotionen an. Ihr Gesetzentwurf enthält also durchaus Passagen, denen man Ironie attestieren kann.
Die Ironie, das Ironische sagt das Gegenteil von dem, was es meint, und zwar so, dass man trotzdem versteht, was gemeint ist. Nichts anderes macht die Landesregierung, indem sie mal eben im Gesetzentwurf behauptet, für Bürger und Wirtschaft entstehen keine Kosten. Also: Minderjährige unbegleitete Flüchtlinge in Thüringen unter einer rot-rotgrünen Landesregierung, da sollen Bürgern und Wirtschaft keine Kosten entstehen. Haben Sie die Ironie verstanden? Wahrscheinlich nicht. Nun, da Sie es nicht verstanden haben, das ist wiederum das Dilemma des Ironikers, der ja im Grunde ein verkappter Idiot ist, weil er glaubt, dass die Menschen um die Ecke denken können.
Aber auch daran hat natürlich die Landesregierung in ihrem Gesetzentwurf gedacht. Deswegen hat sie für alle, die mit Ironie so ihre Probleme haben, zwei Sätze vorher erklärt, dass sie 76,6 Millionen Euro für 2016 und 62,8 Millionen Euro für 2017 für minderjährige Ausländer einplant. Woher das Geld kommt, ist eigentlich jedem klar, nämlich vom Bürger, und zwar in Form vom Steuern. Wenn Rot-RotGrün also trotzdem meint, den Bürger kostet das ja alles nichts, dann ist das – na? – Ironie.
Oder es hat mit dem linken Verständnis der Staatsfinanzen zu tun: Was der Staat dem Bürger einmal in Form von Steuern abgeknöpft hat, gehört dem Bürger nicht mehr und hat den Bürger deswegen auch gar nicht mehr zu interessieren, egal, für welchen Unsinn man das Geld ausgibt.
Meine Damen und Herren vom rot-rot-grünen Regierungslager, hier kommt die zweite Emotion ins Spiel und das ist eindeutig eine negative. Es ist nämlich Ärger bzw. Wut. Ärger darüber, dass Sie für 1.000 bis 1.500 minderjährige unbegleitete Ausländer in zwei Jahren fast 140 Millionen Euro bereitstellen, wobei Sie in vielen Fällen nicht einmal sicherstellen können, ob es sich tatsächlich um Minderjährige handelt. Ärger auch darüber, dass Sie andererseits kein Geld dafür übrig haben, um den dringend notwendigen Ausbau eines Kinderhospizes zu unterstützen
oder Ihr Versprechen vom kostenfreien Kitajahr einzulösen. Ärger auch darüber, dass Sie Korrekturen der verheerenden Asylpolitik wie die Ausweisung der Maghreb-Staaten als sichere Drittstaaten blockieren. Dass gerade aus diesen Ländern besonders viele Minderjährige kommen, die keineswegs Flüchtlinge sind, sondern die Zweit- und Drittgeborenen, die von ihren Eltern nach Europa geschickt werden und von denen leider weit überdurchschnittlich viele als Straftäter in Erscheinung treten, auch das ist Ihnen völlig egal.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie reden von Kindern und Jugendlichen – noch mal!)
Sie nehmen weder die finanzielle Belastung der Bürger wahr, Frau Rothe-Beinlich, noch die Belastung mit der Kriminalität, denn Sie leiden – das merkt man gerade bei Ihnen – an Realitätsverlust.
Also wie wir sehen: eine ganz klare rot-rot-grüne Prioritätensetzung, und zwar gegen die Thüringer Bürger. Das ist der Hauptgrund, warum sich Ärger beim Lesen Ihres Gesetzentwurfs einstellt, nämlich weil die Belastung der Thüringer Bürger noch nie so hoch war wie unter dieser rot-rot-grünen und angeblich so sozialen Landesregierung