Protocol of the Session on August 11, 2016

(Zwischenruf Abg. Kowalleck, CDU: Es sind immer die anderen!)

Es sind nicht immer die anderen. Ich stelle den Zustand fest, in dem ich die Situation zum ersten Mal selbst steuern konnte. Wir haben in Thüringen an den berufsbildenden Schulen die teuerste Ausbildung. 6.200 Euro geben wir pro Kopf aus. Nun könnte ich sagen: Das ist gut so. Wir sparen nicht an Bildung, wir wollen dieses Geld auch ausgeben. Aber wenn man die teuerste Berufsausbildung hat und die entsprechenden qualitativen Effekte nicht eintreten und wenn es Ausfall auch an den Berufsschulen gibt, wenn wir ein Viertel unterfrequentierte Klassen haben, wenn wir im Bereich spezifischer Fächer händeringend nach den Fachkräften suchen und wenn wir auf der anderen Seite eine zurückgehende Nachfrage nach dualer Ausbildung haben, dann muss man sich doch einmal überlegen, wie wir mit diesem Umstand umgehen. Da sage ich auch: Warum haben Sie das vorher nicht angepackt? Was ich als Erstes auf den Tisch bekommen habe, waren Bescheide zur Schließung zahlreicher Ausbildungseinrichtungen.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Oh, wer hat die denn unterschrieben?)

Diese Bescheide haben wir nicht unterschrieben. Wir haben in den verschiedenen Regionen in Thüringen mit unterschiedlichen Partnern einen einjährigen Diskussionsprozess in Gang gesetzt, und wir haben begonnen, strukturelle Entscheidungen, die wir treffen mussten, umzusetzen. Das eine, muss ich sagen, ist, dass wir darauf eingegangen sind, dass uns die Berufsschulen und übrigens auch die Kammern gesagt haben, dass sie einen mittelfristigen Planungsprozess brauchen. Auf diesen mittelfristigen Planungsprozess sind wir eingegangen. Mittelfristig haben wir zunächst definiert – und da haben wir sehr viel Zuspruch erfahren –, dass wir über zwei Ausbildungszyklen planen können. Das sind also zwei mal drei Jahre, die übliche Durchlaufzeit an der Berufsschule. Natürlich muss man dazu das Berufsschulnetz straffen. Wenn ich in dieses System eingreife, in Liebgewordenes, was viele Jahre funktioniert hat, aber eben nicht mehr die Effekte brachte, dann muss man damit rechnen, dass es an dieser Stelle schmerzhafte Eingriffe gibt und dass man für diese Eingriffe auch Begründungen finden muss, zum Beispiel dass ein Viertel unterfrequentierte Klassen unser Budget so belasten, dass an der einen Stelle die Qualität nicht ausreicht und auf der anderen Seite Lehrerinnen und Lehrer fehlen. Also mit „unterfrequentiert!“ meine ich jetzt nicht 15er-Klassen, das sind zum Teil Klassen mit unter zehn Schülerinnen und Schülern. Dann haben wir gesagt, bestimmte Berufe müssen wir in ihrer Ausbildung konzentrieren. Parallel dazu haben wir die Zuschussrichtlinie überarbeitet. Gemeinsam mit den Koalitionsfraktionen haben wir uns über diese Zuschussrichtlinie verständigt, haben die Mit

tel dafür in den Haushalt 2016/2017 eingebracht. Diese Zuschussrichtlinie ermöglicht jetzt den jungen Leuten, dass dann, wenn der Weg zur Berufsschule länger ist, durch diese Zuschüsse die entsprechende Unterstützung gewährleistet werden kann. Wir haben zahlreiche Gespräche mit den Schulträgern vor Ort geführt. Wir haben positive Erfahrungen, von sehr vernünftigen Entscheidungen vor Ort bis hin zu Ablehnung unserer Entscheidung, gemacht und haben jetzt einen Zustand, dass wir die erste Stufe dieses Prozesses geschafft haben und dass wir demzufolge in die nächsten Jahre für zwei mal drei Ausbildungsperioden an den Berufsschulen diese Sicherheit haben. Interessanterweise wird mir das unterwegs auch immer wieder gesagt. Auch die Kammern sagen, dass das für sie ganz wichtig ist. Aber natürlich obenauf ist oft die Kritik des Zustands. Das verstehe ich. Aber eins darf man auch nicht machen: Man darf nicht durch die rosarote Brille schauen und dafür bin ich nicht bekannt. Aber man darf auch nicht die schwarze Brille aufsetzen und keinerlei Tatbestände mehr wahrnehmen, wo sich etwas verändert.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dritter Sachverhalt – Klassenfahrten: Ich wiederhole es noch einmal, obwohl schon an vielen Stellen gesagt. Eigentlich macht mich die Debatte darum ziemlich wütend und eigentlich kann ich Ihnen nur sagen: Zahlreiche Schülerinnen und Schüler gehen auf Klassenfahrt, zahlreiche Beantragungen gibt es, Lehrerinnen und Lehrer gehen auf Klassenfahrt und an vielen Stellen dieses Freistaats gibt es dazu keine Diskussion, aber akzeptiert: Dort, wo es Probleme gibt, muss man sich diese anschauen. Jetzt weise ich auch noch einmal auf Ihre Erfahrungen aus vergangenen Legislaturperioden zurück: Lehrerinnen und Lehrer haben früher keine Dienstreisekosten erhalten.

(Zwischenruf Abg. Schulze, CDU: Haben Sie nichts beantragt?)

(Heiterkeit im Hause)

Das verschlägt mir jetzt fast die Sprache. Aber da muss schon mehr kommen.

Die Lehrerinnen und Lehrer haben keine Dienstreisekosten bekommen. Wenn sie es versucht haben – und dazu hatten wir in der letzten Wahlperiode auch Petitionen –, wurde es abgelehnt oder ihnen wurde mit Druck gesagt, sie sollen bitte diese Dienstreisekosten nicht in Anschlag bringen, wenn sie auf Klassenfahrt gehen. Vor diesem Hintergrund muss man sich einmal überlegen – und das verstehe ich als Lehrerin sehr genau –: Ich gehe mit den Schülern auf Klassenfahrt. Ich übernehme die Verantwortung für 24 Stunden Dienstzeit rund um die Uhr, ich bereite diese Klassenfahrten pädagogisch vor – das findet im Unterricht statt, denn das ist Ler

(Ministerin Dr. Klaubert)

nen am anderen Ort –, und ich bereite sie auch nach. Mein Dienstherr sagte mir damals: Schön, dass du das gemacht hast, aber Geld gibt es dafür nicht. Den Durchbruch gab es erst, als ein Gerichtsurteil dazu gefällt worden ist, und zwar hat das Bundesarbeitsgericht 2012 entschieden, dass das nicht so sein kann. Dann ist die Frage: Wie geht man wieder damit um? Wie geht man mit Dienstreisekosten um? Jeder, ob das die Fraktionen sind, ob das ein Unternehmen ist oder eine öffentliche Einrichtung, muss Dienstreisekosten planen. Mein Vorgänger Christoph Matschie hat da auch schon einmal geplant und hat versucht, das Thema in den Griff zu bekommen. Das Ende war: Das Geld ist gar nicht abgeflossen. Demzufolge haben wir gesagt, wir setzen einen Betrag – aber ich habe das schon in den Haushaltsberatungen gesagt – von 800.000 Euro, also mehr als das, was verbraucht worden ist, für Dienstreisekosten für Kolleginnen und Kollegen in den Haushalt ein. Dann muss man sich wieder überlegen: Wie macht man denn das?

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Planlos!)

Wenn wir das planlos gemacht hätten, wäre jeder Lehrer – wie übrigens auch in anderen Ländern – mit seinem Dienstreiseauftrag zum Schulamt gerannt, hätte den genehmigt bekommen oder nicht. Wir haben uns überlegt: Was sind Klassenfahrten? Wir haben nämlich auch die Rückspiegelung erhalten, dass viele dieser Fahrten letzten Endes den Zweck „Lernen am anderen Ort“ nicht bestimmt haben. Wir haben auch erfahren, dass es Fahrten gibt, in denen eine soziale Auslese erfolgte, weil wir nämlich die Dienstreisekosten regeln können. Das, was die Schüler für die Klassenfahrt bezahlen oder was begleitende Eltern für die Klassenfahrt bezahlen, das regeln wir nicht. Demzufolge haben wir gesagt: Wenn Klassenfahrt, dann muss das für jedes einzelne Kind oder für jeden Kursteilnehmer möglich sein. Es ist ein pädagogisches Konzept, welches dahintersteht, und das muss man in dem von Ihnen benannten „bürokratischen Monster“ auch regeln.

(Beifall DIE LINKE)

Demzufolge haben wir Klassenfahrten geregelt. Diese Aussage, dass Klassenfahrten ausfallen oder nicht ausfallen, weil irgendwelche Budgets gekürzt seien, ist falsch. Es ist einfach falsch.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Frau Klau- bert, Sie genießen den Wirklichkeitsverlust!)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und Sie wiederholen sich gern!)

Erstens reden wir über Dienstreisekosten; das ist Punkt 1. Zum Zweiten reden wir darüber, dass wir die Klassenfahrten als Teil des pädagogischen Prozesses in der Schule für alle Kinder betrachten wollen und auch müssen. Es finden zahlreiche Klassenfahrten statt.

Zur berühmten Blitzumfrage, was alles nicht stattfindet, habe ich mich auch kundig gemacht. Alle bis zum 30. April eingereichten Klassenfahrten sind bis zum 31. Mai genehmigt worden. Im zweiten Schritt wird man dann überlegen, inwiefern man Skilager und Chorlager unterstützt, welche Möglichkeiten man da hat. Aber wir reden von Klassenfahrten. Sie sagen ja auch immer: Die Klassenfahrten fallen aus und sind der Meinung, wir haben mit diesem Dienstreisetitel im Haushalt das System der Klassenfahrten kaputt gemacht. Falsch, sage ich Ihnen, völlig falsch. Wir sichern, dass Kolleginnen und Kollegen, wenn sie mit ihren Schülerinnen und Schülern auf Klassenfahrt gehen, diese Dienstreise abrechnen können und auch bezahlt bekommen, was sie an Aufwendungen für eine solche Dienstreise aus ihrer Tasche beisteuern.

(Beifall DIE LINKE)

Das ist das, was wir gemacht haben. Ihre Politik der Vergangenheit konnten wir dort nur korrigieren.

Vierter Punkt: Wir bringen auch mehr Lehrkräfte in die Schulen. Man kann viel darüber diskutieren, wie viele es sein müssten. Man kann auch darüber diskutieren, wie man die Vertretungsreserve stabiler machen kann. Gern, das können wir gern machen. Ich hoffe, Sie an der Seite zu haben, wenn wir den Doppelhaushalt 2018/2019 aufstellen. Frau Taubert schaut mich ganz neugierig an, sie wird dann sagen: Welche Schwerpunkte setzen wir? Wenn wir das machen, können wir etwas anderes nicht machen. Das wird das politische Ausstreiten sein. Gern, ich kann nur sagen: Aus der fachpolitischen Sicht haben Sie mich da völlig an Ihrer Seite.

Jetzt wird natürlich in den Medien gesagt – völlig zu Recht: Thüringen hat die ältesten Lehrer. Richtig.

(Zwischenruf Keller, Ministerin für Infrastruk- tur und Landwirtschaft: Seit einem Jahr!)

(Zwischenruf Abg. Leukefeld, DIE LINKE: Das haben wir vor Jahren schon gesagt!)

Sie sind übrigens nicht seit vorigem Jahr zu diesem Jahr oder unter Rot-Rot-Grün unter besondere Alterungsstufen gekommen. Sie sind tatsächlich – wie Sie und ich – jedes Jahr ein Jahr älter geworden. Wenn man also jahrelang nicht einstellt und eine mittlere Lehrergeneration in den Lehrerzimmern völlig fehlt, dann kann ich nur feststellen: Dann haben wir es eben mit älteren Kolleginnen und Kollegen zu tun. Eines sage ich Ihnen auch: Die Diffamierung dieser Kolleginnen und Kollegen, nur weil sie älter sind, lasse ich auch nicht zu.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie bringen einen Erfahrungsschatz in die Schule. Aber aufgrund Ihrer verfehlten Einstellungspolitik konnten sie das nicht der nächsten Generation übergeben. Jetzt haben wir unter Rot-Rot-Grün

(Ministerin Dr. Klaubert)

1.000 neue Kolleginnen und Kollegen in die Schulen gebracht – da fehlt eine gesamte mittlere Generation. Wer ein bisschen pädagogisch bewandert ist, weiß, dass die Altersmischung bei Lehrerinnen und Erziehern etwas ganz Wichtiges ist. Das hat etwas damit zu tun, dass junge Leute viel Esprit, viel Neues in die Schule bringen und die anderen mit Erfahrungen dagegensteuern.

Sie haben nicht eingestellt, eine mittlere Generation fehlt. Dass ein älterer Kollege, wenn er erkrankt, durchaus einmal längere Zeit ausfallen kann, ist normal. Und dass unsere jüngeren Kolleginnen und Kollegen jetzt in die Schule kommen und auch erst mal ein Baby bekommen und in die Elternzeit gehen, freut uns. Aber es bringt wieder die Situation, dass uns die konkrete Lehrerin oder der Lehrer – na gut, der wird nicht schwanger, das wäre dann für die Elternzeit …

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Das schaffen Sie auch!)

Also Herr Emde, wenn ich das schaffe, dass Männer schwanger werden, also dann kann ich auch übers Wasser gehen.

(Heiterkeit im Hause)

Verstehen Sie das Problem? Wir stellen 1.000 neue Leute ein, jedes Jahr 500. Wir haben die Vertretungsreserve mit 100 mühsam miteinander ausgehandelt, damit wir die Vertretungsreserve sichern können. Wir haben in diesem Bereich auch befristete Arbeitsverhältnisse erschlossen. Befristete Arbeitsverhältnisse sind nicht meine Lieblingsarbeitsverhältnisse, aber sie waren das, was wir im Moment ermöglichen konnten. Vor diesem Hintergrund haben wir die Situation in den Lehrerzimmern, so wie sie ist, mit hoch engagierten Kolleginnen und Kollegen, mit wahrscheinlich hoch motivierten Schülerinnen und Schülern am heutigen ersten Schultag und aufgeregten ABC-Schützinnen und Schützen für das Wochenende. An vielen Stellen gibt es sehr gute Bedingungen und Erfahrungen. Demzufolge muss man immer wieder darüber nachdenken, wie ich selbst mit dem, was ich tue, dafür arbeite, dass das Bildungsklima ein gutes Bildungsklima ist.

(Zwischenruf Abg. Kowalleck, CDU: Jetzt kommt die Selbstkritik!)

Jetzt kommt erst einmal der Verweis auf ein Gutachten, das die CDU unter ihrer Alleinregierung gemacht hat.

(Zwischenruf Abg. Kowalleck, CDU: Waren es wieder die anderen!)

Ende der 90er-Jahre gab es das berühmte Gutachten „Entwicklung der Thüringer Regelschulen und Gymnasien“, Gutachten im Auftrag des Thüringer Kultusministers aus dem Jahr 1999. Dieses Gutachten hat offensichtlich das damalige Ministerium

in Auftrag gegeben, um hoffentlich – hoffentlich, kann ich nur sagen – vielleicht auch Handlungsoptionen abzuleiten. Was aber getan worden ist, ist nichts. In dem Gutachten – also die Jüngeren unter den Abgeordneten können sich das gern mal aus der Bibliothek holen, vor allem Herr Tischner, weil der das damals noch gar nicht so sehen konnte – steht, dass sich die Probleme aufgrund der demografischen Entwicklung verschärfen werden, die Schülerzahlen zurückgehen werden, es in den Lehrerzimmern Überalterung geben wird, es schrumpfende Schulen geben wird. Das steht dort alles schwarz auf weiß. Dann ist in dem Gutachten nachzulesen: Die Umbrüche, die uns jetzt bevorstehen – das heißt, am Beginn der 2000er –, stehen den 1990ern in nichts nach. Nun frage ich, was ist dann eigentlich gemacht worden? Was ist dann gemacht worden?

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Das sage ich Ihnen nachher!)

Da bin ich ja mal gespannt. Die Studie ist 17 Jahre alt. 15 Jahre lang hatten wir überhaupt nichts daran zu regeln und jetzt fangen wir an – ich hatte es eingangs gesagt –, die demografische Entwicklung zu berücksichtigen: Veränderungen in Lehrerkollegien, Klassenfahrten werden letzten Endes als Dienstreisen betrachtet, die Berufsschulnetzplanung haben wir gestrafft. Da sage ich: Das ist ein Schritt, den wir in die richtige Richtung gegangen sind. Der Weg ist allerdings trotzdem noch lang, denn wenn man jahrelang versäumt hat und nichts gemacht hat und dann genau – und ich nenne ihn noch mal – diesen Maschinenraum betritt und schaut, wie die Maschinen dastehen und wie sie verwahrlost dastehen,

(Unruhe CDU)

dann kann man nur anfangen und versuchen, das wieder ins Laufen zu bringen. Wenn Herr Emde in Richtung Christoph Matschie ruft – vermute ich jedenfalls –, ich würde den …

(Unruhe CDU)

Frau Ministerin, einen kleinen Augenblick. Ich bitte doch um etwas mehr Aufmerksamkeit im Saal. Wir haben ausreichend Zeit zur Debatte, liebe Kolleginnen und Kollegen, und ich bitte, sich darauf zu beschränken.

Ich würde durchaus auch einräumen, dass ich um Christoph Matschies Ringen mit dem Finanzministerium weiß, die Stellen zu bekommen. Erst im letzten Jahr ist da mehr gelungen, als man es sich überhaupt vorstellen konnte.

(Ministerin Dr. Klaubert)

Demzufolge kann ich zurückblickend auf das, was ich bisher benannt habe, nur sagen: Wir haben die Hortkommunalisierung geschafft, das Berufsschulnetz gestrafft, wir haben 1.000 Kolleginnen und Kollegen eingestellt, wir haben mit der Vertretungsreserve einen wichtigen Schritt getan – wir haben den Weg in die richtige Richtung eingeschlagen.