Protocol of the Session on May 19, 2016

2. Wie bewertet die Landesregierung Versammlungsverbote für rechtsextreme Gruppierungen im Hinblick auf den Artikel 8 des Grundgesetzes?

3. Wie schätzt die Landesregierung die Möglichkeit ein, für Versammlungen unterschiedliche Auflagen zu erteilen?

4. Wie bewertet die Landesregierung die Tatsache, dass immer häufiger Rechtsrock-Konzerte, getarnt als „Politische Kundgebungen“, durch das Versammlungsrecht gedeckt stattfinden können?

Für die Landesregierung antwortet Herr Staatssekretär Götze.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Floßmann beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:

Antwort zu Frage 1: Wie viele ausgesprochene Verbote von rechtsextremen Kundgebungen in 2015 durch Gerichte wieder aufgehoben wurden, wird statistisch nicht erfasst. Folgende Versammlungsverbote rechtsextremistischer Gruppierungen im Jahr 2015, die dann von Verwaltungsgerichten aufgehoben bzw. durch das Oberverwaltungsgericht Weimar bestätigt wurden, sind dem Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales bekannt:

Erstens ein Aufzug des NPD-Landesverbands Thüringen in Erfurt am 01.05.2015. Im einstweiligen Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht Weimar und vor dem Oberverwaltungsgericht Weimar erreichte der Antragsteller, dass der Aufzug stattfinden konnte, allerdings nur auf der vom Oberverwaltungsgericht Weimar vorgegebenen Aufzugsstrecke.

Zweitens ein Aufzug von Thügida in Suhl am 17.08.2015. Das von der Stadt Suhl ausgesprochene Verbot eines Aufzugs hatte ebenfalls keinen Bestand. Hier wurde gleichfalls im einstweiligen Rechtsschutz durch den Antragsteller vor dem Verwaltungsgericht Meiningen und vor dem Oberverwaltungsgericht Weimar erwirkt, dass der Aufzug stattfinden konnte, jedoch auch hier auf einer vom Oberverwaltungsgericht Weimar vorgegebenen Aufzugsstruktur.

Antwort zu Frage 2: Versammlungsverbote für rechtsextreme Gruppierungen sind – wie gegen jede andere Versammlung auch – nach Maßgabe der einschlägigen verfassungsrechtlichen und einfachrechtlichen Vorgaben möglich.

Zu den einfachrechtlichen Vorgaben: Nach § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz kann die zuständige Versammlungsbehörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach dem zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzugs unmittelbar gefährdet ist.

Die staatlichen Organe, also in erster Linie die Versammlungsbehörde und die Polizei, haben das Versammlungsgesetz stets im Lichte der grundlegenden Bedeutung der Versammlungsfreiheit gemäß Artikel 8 Abs. 1 Grundgesetz auszulegen und sich bei Maßnahmen auf das zu beschränken, was zum Schutze gleichwertiger anderer Rechtsgüter notwendig ist.

Antwort zu Frage 3: Über die Art und Anzahl der Auflagen entscheidet die zuständige Versamm

lungsbehörde jeweils unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei legt sie die in der Antwort auf die Frage 2 dargestellten rechtlichen Kriterien zugrunde und wendet sie an.

Antwort zu Frage 4: Bei dem in der Frage 4 implizierten Sachverhalt handelt es sich weniger um eine Tatsache, als um eine Behauptung. Zur Beantwortung möchte ich zunächst auf die Antworten zu den Fragen 2 und 3 verweisen. Zur rechtlichen Bewertung kann ich ausführen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Versammlungen solche Veranstaltungen sind, die durch eine gemeinschaftliche, auf Kommunikation angelegte Entfaltung mehrerer Personen gekennzeichnet sind. Versammlungen, die den Schutz dieses Grundrechts genießen, sind demnach örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zwecks gemeinschaftlicher Erörterung und Kundgebung mit dem Ziel einer Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung. Die verfassungsrechtliche Beurteilung, ob es sich um eine Versammlung im Sinne des Artikel 8 Grundgesetz oder nur um eine Veranstaltung, wie zum Beispiel eine Musikdarbietung oder Ähnliches handelt, richtet sich nach dieser Rechtsprechung danach, ob die Veranstaltung in ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung ist oder ob der Spaß, Tanz- oder Unterhaltszweck im Vordergrund steht. In den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit fallen Versammlungen auch dann, wenn sie ihren kommunikativen Zweck unter Einsatz von Musik und Tanz verwirklichen. Dies ist dann zu bejahen, wenn dieses Mittel zur kommunikativen Entfaltung mit dem Ziel eingesetzt wird, dass auf die öffentliche Meinungsbildung eingewirkt wird. Bleiben Zweifel, so bewirkt der hohe Rang der Versammlungsfreiheit, dass die Veranstaltung wie eine Versammlung zu behandeln ist.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Gibt es Nachfragen? Frau Abgeordnete Floßmann, bitte.

Wie viele rechtsextremistische Veranstaltungen wurden in den letzten fünf Jahren erfolgreich verboten?

Das kann ich Ihnen aus dem Kopf nicht beantworten.

Würden Sie das nachreichen?

Ich kann schauen, ob wir dazu statistisches Material haben. Das will ich gern tun.

Das wird sozusagen geprüft und wenn ja, dann übermittelt. Herr Staatssekretär, einverstanden?

Ja.

Eine weitere Nachfrage von Frau Abgeordneter Floßmann.

Wie bewertet die Landesregierung die Tatsache oder die Gegebenheiten, wenn im Vorfeld von Veranstaltungen auch Linke, Linksradikale und autonome Gruppen und Organisationen beworben werden, wo verschiedene Antifagruppen ebenfalls unter Beobachtung der Verfassungsbehörde stehen?

Entschuldigung, wenn Sie mir die Frage noch einmal näher erläutern können – wie wir das Bewerben von Gegenkundgebungen bewerten. Habe ich das richtig verstanden?

Genau, wie Sie Gegenkundgebungen bewerten, wenn im Vorfeld autonome Gruppen beworben werden.

Frau Abgeordnete, ich hatte Ihnen hier dargelegt, dass das Versammlungsrecht kein politisches Versammlungsrecht ist, ich hatte Ihnen den Artikel 8 Grundgesetz und die einfachgesetzlichen Regelungen genannt. In diesem Rahmen bewertet die Landesregierung Kundgebungen nach den Versammlungsbehörden.

Es gibt den Wunsch nach einer weiteren Nachfrage vom Abgeordneten Dittes. Bitte schön.

Herr Staatssekretär, Sie haben auf die Frage 3 der Abgeordneten Floßmann, wie schätzt die Landesregierung die Möglichkeit ein, für Versammlungen unterschiedliche Auflagen zu erteilen, geantwortet, dass es im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde

liegt, Auflagen nach der Gefahrenprognose im Einzelfall zu erlassen. Würden Sie mir vor diesem Hintergrund recht geben, dass es eher außergewöhnlich ist, wenn für so unterschiedliche Veranstaltungen wie die am 7. Mai in Hildburghausen und die am 14. Mai in Hildburghausen wortgleiche Auflagenbescheide zustande kommen, weil, dem müsste demnach eine exakt gleiche Gefahrenprognose zugrunde gelegen haben?

Das kann ich jetzt so spontan hier nicht beantworten. Sie haben das richtig wiedergegeben. Es ist immer eine Bewertung eines Einzelfalls und entsprechend haben dann die Versammlungsbehörden auf die konkrete Kundgebung zu reagieren und diese zu beauflagen. Ob das jetzt im Einzelfall ungewöhnlich war, hier mit gleichen Auflagen zu arbeiten, kann ich, wie gesagt, so spontan nicht beantworten, das müsste ich mir dann noch mal anschauen.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Ich bit- te darum!)

Das klingt nach der Zusage einer Nachreichung.

Ja.

Gut. Frau Abgeordnete König hat eine weitere Nachfrage.

Nun ist ja bekannt, dass bereits im Vorfeld des Neonazifestivals Karten für dieses zum Preis von 25 Euro verkauft wurden und damit im Gesamten circa eine Summe von fast 100.000 Euro eingenommen wurde. Inwieweit erfüllt denn das Verkaufen von Eintrittskarten zu einer angeblich politischen Versammlung nach Ansicht der Landesregierung noch den Charakter im Sinne des Versammlungsrechts?

Nach meinen Erinnerungen – auch hier stecke ich zu wenig im Detail, im Sachverhalt – ist es so, dass dort die Aufwände mit abgegolten werden sollten und nach meiner Erinnerung ist es auch so, dass das vom Verwaltungsgericht mit geprüft wurde. Auch bin ich gern bereit, Ihnen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, der sich mit dem Sachverhalt, glaube ich, ansatzweise auseinandersetzt, nachzuliefern.

Vielen Dank. Damit sind die Fragemöglichkeiten für diese Anfrage erschöpft und wir kommen zur nächsten Anfrage. Fragesteller ist Herr Abgeordneter Kuschel, Fraktion Die Linke, in der Drucksache 6/2155.

Danke, Herr Präsident.

Ausweisung von Grundzentren

Im Landesentwicklungsprogramm Thüringen 2025 (LEP 2025) ist unter Nummer 2.2.11 1 geregelt: „Die Bestimmung der Grundzentren erfolgt gesondert durch eine nachfolgende Änderung des Landesentwicklungsprogramms.“ Die Bestimmung der Grundzentren soll zukünftig im Landesentwicklungsprogramm und nicht mehr in den Regionalplänen erfolgen. Diese Bestimmung der Grundzentren soll spätestens zum Zeitpunkt des Außerkrafttretens der aktuellen Regionalpläne erfolgen. Dies ermöglicht eine einheitliche Vorgehensweise bei der Bestimmung der Grundzentren und führt zu einer Aufwertung der Grundzentren als Teil des zentralörtlichen Systems.

Ich frage die Landesregierung:

1. Bis wann und durch welches Verfahren soll im LEP 2025 die Bestimmung der Grundzentren erfolgen?

2. In welcher Art und Weise werden die regionalen Planungsgemeinschaften und die Kommunen in dem Verfahren zur Bestimmung der Grundzentren beteiligt?

3. Wie soll die Zielstellung im Gesetzentwurf zum Vorschaltgesetz zur Gebietsreform, wonach künftige Gemeinden zentralörtliche Funktionen wahrnehmen sollen, bei der Bestimmung der Grundzentren im Landesentwicklungsprogramm 2025 umgesetzt werden?

Für die Landesregierung antwortet Herr Staatssekretär Sühl.

Danke, Herr Präsident. Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, lieber Frank Kuschel, die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kuschel beantworte ich für die Thüringer Landesregierung wie folgt:

Antwort zu Frage 1: Die Bestimmung der Grundzentren erfolgt durch eine Änderung des Landesentwicklungsprogramms „Thüringen 2025“ gemäß § 3 und § 4 Thüringer Landesplanungsgesetz bis zum Jahr 2019. § 3 des Thüringer Landesplanungs

gesetzes regelt die Beteiligung der Öffentlichkeit, also die öffentliche Auslegung, und die Beteiligung der in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen, also die Behördenbeteiligung, bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen. In § 4 Abs. 3 des Thüringer Landesplanungsgesetzes ist die Beteiligung des Landtags geregelt. Demnach wird der von der Landesregierung gebilligte Entwurf des Landesentwicklungsprogramms dem Landtag mit der Gelegenheit zur Stellungnahme zugeleitet.

Antwort zu Frage 2: Bei den regionalen Planungsgemeinschaften und den Kommunen handelt es sich um in ihren Belangen berührte öffentliche Stellen im Sinne des § 3 Thüringer Landesplanungsgesetz. Den regionalen Planungsgemeinschaften und den Kommunen wird der jeweilige Entwurf des Landesentwicklungsprogramms mit der Gelegenheit zur Stellungnahme zugesandt.

Antwort zu Frage 3: Das Konzept der Zentralen Orte, wie es sich im Landesentwicklungsprogramm „Thüringen 2025“ und den Regionalplänen wiederfindet, ist in den Gesetzentwurf der Landesregierung zur Durchführung der Gebietsreform in Thüringen eingeflossen. In § 5 Abs. 2 heißt es, ich zitiere: „Jede neu gegliederte Gemeinde soll so strukturiert sein, dass sie die Funktion eines Zentralen Ortes übernehmen kann.“ Anders ausgedrückt: Jede neu gebildete Gemeinde besitzt den Funktionsumfang und die Leistungsfähigkeit eines Zentralen Ortes, mindestens eines Grundzentrums. Dies wird bei der Änderung des Landesentwicklungsprogramms berücksichtigt. Durch die Synchronisierung der administrativen mit der zentral örtlichen Gliederung können tragfähige Strukturen unter Berücksichtigung räumlicher Verflechtungsbeziehungen geschaffen werden. Ziel der Gebietsreform ist in erster Linie die Bildung leistungs- und verwaltungsstarker Gebietskörperschaften, die den an sie gestellten Herausforderungen dauerhaft gewachsen sind. Die Gemeinden in Thüringen sollen eine größere Gestaltungskraft in einem größeren Hoheitsgebiet entwickeln und damit den Bedürfnissen der örtlichen Gemeinschaft in den Gemeinden besser gerecht werden können. Sie sollen ihre Selbstverwaltungsaufgaben umfassender, selbstständiger und wirtschaftlicher erfüllen können. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.