Aber ich will es dabei belassen, Herr Kuschel. Wir haben ja heute noch ein anderes Thema, nämlich einen Gesetzentwurf der AfD. Der ist zwar nicht viel besser,
muss ich sagen; der verspricht zwar viel, aber ist meiner Ansicht nach nicht auf das Wesentliche gebracht, was wir letztendlich, auch wenn man VGs stärken will, machen wollen. Es wurde ja schon angeführt, was Sie mit Ihrem Gesetzentwurf machen wollen: 100 Millionen Euro mehr in das System der Verwaltungsgemeinschaften zu geben auf fünf Jahre verteilt und da sollen die Gemeinden die Aufgaben abgeben wie Kindergärten, Schwimmbäder,
Bürgerhäuser usw., dafür pro Jahr eine Prämie von 33.280 Euro erhalten, und das fünf Jahre lang. Was ich bei der ganzen Geschichte nicht verstanden habe, ist – oder vielleicht habe ich es auch wirklich nicht verstanden –, dass die abgebende Gemeinde, also die die Aufgaben an die Verwaltungsgemeinschaft abgibt, 33.000 Euro bekommt, damit sie es abgibt. Aber die Verwaltungsgemeinschaft, die die Aufgabe damit letztendlich erfüllen muss, also einen Mehraufwand hat, die bekommt davon nichts. Das erschließt sich mir nicht. Eigentlich müsste es ja umgekehrt sein. Die VG gibt den Anreiz, dass sie Aufgaben übernimmt, und entlastet die Gemeinde dadurch. Und wenn sie die Gemeinde entlastet, ist der Anreiz natürlich für die Gemeinde auch da, etwas abzugeben. Das erschließt sich mir an dieser Stelle überhaupt nicht.
Dann ist die Frage: Was ist nach fünf Jahren, wenn das Geld nicht mehr kommt? Werden die Aufgaben wieder zurückgenommen? Das ist auch nicht geregelt. Ein wesentlicher Punkt ist ganz einfach der, dass dieses Gesetz überflüssig ist, weil es das alles schon gibt. In § 47 Abs. 3 der Thüringer Kommunalordnung gibt es das schon. Gemeinden können heute schon ihre Aufgaben an die Verwaltungsgemeinschaft übertragen. Das ist nun wirklich nichts Neues. Das gibt es schon. Kindergärten können Zweckvereinbarungen schließen – Herr Kuschel hatte es schon angesprochen –, die allerdings von den Gemeindeparlamenten erst einmal beschlossen werden müssen. Es ist nicht so, wie Herr Kuschel das gezeichnet hat, dass Zweckvereinbarungen im Hinterzimmer zwischen Bürgermeister und VG-Chef gemacht werden. Die Parlamente, nämlich der Gemeinderat wie auch die Gemeinschaftsversammlung, müssen zustimmen. Also auch dieses Bild, damit sich das nicht verfestigt, was Herr Kuschel hier zeichnet, ist ein falsches.
Noch einmal, was die Übertragung anbelangt: Das ist heute alles möglich. Wir haben das auch schon mehrfach gemacht – auch ich in meiner Verwaltungsgemeinschaft habe viele Aufgaben von den neuen Gemeinden übernommen, übertragen bekommen: Entwicklung von Tourismusgebieten, ländlichen Wegebau. Alles das ist möglich. Deswegen habe ich nicht so richtig verstanden, warum wir das Geld zusätzlich noch einmal in die Hand nehmen wollen, um etwas zu regeln, was schon geregelt ist.
Besser ist es natürlich, die 100 Millionen Euro zu nehmen und den Kommunen zu übertragen, allen Gemeinden wieder in den KFA zu geben, wo es hingehört, damit man letztendlich auch diese Strukturen stärkt und die auch entsprechende Aufgaben, wenn sie das denn möchten, übertragen können. Wenn sie es nicht können, dann müssen sie es automatisch übertragen. Es impliziert ja immer, Ge
meinden können das alles nicht. Wenn sie es nicht könnten, könnten sie es nicht machen. Also: Es funktioniert in der Wirklichkeit und die Prioritäten setzt der Gemeinderat. Wir haben sie noch, die kommunale Selbstverwaltung – Gott sei Dank –, ich hoffe auch, dass es so bleibt!
Mit Ihrem Gesetz, liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD, kann ich so nichts anfangen. Wir werden keine Überweisung beantragen und werden der Sache dann auch nicht zustimmen. Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Versuchung ist groß, an dieser Stelle eine Debatte zu entfachen, die sich vornehmlich mit der Rolle von kommunalen Instituten befasst, Verwaltungsgemeinschaften, Einheitsgemeinden, Landgemeinden, im Zusammenhang mit Kommunalem Finanzausgleich. Aber ich darf auf unsere Tagesordnung verweisen, ich gehe davon aus, es kommt noch im Verlaufe der heutigen oder vielleicht morgigen Plenarsitzung, die CDU hat dazu schon einen Antrag eingebracht.
Der letzte Redner, Herr Abgeordneter Kellner, hat sich vornehmlich mit den Ausführungen seiner Vorredner befasst. Das kann man tun, das ist auch parlamentarisch legitim, aber mit dem eigentlichen Gesetzentwurf, der jetzt zur Tagesordnung steht, hatte das
relativ wenig zu tun. Sie haben sich dem auch nur in marginaler Weise gewidmet und – da gebe ich Ihnen sogar recht – das war auch berechtigt. Weil nämlich, meine Damen und Herren, dieser uns vorliegende Gesetzentwurf der Fraktion der AfD ein Ausdruck einer besonderen Form von Freiheit ist. Dieser Gesetzentwurf ist weitgehend frei von der Kenntnis kommunaler Zusammenhänge,
von der Kenntnis der Wirkungsweise des Kommunalen Finanzausgleichs und lässt einige wirklich schwerwiegende Lücken im Verständnis von kommunalem Zusammenwirken erkennen. Es wurde
schon von allen meinen Vorrednern richtig ausgeführt: Welche Aufgabe haben Verwaltungsgemeinschaften nach unserer Kommunalordnung zu erfüllen? Sie sind zum einen erst einmal da – und das ist der eigentliche Hauptzweck – zur Erfüllung von Aufgaben im sogenannten übertragenen Wirkungskreis. Nun ist der übertragene Wirkungskreis von Gemeinden durchaus begrenzt, weil für die Aufgaben von Bund und Land im übertragenen Wirkungskreis die Landkreise zuständig sind. Es bleiben aber noch ein paar Aufgaben übrig. Ich denke dabei zum Beispiel an Meldestellen und Standesämter, die auch für die Kommunen noch relevant sind. Das sind Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises und dafür ist per se in erster Linie nach § 47 der Kommunalordnung die Verwaltungsgemeinschaft zuständig. Es ist vollkommen richtig, was Herr Kellner schon festgestellt hat, für die Erfüllung von Aufgaben im eigenen Wirkungskreis besteht jetzt schon – eigentlich schon seit über 20 Jahren, seitdem die Kommunalordnung besteht – die Möglichkeit, Aufgaben des eigenen Wirkungskreises zu übertragen. Jetzt komme ich auf den Punkt, der mich auch ganz persönlich interessiert, wo ich, ehrlich gesagt, mehr Fragen habe an die antragstellende Fraktion, als sie bisher in der schriftlichen Vorlage und auch in der Begründung an Antworten liefern konnte. Sie kommen offenkundig zu dem Ergebnis oder zu der Erkenntnis, dass die Aufgabenerfüllung im eigenen Wirkungskreis für Mitgliedsgemeinden von VG – und wir wissen, welche Größenordnungen die Mitgliedsgemeinden in der Regel haben, Herr Kuschel hat das ausgeführt, die meisten sind unter 1.000 und die allermeisten unter 500 Einwohner – unzureichend ist,
und kommen auf die Idee, da Anreize zu liefern, diese Aufgabenerfüllung zu forcieren oder zu verbessern. Die Erkenntnis ist erst mal respektabel, Herr Henke, das will ich Ihnen durchaus zugestehen. Nur mit Ihrem Ergebnis, mit Ihren Schlussfolgerungen kann man nun wirklich überhaupt nichts anfangen. Im Grunde genommen, wenn Sie sogar Prämien – so will ich es mal bezeichnen – dafür ausloben, dass die Kommunen weitere Aufgaben Ihres eigenen Beritts abgeben, dann ist das kein Gesetz zur Stärkung der Verwaltungsgemeinschaften, sondern dann ist das ein Gesetzentwurf zur Schwächung der Kommunen, der Gemeinden.
Das bleibt festzustellen und deswegen bin ich auch gar nicht bereit, mich noch tiefer damit zu befassen, weil es zu erkennen gibt, dass Sie die kommunalen Zusammenhänge an dieser Stelle wirklich nicht erkannt haben. Die Lösungen, die die Koalitionsfraktionen gemeinsam mit der Landesregierung hier vorschlagen, sind ganz andere. Worauf kommt es
denn an? Wir wollen die Investitionskraft der Kommunen steigern. Ich habe das von diesem Pult – ich weiß nicht, wie oft schon – erklärt, aber es heißt ja immer so schön, die Wiederholung ist die Mutter der Politik.
Nun will ich Ihnen das auch noch mal erklären. Was macht denn die 300- oder 500-Seelen-Gemeinde mit ihrem Vermögenshaushalt? Wie hoch ist er denn? Ich habe das Beispiel einer Kommune, die hat, ich glaube, so um die 600 Einwohner in meinem Landkreis. Die hat einen Vermögenshaushalt von – in Worten – 22.000 Euro im Jahr. 20.000 Euro davon geben sie als VG-Umlage an die VG weiter. Also hat die Kommune im eigenen Wirkungskreis am Ende noch 2.000 Euro zur Verfügung.
Ja, Leute, der Gemeinderat muss aus dem Vermögenshaushalt übertragen, weil die mit ihrem Verwaltungshaushalt gar nicht in der Lage sind, diese Umlage aufzubringen, meine Damen und Herren, das ist doch der Punkt. Die sind überhaupt nicht mehr in der Lage, am Ende reicht es nur noch für den berühmten Eimer Farbe für das Bushäuschen an Investitionen.
Wir wollen die Investitionsfähigkeit der Kommunen stärken. Das kann man nicht tun mit einem solchen windigen Instrument, wie Sie das vorschlagen, sondern – darüber ist sich im Grunde genommen sogar die gesamte kommunale Familie einig –
wir brauchen auf der gemeindlichen Ebene größere Einheiten, damit dann auch in einer Gemeinde und in einem Gebiet Investitionen möglich sind, die so eine kleine Gemeinde allein gar nicht hätte stemmen können. Das kann ich Ihnen an meiner eigenen Gemeinde in den letzten 22 Jahren an vielen Beispielen vorführen. Ich komme aus einem Ort, der hat noch 350 Einwohner. Wir waren mehrfach in der Dorferneuerung, die Gesamtgemeinde hat für diese Dorferneuerung Eigenmittel aufgebracht, die wir als 350-Seelen-Gemeinde nie und nimmer hätten aufbringen können, auch nicht in den nächsten 20 Jahren. Das sind die Vorteile, die ich sehe und die viele andere auch sehen, wenn wir zu größeren Strukturen, zu Einheits- oder Landgemeinden kommen. Die Verwaltungsgemeinschaft hilft da überhaupt nicht weiter. Sie ist kein Instrument kommunaler Selbstverwaltung, das will ich an dieser Stelle deutlich betonen.
Deswegen werden wir auch den Weg, den wir mit der Einbringung des Vorschaltgesetzes hier vor einigen Wochen im Thüringer Landtag begonnen haben, konsequent weitergehen. Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Abgeordnete, werte Gäste! Herr Kuschel, vorneweg eine kleine Bemerkung: Sie sollten aus Ihrer olympischen Überhöhung herabsteigen und mal nach SachsenAnhalt gehen, da können Sie sehen, wie sich eine Gebietsreform entwickeln kann, nämlich in die falsche Richtung.
„Verwaltungsgemeinschaften haben den Vorteil, dass die Mitgliedsgemeinden rechtlich selbstständig bleiben und eigenständig über die ihnen obliegenden Selbstverwaltungsaufgaben entscheiden können, während die Verwaltungsgemeinschaft für ihre Mitgliedsgemeinden die verwaltungstechnischen Arbeiten und die Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises erledigt. […] Die Mitgliedsgemeinden behalten zudem ihre Gemeindeorgane Bürgermeister und Gemeinderat, die oft Motor eines höheren bürgerschaftlichen Engagements sind […].“ Diese Aussagen, meine Damen und Herren, stammen nicht von der AfD, sondern finden sich im Gesetzentwurf der Landesregierung zum Vorschaltgesetz zur Durchführung der Gebietsreform auf Seite 36.
An dieser Stelle fragt man sich, warum die Landesregierung nicht die richtigen Konsequenzen aus den fraglos zutreffenden Feststellungen getroffen hat. Die Thüringer Verwaltungsgemeinschaften sind ein Erfolgsmodell.
Sie zu stärken, anstatt sie abzuschaffen, muss Ziel einer vernunftgeleiteten verhältnismäßigen Kommunalpolitik sein. Frau König, Sie sollten mal in die Gemeinden gehen, raus aus Ihrem Jena. Dann würden Sie erleben, dass manches anders läuft, als Sie hier darstellen.
Für die These, dass die Verwaltungsgemeinschaften ein Erfolgsmodell sind, spricht zunächst einmal die Empirie. Heute sind 70 Prozent der Thüringer Gemeinden in VGs organisiert. Und zwar, das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen:
freiwillig. Nach § 46 Abs. 2 Satz 3 der Thüringer Kommunalordnung steht nämlich auch Gemeinden unter 3.000 Einwohnern offen, ob sie sich einer benachbarten Gemeinde anschließen oder Mitglied in einer Verwaltungsgemeinschaft werden. Die durchschnittliche VG in Thüringen hatte 2014 fast neun Mitgliedsgemeinden, während es 1995 nur sieben Mitgliedsgemeinden pro Verwaltungsgemeinschaft gab. Dagegen wurden seit 2008 gerade einmal 13 Landgemeinden gebildet, also durchschnittlich nicht einmal zwei pro Jahr. Zukunftsmodell Landgemeinde: Fehlanzeige. Nicht nur die kommunale Wirklichkeit in Thüringen weist eindeutig aus, dass Verwaltungsgemeinschaften sowohl effizient und effektiv sind, als auch zur Stärkung der Demokratie auf kommunaler Ebene beitragen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auf zwei Beiträge aus dem unter anderem von dem renommierten Fachmann Prof. Dr. Rosenfeld herausgegebenen Sammelband vom letzten Jahr zur Gebietsund Verwaltungsreform in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt verweisen, auf Wunsch stellen wir Ihnen den Link auch zur Verfügung. In einem ersten Beitrag wird die Effizienz der kommunalen Leistungserbringung in Abhängigkeit von der kommunalen Organisationsform untersucht. Es wird am Beispiel Sachsen-Anhalts, wo bereits eine Gebietsreform durchgeführt wurde, bei der die Verwaltungsgemeinschaften abgeschafft wurden, geprüft, ob frühere kleinteilige Verwaltungsstrukturen generell als ineffizient zu bezeichnen seien. Wie in Thüringen wurde in Sachsen-Anhalt als Argument dafür angeführt, dass vor dem Hintergrund der prognostizierten demografischen Entwicklung die kommunalen Entscheidungsträger in der kleinteiligen Struktur die Aufgaben nicht mehr eigenständig und bedarfsgerecht erfüllen können. Diese Begründung wurde durch die Studie widerlegt. Ich zitiere: „Allerdings kann weder auf der Grundlage der Analyse der mittleren Aufgaben bzw. des mittleren Personalaufwands noch auf der Basis der Ergebnisse zur Effizienz der kommunalen Leistungserbringung eine radikale Gemeindegebietsreform mit dem Ziel einer weitgehenden Zentralisierung der Verwaltungsstrukturen gerechtfertigt werden. Insbesondere dürfen die Abschaffung der Verwaltungsgemeinschaften und ihr flächendeckender Ersatz durch Einheitsgemeinden kaum Effizienzgewinne und damit keine Vorteile im kommunalen Standortwettbewerb erbringen.“