Protocol of the Session on January 29, 2015

Dieser Antrag plädiert ausdrücklich für ein offenes und transparentes Regierungs- und Verwaltungshandeln. Durch eine offene und dialogorientierte Regierungsführung soll dem Trend der allgemeinen Politikverdrossenheit entgegengewirkt werden.

Meine Damen, meine Herren, dieser Antrag eröffnet eine große Chance, nämlich hier im Plenum und darüber hinaus und vor allem gemeinsam öffentlich und mit allen interessierten Akteuren politisches Handeln verständlicher und nachvollziehbar zu gestalten.

(Beifall AfD)

Ansätze hierzu gibt es bereits. Unser Nachbarland Sachsen plant im Vorfeld konkreter Rechtssetzungsvorhaben eine Online-Bürgerbeteiligung, die Stadt Braunschweig beschließt einen Bürgerhaushalt und die Stadt Berlin stellt Liegenschaftsdaten für kommerzielle und nichtkommerzielle Verwendungszwecke frei zur Verfügung. Hierin zeigt sich: Verwaltungsdaten heißen nicht so, weil sie der Verwaltung gehören, sondern weil die Verwaltung diese Daten verwaltet.

Ich denke, wir müssen über Transparenz reden und wir müssen über Bürgerbeteiligung reden. Beteiligungen – egal, ob im Internet oder am Bürgerterminal – funktionieren aber nicht ohne die Eröffnung elektronischer Kommunikationskanäle. Kennen Sie den E-Mail-Zusatz unserer Thüringer Verwaltung? „Diese E-Mail ist keine Zugangseröffnung für den elektronischen Rechtsverkehr.“ Schade, sage ich Ihnen. Wieso können unsere Bürgerinnen nicht auf elektronischem Wege mit der Verwaltung kommunizieren? Im Jahr 2015 und in Zukunft möchten wir das ändern. Lassen Sie uns das in Thüringen besser machen.

(Beifall AfD)

Wo sind die Ansatzpunkte? Das 2014 verordnete Thüringer Informationsregister bezieht sich ausschließlich auf Informationen, nicht auf Rohdaten, vereinheitlicht weder Nutzungs- noch Lizenzrechte, regelt keine verpflichtende Datenfreigabe, würgt aufgrund fehlender technischer Datenstandards die Schaffung von neuem Wissen ab und fördert individuelle Kostenmodelle für die Informationsbereitstellung. Hier gibt es aus unserer Sicht Nachholbedarf. Im Übrigen: Mit einem Informationsregister kann auch keine Responsivität durch Beteiligung erreicht werden, wie sie von zwei Dritteln aller Thüringer laut Thüringen-Monitor 2012 gefordert wird.

(Abg. Henfling)

Neben den positiven Aspekten für die Gesellschaft müssen auch die Vorteile von Open Government vor dem Hintergrund der Wirtschaft und des Bürokratieabbaus diskutiert werden. Für die Wirtschaft sind offene Daten das Öl des 20. Jahrhunderts. Sie nutzen sich nicht ab und stellen eine unerschöpfliche Ressource dar. Offene Daten kann man als direkte Subventionen bezeichnen und sie verringern Markteintrittsbarrieren für innovative KMU.

(Beifall AfD)

Die Verwaltungskosten können durch Synergieeffekte, durch Kollaboration oder durch medienbruchfreie Kommunikation signifikant reduziert werden. Eine offene Regierungsführung schafft eine vertrauensvolle Neuordnung der Beziehung zwischen der Gesellschaft, der Verwaltung und Regierung und erhöht die Akzeptanz politischer Entscheidungen. Diese Neuordnung muss auch vor dem Hintergrund der kontinuierlich sinkenden Wahlbeteiligung gesehen werden. 2014 ging nur etwa die Hälfte aller Thüringer wählen. Open Government kann zur Erhöhung der Wahlbeteiligung beitragen. Das muss das Anliegen aller verantwortlichen Politiker hier im Hohen Hause sein.

(Beifall AfD)

Der Knackpunkt aber ist, dass Open Government einen Kulturwandel von der Verwaltung und der Regierung fordert. Datenportale kann man einfach freischalten, aber offenes Handeln von Staat, Verwaltung und Politik ist nicht auf Knopfdruck herzustellen.

Deshalb regt der Antrag die Bildung einer Enquetekommission an. Wir wollen damit ein Arbeitsgremium schaffen, welches die praktische Umsetzung des offenen Verwaltungs- und Regierungshandelns in Thüringen initiiert. Der notwendige Kulturwandel fängt bereits bei der Initiierung dieser Enquetekommission an. Hier sollen nämlich Sachverständige zu Wort kommen. Es wird Platz geschaffen werden für Ideen, für wissenschaftliches Know-how, für eine offene Diskussion mit allen beteiligten Akteuren. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Krumpe, für die Begründung. Ich eröffne jetzt die Aussprache und habe eine Wortmeldung von der Frau Abgeordneten Walsmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, mit dem in der Drucksache 6/106 vorliegenden Antrag beabsichtigt die AfD die Einsetzung einer Enquetekommission zur Untersuchung und Entwicklung von Open-Government in Thüringen. Nach ihren Vor

stellungen soll die Kommission Vorschläge für eine Thüringer Open-Government-Strategie und deren mittelfristige Umsetzung erarbeiten. Sie zählen Arbeitsschwerpunkte auf, nennen eine Übersicht über den momentanen Umsetzungs- und Entwicklungsstand von Open-Government-Konzepten im Freistaat Thüringen, die Identifikation und Priorisierung von Datensatzgruppen und die Empfehlung eines entsprechenden Modells für die Landesregierung und Verwaltung. Sie haben zu der Begründung Schlagworte ausgeführt wie Politikverdrossenheit der Bevölkerung, intransparente Arbeitsweise der Behörden etc. Die Kommission soll nach ihren Vorstellungen zu einer – ich zitiere – „vertrauensvolle[n] Neuordnung der Beziehung zwischen Politik, Verwaltung und Bürger“ führen.

Mag das Ansinnen bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar erscheinen,

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Danke schön!)

so finde ich doch die Einsetzung einer Enquetekommission zu diesem Zweck und zum jetzigen Zeitpunkt nicht notwendig – und da darf ich für meine Fraktion sprechen –,

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

denn die Fragen, die Sie selber in Ihrem Antrag aufgeworfen haben, wären zum Beispiel in vielen Dingen, wie Sie sie formuliert haben, erst mal Basisfragen, geeignet für Nachfragen, die man an die Landesregierung stellen kann. Da darf ich auf die vormalige Landesregierung verweisen, die hat nämlich 2014 ein Strategiepapier für E-Government und IT des Freistaats vorgelegt und damit auch die Grundlage für die Umsetzung von Open-Government-Maßnahmen geschaffen, die über die elektronische Unterstützung des Verwaltungshandels weit hinausgeht. Ich denke, man sollte zumindest die Gelegenheit lassen, erst mal zu sagen und nachzufragen, das ist natürlich richtig: Bleibt es bei diesen Grundsätzen? Wo sollen die abgewandelt werden etc.?

Der Freistaat hat die Entwicklung elektronischer Kommunikationsmöglichkeiten als wichtigen Punkt gesetzt und er wird ihn auch nicht aus den Augen verlieren. Falls das geschehen sollte, sind wir alle da, um daran zu erinnern, dass es wichtig ist. Die Landesverwaltung versteht unter E-Government die durchgängige elektronische Abbildung geschäftlicher Prozesse im Zusammenhang mit Regieren und Verwalten auf allen Ebenen, das heißt – das entspricht auch der Intention des Antrags – sowohl der Prozesse zwischen Bürgern und Unternehmen und der Verwaltung als auch Prozesse innerhalb der verschiedenen Verwaltungsebenen. Insofern gibt es einen ganzen Fundus an Dingen, die eigentlich schon die Fragen beantworten, die Sie selber

(Abg. Krumpe)

aufgeworfen haben. Ich glaube – und so sehe ich das –, die Weiterentwicklung von E-Government muss an ein paar ganz konkreten Leitsätzen ausgerichtet werden. Es ist überhaupt für mich ein kontinuierlicher Prozess, den man auch nicht einfach irgendwo abbrechen kann, sondern er muss kontinuierlich weiterlaufen und er kann auch nur in Teilschritten realisiert werden, aber er muss ein paar Leitsätze beachten.

E-Government muss der jeweils aktuellen digitalen Entwicklung in der Gesellschaft Rechnung tragen – da ist schon Fortschritt programmiert –, jedenfalls nicht hinterherlaufen, und nutzungsorientierte und sichere Verwaltungsdienste und Informationen für Bürger, für Unternehmen und Institutionen bereitstellen und dem Rechnung tragen, was auch das ‘14-er Strategiepapier wiedergibt. E-Government muss für mich damit auch zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und Effizienz – ganz wichtig – für Nutzer und Anbieter der Verwaltungsdienste beitragen.

Ob wir jetzt gleich mit einer großen Enquetekommission die Dinge aufarbeiten, das sehen wir als nicht so notwendig im Moment, denn Enquetekommissionen sind Arbeitsgruppen, die unterschiedliche juristische, soziale und ethische Aspekte abwägen, aufarbeiten, verarbeiten und zu Empfehlungen kommen sollen. Im Moment geht es um Bestandsaufnahme, im Moment geht es um Weiterentwicklung, aber ich sehe da noch nicht den großen Dissens. Vor allen Dingen vor dem Hintergrund von 13 Mitgliedern aus den Reihen des Landtags würde, glaube ich, die Einrichtung der Enquetekommission auch eine erhebliche Belastung jetzt am Anfang darstellen, wo auch viele andere Gremien geplant sind. Meine Fraktion empfiehlt deshalb die Ablehnung dieses Antrags.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Walsmann. Nun hat die Abgeordnete König das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kollegen, liebe Gäste auf der Tribüne und liebe Zuschauer und Zuschauerinnen am Livestream, ich rede nicht nur für die Fraktion Die Linke, sondern auch für die Fraktion der SPD und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wir haben uns nämlich in der Koalition verständigt, dass die unangenehme Last, zu Anträgen der AfD zu reden, immer auf Einzelne paritätisch verteilt wird, und ich bin jetzt sozusagen zum Thema der Enquetekommission des Antrags der AfD dran.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Sie Ärm- ste!)

Das Erste, was mich oder uns irritiert hat, ist, dass Sie so viele Fremdwörter in Ihrem Antrag verwendet haben, denn die AfD tritt ja selber für eine Deutschquote ein. Der Herr Lucke möchte nur noch auf Deutsch eingeladen werden. Insofern hat uns zumindest die Ursprungsherkunft und die häufige Verwendung des Wortes „Enquete“ in Ihrem Antrag etwas irritiert, weil es nämlich a) vom Lateinischen und b) vom Französischen her kommt.

(Beifall AfD)

Aber zum Inhalt: In Teilen ist Ihr Antrag angelehnt an die Open-Government-Studien vom Bundesministerium des Innern und auch an Studien aus der Schweiz.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Nicht ver- standen!)

In Ihrer Begründung beziehen Sie sich dabei in Teilen bereits auf die IT-Strategie des Freistaats Thüringen aus 2014 und erklären, dass Open Government einen Kulturwandel erfordert. Das hat gerade auch Ihr Redner hier vorne am Pult gesagt, um anschließend erneut zu kritisieren, dass das Strategiepapier aus 2014 nicht ausreichen würde. Nur für den Fall, dass es untergegangen ist: Am 5. Dezember 2014 gab es hier einen Kulturwandel in der Form, dass Rot-Rot-Grün in die Regierung gegangen ist und insofern bereits auf mehreren Ebenen versucht, genau diesen umzusetzen.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Kulturver- lust!)

Wir machen das übrigens nicht, indem wir uns aus Wikipedia-Beiträgen Teile der Begründung per Copy-and-paste herauskopieren, so, wie es in Ihrem Antrag der Fall war,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

sondern wir haben das sehr ausführlich im Koalitionsvertrag getan. Ich habe ihn hier in Papierform da, aber Sie können ihn herunterladen im Zuge einer entsprechenden praktischen Umsetzung der von Ihnen geforderten Open-Government-Strategie. Ich möchte nur einen kleinen Teil zitieren, und zwar zum Thema „E-Government“, so heißt bei uns einer der vielen Abschnitte: „Die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation sollen seitens der Thüringer Behörden besser genutzt werden. Dazu sind die Onlineportale auszubauen, Dokumente und Webangebote sollen möglichst durchgängig barrierefrei, nur in technisch begründeten Ausnahmen barrierearm gestaltet sein. Die zukünftige Regierung arbeitet darauf hin,“ – und jetzt sind wir nicht mehr zukünftig, sondern schon sehr effizient und effektiv in der Arbeit –

(Abg. Walsmann)

(Heiterkeit CDU)

„dass alle Behördenangelegenheiten in Zukunft auch online erledigt werden können, soweit dies gesetzlich möglich und der Schutz persönlicher Daten gewährleistet ist. Dazu sollen die Kommunen bei der Umstellung auf elektronische Verfahren unterstützt werden. Die Koalition setzt den Landtagsbeschluss ‚End-to-End-verschlüsselte-Kommunikation‘ in allen Landesbehörden umgehend um.“ So geht es weiter und so fort. Insgesamt können Sie sich dazu informieren unter anderem auf den Seiten 62, 63, 64, 86, 103 im Koalitionsvertrag. Da sehen Sie, was wir hier in Thüringen vorhaben. Das geht übrigens weit über das hinaus, was Sie in Ihrem Antrag zur Einsetzung einer Enquetekommission fordern.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Die Teile aus unserem Koalitionsvertrag zum großen Thema „Netzpolitik“ sind bundesweit auf positive Resonanz gestoßen. Ich möchte nur zwei Beispiele dazu bringen. Zum einen wurde es als „Meilenstein der Netzpolitik“ bezeichnet und bezog ausdrücklich die Teile zu Open-Government-Strategien mit ein. Und eines der wohl am häufigsten besuchten Portale, um sich zum Thema Netzpolitik zu informieren, nämlich www.netzpolitik.org, schlussfolgerte: „Gut gemacht!“ Und die haben bisher vor allem kritisch über entsprechende Verträge, Koalitionsvereinbarungen drübergeschaut. Aber wissen Sie, das Entscheidende ist, wir benötigen a) keine Enquetekommission, um den Koalitionsvertrag umzusetzen, dazu sind wir sehr wohl eigenständig in der Lage, das läuft bei uns. Die AfD ist da nicht der entscheidende Partner. Abgesehen davon, dass diese Enquetekommission zusätzliche Kosten verursachen würde – und das ist ja immer eine Sache, die Sie so kritisieren, wenn an unterschiedlichen Stellen auf sinnlose Art und Weise Geld verschleudert wird. Aber – und das ist für uns mit der Hauptgrund, warum wir Ihren Antrag ablehnen werden – „offenes und transparentes Regierungs- und Verwaltungshandeln“, so, wie Ihr Antrag lautet, ist für uns mehr als die notwendige Umsetzung von IT-Strategien, Open-Government-Standards usw. Für uns bedeutet offenes und transparentes Regierungs- und Verwaltungshandeln einen Teil einer offenen Gesellschaft, einer freien Gesellschaft und einer inklusiven Gesellschaft. Ihre Politik steht dem entgegen, Ihre Politik ist exklusiv. Wir wollen inklusiv, frei und offen. Das werden wir stärken, das werden wir fördern, das werden wir unterstützen auf unterschiedlichsten Ebenen. Wir lehnen Ihren Antrag ab. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete König. Nun hat Abgeordneter Krumpe für die AfD-Fraktion das Wort.

Frau König, Frau Walsmann, die Begrifflichkeiten, die müssen Ihnen möglicherweise noch einmal erklärt werden.

(Heiterkeit DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

E-Government ist ein Instrument, was vorrangig die elektronische Unterstützung des Verwaltungshandelns fokussiert. Also E-Government ist eine Teilmenge des Open Governments.