Protocol of the Session on January 28, 2015

Ich bin erst mal erfreut, dass wir hier über alle Parteien hinweg bei einem Thema Konsens gefunden haben und die ganze Sache etwas entkrampfen. Wir als AfD haben dazu auch eine Meinung. Junge Auszubildende haben wenig Geld. Hohe Fahrtkosten können schnell zum Problem für sie werden. Allerdings sollten gerade sie in der Lage sein, auch weite Strecken zu fahren, um an den Arbeitsplatz zu kommen. Da das Azubiticket wie ein Semesterticket für Studenten funktionieren sollte, könnten sie

(Abg. Rothe-Beinlich)

zusätzlich in der Freizeit unser schönes Thüringen bereisen. Das ist bestimmt auch nicht verkehrt, wenn junge Menschen unser Land entdecken. Vielleicht ist so ein Ticket sogar ein Standortvorteil und hilft, gute Arbeitskräfte aus anderen Ländern nach Thüringen zu locken. Die AfD-Fraktion befürwortet ein Azubiticket auch deshalb, weil es Familien mit vielen Kindern entlastet. Außerdem werden Studenten, die oft sowieso bessergestellt sind als Auszubildende, dann nicht mehr bevorzugt. Das ist aktuell eine schreiende Ungerechtigkeit. Das Azubiticket wäre also eine sinnvolle Subvention. Der Wirtschaft oder den Industrie- und Handelskammern können die Kosten allerdings nicht alleine aufgebürdet werden. Viel eher sollte die Landesregierung entsprechende Gelder umschichten und einmal etwas Vernünftiges finanzieren. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Für die Fraktion DIE LINKE hat das Wort Dr. Lukin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte vorausschicken: Heute war bei MDR INFO zu lesen, ich hätte die Nase gerümpft über den Antrag der CDU. Das habe ich erstens nicht gemacht, das würde mir auch gar nicht einfallen, und wenn, dann kann ich mich höchstens ein bisschen darüber freuen, dass die CDU ausnahmsweise mal von der Linken, und zwar ganze Passagen, abgeschrieben hat.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Ja, haben Sie gemacht!)

Aber ich denke, wir sollten die Ricola-Werbung jetzt nicht weitertreiben, sondern darüber sprechen, was ist positiv an dem Antrag und was können wir weiterberaten.

Einmal ist positiv, dass das Schüler- und Azubiticket wieder in die Öffentlichkeit gerückt wurde, dass es als ein Arbeitsauftrag zu verstehen ist, denn unser Antrag vom 02.04.2014 ist ja leider der Diskontinuität zum Opfer gefallen. Ziel war damals ein Zwei-Stufen-Plan. Wir alle wissen – es ist auch schon mehrfach in den Beiträgen gesagt worden –, dass im damaligen Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur die existierende Richtlinie „Zuschüsse an Berufsschüler für die Ausbildung in Bundes- und Landesklassen bzw. überregionalen Fachklassen während des Blockunterrichts“ von 2010 den Anforderungen keineswegs genügt hat. Der Kollege der CDU hat schon dargestellt, dass die Gelder nicht ausgeschöpft wurden und dass nur begrenzte Härtefälle eine Antragsmöglichkeit haben. Außerdem war es auch relativ wenig bekannt. Ich hätte mir allerdings gewünscht, wenn Zuschüsse oder ein Azubiticket tatsächlich im Regierungs

programm der CDU oder auch im Wahlprogramm enthalten waren, dass man dann gemeinsam mit dem Koalitionspartner SPD – ich denke, an dem wäre es nicht gescheitert – schon Möglichkeiten gefunden hätte, so eine Art Rückerstattungsmöglichkeit oder Zufinanzierungsmöglichkeit 2010, 2011 oder 2012 oder vielleicht noch ein bisschen später in Gang zu bringen. Die Möglichkeit hätten Sie gehabt. Positiv an dem Antrag ist auch, dass ein Bericht über die aktuelle Situation gefordert wird. Wenn ich mal zurückschauen darf: Bisherige Kleine Anfragen von Frank Kuschel, Katharina König, Susanne Hennig-Wellsow und von mir hatten einmal mehr den großen Flickenteppich gezeigt, den die Schüler- und Azubiförderung allein in Thüringen hat. Ich nehme mir jetzt mal das Beispiel ab Klasse 11: Ganz unterschiedlich wird in den Landkreisen und den kreisfreien Städten der Eigenanteil von Schülern oder Eltern bei der Finanzierung des Schülertickets gehandhabt. Manche Kreise geben 15 Euro dazu, manche 20, manche machen eine 50-prozentige Rückerstattung. Genauso unterschiedlich sind auch die Befreiungstatbestände bei Beziehern von ALG II und von Sozialgeld. Hier ist allerdings das Problem, dass die Verantwortung die Träger der Schülerbeförderung im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung haben, das heißt also, hier zeichnet sich noch größerer Gesprächsbedarf ab.

Gut ist auch, dass wir Erfahrungen aus anderen Bundesländern mit hinzuziehen wollen. Hier ist der eigentlich interessante Punkt, der uns ein bisschen verwundert hat, weil gerade hier der Antrag der CDU ausgerechnet einen gesetzlichen Anspruch bzw. die Erarbeitung einer konkreten weiter reichenden Richtlinie zur Erstellung von Fahrtkosten, wie es zum Beispiel in Sachsen-Anhalt ist, oder einer gesetzlichen Regelung, wie es in Bayern ist, nicht von uns abgeschrieben hat. Das ist auch nicht erwähnt worden. Denn hier wäre zeitnah Abhilfe für einen Großteil von Schülern an weiterführenden Schulen und Berufsschulen sowie Azubis schon möglich, bevor wir in den Diskussionsprozess, den Sie auch aufgenommen haben, mit den Entscheidungsträgern, mit den Verkehrsbetrieben, mit den Ministerien bzw. mit den gesellschaftlichen Kräften, die Sie auch erwähnt haben, treten.

Ich möchte noch zwei Punkte benennen, warum die Diskussion für das Azubiticket doch einen längeren Atem braucht. Einmal, das haben wir schon erwähnt, alle miteinander, wir wollen das sehr gründlich vorbereiten und mit allen Kräften reden. Zum Zweiten haben wir die Situation, dass viele Wohnorte und viele Schulorte oder Standorte von Arbeitsmöglichkeiten und Berufsschulen nicht mehr mit dem ÖPNV zu erreichen sind. Das ist natürlich auch ein Problem, das wir mit berücksichtigen müssen. Ein zweites Problem: Sie haben die Möglichkeit der Einrichtung eines Azubitickets mit dem Se

(Abg. Henke)

mesterticket verglichen. Nun haben wir selbst in Thüringen kein einheitliches Semesterticket für die Studenten. Wer sich im Unibereich ein bisschen auskennt, der weiß, dass beispielsweise die Studierenden an der Fachhochschule in Nordhausen die Fahrt zwischen Wohnort und Standort der Fachhochschule mit dem Semesterticket antreten können. Die, die im VMT-Bereich angesiedelt sind, also im Verkehrsverbund Mittelthüringen, haben einen besonderen Block – VMT – im Ticket verankert. Das ist eine bestimmte Summe, die die Studierenden zum Semesterbeitrag hinzufügen, das heißt, sie können sich in diesem Bereich nicht nur mit der Bahn, sondern auch noch mit Bus und Straßenbahn bewegen. Das sind also völlig verschiedene Modelle, das einheitliche Semesterticket für Studenten selbst in diesem Zusammenhang gibt es nicht. Wie also wollen wir das Ganze vorwärtsbewegen? Wir müssen natürlich an der Stelle sehr deutlich machen, erstens, welche Möglichkeiten und welche Verhandlungspartner miteinander in Kooperation treten müssen. Soll das das Ministerium anstelle des Studentenwerks machen oder die IHK? Denn das Studentenwerk zahlt an die Verkehrsunternehmen, das wissen Sie, einen jährlichen Beitrag – pro Student in unterschiedlicher Höhe, je nach Semesterticket – am 30.11. und am 31.05. Wer soll hier möglicherweise in Vorleistung gehen? Zahlen die Azubis einen einheitlichen Beitrag? Beziehungsweise, wir haben keinen thüringenweiten Verkehrsverbund, leider, noch nicht. Daran arbeiten alle Interessierten. So bleibt die Frage: Wie stimmen wir das Vorhaben mit den kommunalen Verkehrsbetrieben und den Verkehrs- und Aufgabenträgern ab?

Dann gibt es im Auszubildendenbereich selbst größere Unterschiede. Diejenigen, die die Chance haben, eine Ausbildung im öffentlichen Dienst angetreten zu haben, bekommen punktuell die Fahrtkosten zum Arbeitsort bzw. zum Berufsschulort erstattet. Andere Arbeitgeber haben unterschiedliche Lösungen. Einige erstatten die Fahrtkosten zur Berufsschule. Bei einigen werden Benzin- oder Tankgutscheine vergeben. Warum also wollen wir von vornherein die Arbeitgeber aus der Verantwortung nehmen? Sie zahlen bereits in diesen Topf mit ein.

Das heißt, wir haben hier einen großen Abstimmungsbedarf. Deswegen würde ich unterstützen, dass wir im Ausschuss die Varianten gesetzlicher Rückerstattungsanspruch bzw. Zuschussrichtlinie diskutieren, die wir mit einer schnellen Lösung erreichen können, und die Variante Azubiticket, Schülerticket, die wir alle gemeinsam – hoffe ich doch – in Zukunft anstreben, vorbereiten. So wie das Modell Semesterticket nur funktioniert, wenn sich alle beteiligen und auch die Studierenden bei Tarifanpassungen ein Mitspracherecht haben, muss diese Möglichkeit natürlich auch den Azubis und den Berufsschülern gewährt werden. Das heißt also, auch

hier werden wir über eine Vertretung der Azubis und der Berufsschüler sprechen, wenn wir diese beiden Modelle – ein semesterticketähnliches Modell oder ein Angebotsmodell eines preiswerten Tickets in Thüringen – auf die Tagesordnung setzen. Das heißt also, wir haben einen längeren gemeinsamen Weg vor uns und den sollten wir in den Ausschüssen besprechen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vonseiten der Abgeordneten liegen mir jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Für die Landesregierung hat sich die Ministerin für Infrastruktur und Landwirtschaft, Frau Keller, zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Abgeordnete, ich kann es kurz machen. Ich stelle große Einigkeit darüber fest, dass es ein Schul- und Auszubildendenticket geben soll. Das ist der Auftrag. Ich denke, es ist deutlich geworden in der Diskussion, dass wir erheblichen Bedarf an Einbeziehung von Betroffenen haben, wie wir zu einer ausgewogenen Finanzierung kommen. Es gibt dafür mehrere Möglichkeiten. Deshalb freue ich mich auch auf die Diskussion im Ausschuss. Ich bin mir sicher, wir werden zu einem solchen Ticket kommen. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden an den Ausschuss für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten, den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft und den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport.

Wir stimmen zunächst über die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten ab. Wer für die Überweisung stimmt, den bitte ich um sein Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Damit ist der Antrag an den Ausschuss für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten überwiesen.

Wir stimmen über die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft ab. Wer für die Überweisung ist, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Damit ist der Antrag auch an den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft überwiesen.

Wir stimmen über die Überweisung an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport ab. Wer für die Überweisung stimmt, den bitte ich um das

(Abg. Dr. Lukin)

Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen?

Es wurden zwei Federführungen beantragt. Wir stimmen zunächst über die Federführung für den Ausschuss für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten ab. Wer dieser zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Ich bitte einfach zu zählen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Damit ist die Federführung für den Ausschuss für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten bei den Stimmen der Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und SPD beschlossen, bei Gegenstimmen der CDU und teilweise der Fraktion der AfD. Ich habe noch nicht nach den Enthaltungen gefragt. Wer enthält sich der Stimme? Bei teilweise Enthaltungen der Fraktion der AfD. Damit brauchen wir über die Federführung für den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport nicht mehr abzustimmen. Ich schließe den Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 3

Vorgezogene Evaluierung des Thüringer Vergabegesetzes Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/89

Wünscht die Fraktion der CDU das Wort zur Begründung? Das kann ich nicht erkennen. Die Landesregierung erstattet einen Sofortbericht zu Nummer I des Antrags. Für die Landesregierung erteile ich dem Staatssekretär Markus Hoppe das Wort.

Vielen Dank. Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, das Thüringer Vergabegesetz geht ursprünglich auf die Vereinbarung zwischen CDU und SPD aus dem Koalitionsvertrag von 2009 zurück. Nun möchte die CDU-Fraktion es vorzeitig evaluieren.

Das Thüringer Vergabegesetz fügt sich in eine Reihe von Vergabegesetzen anderer Länder ein. In Deutschland hat lediglich Bayern für den Unterschwellenbereich kein eigenes Gesetz. Das Thüringer Vergabegesetz bewegt sich also im Rahmen der in den anderen Bundesländern ebenso üblichen gesetzlichen Regelungen zur Vergabe öffentlicher Aufträge. Das Gesetz trägt der Verantwortung der öffentlichen Auftraggeber zur sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung der Steuermittel Rechnung. Es stellt sicher, dass bei öffentlichen Beschaffungsvorgängen ein fairer Wettbewerb gewährleistet wird und hierbei soziale Standards eingehalten werden. Es verhindert gleichzeitig, dass beim Wettbewerb um öffentliche Aufträge die Konkurrenz durch Absenkung von Lohn- und Sozialleistungen vom Markt gedrängt wird. Sinn und Zweck des Gesetzes ist es daher, für alle gleichermaßen verbindliche Standards und damit die Vorausset

zung für einen gerechten Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu schaffen.

Gern wird vorgetragen, seit dem Inkrafttreten des Vergabegesetzes hätte sich die bürokratische Belastung der Landkreise bei Vergaben um roundabout ein Drittel erhöht. Ich stelle fest, dass die Argumente zum Beispiel des hiesigen Landkreistags insbesondere in Bezug auf die Dokumentation und die Nachprüfung nicht greifen, da diese Punkte ganz eindeutig keine mit dem Thüringer Vergabegesetz neu eingeführten Verpflichtungen darstellen. Diese Verpflichtungen galten bereits vor Inkrafttreten dieses Gesetzes. Die Gemeinden und Landkreise waren bis zum 1. Mai 2011 durch das Haushaltsrecht verpflichtet, die Vergabeordnung anzuwenden und damit auch die Vergaben zu dokumentieren.

Wo könnte tatsächlich Mehraufwand entstanden sein? Das betrifft möglicherweise die Vorgaben zur Beachtung der Tariftreue für Branchen nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz, zur Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen und zum Rechtsschutz im Unterschwellenbereich. In Bezug auf die obligatorische Abgabe einer Verpflichtungserklärung zur Einhaltung der Tariftreue und Entgeltgleichheit und der ILO-Kernarbeitsnormen haben die Firmen darauf zu achten, dass die vorgefertigten Formblätter mit der Abgabe des Angebots ausgefüllt und unterschrieben eingereicht werden. Diese Überprüfung dürfte einen überschaubaren Aufwand verursachen.

Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz ist für Kommunen auch ohne das Thüringer Vergabegesetz zu beachten. Dies gilt seit dem 1. Januar auch für das Mindestlohngesetz. Ich betone noch mal ausdrücklich: Es entsprach dem politischen Willen, die Anforderungen an die Tariftreue und die ILO-Kernarbeitsnormen in das Vergabegesetz aufzunehmen, um die Ziele – Vermeidung von Wettbewerbsverzerrung durch Lohndumping und zunehmende Absenkung von Sozialstandards – bei der Vergabe öffentlicher Aufträge größtmöglich durchzusetzen.

Ein Rückgang von Bewerber- bzw. Bieterzahlen insbesondere aus dem Bereich der kleinen und mittelständischen Unternehmen seit dem Inkrafttreten des Thüringer Vergabegesetzes ist für uns nicht zu erkennen. Hierzu liegen derzeit auch keine belastbaren statistischen Erhebungen vor, die Schlussfolgerungen über Veränderungen der Beteiligung von Unternehmen an öffentlichen Ausschreibungen aufgrund des Vergabegesetzes enthalten. Ein Rückgang, so er denn bestünde, wäre außerdem auf vielfältige Faktoren zurückzuführen. Hierbei könnte auch eine maßgebliche Rolle spielen, dass die Auftragsbücher bei der Mehrheit der Thüringer Handwerker derzeit gut gefüllt sind. Die Umsatzzahlen für das Handwerk befinden sich auf einem beachtlich positiven Niveau. Ein Einbruch, der durch das

(Vizepräsidentin Jung)

Vergabegesetz begründet werden könnte, ist deshalb nicht erkennbar.

Gern wird auch behauptet, dass das Vergabeverfahren verzögert werde. Das beinhaltet die Bewahrung von Rechtsschutz durch das Nachprüfungsverfahren. Das Nachprüfungsverfahren hat die Prüfung der Rechtsaufsicht bei Beschwerden von Unternehmen ersetzt. Gerade gegenüber den Landkreisen wird die gleiche Behörde wie früher tätig, nur mit dem Unterschied, dass der Nachprüfungsinstanz nur noch zwei Wochen zur Überprüfung bleiben. Für die damalige Prüfung der Rechtsaufsicht gab es keine Prüfungsfrist, sodass im Ergebnis der Zeitverzug durch Nachprüfung nicht größer, sondern eher kürzer geworden ist. Das bedeutet an dieser Stelle auch, dass durch die Einführung der Nachprüfung durch die Vergabekammer die Rechtsaufsichten in den Landratsämtern und die sonstigen Rechtsaufsichten entlastet wurden. Die Vergabekammer ist jetzt auch für viele Vergabeverfahren zuständig, für die vor dem Inkrafttreten des Vergabegesetzes die Landratsämter als Rechtsaufsichtsbehörde zuständig waren.

Aufgrund der alleinigen Zuständigkeit der Vergabekammer für alle Verfahren ist zudem eine kontinuierliche und einheitliche Rechtsanwendung sichergestellt. Zuvor war das nicht unbedingt gewährleistet. Wir führen keine Statistik über Vergaben, wir können jedoch annehmen, dass in Thüringen jährlich mehrere Zehntausend Vergaben erfolgen. Im Verhältnis hierzu ist die Anzahl von 57 Nachprüfungsverfahren in 2012, 61 in 2013 zuzüglich 23 EU-weiten Verfahren sowie 77 Verfahren in 2014 nach dem Thüringer Vergabegesetz eher gering.

Im Hinblick auf die Bitte zur Prüfung einer Evaluierung des Vergaberechts ist auf § 20 des Thüringer Vergabegesetzes zu verweisen. Der Gesetzgeber hat hierzu entschieden, dass das Thüringer Vergabegesetz fünf Jahre nach Inkrafttreten einer Evaluierung unterzogen wird, und das wird 2016 der Fall sein. Eine Evaluierung nach der gesetzlich vorgesehenen Zeit ist sachgerecht. Außerdem haben wir erst im November 2014 die neue Verwaltungsvorschrift zum Vergaberecht verabschiedet. Diese untergesetzlichen Normen wurden damit gestrafft und viele Auslegungsfragen geklärt.

Schließlich läuft zum 18. April 2016 die Umsetzungsfrist für die neuen EU-Vergaberichtlinien ab. Der Bundesgesetzgeber muss also das Vergaberecht im sogenannten Oberschwellenbereich neu gestalten. Wie dies geschieht, ist derzeit noch relativ offen. Wir sollten daher diese Änderung in die Evaluation des Thüringer Vergaberechts mit einfließen lassen, um einen Gleichklang zwischen Ober- und Unterschwellenbereich herzustellen bzw. beizubehalten.

Insofern sieht die Landesregierung derzeit keinen Bedarf für eine vorgezogene Evaluation. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke dem Staatssekretär Markus Hoppe im Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und digitale Gesellschaft für den Sofortbericht. Gemäß § 29 Abs. 2 Satz 3 der Geschäftsordnung werden Beratungen zu Berichten der Landesregierung grundsätzlich in langer, also doppelter Redezeit verhandelt.

Ich frage: Wer wünscht die Beratung zum Sofortbericht zu Nummer I des Antrags? Es wünschen alle Fraktionen. Dann eröffne ich die Beratung zum Sofortbericht zu Nummer I des Antrags. Gleichzeitig eröffne ich auch die Aussprache zu Nummer II des Antrags. Ich rufe für die Fraktion der AfD Herrn Abgeordneten Möller auf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich mache es kurz. Das Thüringer Vergabegesetz ist bereits im Koalitionsvertrag als zukünftiges Betätigungsfeld der Landesregierung genannt worden. Man möchte sich also sowieso damit beschäftigen. Unter anderem soll geprüft werden, wie die Gültigkeit der ILO-Kernarbeitsnormen weiter als die bisherige Sollregelung gefasst werden kann. Bereits in das aktuelle Thüringer Vergabegesetz sind solche vergabefremden Aspekte mit eingeflossen. Die Einführung solcher vergabefremden Aspekte führt dazu, dass die klassischen Regelungszwecke des Vergaberechts überlagert werden. Der klassische Zweck ist die wirtschaftliche Entscheidung für ein Angebot. Wenn man solche vergabefremden Aspekte in das Vergaberecht mit aufnimmt oder die dann sogar verschärft, dann hat das immer auch Rückwirkungen auf die Funktionsfähigkeit des Vergabeprozesses. Das Vergaberecht wird dann in der Regel komplizierter, es wird unübersichtlicher, es gibt eine größere Rechtsunsicherheit. Entsprechende Hinweise gibt es auch bereits jenseits aller Statistik aus der Wirtschaft und aus der Verwaltung.

Daher unterstützen wir den Antrag der CDU, die Auswirkungen der Aufnahme vergabefremder Aspekte wie der Kernarbeitsnormen in die bisherige Gesetzesfassung zeitnah zu untersuchen, und wir unterstützen auch, entsprechende Fehlentwicklungen aus der Vergangenheit möglichst zeitnah zu korrigieren, statt weiter welche aufzubauen. Für die Zielsetzungen Tariftreue und Mindestlohn oder die Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen sind andere Regelungen und Gesetze heranzuziehen, nicht das Vergaberecht. Danke schön.

(Beifall AfD)